Toneguide Mono oder stereo
© PPVMEDIEN 2009
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toneguide
Mono oder stereo?
Das letzte Glied in der Kette
In den Achtzigern erzählte man gerne den bösen Witz über den berühmten
Gitarristen mit den drei Riesen-Racks: Er hatte alle Sounds der Welt, konnte
aber den Gig nicht spielen, weil sein Roadie die Speaker im Truck vergessen
hatte. Heute passt das Rack zur Not in die Aktentasche, aber ohne Boxen
geht es trotzdem nicht.
Arne Frank
kaum zum Einsatz, und die Bühnen und Hallen
sind groß genug, so dass man die eventuelle
Übersteuerung einer Röhrenendstufe ebenfalls
ins klangliche Geschehen einbeziehen kann. Das
gilt dann im Prinzip auch für die Lautsprecher.
Das heißt aber nicht, dass ihr nun gleich sorglos
eure Speaker durchblasen sollt!
Jeder Speaker-Typ (und im Übrigen auch jede
Boxenkonstruktion – siehe Toneguide 02/07)
färbt den Sound. Aber gerade einige „klassische“
Lautsprechermodelle klingen nachweislich erst
bei hoher Auslastung besonders gut. Deshalb ver-
wendete etwa Steve Vai in seinen Boxen lange
Zeit bevorzugt die „schwachen“ Celestion G-12M
Greenbacks, die er dann richtig hart rannahm.
(Er hatte allerdings als gestandener Gitarrenheld
auch seinen persönlichen Guitar-Tech dabei, der
die „Pappenheimer“ schnell mal austauschte,
wenn der Meister mal wieder zu hemmungslos
gerockt hatte.)
Auf der anderen Seite bleiben einige mo-
derne, auf harten Drop-Tuning-Sound spezia-
lisierte Speaker-Cabinets im XL-Format straff
bis zuletzt. Sie sind darauf abgestimmt, unter
keinen Umständen nachzugeben, damit die
tief gestimmte High-Gain-Wucht auch mit der
gewünschten Härte und Präzision rüberkommt.
Dafür klingen sie dann häufig ein bisschen flach
und teilnahmslos, wenn man sie mit weniger
Pegel oder dezenteren Gitarrensounds füttert.
Zwischen diesen Extremen gibt es natürlich noch
eine Menge anderer Typen.
Egal, was wir vorher mit dem Gitarrensignal
angestellt haben: Irgendwie muss das Ganze
wieder an unser Ohr gelangen. Ob wir nun drei
Preamps und fünf Effektprozessoren verwenden
oder mit einer Vorstufe mit integrierten Effekten
zufrieden sind und direkt die Endstufe ansteuern
– so oder so sind die Lautsprecher das letzte Glied
in unserer Sound-Kette. Deshalb sollten wir uns
schon ein paar Gedanken dazu machen.
Was es grundsätzlich mit den Eigenheiten
einer typischen Gitarrenbox auf sich hat, breiten
wir aber an dieser Stelle nicht noch einmal aus
(siehe hierzu den Toneguide der Ausgaben 01/07
und 02/07). Vielmehr geht es uns diesmal um die
Details, die eine Box für die Kombination mit
unserer Rack-Anlage geeignet machen – oder
eben auch nicht.
Neutral bleiben?
Nimmt der Speaker beziehungsweise die Box
allzu starken Einfluss auf den Gesamt-Sound,
verschenkt man einiges an Flexibilität. Schade,
denn genau die Vielfalt der klanglichen Mög-
lichkeiten macht ja für die meisten ein Rack-
Setup erst richtig interessant. Deshalb gilt:
Arbeiten wir mit mehreren teilweise sehr
Die richtige Färbung
Im Prinzip kann man natürlich jede beliebige
Gitarrenbox für den Rack-Einsatz rekrutieren.
Schließlich ist auch ein 19“-Setup letztlich nur
ein Gitarren-Amp. Will man jedoch das Optimum
aus seiner Anlage herausholen, sollte man den
einen oder anderen Punkt beachten. Es gibt
nämlich unterschiedliche Möglichkeiten, nach
welchen Kriterien man ein Rack aufbauen kann,
und das sollte sich im Idealfall dann auch bei der
Wahl der Boxen fortsetzen.
Nehmen wir etwa an, ein Gitarrist einer tou-
renden Hard-Rock- oder Metal-Band entscheidet
sich für eine Rack-Lösung, weil das schlichtweg
praktisch ist und seine Anlage den rauhen
Transport somit besser übersteht. Effekte kommen
Celestions „schwacher“ Greenback mag es gern laut
Starker Vintage-Charakter ...
... oder doch lieber flexibel und kompakt?
Heißt zwar „Vintage 30“, steht aber eher auf NuMetal
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guitar 6/09
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Vais Lieblingsboxen färben die Wiedergabe deutlich
Bassreflex-Boxen trotzen auch hohen Pegeln und
klingen neutraler
Mono oder Stereo-Split?
unterschiedlichen Verstärker-Sounds oder setzen
häufig und intensiv Effekte ein, sind wir mit einer
vergleichsweise „neutralen“ Box besser bedient.
In diesen Zusammenhang gehören auch
die eher technischen Punkte Belastbarkeit und
Wiedergabecharakter: Die Speaker oder Boxen
sollten so gebaut sein, dass sie möglichst nicht
an die Übersteuerungsgrenze kommen und
eine ausgewogene Wiedergabe des benötigten
Frequenzbereiches ermöglichen.
Passiert unsere Klangformung weitgehend im
Preamp oder im Effektprozessor, sollte die Box in
der Lage sein, diese Klangpalette druckvoll, aber
ohne übermäßige Eigenfärbung abzustrahlen.
Andernfalls würde sie die Qualitäten unserer
ganzen schönen Sounds überdecken.
Ein extremes Beispiel: So toll eine besonders
charakterstarke Vintage-Box mit Celestion-
Pre-Rolas oder dergleichen in Kombination mit
dem passenden Top klingen kann – sie ist nicht
unbedingt das Optimum fürs Rack. Es sei denn,
unser Sound konzentriert sich zufällig ebenfalls
genau auf diesen Bereich und nichts anderes.
Darüber hinaus entscheidet dann schlicht der
persönliche Geschmack. Man kommt also letztlich
um das eigene Ausprobieren nicht herum.
Kommen wir nun zu einer ganz pragmati-
schen Überlegung, nämlich der Größe des
Cabinets. Klar ist, dass eine Box in der Regel
umso satter und mit mehr Tiefendruck erklingt,
je größer Innenvolumen und Membranfläche
sind. Eine 4x12er klingt normalerweise satter als
eine 2x12er gleicher Bauweise, die diesbezüglich
wiederum eine 1x12er übertrumpft. Geschlossene
Gehäuse liefern mehr Punch und Bassdruck als
offene Konstruktionen.
An die Spitze setzt sich hier allerdings die
aufwendige Bassreflex-Konstrukion à la Thiele-
Smalls. Diese Typen klingen gleichzeitig straffer
und neutraler, was für die Kombination mit
einem Rack kein Fehler ist. Aber sieht nicht eine
große 4x12er als Backline viel sexier aus?
Keine halben Sachen
Haben wir uns deshalb für ein kompaktes Rack
entschieden, weil es leicht zu transportieren ist
und auf der Bühne wenig Platz braucht? Dann
sollten wir mit zwei 1x12“-Boxen oder einer
stereofähigen 2x12er zufrieden sein, statt ein
Fullstack aufzufahren. Wenn es die Stilrichtung
unbedingt erfordert, kann man notfalls auch eine
splittbare 4x12er nehmen.
Warum splittbar? Nun, weil 19“-Endstufen
fast immer stereo ausgelegt sind und gerade die
unter Gitarristen zu Recht beliebten Röhrentypen
wegen ihres Ausgangstrafos keinen Leerlauf
vertragen. Hier muss im Einsatz stets ein Laut-
sprecher angeschlossen bleiben, sonst raucht die
Endstufe ab.
Eine Ausnahme kann man nur bei Power-
Amps mit separaten Standby-Switches für jede
Seite machen. Narrensicher ist der Betrieb an
nur einer Box aber selbst dann nicht. Denn wie
schnell hat man beim Gig im Bühnendunkel
versehentlich doch mal den falschen oder beide
Standby-Schalter umgelegt? Da erscheint der
Stereo-Einsatz ratsamer.
Wenn wir ohnehin schon ein Stereo-Speaker-
Paar haben, bietet sich hier die Möglichkeit, mit
einem entsprechenden Stereosignal zu arbeiten.
Erfahrungsgemäß profitiert die klangliche Wir-
kung vieler Effekte davon erheblich. Allerdings
muss man sich darüber im Klaren sein, dass man
dann auf der Bühne auch unbedingt beide Boxen
(oder Boxenhälften) abnehmen muss. Sonst
kommt unten im Saal nur der halbe Sound an.
Okay, das sollte ja nicht das große Problem
sein. Spricht vielleicht etwas anderes dagegen?
Ja, leider.
Pink Floyd oder Stereophobie?
Eine solche „Stereoanlage“ sehen zum Beispiel
die Leute am Mischpult meist nicht so gern. Für
sie heißt das nämlich: Sie müssen zwei kostbare
Kanäle an ihrem Pult nur für den Gitarristen
hergeben und einpegeln. (Wer dann noch mit
irgendwelchen Sonderwünschen ankommt, hat
meist ganz schlechte Karten.)
Vor allem aber ist es schwieriger, solch einen
extrabreiten Gitarrensound in den Frequenz-
dschungel einer Band einzubetten.
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Zwei unterschiedliche Speaker und
Boxenkonstruktionen in einem Gehäuse
Gerade in größeren Konzertstätten verbietet sich
ein echter Stereo-Mix meist ohnehin. Schließlich
sind die Boxen für die jeweiligen Seiten so weit
auseinander platziert, dass das Publikum je nach
Standposition nur die nächstgelegene Schallquelle
richtig hört. Da wirken komplexe Stereo-Effekte,
so schön sie sonst sein mögen, leider nicht
besonders. Deshalb wird meistens einfach mono
gemischt; nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil
es nun mal besser funktioniert.
Ohnehin wäre zuvor noch zu klären, ob
die Musik überhaupt eine Gitarrenbreitwand
verträgt. Dafür braucht man nämlich eine Menge
Platz im Band-Sound. Klar, im Power-Trio mit
Drums und Bass geht das ja noch gut. Hat man
dagegen einen zweiten E-Gitarristen oder einen
Keyboarder neben sich, kommt man sich doch
rasch ins Gehege. Das sollte man also vorher
genau überlegen.
Bühnen ist so etwas sinnvoll und klingt meistens
erheblich besser und natürlicher, als wenn wir uns
unser Gitarrensignal auf die normalen Bühnen-
Wedges legen lassen, wo ja auch noch Gesang
und die übrigen Instrumente drüber müssen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ge-
zielt mit zwei unterschiedlichen Lautsprecher-
oder Boxentypen zu arbeiten. So kann man
beispielsweise eine Hälfte des Setups für cleane
und die andere für verzerrte Sounds optimieren.
So passt etwa eine offene Box mit knackigen
Jensen-Speakern besonders gut zu traditionel-
len Clean- und Crunch-Sounds, während eine
geschlossene 2x12er oder 4x12er mit Celestion
Vintage 30s mächtig rockt.
Eine ähnliche Idee verfolgen auch Speaker-
Cabinets mit gemischter Lautsprecherbestückung
oder sogar mit unterschiedlich konstruierten
Gehäusehälften. Man denke zum Beispiel an
Marshalls TSL212 (mit Celestion Heritage- und
Vintage-30-Speakern) oder Mesas noch auf-
wendigere Roadking-Boxen.
Zugegeben: Dafür brauchen wir dann wie-
derum zwei Abnahmemikrofone, aber das Ganze
lässt sich im Mix trotzdem mono fahren. Und
es gibt dem Mischtechniker die Chance, eine
optimale Sound-Mixtur für den jeweiligen Saal
zu erstellen. Der Gitarrensound wird dadurch
nämlich nicht in erster Linie lauter oder breiter
wie beim Einsatz von Stereoeffekten, sondern
bekommt mehr Substanz und Tiefe. Das ergibt
einen akustischen „3D-Effekt“, wie man ihn
im Studio durch das Doppeln der Spuren mit
unterschiedlichen Gitarren-Amp-Kombinationen
erzielt. Aber Vorsicht, das klingt so cool, dass
man sehr schnell süchtig nach diesem fetten
Mono-Ton werden kann!
Profi-Boxer
So unterschiedlich die Anforderungen an ein
Rack sind, so unterschiedlich sind in der Regel
auch die dazu passenden Boxen. Daher ist es
notwendig, sich auch über diesen wichtigen
Sound-Faktor Gedanken zu machen, damit
man die besonderen Möglichkeiten, die uns ein
intelligent zusammengestelltes 19“-Setup bietet,
auch wirklich optimal nutzen kann.
Arne Frank
Fetter Mono-Ton
Sollten wir nun möglicherweise feststellen, dass
wir eigentlich gar kein Stereosignal brauchen,
stellt sich die Frage, was wir mit der zweiten
Endstufen- und Boxenseite anfangen. Ist nun
die Hälfte unserer Anlage überflüssig geworden?
Nein, keineswegs. Zwei Anwendungen bieten
sich spontan an. Zum einen können wir
eine Speaker-Abteilung als zentrale
Signalquelle für die PA nutzen: Hier
kommt das Mikro davor. Die andere
Seite bleibt nun frei als Bühnenmonitor
für uns selbst. Hören wir uns während
des Gigs nicht richtig, können wir
diese Endstufenhälfte beruhigt weiter
aufdrehen: Wir nehmen sie ja nicht ab.
Bei Bedarf können wir auch einen
ganz anderen Boxentyp anschließen,
der vielleicht nicht so ausgewogen
klingt, aber dafür sehr gut zu orten ist.
Den könnten wir dann in der Nähe unse-
rer Spielposition als „Gitarrenmonitor“
postieren. Gerade auf besonders großen
Die Box mit dem Doppelherz