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gear-special
25 Jahre Hughes & Kettner
„Wie schreibt man das überhaupt?“
Wenn eine deutsche Verstärkerschmiede seit 25 Jahren besteht, ist das ein Grund zum Feiern.
Wenn dieser Hersteller in zweieinhalb Dekaden beständig mit neuen Ideen überrascht, sollte umso
kräftiger jubiliert werden. Bühne frei für Hughes & Kettner!
Münchwies, 1984: In einem Dorf nahe des
saarländischen Neunkirchen reift die Idee zu einer
Marke mit Weltbedeutung. Schon lange hatte
sich Lothar Stamer mit Lautsprechersystemen
unter seinem Namen beschäftigt, nun soll er mit
seinem Bruder Hans eine eigene Firma mit dem
klangvollen Namen Hughes & Kettner gründen.
Bereits 1971 beginnt Lothar mit der Entwicklung
seines ersten Produkts. Da seine Band, in der
er Schlagzeug spielt, nach einer brauchbaren
PA sucht, begibt sich der junge Maschinenbau-
Student auf die Suche nach Stereo-Klängen.
Sein Ziel ist der Schrottplatz, wo er aus alten
Geräten sämtliche Lautsprecher ausbaut. Es ist
die Faszination, dass man zwei Drähte an einen
Lautsprecher anschließt, um Musik zu hören.
Das Wissen für weitere Experimente liest sich
Lothar im Laufe seines Studiums an, das er mit
einer Diplomarbeit über akustische Hornsysteme
1983 abschließt.
Ein Schlagzeuger in der Garagenfirma
In der Region spricht es sich schnell herum, dass
es eine Garagen-Firma für Beschallungsanlagen
gibt. So wird ein junger Mann namens Stefan
Fischer aufmerksam, der sich sein Studium als
Drummer bei mehreren Bands verdient, in denen
er auch für die Technik zuständig ist.
Auf der Suche nach einer Anlage macht er sich
auf den Weg zu Stamers. Er staunt nicht schlecht,
als ihm ein großes Hightech-System präsentiert
wird. Und über die Tatsache, dass Lothar dafür
weder einen beeindruckenden Namen noch
Unterlagen bereithält. Kurzerhand stößt Fischer
zum Team des jungen Unternehmens.
1984 sind die ersten Produkte so weit aus-
gereift, dass man sich entschließt, überregional
tätig zu werden. Daher wird Fischer beauftragt,
einen Namen zu kreieren. Nach zwei Tagen
präsentiert der heutige Marketing-Direktor sei-
nen einzigen Vorschlag: Hughes & Kettner. Laut
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v.l.: Stefan Fischer sowie
Lothar und Hans Stamer
heute
eigener Aussage zuckt Lothar in seinem Stuhl
zusammen: „Ei, Stefan, was soll denn das jetzt?!
Wie schreibt man das überhaupt?“ Unter den
Augen seiner skeptischen Kollegen kritzelt der
Namensgeber den Schriftzug auf eine Serviette,
der heute die Gitarrenverstärker der Firma ziert.
Mit der avantgardistisch
angehauchten PA-Box QX4
kommt 1984 das erste
Hughes & Kettner-Produkt
auf den Markt Ab diesem
Punkt entwickeln sich die
Verkaufszahlen vehement,
und man entschließt sich,
neue Entwickler für die Produktion von
Endstufen, PA-Elektronik und Mischpulten
einzustellen. Dieser Plan wird schnell um
Gitarrenverstärker erweitert, denn die Neulinge
entpuppen sich als Gitarristen, die sich von den
seinerzeit erhältlichen Verstärkern nicht vom
Hocker reißen lassen.
„Der Overkill für
damalige Verhältnisse“
Der Durchbruch mit dem AS 64
Mitte der Achtziger sondiert man den Verstär-
kermarkt und möchte mit seinem ersten
Produkt alles bisher Dagewesene übertreffen,
kurz: den besten Verstärker der Welt bauen. So
stellt die Firma 1986 mit dem AS 64 einen voll
programmierbaren Amp mit Hybridvorstufe, einer
Transistor-Schaltung für Clean und Overdrive
sowie einer ECC83-Röhre für Lead-Sounds vor.
Das Bahnbrechende daran sind 64 verfügbare
Speicherplätze; davor gibt es bestenfalls vier
belegbare Presets.
Was Stefan Fischer als „Overkill für
damalige Verhältnisse“ beschreibt, fungiert als
Initialzündung für die weltweite Popularität von
Hughes & Kettner. Plötzlich findet man in allen
internationalen Magazinen Platz. Aus einem
Wochenendprojekt ist eine Company geworden,
die ihren Sitz von einer alten Baufirma zu ihrem
heutigen Standort ins Gewerbegebiet von St.
Wendel verlegen muss.
Zu Beginn ist man inklusive Rüdiger Kimmling,
dem heutigen Produktionsleiter der Elektronik,
ein flotter Dreier, aber die
Expansion erfordert eine
Aufteilung der Aufgaben,
so dass Lothars Bruder
Hans als Geschäftsführer
einsteigt. In der Folge der
Einführung des ersten Ver-
stärkers verändert man
die Struktur: Audio-Systeme werden unter der
Marke „HK Audio“, Verstärker unter „Hughes &
Kettner“ vertrieben. Mit dem Erfolg des AS 64
wagt man sich an neue Projekte. Der Eifer wird
jedoch gedämpft von kritischen Gitarristen,
die mit dem Ton von Hughes & Kettner wenig
anzufangen wissen. Zu-nächst hält man das
für esoterische Überhöhung. Doch Mitte der
Achtziger suchen viele Gitarristen alte Tonqualität
in neuen Verstärkern. Hughes & Kettner ist zum
Umdenken gezwungen.
Da trifft es sich gut, dass im Saarland ein
junger Gitarrist von sich reden macht. Bereits
mit 14 Jahren begeistert der heutige „Strat-
King of Europe“ Thomas Blug mit seinem Spiel.
Unmittelbar nach dem Abitur beginnt er mit
seiner Arbeit für die Firma und zeigte die tonalen
Unterschiede zur damaligen Produktpalette auf.
Dabei geht er besonders darauf ein, dass der
Sound eng mit dem Spielgefühl verbunden ist.
Diese Erkenntnisse beeindrucken Stamer und Co.
so sehr, dass sie Blug fortan als Sound-Designer
zu Rate ziehen.
Die neue Sichtweise wird in der 1987 er-
scheinenden Cream Machine perfekt umgesetzt.
Ihren Namen erhält die kleine Kiste durch einen
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Tony MacAlpine, Endorser
von Hughes & Kettner
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& Kettner, dem Triamp, beisteuert, macht er
Stamer und Co. auf ein weiteres Phänomen
aufmerksam: Home-Recording. Tom Scholz,
Gitarrist der US-Rocker Boston, entwirft bereits
1982 mit dem Rockman einen Headphone-
Gitarrenamp im Taschenformat. Die deutsche
Version des Rockman wird 1992 der Tubeman, ein
Röhren-Preamp mit Line-Out zum Aufnehmen der
heißesten Ideen. Er besticht durch einen
guten Sound, einen Mittenbooster,
eine tolle Klangregelung
und vier Kanäle: Rock,
Blues, Funk, Jazz. Ein
erfolgreiches Konzept, das
auch heute noch in vielen
Studios seinen Dienst tut.
Nachdem Thomas Blug viel
zum Erfolg des Unternehmens
beigetragen hat, darf er sich 1995
beim Projekt Triamp einen Traum
erfüllen. Er beabsichtigt, drei grund-
verschiedene, zweikanalige Amps in einem
Gerät zusammenzubringen. Der Gitarrist
hat so spielend leichten Zugriff auf die Amp-
Historie von 1950 bis heute in kompromissloser
Röhrensound-Qualität. Die Präsentation des Tri-
amp MKII demonstriert 2001, dass Blugs Idee
nicht nur in der Firma hohen Stellenwert besitzt.
Das Tube Rotosphere, ein Leslie im Boden-
treter-Format, zeigt 1997 ebenso den Mut, immer
wieder neue Wege zu gehen, wie der Modeling-
Amp zenTera.
Hughes & Kettner möchte möglichst alle
Sound- und Stilsparten bedienen. Dennoch zeigen
die Produkte der letzten Jahre eine Tendenz zu
härteren Gefilden. So bringt man 2002 mit dem
Warp Factor ein Bodenpedal auf den Markt, das
erstmals die Frequenzen einer tiefer gestimmten
Gitarre perfekt an den Amp überträgt. Der
Switchblade, der erste voll programmierbare
Röhrenverstärker mit Multieffektsektion, weist
in eine ähnliche Richtung. Auf der diesjährigen
Hausmesse wird man mit dem Coreblade ein
weiteres metal-schweres Topteil vorstellen,
das unter anderem einen USB-Anschluss zum
Speichern der Einstellungen bietet.
Schließlich verfolgt Hughes & Kettner mit allen
Innovationen ein Ziel, das seit 25 Jahren fester
Bestandteil der Philosophie ist: den Gitarristen
mehr Ton und Möglichkeiten zu bieten.
Jens Prüwer
Briten, der im Gespräch „cream“ statt „creep“
versteht. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch,
schließlich versteht man unter „cream machine“
einen heißen Feger mit großer Oberweite.
Paul McCartney in der Leitung
Der 9,5“ breite Röhren-Amp mit Mini-Röhren-
endstufe (ECC-82) bietet genau das, was viele
Gitarristen ihren Verstärkern vergeblich zu
entlocken versuchen: einen druckvollen und
lauten Solo-Sound. Mit nur einem Gain- und
einem Master-Regler ist er leicht zu bedienen.
Für damalige Verhältnisse eine clevere Lösung:
So braucht man für den großen Sound nicht
unbedingt ein großes Stack. Die Beliebtheit der
Cream Machine zeigt sich einmal mehr auf der
Musikmesse. Am 40 Quadratmeter großen Stand
stehen die kaufwilligen Händler Schlange.
Die Musikwelt nimmt das Kästchen ebenso gut
auf: Eines Tages ist ein Engländer in der Leitung,
der wissen möchte, ob es die Cream Machine
auch für Bassgitarren gäbe. Nach Weiterleitung
in die Chefetage stellt sich heraus, dass dieser
Mann Paul McCartney heißt.
Mit der ATS-Serie präsentiert Hughes & Kettner
die ersten Hybridverstärker weltweit. Ein cleveres
Konzept lässt Transistor-Amps in der gleichen
Preisklasse alt aussehen und klingen: Ähnlich
wie bei der Cream Machine setzt man auf eine
Röhrenvorstufe und eine
kleine Röhrenendstufe, hin-
zu gesellt sich für richtig viel
Wumms eine Mosfet-Transistor-End-
stufe. Der ATS 100 und der ATS 60 erfreuen sich
1988/89 so großer Nachfrage, dass die Auf-
tragsannahme bei Hughes & Kettner seelsor-
gerische Qualitäten entwickeln muss.
100.000 kleine, rote Boxen
Abseits der Arbeit an immer ausgefeilteren
Verstärkerkonzepten widmet man sich 1989 der
„Blug erfüllt sich mit dem
Triamp einen Traum“
Übertragung des Tons in die PA und werkelt an
einer kleinen Kiste, welche die Mikrofonierung
einr Box auf der Bühne oder im Studio einspart.
Das Gerät soll das Signal so filtern, wie es in der
Gitarrenbox klingt. Das Ergebnis ist die Red Box,
die ihren Namen durch ihre knallige Farbe erhält
und sich schnell über 100.000 Mal verkauft.
Bis heute ist sie ein oft kopierter Renner im
Sortiment der Firma. Noch bevor Thomas Blug
seine Kreativität zum Flaggschiff von Hughes
Ein Blick in die Fertigungshalle
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