Toneguide Envelope Follower und TouchWah
© PPVMEDIEN 2007
toneguide
Onkel Dagobert
Der Großonkel aller Touch-Wahs ist der legendäre Mu-Tron III des US-
amerikanischen Herstellers Musitronics, der bereits 1972 auf den Markt
kam. Der Erfolg dieses Gerätes sorgte für rasche Vermehrung, und so fand
sich der Onkel Dagobert der quakenden Gemeinde alsbald von zahlreichen
mehr oder minder legitimen „Grünschnäbeln“ umringt. Besonders fleißig
war zum Beispiel Electro Harmonix’ Mike Matthews, der das Konzept
gleich in vier recht unterschiedlichen aber interessanten Varianten (für
Bass und Gitarre) auf seine Weise interpretierte: „Doctor-Q“ war für die
Gitarre gedacht, „Bass-Balls“ nannte sich das entsprechende Gerät für
die Tieftöner, der „Y Triggered Filter“ war für wen auch immer. Der so
genannte „Soul Kiss“ schließlich
verzichtete ganz auf die Steuerung
durch das Eingangssignal und
überließ das lieber einem optischen
Sensor, den man in den Mund
nehmen musste – wie den Schlauch
einer Talk-Box. Ein weitere Rarität
aus dieser Zeit ist die Seamoon
„Funk Machine“. Der Name ist
Programm, denn gerade bei dieser
musikalischen Spielart kommt der
knackige Quack-Effekt bestens zur
Geltung.
Electro Harmonix’ Neuauflage
eines Klassikers
Arne Frank
Hüllkurven-Gequake:
Envelope-Follower &
Touch-Wah
Heute legen wir die Füße hoch – na ja: jedenfalls fast. Denn nach
dem ultimativen Wah-Wah-Wahnsinn der letzten Folge hat sich mancher
überenthusiastische Pedal-Surfer womöglich schon eine Bänderdehnung
geholt oder den Knöchel verstaucht. Nicht jeder ist schließlich so
veranlagt, dass er Arme und Beine ständig und unabhängig voneinander
zappeln lassen könnte. Sonst wären wir wohl alle Drummer geworden,
oder? Um Himmels Willen! Also muss es andere Wege geben. Und wer
sucht, der findet sie auch.
Zum Glück muss man nicht unbedingt auf einem Pedal herumwippen,
um seinem Instrument Wah-ähnliche Laute zu entlocken. Es gibt nämlich
auch noch Geräte wie das so genannte Touch-Wah, das man auch unter
der recht merkwürdigen, aber technisch korrekten Bezeichnung Envelope-
Follower kennt. Diese Dinger machen klanglich praktisch dasselbe wie
ein herkömmliches Wah-Pedal für den Fußgebrauch. Allerdings wird der
Effektverlauf hier eben nicht durch die mechanische Bewegung eines
Pedals, sondern durch den Eingangspegel gesteuert. Oder einfacher
ausgedrückt: Je stärker der Gitarrist in die Saiten haut, desto höher wird
die Boost-Frequenz. Spielt er hingegen zarter, wird das Gitarrensignal
leiser, was das Gerät dann dazu
veranlasst, tiefere Frequenzen an-
zufahren. Und da eine Gitarren-
saite beim Ausklingen automa-
tisch leiser wird, wird sich auch
der Effektsound entsprechend zu
tieferen Frequenzen hin ver-
schieben.
Die Kurve macht’s
Diese Funktion stellt man grafisch
als so genannte Hüllkurve (engl.:
envelope) dar. Bei Saitenanschlag
ist der Ton am lautesten, um dann
allmählich abzufallen. Dieser ty-
pische Verlauf steuert also den
charakteristischen Sound, egal
ob sich der entsprechende Effekt
dann „Touch-Wah“, „Envelope-
Follower“, „Envelope-Filter“ oder
„Auto-Wah“ nennt. Letzteren gibt
es übrigens als Sonderform auch
noch als eigene Funktion! Dabei
Ist dein Boss auch so dynamisch?
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vom norwegischen Ausnahmegitarristen (und
ehemaligen Mesa/Boogie-Vorführer) Marius
Müller – der heißt wirklich so!
Falls ihr die Songs auftreiben könnt,
zieht euch die ruhig mal rein. Ist zwar
schon ein paar Tage her, aber
immer noch sehr hörenswert.
Aber bitte mit Gefühl
Jetzt noch ein paar
Worte zur Anwendung
und
zur
Justierung
unserer kleinen Quäk-
büchsen. Es bedarf keiner allzu
großen geistigen Anstrengung, um
festzustellen, dass so ein Touch-Wah mög-
lichst direkt ans Instrumentenkabel gehört.
Da der Effekt ja, wie gesagt, durch die
Variation des Gitarrensignals gesteuert wird,
Ashdowns Envelope-Filter – Luxus-Quack für große
Füße und tiefe Töne
wird der Wah-Effekt dann aber tatsächlich auto-
matisch erzeugt – nämlich rhythmisch pulsierend,
gesteuert durch einen LFO (Low Frequency
Oszillator). Das funktioniert dann wie bei einem
typischen Modulationseffekt wie Chorus oder
Flanger. Soweit zur Theorie, aber wie klingt das
Ganze denn nun? Mit einem Wort: funky!
sollte man es tunlichst vermeiden, irgendwel-
che weiteren Geräte dazwischenzuschalten.
Alles, was die Frische und Perkussivität des
ursprünglichen Signals verwässern könnte
(und sei es nur ein elektronischer Bypass
unbekannter Qualität), würde logischerweise
den (halb-)automatischen Wah-Effekt stören,
weil genau das, was den Effekt steuert,
plattgebügelt geworden sein könnte.
Schaltet deshalb keinesfalls Compressor,
Verzerrer, Chorus oder dergleichen davor. Oder
anders gesagt: Falls ihr mehrere Tretbüchsen
verwendet, gehört das Touch-Wah stets und
unbedingt an den Anfang der Kette. Sonst kann
das Ganze nicht richtig funktionieren.
Letztlich habt ihr es bei diesen sensiblen
Gerätschaften also im wahrsten Sinne des
Wortes selbst in der Hand, wie der Effekt auf
eure Spielweise reagiert und klingt. Mit Gefühl
werdet ihr den „Sweet Spot“ sicherlich rasch
Mühsam gewellte Frisuren
Da ein Touch-Wah, wie zuvor erläutert, un-
mittelbar auf das Gitarrensignal reagiert, lässt
es sich überall dort besonders gut einsetzen, wo
es um flotte Rhythmen geht. Bassisten, die ihre
Saiten gerne solistisch mit dem dicken Daumen
bearbeiten, stehen drauf, aber ebenso natürlich
die Gitarristen, die auf knackige Akkordarbeit
abonniert sind.
Logischerweise war der Effekt also vor allem
in der Blütezeit des Funk unabdingbar. Denn
so schnell, wie die Jungs ihre messerscharfen
Licks runterzockten, konnte man ein Pedal
kaum bewegen – jedenfalls nicht, ohne dabei
über die eigenen Füße zu stolpern, was die
schönen glitzernden Polyesterklamotten und
die mühsam aufgewellte Afrofrisur zerknittert
hätte. Undenkbar also! Da kam das Touch-Wah
natürlich gerade recht.
Nicht nur für Funk
Wohl nicht zuletzt aufgrund dieser historischen
Verbindung wird der Effekt bis heute hauptsäch-
lich im Funk und verwandten Stilrichtungen
verwendet. Außerhalb interessieren sich allen-
falls experimentell veranlagte Gitarristen da-
für. Allerdings kann man damit auch sehr
ungewöhnliche Solo-Sounds erzielen, die wirklich
einzigartig sind. Mein All-time-favourite: Eddie
Brickell & The New Bohemians mit „What I Am“!
Das Gitarrensolo ist ein Hammer und, zumindest
meinem persönlichen Dafürhalten nach, in
dieser Disziplin immer noch ungeschlagen.
Ebenfalls sehr geil ist der Titel „Celebrate“
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auch noch ein „Decay“-Poti, das bestimmt, wie
schnell der Wah-Effekt beim Abklingen des
Tons wieder „herunterfährt“. (Eine lange Decay-
Einstellung macht eher „Uuooaaah“, eine ganz
Schnatterfleck am Pegelstrich
kurze klingt nach „Quack“!)
Eigentlich gibt es an den meisten dynamisch
Bei den damit ausgestatteten Exemplaren
gesteuerten Wah-Kisten nicht so viel zu
kann man den Effekt – mit etwas Übung –
regeln. Entscheidend ist
optional auch in etwa so
allerdings die korrekte Jus-
wie ein herkömmliches
tierung des Einsatzpunk-
Pedal-Wah klingen lassen.
tes, sprich: bei welchem
Dies erfordert allerdings
Pegel der Effekt aufmacht
immer noch eine ziemlich
und zu schnattern beginnt.
disziplinierte Spielweise.
Natürlich denken die Her-
Live auf der Bühne mit
steller
wieder
einmal
dem entsprechenden Ad-
überhaupt nicht daran,
renalin im Blut dürfte
sich bei der Beschriftung
man sich damit also eher
der Regler irgendwie zu
schwer tun. (Ich persönlich
einigen. Das entsprechen-
würde dann doch lieber
de Poti nennt sich deshalb
noch ein herkömmliches
„Sensitivity“, aber auch
Wah-Pedal mit aufs Board
mal „Peak“, „Gain“ oder
schrauben.)
„Threshold“.
Einige Auto-Wahs bie-
Hiermit stimmt man
ten jedoch die Möglich-
das Gerät auf die verwen-
keit, zusätzlich ein Con-
dete Gitarre und den Ton-
troller-Pedal anzuschlie-
abnehmer ab. Wer also
ßen! Damit lässt sich
eine Gitarre mit gemischter
natürlich wie gewohnt
Singlecoil- und Humbu-
arbeiten, und billiger
cker-Bestückung verwen-
als ein Extra-Wah ist
det, muss sich schon
Ibanez AW7 Auto-Wah aus der günstigen
es obendrein. Wer es
entscheiden, mit welchem
Tone-Lok-Serie
benötigt, sollte sich die
Pickup er das Touch-Wah
Features seines Objekts
(an-) steuern möchte.
der Begierde genau ansehen.
finden. Ein bisschen Feinjustierung muss aber
erst mal sein.
Uuooaaah oder Quack?
Ein Regler namens „Range“ (oder „Q“) bestimmt
die Intensität des Effekts. Bei den luxuriöser
ausgestatteten Modellen gibt es gelegentlich
Dynamischer Kult
Zwar trifft man diese recht speziellen Vertre-
ter der großen Wah-Familie heutzutage nicht
mehr allzu häufig auf offener Bühne an, aber
die Geräte werden immer noch hergestellt.
Pedal-Großimperator Boss offeriert zum Beispiel
das flexible AW-3 Dynamic-Wah, MXR hat die
üppig ausgerüsteten Auto-Q-Modelle M-120
und M-188 (für Gitarre respektive Bass) am
Start, Ibanez führt in der aktuellen Tone-Lok-
Serie das AW7 Auto-Wah, und auch DOD ist mit
dem Envelope-Filter FX225B (dem Reiusse des
legendären Originals) mit von der Partie.
Electro Harmonix, als Spezialist in Sachen
„effektiver Merkwürdigkeiten“ hat mit Q-Tron,
Q-Tron Plus und Nano Doctor-Q (der Neuauflage
des kultigen 70s-Pedals) gleich drei Exemplare im
Sortiment. Und speziell für die Tieftöner bietet
Ashdown den luxuriösen „Envelope Filter“.
Endlich ausgequakt!
Geschafft, das war es erst einmal mit dem
lieben Federvieh – zumindest aus der analogen
Abteilung. (Die virtuellen Welten stehen ja noch
aus, ächz!) Solltet ihr womöglich zu denjenigen
Musikern gehören, die wirklich gar nicht mehr
wissen, welches Effektpedal ihnen noch fehlen
könnte, erweitert euren Horizont und versucht
es doch mal mit einem Touch-Wah – funkify
yourself! Bis zum nächsten Mal!
g
Arne Frank
Funk-Bass-Legende Bootsy Collins liebt sein
EH Q-Tron-Pedal