Tune it yourself Bundlos glueklich
© PPVMEDIEN 2008
tune it yourself
Bundlos glücklich
Welchen Sinn ergibt es, einem mühsam bundierten Instrument die Bünde wieder zu
entreißen? Ganz klar, hier werden andere Soundwelten erforscht. Traditionell sind
bundlose Instrumente nämlich die Domäne von Bassisten im Höhenrausch.
Doc Schneider
Für die neuen Soundspektren werden sehr gerne
sogenannte „Fretless“-Instrumente gewählt. „Fret“
ist der englische Begriff für den Bund oder das
Bundstäbchen, so dass die Bezeichnung „fretless“
selbsterklärend ist. Möchte man nun selbst in die
Soundmöglichkeiten eines bundlosen Instrumentes
einsteigen, hat man mehrere Möglichkeiten. Man
kann natürlich solch ein Instrument neu kaufen.
Da der Fretless aber häufig nur ein Instrument
für besondere Fälle bleibt, sträubt sich der inne-
re Sparfuchs, viel Geld für solch einen Exoten
auszugeben. Zudem hat sich im Laufe einer
Bassistenkarriere oftmals der Erstbass oder ein
brauchbares frühes Instrument in die Ecke ver-
krochen und steht dort eigentlich nur wartend
herum. In der Regel haben diese Instrumente aber
eine wesentlich bessere Substanz als der China-
Direktimport für 99 Euro.
Abb. 1:
Better safe than sorry: Abkleben schützt das
Instrument
Schutz ist alles
Bevor man auf Auktionen hereinfällt und sprich-
wörtlich Kernschrott für horrende Transportkosten
aus China direkt bezieht, kann der Umbau eines
vorhandenen Basses die bessere Wahl sein und
liegt durchaus im Bereich des Machbaren für
den engagierten Tune-It-Yourself-Aktivisten. Das
dachte sich auch der Besitzer des alten Ibanez-
Basses
(Abb. 1),
den ich auf fretless umrüsten
werde. Zeitlich zu eingespannt, um den Eingriff
selber durchzuführen, hat der Kunde die Arbeiten
in Auftrag gegeben. Für 185 Euro wird der
Bass „defretted“. Da der Bass ansonsten okay
ist und Pickups wie Elektronik die gesuchten
Regelmöglichkeiten bieten, hätte er für den Preis
kein gleichwertiges Neuinstrument bekommen,
so dass sich auch die professionelle Lösung durch
eine Fachwerkstatt durchaus lohnen kann.
Aber hier geht es ums TIY, und das beginnt mit
dem sorgfältigen Abkleben des Instruments
(Abb.
1),
um dieses zu schützen. Besser fünf Minuten
länger abkleben, als hinterher stundenlang Macken
retuschieren. Ich beginne mit einem normalen
Malerabklebeband, das keine so hohe Klebekraft
hat. Ich beklebe alle Korpus- und Halsregionen,
die durch Werkzeuge irgendwie verletzt werden
könnten. Anschließend klebe ich mehrere Lagen
Gaffa-Tape auf das Malerband. Das Gewebeband
(Gaffa) schützt die Oberfläche ausreichend
vorm Werkzeug, während die „Grundierung“
Abb. 4:
Heraushebeln des Bunddrahtes mit einer Zange
Abb. 2:
Entfernen des Sattels
Abb. 5:
Die Nuten nach dem Entfernen der Bünde
Abb. 3:
Anheben der Bundenden mit zwei Stemmeisen
Abb. 6:
Schleifen des Griffbretts
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Abb. 7:
Kontrolle des Griffbretts
aus Abklebeband ein Entfernen des Schutzes
ermöglicht, ohne den Lack gleich mit vom In-
strument abzuziehen.
Weg mit den Bünden
Nach dem Schutz kommt der erste Arbeitsschritt:
das Entfernen des Sattels
(Abb. 2).
Dieser sitzt
häufig in einer Nut und kann mit einer Zange nach
oben herausgehebelt werden. Ist er eingeklebt, hilft
ein Losklopfen mit einem kleinen Hammer (Zulage
nicht vergessen), diese Klebeverbindung zu lösen.
Das Einschneiden des angrenzenden Lacks mit
einem Skalpell beugt einem Wegsplittern vor.
Nachdem der Sattel entfernt ist, geht es an die
Bünde. Oberstes Gebot: In der Ruhe liegt die Kraft.
Es geht nicht darum, in Rekordzeit die Bünde
herauszukatapultieren, sondern die Kunst liegt
darin, die Bünde zu entfernen, ohne das Griffbrett
nennenswert zu beschädigen.
Dazu arbeite ich in zwei Schritten. Zuerst hebe
ich die Bundenden mit zwei Stemmeisen leicht an
(Abb. 3),
um dann mit einer Zange anzusetzen
(Abb. 4)
und durch ein „Wandern“ entlang des
Bundes diesen langsam aus der Nut herauszuhebeln.
Die Zange habe ich speziell angeschliffen, so dass
die Steigung vorne am Maul recht flach ist, um
den Bund schön sanft zu greifen. Stewmac.com
bietet entsprechende Zangen schon fertig an. Mit
der nötigen Ruhe sind dann alle Bünde entfernt,
ohne dass das Griffbrett ausgerissen ist
(Abb. 5).
Abb. 11:
Schneiden der Furnierstreifen
Abb. 8:
Nachsägen der Bundschlitze
Glatt machen
Es folgt der Schliff des Griffbrettes
(Abb. 6)
in
Längsrichtung zum Beispiel mit Körnung 100, um
das Griffbrett abzurichten. Die Kontrolle erfolgt
immer wieder mit einem Lineal
(Abb. 7).
Ist das
Griffbrett abgerichtet, müssen die Bundschlitze
aufgesägt werden. Dazu benutze ich ein Sägeblatt
mit ca. 0,6 mm Stärke, da handelsübliches Holz-
furnier „rein zufällig“ auch in der Stärke 0,6 mm
zu erwerben ist, so dass ich die Nut nach dem
Aufsägen mit Holzfurnier füllen kann. Damit
der Lack an der Griffbrettkante möglichst wenig
ausreißt, arbeite ich entlang des Griffbretts
wie auf
Abb. 8
dargestellt. Erst die Kanten ein-
sägen, dann ganzflächig die Nut aufsägen. Der
Tiefenanschlag der Säge
(Abb. 9)
stellt sicher,
dass alle Nuten gleich tief gesägt werden – sieht
ordentlicher aus. Anschließend wird das Griffbrett
nochmals geschliffen (wie
Abb. 6),
und die
Abb.
10
zeigt die Bundschlitze fertig zum Verfüllen mit
Abb. 9:
Säge mit Tiefenanschlag
Abb. 10:
Sauber vorbereitete Bundschlitze
Abb. 12:
Formen der Furnierstreifen
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Furnierstreifen. Diese schneide ich aus einem Stück
Furnier
(Abb. 11)
– möglichst gerade gewachsen
– und forme diese Streifen an der Unterseite zu
einer Kurve
(Abb. 12).
Diese Kurve ist notwendig,
weil die Bundschlitze ebenfalls einen gekrümmten
Grund aufweisen.
Probesitzen
Nach dem Zuschnitt erfolgt das erste „Probe-
einsetzen“ auf dem Griffbrett
(Abb. 13).
Sitzen alle
Streifen gut, entferne ich diese wieder und lege sie
(nach Bundnummern geordnet) ab. Zum Einkleben
der Furniere verwende ich einen Epoxydharzkleber
(beispielsweise Uhu-Endfest). Dieser Kleber hat
nach meinen Erfahrungen zwei entscheidende
Vorteile gegenüber herkömmlichem Leim. Erstens
ist er spaltfüllend, füllt also auch die kleinen
Einschnitte, die der Bunddraht im Griffbrett
hinterlässt, glasklar aus, und zweitens quillt das
Griffbrett nicht auf, da er kein Wasser in sich hat.
Zudem hat der Kleber eine Verarbeitungszeit von
ca. zwei Stunden. Daher lassen sich die Furniere
ohne Zeitdruck einsetzen
(Abb. 14).
Dem so ge-
füllten Bass gönne ich nun ein paar Tage Ruhe,
bevor ich das Furnier beiarbeite
(Abb. 15/16/17).
Kleine „Ausreißer“ können mit Sekundenkleber
repariert werden
(Abb. 18).
Abb. 13:
Die Streifen werden zur Probe ins Griffbrett
gesetzt
Abb. 16:
In Faserrichtung des Furniers arbeiten, um ein
Ausreißen zu verhindern
Abb. 17:
Bearbeiten der Kanten
Einstellungssache
Schließlich geht es zum Feinschliff, bei dem das
ganze Griffbrett mit immer feinerem Schleifpapier
(ich mache beim 400er Schluss) nochmals ab-
gerichtet und geschliffen wird. Nach dem Ölen des
Griffbretts kann der Sattel wieder montiert und das
Instrument besaitet werden. Bei einem Fretless-
Instrument können die Nuten des Sattels fast bis
zum Griffbrett herunter gefeilt werden.
Ist der Sattel an die neue Situation angepasst,
sollte auch die Oktavreinheit eingestellt werden.
Dieser Vorgang ist nicht so gradlinig wie bei
bundierten Instrumenten, da die kleinste Ver-
änderung der Position des Fingers schon erheb-
liche Tonhöhenunterschiede zur Folge hat. Es
sollte aber nicht vernachlässigt werden, da es
das Intonieren mit den Fingern erleichtert. Das
Instrument ist nun spielfertig
(Abb. 20).
Der Vorteil beim Füllen mit Furnieren besteht
unter anderem auch darin, dass man diesen Vor-
gang wieder rückgängig machen kann, das heißt,
der so umgebaute Bass kann auch wieder durch
Aufsägen der Bundschlitze zu einem bundierten
Instrument umgewandelt werden. Deshalb rate ich
dazu, sich möglichst an das 0,6er Maß zu halten,
da ein zu weites Aufsägen der Bundschlitze eine
Neubundierung fast unmöglich macht.
Das gezeigte Instrument hat ein Griffbrett
aus Ebenholz, und die Vorgehensweise kann
auf Palisander 1:1 übernommen werden. Anders
hingegen ist es bei Ahorngriffbrettern, die über-
lackiert werden müssen (da Ahorn zu weich
ist und sich die Saiten zu leicht ins Griffbrett
hineinarbeiten würden). Dieses Überlackieren
sehe ich jedoch nicht in dem Bereich des TIY,
da Lacktyp und Lackauftrag größere Erfahrung
erfordern. Und nun viel Spaß beim Gliden!
g
Doc Schneider
Abb. 18:
Füllen von Ausreißern mit Sekundenkleber
Abb. 14:
Einkleben der Furnierstreifen
Abb. 19:
Griffbrett fertig geschliffen und poliert
Abb. 15:
Beiarbeiten der Furniere
Abb. 20:
Spielfertig!
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