Toneguide Octaver Detune PitchShifter WhammyWahn
© PPVMEDIEN 2008
t o n e g u i d e
Das Gitarrenorchester spielt auf –
Octaver, Detune, Pitch-Shifter
und Whammy-Wahn
Nach all den schwirrenden, sirrenden und wabbernden Modulationseffekten der letzten
Folgen ist es nun Zeit für ein paar richtige „Stimmungskanonen“. Denn diese speziellen
Geräte schrecken nicht davor zurück, direkt die Stimmung des Gitarrensignals zu verbiegen
Arne Frank
– mal mehr, mal weniger drastisch, aber auf jeden Fall wirkungsvoll.
eines haben diese „Stimmungsverschieber“ alle-
samt gemeinsam: Sie gehen mit dem Signal nicht
unbedingt zimperlich um, sondern verbiegen
gezielt die Tonhöhe (engl. „Pitch“). Damit kann
man ganz unterschiedliche Effekte erzielen,
von subtil bis extrem – ganz nach Geschmack.
Neugierig geworden? Na, hoffentlich!
Okay, nicht alles was hupt, ist ein Auto
– in diesem Sinne sei gleich vorweg freimütig
eingeräumt, dass sich die nachfolgend vorge-
stellten Geräte nicht widerstandslos in einer
Gattung zusammenfassen lassen. Eigentlich sind
Der Wes-Jazz-Effekt
Der einfachste Pitch-Effekt ist der sogenannte
Octaver, der erstmals beim Jazz-Giganten Wes
Montgomery zu hören war. Dieser außerordent-
lich begabte Gitarrist pflegte seine seelenvollen
Melodielinien nämlich zweistimmig in Oktaven zu
spielen. Eine virtuose Spieltechnik, die später von
Stars der Szene wie zum Beispiel George Benson
weitergetragen wurde. Diese traditionelle und
gewissermaßen mechanische Variante des Wes-
Jazz-Effektes war nun vielen Musikern allerdings
ein bisschen zu mühselig. (Den zweiten wichtigen
„Jazz-Effekt“ beherrschen allerdings die meisten
Nachwuchs-Jatzer auf Anhieb: Einfach den
Tone-Regler ganz zudrehen ...) So war mancher
froh, als ein findiger Tüftler Ende der Seventies
Electro-Harmonix’ Micro-POG beherrscht auch die Poly-
phonie
schließlich den Octaver-Effekt erfand. Damit
konnte man nun recht einfach einem einzelnen
gespielten Ton eine tiefere Oktave hinzufügen.
Ein solches Octaver-Pedal aus dieser Ära ist
beispielsweise der „Subharmonic Generator“ von
DOD. Aufwendigere Exemplare schafften dann
Boss’ aktuelles
Octaver-Pedal
die technischen Hintergründe zu verschieden und
die diversen Klangresultate ebenfalls ziemlich
bunt. Trotzdem wollen wir es versuchen, denn
handmade in Europe
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toneguide
später sogar noch eine weitere Sub-Oktave (zum
Beispiel Boss’ OC-2 oder MXRs Blue Box).
Statt nun eine deutlich hörbare zusätzliche
„Stimme“ zu produzieren, lässt sich der Effekt
aber auch subtiler einsetzen, um den Sound
anzudicken und nach unten herum abzurunden.
Tatsächlich ist dieser Trick vor allem bei
Bassisten so beliebt, dass einige Amp-Hersteller
einen Octaver deshalb gleich in ihre Verstärker
integriert haben. Klar, den Longscalern kann
es ja gar nicht tief genug runter gehen. Und
durch den Effekt wirkt der Bass-Sound natürlich
noch gewaltiger! Nur um die Polyphonie des
Instrumentes ist es bei einem herkömmlichen
Octaver-Schaltkreis eher schlecht bestellt. Die
dahinter stehende, relativ simple Technologie
(Umwandlung der Sinuswelle in Rechteckwelle
und anschließende Frequenzteilung) verträgt
einfach nicht mehr. Spielt man mehrere Töne
an, klingt das recht unangenehm und ziemlich
kaputt: Man produziert eher „Grunge“ als Jazz!
Das sollte man wissen und bei Verwendung
eines Octavers (und im übrigen auch bei den
meisten verwandten Effekten wie „Pitch-Shifter“
oder „Whammy“) auf eine saubere Spieltechnik
bedacht sein. Erst moderne Geräte wie das
aktuelle Boss OC-3 Octave Pedal oder Electro-
Harmonix’ POG Polyphonic Octave Generator
und der kompaktere Micro-POG erlauben eine
(zumindest eingeschränkt) polyphone Nutzung
des Effektes. Damit lässt sich dann auch eine
zwölfsaitige Gitarre oder ein 8-String-Bass eini-
germaßen glaubhaft simulieren.
abgefahrene Sound-Spielereien und erzeugten
damit physisch unspielbare Gitarren-Parts.
Intelligente Pitch-Prozessoren
Der Name „Harmonizer“ hat sich seitdem im
kollektiven Musikerbewusstsein regelrecht ein-
gebrannt, so dass man ihn umgangssprachlich
meist statt der korrekten allgemeinen Be-
zeichnung „Pitch Shifter“ verwendet. Später
bemühten sich einige andere Hersteller, den
interessanten neuen Effekt, der den Prozessoren
eine enorme Rechenleistung abverlangte und
dementsprechend kostspielig war, auch dem
einfachen Gitarristenvolk zugänglich zu machen.
Zu den wichtigsten Geräten dieser Gattung
gehörten damals Digitechs „Smart Shift“-Serie,
Alesis (mit dem günstigen „Quadraverb“ und
dessen Nachfolgern), Rocktrons „Intellifex“
und Zoom, die 1989 ihren 9002-Prozessor im
Hosentaschenformat ebenfalls mit diesem Effekt
vorstellten. Übrigens muss man an dieser Stelle
zwischen Pitch-Transposing mit festem Intervall
und dem wesentlich aufwendigeren, sogenannten
„intelligenten Harmonizing“ unterscheiden, bei
dem sich das Gerät selbst das zur Tonart passende
Intervall sucht. Die dafür nötige Prozessor-Power
brachten nur die besten und teuersten Geräte
von Eventide oder Digitech auf. Der einfachere
„starre“ Transposing-Effekt fand sich kurz darauf
in jedem besseren Multieffektgerät und wurde
von den stolzen Usern ebenfalls immer mal
wieder verwendet.
Leichte Verstimmung
Allerdings wussten die meisten Gitarristen,
die nicht gerade Queens Brian May nacheifern
wollten, offen gesagt damit nicht so wahnsinnig
viel anzufangen. Jedoch hatte auch Tapping-
Eventide H8000 FW – das aktuelle Flaggschiff …
... und Eclipse, der Multi-FX-Prozessor für Gitarristen
Harmoniesüchtig?
Wer allerdings explizit sein Instrumentensignal
harmonisieren will, muss dann schon zu einem
spezialisierten Pitch-Transposer greifen, mit dem
man die Stimmung jedes Instruments stufenlos
verschieben kann. Sounds, wie man sie von Brian
Mays „Gitarrenorchester“ bei Queen, Tom Scholz
(Boston) oder Trevor Rabin (Yes’ „Owner Of A
Lonely Heart“) kennt, sind – zumindest live –
nicht anders zu erzielen. Diese Geräte, auch Pitch-
Shifter genannt, wurden Anfang der Achtziger
von der Firma Eventide, einem Spezialisten für
High-End-Studioequipment, unter der selbst er-
klärenden Markenbezeichnung „Harmonizer“
vorgestellt. Virtuose Effekt-Freaks wie der
„Club der Steves“ (Lukather, Stevens, Morse
und Vai) schraubten sich die sündhaft teuren
19“-Prozessoren daraufhin in ihre Tour-Racks,
um den Sound der im Studio aufgenommenen
multiplen Gitarrenspuren auch auf der Bühne
umsetzen zu können.
Die experimentierfreudigen Herren Stevens
und Vai nutzten ihre Geräte später aber auch,
frei nach der Devise „Jugend forscht“, für völlig
guitar
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Meister Eddie Van Halen während der Mark-II-
Besetzung seiner Band Eventides Harmonizer für
sich entdeckt. Allerdings nutzte er das Gerät sel-
ten, um Gitarrenharmonien zu generieren. Statt-
dessen erzielte er mittels einer minimalen Ver-
stimmung einen subtilen, aber hochinteressanten
„Detune-Effekt“, der das Signal – ähnlich einem
dezent eingestellten Chorus – andickt. Dabei wird
der Sound aber nicht aufgeweicht, sondern hört
sich eher wie eine im Studio gedoppelte Spur an:
fett! Das war dann wohl für einige Gitarristen die
Initialzündung, und so wurde auch der Detune-
Effekt schnell ins Standard-Sound-Arsenal der
angehenden guitar heroes integriert.
Ebenfalls Kult: Digitechs Whammy-Pedal
Zumindest, solange sich die Firma Eventide nicht
entschließt, im Rahmen ihrer neuen Stompbox-
Serie auch mal einen „Harmonizing Factor“
nachzuschießen ...
Der Chor aus der Dose
Zooms legendärer 9002-Effekt ...
Übrigens hatte Digitech seinerzeit
neben der Anwendung der Geräte
als Sound-Effekt für Gitarristen
immer auch die Sänger/innen
im Visier. So bescherten die
Prozessoren der „IPS“-Serie
dem geübten Vokalisten
schon damals mehrstim-
migen Satzgesang aus der
Dose – Instant-Queen- oder Beatles-
Chöre sozusagen. Mittlerweile ist die Technik
so weit, dass man dem einsamen Singer-
Songwriter-Akustikgitarristen noch wesentlich
mehr bieten kann: Fortschrittliche Geräte wie
Digitechs „Harmony Man“ suchen sich aus den
gespielten Gitarrenakkorden selbst die passen-
den Harmonien für den Satzgesang zusammen
– eine ordentlich gestimmte Gitarre vor-
ausgesetzt. Irgendwelche Noten- oder sonstige
harmonischen Grundkenntnisse sind also nicht
mehr erforderlich, „Plug-and-Play“ heißt die
Devise. Das funktioniert tatsächlich und klingt
obendrein auch noch richtig gut, kein bisschen
nach „Micky-Maus-Stimme“ oder ähnlichem.
Nur beim Singen den richtigen Ton treffen – dazu
sollte man schon noch selbst in der Lage sein.
... und der ausgewachsene
Pitch-Prozessor heute
Ein echter Meilenstein in Sachen Pitch-
Effekte wurde dann das Anfang der Neunziger
vorgestellte Whammy-Pedal, erneut aus dem
Hause Digitech. Basierend auf den wertvollen
Erfahrungen, die man mit den vorherigen
Live- und Studioprozessoren gesammelt hatte,
vereinigte dieses knallrote Pedal alles, was
Gitarristen Spaß macht, in einem kompakten
Gerät. Das „Whammy“, so benannt, weil man
damit auch wunderbar „Dive-Bomb“-Effekte er-
zeugen kann (für die man sonst unbedingt eine
Gitarre mit Vibratosystem benötigt), fand schon
bald seinen festen Platz auf den Pedalboards
der Prominenz. Von Thrash-Helden wie Scott
Ian (Anthrax) bis zu Gitarren-DJ Tom Morello
(Rage Against The Machine) begeisterten sich
vor allem Gitarristen, die auf der Suche nach
neuen Ausdrucksmöglichkeiten waren, für
das Gerät. Mittlerweile ist Digitechs Whammy
längst zum Kult-Treter geworden und findet sich
selbstverständlich im Werkzeugkasten von U2s
The Edge, Joe Perry (Aerosmith) oder Jimmy Page
(Led Zeppelin). Und das zu Recht, schließlich gibt
es bis jetzt keinen kompakteren, vielseitigeren
und intuitiver zu bedienenden Pitch-Prozessor.
Gerade noch gebogen
Mit diesem Streifzug durch die Geschichte der
Pitch-Shifting-Abteilung haben wir unseren
Gitarrensound ordentlich verbogen, mono- und
polyphon sub- und -oktaviert, harmonisiert,
orchestriert – und am Ende hoffentlich die
Stimmung wieder erfolgreich gerade gebogen.
Und dies alles, ohne die Stimmmechaniken der
Klampfe auch nur anzusehen. In diesem Sinne:
„Stay tuned!“
g
Arne Frank