Effektverkabelung fuer Gitarre
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Special:
Effektverkabelung für Gitarre
Durchblick im FX-Dschungel!
Welche Geräte gibt es und
was können sie
SPECIAL
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Die 11 Gebote
der Verkabelung
1-2-3 … dabei!
So bastelt ihr euch
das passende FX-Setup
Ein Special von Vilim Stößer
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Effekte klingen majestätisch, psychedelisch oder einfach nur
abgedreht. Sie lassen die Gitarre aggressiver, größer und brei-
ter klingen oder verfremden das Signal. Doch damit die Geräte
den Sound verbessern, statt ihn zu verderben, sind einige
Basics zu beachten. Das fängt schon bei der Auswahl an.
FOTOS: IMAGO
Durchblick im FX-Dschungel
Welche Geräte gibt es und was können sie?
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Soundcheck 09 08
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letzten Jahrzehnt aufgekommenen „Modeler“ dar,
welche – dank moderner Chip-Power – die typi-
schen, teilweise höchst komplexen Klangcharakte-
ristika analoger Geräte (und selbst anderer Instru-
mente) glaubhaft simulieren können. Trotz unter-
schiedlicher Technik gibt es all das, wie gesagt, im
praktischen und kompakten Pedalformat. Die
größten Vorteile dieser Bauform bestehen natür-
lich darin, dass man leicht ein Gerät hinzufügen
oder austauschen kann, dass die Schalter zur Ak-
tivierung bzw. Deaktivierung direkt im Gehäuse
integriert und dass auch die Bedienelemente di-
rekt zugänglich sind. Schließlich liegen einem die
Teile gewissermaßen zu Füßen. Es verwundert al-
so nicht weiter, dass die praktischen Pedaleffekte
nach wie vor so weit verbreitet sind.
Der Klassiker unter den Effektsetups:
Bodeneffekte und Pedalboards.
19-Zöller & Multi-FX
Mit der Zeit stiegen die klanglichen Ansprüche
der Musiker und der Techniker, und man war mit
den einfachen, häufig stark nebengeräuschbe-
hafteten Pedaleffekten nicht mehr zufrieden.
So
begannen einige Gitarristen in den frühen 80er-
Jahren Highend-Effektgeräte aus dem Studiobe-
reich zu verwenden und mehrere davon in ein
genormtes 19-Zoll-Rack-Gehäuse zu schrauben.
Diese luxuriösen Sound-Maschinen stammten
(von wenigen Ausnahmen abgesehen) aus dem
professionellen Recording-Bereich, waren entspre-
chend kostspielig und häufig auch nicht ganz ein-
fach zu bedienen. Doch nach und nach sprangen
immer mehr Hersteller auf den Zug auf. Die Preise
purzelten allmählich, bis sich auch normale Musi-
ker ohne Platinalbum solche Geräte leisten konn-
E
ffektgeräte gehören sicher zu den unmittel-
barsten Methoden, sich neue Inspirationen
zu holen oder den Sound aufzupäppeln be-
ziehungsweise umzukrempeln. Es ist ja auch so
einfach: Man tritt einfach auf einen Schalter und
schon verwandelt sich das Klangbild und be-
kommt eine ganz neue Wirkung und Dimension
(Viel billiger und gesünder als die Einnahme ille-
galer Substanzen ist es nebenbei bemerkt auch
noch). Kein Wunder also, dass es so viele Herstel-
ler auf dem FX-Sektor gibt, die den Musiker mit
ihren mannigfaltigen Produkten umwerben. Die
Möglichkeiten sind schier endlos. Deshalb ist es
wichtig, sich zuallererst einen Überblick über die
verschiedenen Effekttypen und -kategorien zu
verschaffen. Fangen wir mit den Bauformen an,
in der so ein Effektgerät gebaut sein kann. Teil-
weise sind die Übergänge zwischen diesen Kate-
gorien fließend. Deshalb macht es Sinn sich zu-
nächst auf die Grundformen zu konzentrieren.
die Dinger schon im Umlauf, und ursprünglich ver-
bargen sich darin mehr oder weniger simple analo-
ge Schaltungen, denen aber im Laufe der techni-
schen Entwicklung immer mehr abverlangt wurde.
So gibt es auch Kombigeräte, teilweise mit schon
recht komplexen Bedien-Features. Auch Spezial-
werkzeuge, die ihre klanglichen Fähigkeiten unter
anderem einer integrierten Röhrenschaltung ver-
danken, sind keine Seltenheit.
Seit Beginn des digitalen Zeitalters findet sich
schließlich auch in vielen vermeintlich einfachen
Bodentretern ein leistungsfähiger Computer-
Chip, der den oder die gewünschten Effekt-
Sounds errechnet.
Eine weitere Entwicklungsstufe
auf der Evolutionsleiter stellen schließlich die im
Ein Tritt, ein Sound
So ziemlich jeder Gitarrist oder Bassist kennt
vermutlich die beliebten Einzeleffekte im Boden-
pedalformat.
Diese im englischen Sprachgebrauch
ganz treffend „Stompboxes“ (übersetzt also „Tret-
büchsen“) genannten Gerätschaften, waren die
ersten kommerziell vermarkteten Effektgeräte, die
speziell für Musiker entwickelt und gebaut wurden.
Seit den 50ern des vergangenen Jahrhunderts sind
Im Profibereich führend:
Je professioneller der
Act, desto öfter kommen
Racksysteme zum Einsatz.
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Special:
Effektverkabelung für Gitarre
Die neue Vielfalt
der Signalkette recht problemlos seinen Dienst
versieht. Ein Wah-Pedal lässt sich auch hinter
dem Verzerrer platzieren, sofern man es eher zur
Frequenzkorrektur einsetzen will. Auch EQ- oder
Booster-Pedale können schon mal ans Ende der
Kette wandern. Schaltet man hingegen die Mo-
dulationseffekte vor die Overdrive-Abteilung und
übersteuert das Ganze anschließend, wird der
Sound erheblich matschiger. Nicht anders sieht
es aus, wenn man dem Signal zunächst einen
Reverb- oder Delay-Effekt verpasst, und es dann
erst durch einen Chorus oder gar den Overdrive
schickt. Und wer meint, ein Noise Gate am Ende
der Effektkette müsste doch für die geringsten
Nebengeräusche in Spielpausen sorgen hat zwar
Recht, erkauft sich die Ruhe aber damit, dass
auch die Ausklingphase der Raumeffekte dras-
tisch beschnitten wird – offensichtlich also auch
keine optimale Lösung. Die zuvor beschriebene
Standardreihenfolge hat also durchaus ihre
praktische Berechtigung.
Schwierig kann es mit der Verkabelung bei
Multieffektgeräten in Pedalboard-Ausführung
in Kombination mit Gitarren-Amps werden.
Solange man nur die Sounds des FX-Boards
verwendet und das Ganze vor einen clean
eingestellten Verstärker beziehungsweise vor
den Effekt-Return schaltet, ist alles in Ordnung.
Sobald man jedoch die Drive-Kanäle des Amps
nutzen möchte, wird es komplizierter.
zelnen Effekt brauchten und für den Rest eigent-
lich gar keine Verwendung hatten, ließen sich
damals vom „Mein-Prozessor-kann-aber-mehr“-
Wettrüsten vereinnahmen. Die Hersteller waren
daran natürlich nicht ganz unschuldig. Denn die
Anzahl der gleichzeitig verwendbaren Effekte
wurde von den Marketingabteilungen zum ver-
meintlich wichtigsten Qualitätskriterium hochsti-
lisiert. Irgendwann wurden die Musiker der Sache
dann aber überdrüssig, und so gerieten die 19-
Zöller in Verruf. Fortan galten die vielseitigen
Multitalente als unmusikalische,
übertechnisierte Spaßbremsen,
und man besann sich wieder auf
den kultigen Lo-Tech-Flair der
guten alten Bodentreter. Mittler-
weile schlägt das Pendel aber
nicht mehr so weit in beide Rich-
tungen aus und Pedals und
Rack-Prozessoren bestehen fried-
lich nebeneinander.
Das Ergebnis des Wettrüstens der
90er:
Auf großen Tourneen sieht man
reihenweise mannshohe Racks voller
feinstem Equipment (natürlich bestens
geschützt), gerne auch in zweifacher
Ausführung. Hier übrigens das Setup
von Disturbeds Dan Donegan.
Praxistipp
Effektive Reihenfolge
Gerade bei den Bodenpedalen stellt sich
die Frage, in welcher Reihenfolge man die
Effekte am besten anordnet. Da Sound nun
mal Geschmacksache ist, gibt es dafür keine
ehernen Regeln. Nachstehend sei allerdings
beispielhaft ein Aufbau dargestellt, der in der
Praxis gut funktioniert und den wenigsten Ärger
macht. Dabei packt man „charakterformende“
dynamische Effekte wie Kompressor, Wah-Wah
oder Booster vor die „Zerrstufe“ – also entweder
vor das Overdrive- beziehungsweise Distorti-
on-Pedal oder direkt vor den Verstärker, falls
dieser allein für die Übersteuerung zuständig ist.
Danach erst folgen die Modulationseffekte wie
Chorus, Flanger usw., dann gegebenenfalls ein
Noise Gate, das Delay und zu guter Letzt noch
der Hall. (Das setzt dann allerdings voraus, dass
der Verstärker einen Effektweg besitzt.) Mit einer
solchen Anordnung klingt alles schön sauber und
transparent, weshalb sie sich übrigens genau so
in vielen Multieffektprozessoren findet, wobei
einige Geräte auch eine alternative Signalfüh-
rung erlauben. Damit sollte wohl der Freiheit des
künstlerischen Ausdrucks Genüge getan sein.
Und wenn man es nun anders macht?
Nun
– möglich ist vieles, sinnvoll nur weniges.
Am flexibelsten ist diesbezüglich noch der
Kompressor, der auch an anderer Stelle in
ten. Ende der 80er, Anfang der 90er – nachdem
die digitale Rechenpower ausreichte, um das Pro-
grammieren und Wiederabrufen zahlreicher, ganz
verschiedener Effekteinstellungen, so genannter
Presets zu ermöglichen – erlebte diese Bauform
dann einen regelrechten Boom.
Vor allem die Multieffektprozessoren, die meh-
rere unterschiedliche Effekte parat halten, ge-
hörten Anfang der 90er einfach zum guten Ton.
Selbst Musiker, die nur ab und zu mal einen ein-
Jede Bauform hat ihre speziellen Vor- und Nach-
teile und ist nicht besser oder schlechter als die
andere.
Bei einem Multi-FX oder Modeling-Aggre-
gat ist zum Beispiel das Studieren des Handbuchs
Pflicht. Denn so intuitiv wie ein simpler Pedaleffekt
lassen sich leistungsfähige digitale Geräte nicht
handhaben. Außerdem braucht man zur Steuerung
des Ganzen in der Regel noch ein entsprechendes
Schaltboard, mit dem sich die üppige Soundpracht
live verwalten lässt. Sein Gutes hat das Ganze al-
lerdings auch. Denn so kann man mit einer einzi-
gen Umschaltung komplexe Effektkombinationen
und Parameteränderungen abrufen. Gerade im Li-
ve-Betrieb ist dies außerordentlich praktisch. Bei
einem konventionellen Pedalfuhrpark ist dies meist
nur mit erheblichem Schaltaufwand zu bewerkstel-
ligen. Zwar gibt es auch dafür spezielle Lösungen,
aber die zusätzlichen Schalteinheiten und Kabel
müssen auch erst angeschafft, auf dem Board
platziert und verstöpselt werden. Es kommt eben
ganz auf die Bedürfnisse des Anwenders an.
Darüber hinaus erfolgt zwischen den verschie-
denen Gerätegattungen allmählich eine Annähe-
rung auch auf technischer Ebene.
Da gibt es Mul-
tieffektprozessoren im handlichen Einzelpedalfor-
mat oder als größeres FX-Board. Ebenso haben
sich einige Hersteller auf die Produktion hochwer-
tiger Analoggeräte verlegt, die nur einen einzel-
nen Effekt bieten und trotzdem im 19"-Gehäuse
daherkommen. Gleiches gilt selbstverständlich
auch für die Modeling-Technologie, die anfangs
hauptsächlich als wuchtiges Effekt-Board (Ro-
lands VG-8) oder in Form von kompakten, wenig
roadtauglichen „Spielkonsolen“ (Line 6 POD, Beh-
ringer V-Amp oder die J-Station von DigiTech/
Johnson) angeboten wurde. Auch in diesem Fall
gibt es keine Unterteilung mehr nach Bauformen.
Diese richtet sich bestenfalls nach dem geplanten
Haupteinsatzgebiet. So bietet sich dem Musiker
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heutzutage die Möglichkeit, aus einer breiten Angebotspalette exakt das
passende Gerät für seine Anforderungen auszusuchen – sofern er weiß,
was er eigentlich möchte. Dazu ist es natürlich sehr hilfreich, wenn man die
grundlegende Funktion der einzelnen Effekttypen kennt.
Die wichtigsten Effekttypen
Ganz grob lassen sich unsere Gitarreneffekte in drei funktionale Grup-
pen einteilen, nämlich dynamische, zeitbasierte und Modulationseffekte.
Zu den dynamischen gehören alle, die in erster Linie die Dynamik und/oder
den Frequenzverlauf des Signals verändern. Dazu gehören natürlich sämt-
liche Verzerrerformen, egal ob Overdrive, Distortion oder Fuzz darauf steht,
aber auch Kompressor, Wah-Wah, EQs, Booster usw. Zeitbasierte Effekte
beeinflussen dagegen unsere räumliche Wahrnehmung des Sounds und
suggerieren uns beispielsweise den Raumhall einer Tiefgarage oder ein ma-
jestätisches Bergecho. Die entsprechenden Effektypen sind als Reverb und
Delay bekannt. Ganz schön bunt wird die Palette dann in der Modulations-
abteilung: Angefangen bei urigen Wabbereffekten wie Vibrato, Tremolo
und Rotovibe, über Phaser, Flanger, Chorus bis hin zu Stereo-Panning und
aufwändigen Simulationen rotierender Lautsprecher (besser bekannt unter
der Markenbezeichnung „Leslie“) reicht die Bandbreite. Auch Spezialeffek-
te wie Ring Modulator, Oktaver und Pitch Shifter (vor allem, wenn man sie
So gehts leichter:
Wer mehrere Effekt­
pedale einsetzt, sollte sich so ein
Pedalboard zulegen.
als Doubler oder Detune-Effekt einsetzt) lassen sich dazurechnen. Denn alle
diese Effekte dienen dazu, den Sound größer, breiter oder „spaciger“ er-
scheinen zu lassen. Oder anders gesagt, sie sorgen dafür, dass es nach mehr
klingt, als eigentlich da ist.
Unentbehrliche Helfer
Ein Blick auf ein durchschnittliches Pedalboard oder ein blinkendes 19"-
Rack zeigt aber, dass die Geräteausstattung für den Saitenzupfer damit nor-
malerweise noch nicht endet.
Fast immer finden sich da noch ein paar nütz-
liche Hilfswerkzeuge: Typischerweise gibt es ein Stimmgerät, ein Volume-
Pedal (das man je nach Nutzung auch noch zu den dynamischen Effekten
rechnen könnte), ein oder mehrere Fußschalter für die Kanalwahl am Verstär-
ker beziehungsweise den Abruf der Presets am 19"-Prozessor und nicht selten
auch noch ein Controller-Pedal zur Steuerung ausgewählter Effektparameter
(falls ein MIDI-fähiges Effektgerät verwendet wird). Häufig gehört auch ein
Looper beziehungsweise Signal-Router (eine A/B-Box, eine Loop-Box, ein
Signal-Splitter oder dergleichen) dazu, um das Signal in einen bestimmten
Effektpfad zu lenken oder zwischen zwei Amp-Eingängen hin und her zu
schalten. All das will natürlich möglichst sinnvoll organisiert sein. Und genau
darum geht es im zweiten Teil dieses Specials. Bitte umblättern!
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