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Akustikgitarre
JOHNSON-FERTIGUNG IN CHINA
Im Land der scharfen Messer
Gitarren der Marke Johnson haben in den letzten Jahren einen enormen Qualitätsschub
vorweisen können. Klang, Verarbeitung und Optik haben ein überzeugendes Niveau erreicht.
Wie haben die Chinesen das geschafft?
Endmontage der Instrumente:
Baumwollhandschuhe sind Pflicht
Akustikgitarren von Johnson galten noch vor
wenigen Jahren als zwar solide Instrumente, aber
aus der billigeren Abteilung. Was jedoch in der
letzten Zeit durch unsere Testredaktion gegangen
ist, hat ein neues Qualitätsniveau erreicht, das
sich natürlich auch im Preis bemerkbar macht.
Die Fertigung sitzt nach wie vor in Shanghai
in China. Das mussten wir uns näher ansehen.
Schließlich gelten Gitarren aus China hierzulande
nach wie vor zwar als billig. Ob sie ihren Preis
auch wert sind, wird indes eher skeptisch beäugt.
Aber das scheint sich gerade zu ändern.
Die Johnson-Produktion gehört, wie praktisch
jede Fertigung in China, zu einem größeren
Komplex, in dem weitere Instrumente gebaut
werden – in diesem Fall vor allem E-Gitarren.
Die Akustikgitarrenfertigung ist ein kleiner,
aber sehr feiner Ableger. Hier werden auch die
Archtops und Mandolinen von The Loar sowie die
Recording-King-Gitarren gebaut. Maßgeblichen
Anteil an der inzwischen so guten Qualität
der Instrumente hat der Chef des deutschen
Vertriebes AMI, Günther Lutz. Als Gitarrenbauer
weiß er sehr genau, wie eine gute Akustikgitarre
auszusehen hat.
Holz aus Amerika
Die aktuellen Johnson-Gitarren zeichnen sich
mittels durchdachter Konstruktion, einer über-
raschend gute Verarbeitung sowie respektable
Hölzer aus. Diese werden, so erzählt der
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Fertigungsmanager Nick Qu, ausnahmslos im-
portiert. Sie stammen dabei vor allem aus
Kanada und Afrika. Zwar gibt es auch in China
gutes Holz, dieses habe jedoch noch keine gute
Reputation.
Was es aber in China gibt, das sind Fach-
kräfte. Die meisten Mitarbeiter sind schon eine
ganze Weile dabei, zum Teil schon in der zweiten
Generation. Auch das ist ein Punkt, der sich
positiv auf die Qualität auswirkt, denn Arbeiter
mit Erfahrung sind schneller und dabei genauer.
Einen großen Sprung nach vorn haben
die Instrumente zudem gemacht, seit die
Endkontrolle strenger ausfällt und Produkte mit
Verarbeitungsmängeln zurück in die Fertigung
müssen.
Kein Zufall in der Heißpresse
Bei der Führung durch die Werkstatt war be-
sonders beeindruckend, dass die Instrumente
tatsächlich vor allem mit der Hand gebaut werden,
so wie der einzelne Gitarrenbauer es hierzulande
auch machen würde. Viele Arbeiten werden mit
Handsägen und sorgfältig geschärften Messern
erledigt. Maschinen werden nur für wenige
Schritte verwendet, allerdings genau dort, wo es
auf Genauigkeit ankommt. Vor allem die wichtige
Die meisten Mitarbeiter
sind schon lange dabei
Schwalbenschwanzverbindung zwischen Hals
und Korpus wird mit einer Fräse ausgeführt. Das
führt dazu, dass Johnson-Gitarren mit einem
perfekt passenden und somit gut klingenden
Hals-Korpus-Übergang ausgestattet sind.
Die genaue Form der Gitarre wird jedoch
nicht dem Zufall überlassen. Die Zargen
werden in Heißpressen gebogen, und eine
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stabile Aluminiumform sorgt dafür, dass ein
Zargenkranz wie der nächste ausfällt. Das
bedeutet aber auch eine nicht geringe Investition,
denn eine solche Aluminiumform ist teuer. Die
massiven Fichtendecken werden mit einer
Zylinderschleifmaschine auf Maß gebracht. Das
Bracing wiederum wird mit der Hand ausgerichtet
und aufgeleimt.
Die Rohlinge für die Hälse werden grob
vorgefräst und mit der Hand geschnitten und
Die Gitarren sind verkauft,
bevor sie gebaut sind
geschliffen, wodurch jedes Instrument indi-
viduell ausfällt. Speziell hier haben sich die
chinesischen Gitarrenbauer in den letzten Jahren
den Anforderungen des westlichen Marktes
angenähert und formen die Hälse so, wie ein
hiesiger Gitarrist es sich wünscht. Die Gitarren
klingen nicht nur besser, sie fühlen sich auch
besser an.
Nitrolack dauert seine Zeit
Handarbeit herrscht auch bei der Bundierung der
Griffbretter vor. Die Bünde werden mit der Hand
in die entsprechenden Schlitze im Griffbrett
eingeschlagen, allerdings nicht komplett. Der
Job wird von einer entsprechend eingerichteten
Presse komplettiert, so dass die Bünde nahezu
perfekt im Griffbrett sitzen und nur noch wenig
Nacharbeit benötigen.
Die Lackierung wird äußerst sorgfältig
vorgenommen und besteht aus mehreren
Schichten, die ausreichend Zeit zum Trocknen
haben. Bemerkenswert ist, dass einige Modelle
auch mit der hoch angesehenen, aber aufwendig
zu realisierenden Nitrolackierung versehen
werden. Nick Qu meint dazu: „Die Instrumente
müssen etliche Wochen in einer Trockenkammer
verbringen, bevor sie poliert und montiert werden
können. Das können wir natürlich nur mit den
hochwertigeren Instrumenten machen.“
Mit diesen hochwertigen Exemplaren meint
er vor allem die Archtops der Marke „The Loar“,
die ebenfalls über AMI in Deutschland erhältlich
sind. Deren Fertigung stellt die Königsdisziplin
dar, denn die gewölbten Decken und Böden sind
nicht etwa gepresst, sondern aus dem vollen
Material geschnitzt. Bis zu fünf Jahre dauert es,
bis ein Gitarrenbauer diese Kunst beherrscht. Die
Archtops haben jetzt schon einen derart guten
Ruf (der natürlich auch in dem sensationellen
Preis begründet liegt),
dass die Instrumente
lange, bevor sie ge-
baut werden, bereits
verkauft sind.
Jürgen Richter
So sieht eine saubere
Schwalbenschwanzverbindung aus
Für die Griffbretteinlagen benutzt man
einen speziell gefärbten Leim
Hier werden die fertig beleisteten
Decken nachgearbeitet
Perlmuttarbeiten werden mit
beeindruckender Akribie ausgeführt
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