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Zubehör: Saitenfertigung
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ROTOSOUND-SAITEN
Bissfest in die Zukunft
Wenn etwas für den modernen Basssound verantwortlich ist, dann ist es die Saite. Und wenn
es einen Hersteller gibt, der damit wie kein zweiter verbunden ist, dann ist es Rotosound.
Aber auch die Gitarrenfraktion wird von dem englischen Hersteller bestens versorgt.
Auch er spielte Rotosound: Jimi beim Geschmackstest
Südengland, mitten im Sommer. Während
Deutschland unter der Hitze und dem allgegen-
wärtigen Sound der Vuvuzelas stöhnt, herrschen
hier 19 Grad Celsius und Regen. Wenigstens das
Bier ist warm. Warm ist auch der Empfang, den
uns Jason How, Chef von Rotosound, bereitet.
Kein Wunder, dass sich der neue deutsche Vertrieb
Musik und Technik (M&T) schnell mit ihm eini-
gen konnte und seit diesem Jahr Rotosound-
Saiten in Deutschland vertritt.
Jason How führt die Firma Rotosound nun in
der zweiten Generation. Sein Vater James How,
Gründer der Firma, ist eine Legende; er hatte
in den sechziger und siebziger Jahren praktisch
jeden mit Saiten versorgt, und die Firmenchronik
ist voll mit Bildern berühmter Gitarristen und
Bassisten. Er war es, der John Entwistles Sound
zu mehr Biss verhalf, und er war es auch, der
Jimi Hendrix mit jenen extradünnen Saiten
versorgte, die ihm am besten schmeckten und die
dessen Biss standhalten konnten. Die Maschinen
für diese Saiten hatte James How zumeist selbst
entworfen und gebaut.
Ende einer Ära
Mit dem Tod von James How 1994 endete diese
Ära. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Geschäfte
schlecht, denn James How war seit etwa fünf
Jahren nicht mehr imstande, den Betrieb
angemessen zu führen. Sein Sohn Jason musste
ins kalte Wasser springen, ohne das notwendige
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guitar 8/10
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Rüstzeug zu haben. Seine Begeisterung für
Maschinen war so ziemlich das Einzige, was
er mitbrachte, als er Rotosound übernehmen
musste; die wirtschaftlichen Grundlagen musste
er sich erst hart erarbeiten.
In Sachen Technik hingegen trat Jason How
in die Fußstapfen seines Vaters, denn nach wie
vor stellen selbst entwickelte Maschinen das
Herzstück der Fertigung dar. Nach der Übernah-
me der Firma war es eine der ersten Aufgaben
für Jason, die Herstellung zu rationalisieren und
zu entschlacken, und das geschah unter anderem
mit neu entwickelten Wickelmaschinen, auf de-
nen heute bis zu sechs Saiten parallel gefertigt
werden können.
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Schwarze Nylons für Bassisten
Am Anfang einer Saite steht der Stahldraht.
Als Rohmaterial füllt er, auf Spulen gewickelt,
die Regale im Lager. Hier gibt es mindestens
drei verschiedene Sorten, nämlich blanke
Saiten, sechseckige Saitenkerne sowie Draht
zum Umwickeln. Das Ganze in unzähligen,
verschiedenen Durchmessern. Dazu kommen
unterschiedliche Legierungen (rostfreier Stahl
oder vernickelter Stahl) sowie Material für
verschiedene Spezialitäten. Schwarzer Draht zum
Rolle neben Rolle: Hier lagert das Rohmaterial von Rotosound
„Wenn wir Flachdraht
brauchen, machen
wir ihn selbst“
Beispiel – die eine Rolle ist für die beschichteten
Nexus-Saiten, die andere enthält gar keinen
Draht, sondern Nylon, der für die Black Nylon
Flatwounds gebraucht wird.
Apropos Flatwounds: Wo ist denn der Flach-
draht, der für diesen alten, aber noch immer sehr
geschätzten Saitentyp gebraucht wird? Jason
dazu: „Wir kaufen nur runden Draht ein. Wenn
wir Flachdraht für Flatwounds brauchen, machen
wir ihn selbst. Und zwar mit dieser Maschine.“
Und er zeigt auf ein harmlos aussehendes Teil,
das mitten im Materiallager steht. Hier wird der
runde Draht durchgeschickt und mit mehreren
Rollen platt gemacht – egal, ob er nun aus Stahl
oder aus Nylon besteht. Denn auch die Black
Nylons wird aus Flachdraht gemacht.
Bleiben wir erst mal bei diesen Saiten, denn
sie werden noch immer so gemacht wie früher,
nämlich mit der Hand. Die Maschine, die hier
verwendet wird, sorgt lediglich dafür, dass sich
der Saitenkern dreht. Das Ballend ist zu diesem
Zeitpunkt bereits mit dem Kern verbunden.
Hierfür sind wiederum andere Maschinen
zuständig, die in diesem Fall ausnahmsweise
mal nicht selbst entworfen, sondern von anderen
Firmen zugekauft wurden.
Jürgen Richter
Die Fertigung ist bestückt mit selbst entworfenen Maschinen
Leder zum Polieren
Der Wickeldraht wird mit der Hand zugeführt,
was einen erfahrenen Arbeiter erfordert, der die
Spannung genau einschätzen kann, mit der er
Diese Maschine fertigt zwei Saiten gleichzeitig
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den Draht führt. Auch die Black Nylon bestehen
aus mehreren Lagen Wickeldraht; bei der tiefen
E-Saite sind es zwei Lagen Runddraht sowie eine
Lage des besagten, flachgedrückten Nylonbandes.
Ein Seidenfaden, der die beiden Saitenenden,
vor allem aber die Hände des Bassisten schützt,
vervollständigt eine handgefertigte Spezialsaite
– fast jedenfalls, denn die äußere Nylonlage wird
nun noch mit einem Ledertuch poliert, und zwar
ebenfalls mit der Hand.
So zart werden die Saiten
nie wieder berührt
Die so entstandene Saite hat einen ganz eigenen
Ton; bauchig im Attack, weich im Ausklang, dabei
eher kurz und nicht besonders brillant. Der Ton
erinnert auf einem Fretlessbass fast an den eines
Kontrabassen. In einem Jazzensemble oder einer
Bigband ist diese Saite ausgesprochen attraktiv.
Warum sie noch immer mit der Hand her-
gestellt wird, will ich wissen. Diese Saite geht
nicht kaputt, und sie wird auch nicht alt, ant-
wortet Jason How. Wer einmal einen Satz davon
hat, wird vermutlich erst in ein paar Jahren einen
neuen brauchen.
Ein paar wenige Saitentypen, namentlich die
Flatwounds, werden so gemacht. Die Mehrzahl
der Saiten jedoch wird vollautomatisch gewickelt.
Der Vorteil neben der höheren Geschwindigkeit
ist, dass der Zug des Wickeldrahts genau kon-
trolliert werden kann, was letztlich eine kons-
tantere Qualität ermöglicht. Das lohnt sich vor
allem für Saiten, die sich gut verkaufen, nämlich
die Standardtypen in Nickel oder Stainless Steel.
Und darauf will sich Rotosound nun vor allem
konzentrieren.
Hier werden sechs Saiten gleichzeitig gemacht – Simon Gauf von M&T (r.) ist beeindruckt ...
Die unsterbliche Seele
Am Anfang ist die Seele, und ohne sie geht
nichts. Die Seele, also der Kern der Saite, ist bei
Rotosound immer ein sechseckiger Draht. „Die
klanglichen Unterschiede zu einem Runddraht
sind gering, und es ist so viel einfacher, eine
solche Saite zu machen“, erklärt Jason. Die
Fertigung beginnt mit dem Anbringen des
Ballends, danach kommt der Saitenkern in die
Wickelmaschine. Hier wird er gespannt und
mit dem Umwicklungsdraht übersponnen – je
nach Typ ist dieser aus rostfreiem Stahl, aus
vernickeltem Stahl, aus Reinnickel oder aus
den verschiedenen Bronzelegierungen, wenn es
sich um Akustiksaiten handeln. Oder eben aus
schwarzem Nylon.
Die fertigen Saiten durchlaufen dann die
Endkontrolle und werden im gleichen Zuge
verpackt. Diese Aufgabe liegt bei Rotosound in
den Händen von Frauen, was Zufall ist, aber
einem Musiker ein gutes Gefühl geben sollte:
So vorsichtig werden die Saiten sicherlich nie
wieder behandelt …
Rotosound macht Saiten für alle Gitarren-
und Basstypen, wobei nach wie vor ein Fokus
Manche Saiten erfordern jedoch nach wie vor Handarbeit
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Zubehör: Saitenfertigung
auf den Basssaiten liegt, was schon in der
Produktpalette deutlich wird: Hier gibt es
Roundwound-Saiten in Stahl und in Nickel, und
das in jeder nur denkbaren Zusammenstellung
und Stärke. Pressurewound-Saiten finden sich
neben Flatwounds und den Black Nylons,
und natürlich gibt es mit der Nexus auch eine
beschichtete Saite, nicht zu vergessen die Sätze
für die Endorser Billy Sheehan (ex Mr. Big) und
Steve Harris (Iron Maiden) – zwölf verschiedene
Saitentypen kommen so zusammen!
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Qualität trotz Nachfrage
Aber auch die Gitarristen werden mit den
gängigen Typen versorgt, denn neben Saiten
aus rostfreiem sowie vernickeltem Stahl gibt es
auch eine Reinnickel-Saite sowie einen Flat-
wound-Typen. Und natürlich ist auch hier die
beschichtete Nexus-Saite zu finden. Ähnlich
sieht es bei den Akustikgitarren aus, wobei hier
besonders die „Super Bronze“ mit dem Contact-
Core-Design interessant ist. Bei dieser Saite endet
die Umwicklung kurz vor dem Steg, so dass
dort der blanke Kern aufliegt. Dadurch können
speziell die Basssaiten besonders frei und offen
schwingen, was man auch deutlich hört.
Gute 15 Jahre ohne den Firmengründer sind
nun geschafft, und Rotosound konnte sich wieder
stabilisieren. Wie geht es nun weiter? „Wir haben
es geschafft, die Fertigung zu rationalisieren,
ohne dabei unser Personal entlassen zu müssen“,
erklärt Jason How dazu. „Gleichzeitig ist durch
die Zusammenarbeit mit den Vertrieben die Nach-
frage enorm in die Höhe gegangen. Trotzdem
konnten wir die Qualität konstant halten. Neue
Saitentypen möchten wir nicht einführen; die
Musiker mögen Rotosound vor allem wegen der
bekannten Typen.“
Fans aus allen Lagern
Offensichtlich stimmt das, denn die Endorser-
liste ist prominent besetzt. Hier haben natürlich
Leute wie Jimi Hendrix oder John Entwistle ihren
festen Platz, auch wenn sie keine Saiten mehr
anfordern. Aber auch etablierte Musiker wie
Sheehan oder Harris spielen Rotosound-Saiten,
und auch Geddy Lee und Duff McKagan spannen
sie auf ihr Instrument. Zudem ist Rotosound bei
den jüngeren Musikern zunehmend beliebt. Franz
Ferdinand, Kaziah Jones oder Massive Attack
spielen diese Saiten – die Liste ist lang und
erstreckt sich quer durch alle Stilrichtungen.
Jason selbst ist übrigens kein Schreibtisch-
täter; er spielte früher intensiv Gitarre, und tut
es heute wieder. Man kann also sicher sein, dass
die Saiten nicht am grünen Tisch entwickelt
werden. Jason ist stolz auf die Sammlung von
Originalinstrumenten, und er benutzt die Sachen
auch noch – zum Beispiel zum Aufnehmen von
selbst geschriebener Musik.
Mit modernster Technik natürlich. Aber er
wäre kein How, würde er einer richtigen, ana-
logen und mechanischen Bandmaschine nicht
nachtrauern: „Ich finde, diese Geräte haben einen
wärmeren Klang als ein Computer …“
Jürgen Richter
Die firmeneigene Museumsvitrine mit Sammlerstücken der letzten 50 Jahre
Jason How beim Blättern im Familienalbum
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