Toneguide Delegieren und dirigieren
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Delegieren und dirigieren –
die Kunst der Kontrolle
In einer Band kann es noch so demokratisch zugehen, irgendwann muss man
mal auf den Punkt kommen. Meistens hat dann doch nur einer das letzte
Wort. Genauso verhält es sich mit unserem Equipment. Irgend jemand muss
im allgemeinen Chaos den Überblick bewahren und sagen, wo es langgeht.
Zum Glück müssen wir das nicht ganz alleine schaffen ...
Arne Frank
Nach und nach haben wir in den letzten
Folgen alle wichtigen Komponenten einer fle-
xiblen Gitarrenanlage abgearbeitet. Bleibt nur
noch die Aufgabe, alles miteinander zu verkabeln
und dafür zu sorgen, dass sich das Ganze dann
auch richtig steuern lässt. Dabei stehen uns zwei
kompetente Helfer zur Seite – Midi-Fußschalter
und Looper/Switcher-Systeme. Letztere gibt es in
diversen großen und kleinen Ausführungen. Die
kleineren, die sich insbesondere zur Verwaltung
von Effektpedalen eignen, hatten wir bereits vor
einiger Zeit vorgestellt. Diesmal sind die größeren
Verwandten an der Reihe, mit deren Hilfe wir
Ordnung ins Rack bringen.
Schweizer Know-how, Made in Spain ...
An der Schaltzentrale der Macht
Ein Loop-System ist eine Art Signalschnittstelle,
an welche die einzelnen Teile des Equipments an-
geschlossen werden, um diverse Kombinationen
möglich und möglichst auch programmierbar
zu machen. Dem „Looper“ ist es grundsätzlich
egal, was wir mit den einzeln schaltbaren Loops
anstellen. Wir können also ebensogut einzelne
Effektpedale, mehrere Preamps oder auch meh-
rere Effektprozessoren einschleifen – oder eine
Kombination aus allen drei Gerätetypen. Bei
den meisten professionellen Loopern können die
Impulse zur Aktivierung eines Loops alternativ
auch als Schaltimpulse dienen. Damit lassen sich
dann etwa eine mehrkanalige Vorstufe steuern
und die Bypass-Funktion eines Effektgeräts oder
dergleichen abrufen.
Die eigentliche Steuerung passiert extern
über einen Mehrfachfußschalter. Dabei handelt
es sich entweder um eine simple Midi-Fußleiste
oder wahlweise um ein spezielles Board, das auf
die Funktionsweise des Loopers abgestimmt ist.
Letzteres hat meist den Vorteil, dass es neben
den simplen Programmwechsel-Befehlen einige
nützliche Extras wie Controller-Anschlüsse bie-
tet und häufig auch bidirektional arbeitet. Das
heißt: Man kann hier sowohl am Looper als auch
am Controller die Einstellungen ablesen oder
sogar vornehmen.
... für die Bühnen der Welt
Spezielle Produkte für spezielle Bedürfnisse
Es gibt zwar nicht viele Hersteller, die sich
diesem Themenbereich widmen. Aber ein paar
sind es schon. Natürlich sind da die Pioniere
und Altmeister der Szene wie Pete Cornish
in Großbritannien und Bob Bradshaws Firma
Custom Audio Electronics, die schon für zahl-
lose Promis tätig waren. Bei Profis ebenfalls
hoch im Kurs stehen die Produkte von Voodoo
Lab (ehemals Digital Music Corporation) und
neuerdings auch die ausgefuchsten Problemlö-
ser des spanisch-schweizerischen Unternehmens
Prostage. Mastermind und Chefentwickler Lukas
Truninger beschäftigt sich bereits seit vielen
Jahren mit der Materie, und die Geräte zeigen
sich dementsprechend bis ins Detail ausgereift.
Solche Speziallösungen sind natürlich nichts
für den Massenmarkt und kosten daher auch
ihren Preis. Die Produkte müssen schließlich mög-
lichst klangneutral arbeiten, und das verlangt
nach hochwertigen Bauteilen und intelligentem
Schaltungsdesign. Noch exklusiver sind die
luxuriösen Custom-Anfertigungen des Dänen
Steen Skrydstrup, die sich beispielsweise Heroes
wie Steve Morse oder John Petrucci zu Füßen
legen lassen. Es muss aber gar nicht unbedingt
ein auf Maß angefertigtes System her, denn es
geht auch günstiger.
Das US-amerikanische Unternehmen Rocktron
gehörte seinerzeit zur Speerspitze des Rack-
Booms. Kein Wunder also, dass man sich auch auf
dem Gebiet der Looper etablieren konnte. Nach
geschäftlicher Übernahme und Neuorientierung
der Firma dauerte es zwar eine ganze Weile,
Ein starkes Team – im Rack ...
... und am Boden
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guitar 7/09
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Der Klassiker lebt – back by public demand
Skrydstrup – Luxus aus Dänemark
Auch Steve Morse und John Petrucci stehen drauf
bis man sich auf die eigenen Stärken besonnen
hat. Aber seit kurzem ist auch der beliebte
und geradezu legendäre „Patchmate“ wieder
erhältlich. Dieser Loooper/Switcher ist so clever
gebaut, dass er sich extrem intuitiv bedienen
lässt. Während man bei den zuvor genannten
Systemen häufig in die Bedienungsanleitung
schauen muss, kommt man hiermit auf Anhieb
klar, selbst wenn man sich zuvor noch nie mit
so einem Gerät befasst hat. Das Angebot ist
also durchaus groß genug, und es dürfte etwas
für jeden Anspruch und Geldbeutel zu finden
sein. Natürlich ist es hilfreich, zuvor die eigenen
Anforderungen an das System zu definieren.
Königsblauer „Evergreen“ à la Rocktron
Im Einsatz
Also gilt es zunächst herauszufinden, was man
mit einem Looper anstellen kann und was davon
einem selbst weiterhelfen könnte. Wie sieht nun
das Arbeiten mit einem Looper in der Praxis aus?
Nehmen wir beispielsweise das im professionellen
Bereich (zum Beispiel Rush, Metallica, Iron
Maiden) weitverbreitete System von Voodoo Lab.
Das eigentliche „Gehirn“ der Anlage befindet
sich hier im Footcontroller; der Looper selbst,
der zusammen mit den übrigen Greäten im Rack
steckt, führt nur dessen Befehle aus.
Das hat den großen Vorteil, dass diese „Slaves“
leicht auszutauschen sind, sollte dabei mal
etwas nicht richtig funktionieren. Aber das nur
am Rande. Da es jedoch aus dieser Perspektive
leichter zu verstehen ist, fangen wir dennoch
mit dem untergeordneten Looper an: Voodoo
Labs sogenannter „Audio Switcher“ verfügt
über acht frei verfügbare Loops, bei denen der
Signalverlauf intern nicht festgelegt ist. Jeder
der Loops hat jeweils separate Buchsen für Input,
Send, Return und Output.
Man könnte ein Signal also beispielsweise
von Loop 3 zu Loop 8 und dann wieder zu Loop
1 schicken. Übersichtlicher wird es allerdings,
wenn man sich vorher überlegt, welchen Weg das
Signal sinnvollerweise nehmen könnte.
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Anschluss gesucht
Dazu ein Beispiel: Unser zu ver-
waltendes Beispiel-Setup soll aus
folgenden Komponenten bestehen:
einem dreikanaligen Preamp, Com-
pressor und Booster (die werden am
besten mitsamt einem passenden
Netzteil in einer gepolsterten Rack-
Schublade untergebracht), Multi-
effektprozessor, Digital Reverb und
einem Rack-Tuner.
Achtfach für Einsteiger
Wir packen zunächst das Stimmge-
rät in Loop 1. Wenn wir nun den
Return vom Tuner weglassen, wird
das Signal beim Stimmvorgang
automatisch „gemutet“. Loop 2
nimmt den Compressor auf, der
am besten vor einem Verstärker
(hier dem Preamp) arbeitet. Loop
3 ist dann der Verstärker/Preamp
selbst, der in diesem Fall also
auch komplett umgangen werden
kann. Das ergibt etwa bei super-
cleanen (Pseudo-)DI-Sounds mit
viel Effektanteil Sinn. Im vierten
Loop wartet ein Booster darauf, das
Signal bei Bedarf noch ein wenig
aufzupumpen. So hat man noch
ein paar Lautstärkereserven für
Leadsounds. Es folgen schließlich
Loop 5 mit einem Multieffekt für
Gitarre und Loop 6 mit einem
hochwertigen, digitalen Hallgerät.
Beide Effektprozessoren werden
somit nur dann in den Signalweg
geschaltet, wenn sie auch tatsächlich
gebraucht werden. Ansonsten bleibt
das Verstärkersignal so pur, wie
man möchte. Man sollte nicht ver-
gessen, den Ausgang von Loop 6
mit unserer Endstufe zu verbinden.
Sonst bleibt die Anlage stumm.
Multiamping inklusive
Die beiden verbliebenen Loops 7
& 8 nutzen wir zu guter Letzt, um
damit die drei Kanäle des Preamps
zu schalten. Loop/Switch 7 schaltet
zwischen Clean und Drive, Loop/
Switch 8 zwischen Crunch und
High-Gain. Damit hätten wir alle
acht Loops des Audio-Switchers
zweckmäßig genutzt. Nun lassen
sich Presets mit unterschiedlichen
Loop-Kombinationen programmie-
ren und über Ground-Control ab-
rufen, das über Midi-Kabel mit dem
Audio Switcher verbunden ist. So
fungiert das Pedal als Midi-Board.
Multiamping, leicht gemacht
Ground-Control bietet aber noch
eine weitere – für den Live-Betrieb
hoch interessante – Betriebsart.
Dabei sind dann nicht alle zwölf
Fußtaster für die Preset-Anwahl zu-
ständig, sondern nur vier davon.
Die übrigen acht steuern nun direkt
die acht Loops des Audio-Switchers.
Man hat also das Beste beider
Welten – volle Programmierbarkeit
und gleichzeitig direkten Zugriff
auf die einzelnen Effektgeräte und
ihre Funktionen. Praktisch, nicht?
Das ist aber selbstverständlich nur
eine Möglichkeit. Es gibt noch zahl-
reiche andere Ansätze, wie man
ein Looper-System aufbauen und
einsetzen kann.
Auch das zunehmend beliebtere
Multiamping ist ein typischer Fall
für eine Looper-Lösung. Greifen wir
nochmals zum Audio-Switcher von
eben, um beispielsweise einen Mesa
Rectifier Preamp, einen Fender Twin
Reverb und ein paar Effektpedale zu
verwalten. Wir gehen mit der Gitarre
in den Front-Input des Voodoo Lab.
Dieser Eingang ist praktischerweise
mit einer effektiven Buffer-Schal-
tung versehen. Daher können wir
nun auf der Rückseite zwei iden-
tische Signale abgreifen. Eine Lei-
tung geht zum Mesa, die andere
zum Fender. Den Effects-Send des
Twin verkabeln wir mit dem Input
von Loop 1, den Output des Recto-
Preamps mit dessen Return.
Ist der Loop deaktiviert, speist
nun die Vorstufe des Twin den
weiteren Signalweg. Ist Loop 1 an,
ist die Mesa-Vorstufe zu hören. Den
zweiten Loop reservieren wir für ein
Noise-Gate, um die Nebengeräusche
einzudämmen.
Mut zum Looping
Auf Loop 3 und 4 verteilen wir
noch einen Chorus für Cleanes
und ein Delay für Leadsounds. Den
Output der letzten verwendeten
Signal-Loops stöpseln wir schließ-
lich in den Effects-Return des
Fender-Combos. Bleibt nur noch
die Kanalumschaltung für den Pre-
amp, die wir selbstredend wieder
mit einem der noch übrigen Loops
erledigen. Und schon können
wir im opulenten Luxus-Sound
schwelgen!
Bloß keine Panik, denn das Arbei-
ten mit Loop-Systemen ist keine
Hexerei. Ein Looper ist ein of-
fener Sound-Baukasten, dessen
Bauteile nach Lust und Laune
zusammengeschaltet werden kön-
nen. Was dabei im Einzelnen noch
zu beachten ist, sehen wir uns in
einer der kommenden Folgen an.
Arne Frank