gear-workshop
Gitarrensound auf der Bühne
© PPVMEDIEN 2010
E-GITARRE AUF DER BÜHNE
Auf der Suche nach dem Sound
Der druckvolle Sound der E-Gitarre verleiht vielen Bands ihren unverwechsel-
baren Sound und sorgt dafür, dass die Songs auch auf der Bühne gut rüber-
kommen. Doch leider ist der mächtige Schalldruck einer 4x12“-Box gerade
auf kleinen Bühnen eher kontraproduktiv. Wie ihr die Gitarre auf der Bühne
ohne Klangverlust leiser bekommt, erfahrt ihr in diesem Workshop.
Der Gig soll richtig gut werden – schließ-
lich habt ihr lange für diesen Termin geprobt.
Doch irgendwie springt der Funke zum
Publikum nicht über. Vielfach ist der schlechte
Sound die entscheidende Spaßbremse und mit
dafür verantwortlich, dass der Auftritt nicht der
Kracher wird. Gerade in kleineren Clubs ist die
Saalanlage häufig nicht so dimensioniert, dass
sie einen voll aufgerissenen Gitarrenamp mü-
helos übertönt. Und wenn der Bühnensound
lauter ist als die PA, dann kann der Mix vom
Mann am Mischpult nicht mehr ausreichend
kontrolliert und beeinflusst werden.
bereitet werden, dass man alle Instrumente
klar herausgehören kann. So ist es zum Bei-
spiel wichtig, dass der Mischer eine Frequenz-
staffelung vornimmt: Jedes Instrument be-
Die E-Gitarre setzt sich
extrem gut durch
kommt seinen eigenen Frequenzbereich zuge-
wiesen – auf diese Weise lässt es sich zum
Beispiel vermeiden, dass sich Bass und E-Gitarre
im Tiefmittenbereich überschneiden.
Führt der Mischer diese Maßnahmen nicht
durch, entsteht ein undifferenziertes, wumme-
riges Klangbild – die Folge ist, dass der Groove
Ruhe auf der Bühne
Für einen guten Front-Sound müssen die
Signale von der Bühne im Mischpult so auf-
verloren geht und man nicht mehr wahrnehmen
kann, was die einzelnen Instrumente spielen.
Die Mischung aus der PA ist natürlich nur dann
klangbestimmend, wenn die PA die Direkt-
schallquellen auf der Bühne übertönt.
Wenn der Gitarrist die Gitarre auf der Bühne
richtig krachen lässt und eventuell die Gi-
tarrenbox auch noch ins Publikum richtet, dann
hat er selbst vielleicht das Gefühl, dass er den
Saal rockt. Für den Gesamtsound der Band ist
die laute Gitarre auf der Bühne jedoch eher
kontraproduktiv. Gerade die E-Gitarre, die über
einen Amp und ein dazugehöriges Speaker-
Cabinet gefahren wird, gibt jede Menge
Mittenfrequenzen ab.
Der Klangcharakter der Gitarre ist extrem
durchsetzungsfähig, da das menschliche Ohr im
Mitten- und Präsenzbereich – also zwischen
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Gitarrensound auf der Bühne
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Amps Richtung Bühne, nicht ins Publikum: So könnte ein
optimierter Bühnenaufbau aussehen
1 und 5 kHz – am empfindlichsten ist. Wenn die
Gitarre nun auch noch direkt ins Publikum
strahlt, dann hat der Sänger, der nur über die
PA und die Bodenmonitore verstärkt wird, keine
Chance mehr. Das Ergebnis ist ein unaus-
gewogenes Klangbild, das beim Publikum als
schlechte Performance gewertet wird.
Außerdem strahlt der laute Gitarrenamp
auch in die anderen Mikrofone auf der Bühne
ein. Das Übersprechen führt dazu, dass mehrere
Mikros dasselbe Signal – in diesem
Fall die E-Gitarre – auf-
nehmen. Durch die unter-
schiedlich langen Lauf-
wege des Schalls vom Gi-
tarrenamp zu den Mikro-
fonen kommt es zu einer
Überlagerung der Signale
mit unterschiedlichen Pha-
senlagen. Bestimmte Frequenzen werden
dadurch ausgelöscht, und es entsteht ein
unausgewogenes, manchmal mittiges oder ble-
chernes Klangbild.
Schalldruck führt. Mit anderen Worten: Richtig
gut klingt ein Gitarrenamp erst, wenn er mit
einer gewissen Lautstärke gefahren wird. Eine
erste klangverbessernde Maßnahme könnt ihr
sofort selbst durchführen: indem ihr den Gi-
tarrenamp nicht ins Publikum richtet, sondern
auf die Bühne. So bekommt ihr euer Brett selbst
auf die Ohren – und da überlegt man sich
schon, ob der voll aufgerissene Amp die
blutenden Ohren Wert ist.
Insbesondere wenn ihr mit In-Ear-Moni-
toring arbeitet, bietet es sich an, den
Schalldruckpegel auf der Bühne drastisch zu
reduzieren. Es gibt dann eigentlich keinen
Grund mehr, dass es auf der Bühne laut sein
müsste – schließlich werden den Musikern alle
Monitorsignale über die Ohrhörer zugeführt.
Wenn die Bodenmonitore abgeschaltet wer-
den, ist auch der Front-Sound oft wesentlich
klarer und sauberer. Aus soundtechnischen
Gründen ist In-Ear-Monitoring also unbedingt
zu empfehlen.
Guitar in the box – Isolation-Cabinets
Eine wirksame Maßnahme, die zu einem ruhigen
Bühnen-Sound führt, sind die so genannten
Isolation-Cabinets. Der Gitarren-Speaker wird in
einem schallisolierenden Gehäuse untergebracht
und dann bei voller Leistung gefahren – so
kann der gewünschte Gitarrensound mit einem
Sound ohne Box: Mit dem Transducer von SPL kann man
direkt ins Pult gehen
Der Wunschsound
Es spricht also alles dafür, den Gitarrenamp auf
der Bühne mit mäßiger Lautstärke zu fahren.
Leider haben wir es bei der E-Gitarre mit einem
besonderen Phänomen zu tun: Während die
Vocals, der Bass und die Keyboards auf der
Bühne meist über eine DI-Box direkt ins
Mischpult gespielt werden können, entsteht der
gewohnte Gitarrensound erst durch das
Zusammenwirken von Gitarre, Verstärker und
Lautsprecherbox.
Gerade Röhren-Amps haben die technische
Eigenschaft, dass sie ihren gewünschten Sound
erst bei einer gewissen Lautstärke erreichen.
Durch eine gezielte Übersteuerung der Vor-
stufen- oder Endstufenschaltung wird die
röhrentypische Verzerrung erzeugt, und es
entsteht der fette Amp-Sound, wie wir ihn
kennen. Um diesen Sound zu erzeugen, muss
der Amp mit einer gewissen Leistung gefahren
werden – die dann wiederum, über ein Spea-
ker-Cabinet abgegeben, zum entsprechenden
Voller Sound, kein Lärm: In geschlossenen Load-Boxes
abgenommen, hat man den Röhrensound ohne Krach
Mikrofon abgenommen werden, ohne dass der
Gitarrenamp auf der Bühne zu hören ist. Ähnlich
wie im Aufnahmeraum eines Tonstudios wird
der Amp – oder besser gesagt: der Gitarren-
Speaker – akustisch isoliert.
Der große Vorteil eines Isolation-Cabinets
ist, dass die Mikrofone samt Stativen fest
montiert werden können. Auf diese Weise wird
die optimale Position der Mikrofone einmal
festgelegt und muss nicht bei jedem Gig neu
eingestellt werden. Dieses Verfahren eignet
sich insbesondere beim Einsatz eines In-Ear-
Monitoring-Systems, da der Gitarrist von
seinem Amp auf der Bühne akustisch nichts
mehr wahrnimmt.
In-Ear-Monitoring und Isolation-Cabinet
erfordern einigen technischen und finanziellen
Aufwand, der sich insbesondere dann lohnt,
wenn die Band auf Tour ist und häufig auf
größeren Bühnen spielt. So fährt zum Beispiel
der Metallica-Gitarrist Kirk Hammett seine
Mesa Boogies hinter der Bühne in Isolation-
Cabinets – auf diese Weise bekommt die PA den
„amtlichen“ High-Gain-Sound, während die
Band auf der Bühne mit erträglichen Lautstärken
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Gitarrensound auf der Bühne
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einem mikrofonierten Speaker nachempfunden.
Ebenfalls von Koch gibt es den Studiotone
Combo ST-20 C – einen Gitarren-Combo mit
eingebautem Power-Soak. Mit diesem Combo
entfällt die Notwendigkeit einer externen Load-
Box, die zwischen Amp und Speaker geschaltet
werden muss.
In diversen Gitarrenamp-Vorstufen gibt es
Line-Ausgänge, die ein frequenzkompensiertes
Signal für die direkte Einspielung in das
Zu den bekanntesten Modeling-Preamps zählt
sicherlich der POD von der amerikanischen
Firma Line 6. Dem einen oder anderen
Gitarristen gerade der härteren Fraktion wird
sicherlich der reale Amp-Sound fehlen. Aber
wenn ihr mit In-Ear-Monitoring arbeitet und es
– zum Beispiel bei einer Top 40-Band – darum
geht, verschiedene klassische Gitarrenstile
schnell abrufen zu können, dann ist der POD
unschlagbar. Ihr sucht euch einfach ein
passendes Grundprogramm – zum Beispiel den
Sound 1A „Plexi Lead“. Dieser Klang simuliert
den fetten Marshall-Röhrensound und
funktioniert sehr gut für druckvolle
Gitarrenriffs. Mit dem Parameter „Drive“
lässt sich der Verzerrungsgrad einstellen
– mit einem zusätzlichen Presence-
Regler könnt ihr dem Sound den nötigen
Biss verleihen. Der POD XT live ist
speziell für den Bühnen-Einsatz ausgelegt
– das Gerät ist als Bodenmultieffektgerät
aufgebaut und bietet neben einem Volume/
Wah-Pedal Fußtaster an, mit denen die
Sounds direkt aufgerufen werden können.
Platzsparend: Mit einem Isolation-Cabinet ist man leise
beschallt wird. Der angenehme „Nebeneffekt“
einer solchen Beschallung: Der bei vielen
Musikern auftretende schleichende Hörverlust
wird auf diese Weise vermieden.
Roter Tausendsassa: Der POD X3 ist eine von zahlreichen
Interpretationen des Modeling-Themas von Line 6
Load-Boxes – Wärme statt Krach
Eine andere Möglichkeit, den Gitarrenamp
leiser zu bekommen, bietet ein Power-
Attenuator – auch Load-Box oder Power-Soak
genannt. Um die Lautstärke der Gitarrenbox
reduzieren und gleichzeitig die Röhrenzerre
beibehalten zu können, wird die vom Verstärker
erzeugte Leistung durch einen Widerstand
zum Teil in Wärme umgewandelt. Zu diesem
Zweck wird der Power-Attenuator zwischen
den Lautsprecherausgang des Amps und die
Lautsprecherbox geschaltet. So erhält der
Speaker einen kleinen Teil der Leistung des
Amps bei gleichem Sound, und es wird leise.
Power-Attenuators gibt es von zahlreichen
Herstellern – so bietet THD den Hot Plate
Attenuator an, der mit einem induktiven
Widerstand arbeitet. Auch der Silencer von Tube
Amp Doctor wandelt die überschüssige Leistung
in Wärme um, wobei die Lautstärke in 2-dB-
Schritten bis zu –16 dB geregelt werden kann.
Auch mit der Loadbox LB120-II von Koch kann
der zu laute Röhrenamp auf einen erträglichen
Bühnen- oder Proberaum-Level reduziert
werden. Die Loadbox hat darüber hinaus
einen DI-Ausgang, mit dem ein symmetrisches
Ausgangssignal direkt ins Pult geschickt
werden kann. Durch die integrierte Speaker-
Simulation wird der Sound des Direktsignals
Mischpult abgeben. So bietet zum Beispiel der
Frequency-Compensated-Line-Output des Tube
Preamp 530 von Engl oder der Mesa Rectifier
Recording Preamp eine Möglichkeit, das
Gitarrensignal mit Vorstufenverzerrung und
Es geht auch
ganz ohne Amp
Speaker-Simulation direkt und ohne Anschluss
eines Gitarrenspeakers in die Stage-Box
abzugeben. Leider bekommt man auf diese
Weise die Endstufen-Verzerrung nicht mit –
wenn ihr auf die Endstufenzerre nicht verzichten
könnt, muss eine andere Lösung her.
Analoge Röhrensounds: Mit dem Tubeman von Hughes &
Kettner bekommt man Röhrenklänge
Modeling-Preamps
Ganz ohne Amp und Gitarren-Speaker geht
es auch: Durch Modeling-Preamps kann das
akustische Verhalten der Signalkette Amp-
Speaker-Luftschall-Mikrofon simuliert werden.
Dabei wird das Klangverhalten verschiedener
klassischer Gitarrenamps nachgebildet, so dass
eine clean eingespielte Gitarre per Knopfdruck
mal eben schnell den Sound eines Marshall-
JCM-800-Tops oder eines Mesa/Boogie Triple
Rectifiers annimmt. Darüber hin-
aus kann zwischen verschiedenen
Speaker-Simulationen gewählt
werden – vom 1x10“-Combo bis
zum 4x12“-Cabinet könnt ihr
euch den passenden Gitarren-
Speaker und schließlich auch noch
verschiedene Mikrofontypen für die Abnahme
des Gitarrenamps aussuchen.
INFO
Eine DI-Box – von: Direct-Injection-Box – wandelt
ein unsymmetrisches Instrumentensignal, wie es
die E-Gitarre abgibt, in ein symmetrisches Signal
um. Symmetrische Signale können über wesentlich
längere Strecken geführt werden, ohne dass sie
Brumm-Einstreuungen auffangen. Symmetrische
Signale werden zum Beispiel von Mikrofonen
abgegeben und über dreipolige XLR-Kabel zum
Mischpult geführt.
Mit dem Rectifier Recording Preamp von Mesa kann man
ohne klangliche Einbußen direkt ins Pult gehen
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Gitarrensound auf der Bühne
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darum bemühen, sich gegenseitig zu hören,
dann orientiert man sich automatisch am
leisesten – und nicht am lautesten – Instrument.
Und vielleicht kann man dann sogar mal etwas
aus den Monitorboxen hören ...
Reduktion des Lautstärkepegels
Wenn der Gitarrist seinen Amp auf der Bühne bis
zum Anschlag aufdreht, dann ist das wie beim
Wettrüsten: Der laute Gitarrenverstärker zieht
unweigerlich einen noch lauteren Bassisten,
einen Drummer, der mehr Monitor im Sidefill
haben will, usw. nach sich.
Auf der Bühne wird es immer lauter – auf
der Strecke bleibt in diesem Fall meist der
Gesang, das Aushängeschild eurer Band. Der
Gesangsmonitor kann irgendwann nicht mehr
lauter gefahren werden, und zwar genau
dann, wenn die Rückkopplungs- oder die
Leistungsgrenze des Bodenmonitors erreicht
ist. Der Sänger hört sich nicht, und ein Sänger
der sich nicht hört, singt schlecht. Deshalb
solltet ihr alles unternehmen, um die Lautstär-
ke auf der Bühne zu reduzieren – es kommt der
Aussagekraft eurer Band zugute.
Wenn man die Gitarren- und Bassamps nicht direkt ins Publikum richtet, hört man sich auf der Bühne
besser – und der Mann am Pult freut sich auch
Aber auch andere Hersteller bieten Modeling-
Preamps an, die auf digitaler Basis arbeiten. So
gibt es von Boss den GT-8, das Tonelab von
Vox oder den Rocktron Utopia G 100.
Einen ganz anderen technischen Ansatz be-
schreiten Hersteller wie zum Beispiel Tech-21
mit seinen Sansamp-Modellen oder Hughes &
Kettner mit dem Tubeman Mk II: Während
Modeling-Preamps wie der POD die Sounds auf
digitalem Wege erzeugen, ist die Schaltung im
Sansamp rein analog aufgebaut.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass
der Gitarrist beim Gig auf den gewohnten
Sound verzichten muss. Wie ihr den perfekten
Gitarrensound auf die Bühne bringt, ohne
den Mitmenschen die Ohren wegzublasen,
wollen wir uns auf den folgenden Seiten näher
anschauen.
Der Amp und das Publikum
Im Laufe der Jahre hat sich der Begriff der
„Marshallschneise“ geprägt: Gemeint ist damit
die publikumsfreie Schneise direkt vor dem
Amp. Wenn der aufgerissene Verstärker direkt
auf die Köpfe der Zuschauer zielt, dann wird
der eine oder andere Musikliebhaber das Weite
suchen. Außerdem wirkt der Gitarrenamp dann
wie eine kleine PA, und der Mischer kann
das Gitarrensignal nicht mehr am Mischpult
kontrollieren. Der unkontrollierbare Sound führt
dazu, dass das Publikum unzufrieden ist, und
ihr habt mit eurer privaten Beschallungsmaß-
nahme das Gegenteil dessen erreicht, was ihr
eigentlich wolltet. Deshalb solltet ihr euren
Gitarrenspeaker immer in die Bühne hinein
richten – möglichst in Ohrhöhe, damit ihr euren
Sound deutlich hören könnt.
Euer Gig ist kein
Solo-Gitarrenkonzert
Der Gesamtsound der Band
Ihr solltet immer bedenken: Euer Gig ist kein
Solo-Gitarrenkonzert! Die Band ist der Hero,
nicht der Gitarrist. Und dementsprechend soll-
tet ihr euren Gitarrensound auch ausrichten.
Natürlich sind der Gitarren-Sound und die
Lautstärke des Amps sehr stark vom Musikstil
abhängig. Eine Heavy-Metal-Band kann einen
anderen Pegel vertragen als eine Blues-Combo
in der Kneipe. Aber eines ist klar: Wenn der
Schlagzeuger seine Becken nicht mehr hört,
dann ist die Gitarre definitiv zu laut!
Ob Topteil mit Load-Box, Isolation-Cabinet
oder eine Amp-Modeler-Lösung – es gibt,
wie aufgezeigt, viele Möglichkeiten, den Gi-
tarrensound im Sinne des Gesamtklangbilds zu
optimieren.
Warmer, analoger Sound
Im Tubeman versieht sogar eine echte Röhre
ihren Dienst und sorgt so in Verbindung mit
einer Speaker-Simulation für einen warmen,
analogen Sound. Und schließlich gibt es ja auch
noch die Möglichkeit, mit dem Laptop und einer
Plug-in-Lösung auf die Bühne zu gehen. Hier
bietet sich zum Beispiel Guitar Rig von Native
Instruments an – auch Line 6 hat mit dem
Gearbox Plugin inzwischen eine native
Modeling-Lösung für den Mac und den PC auf
dem Markt. Von IK Multimedia gibt das
Modeler-Plug-in Amplitube, das für die Mac-
und die Windows-Plattform angeboten wird.
Alles für die Band
Leider ist es ein Irrglaube, dass der laute
Gitarrenamp auf der Bühne so richtig drückt und
den Sound der Band nach vorn bringt. Oft ist
das Gegenteil der Fall: Je leiser es auf der Bühne
ist, desto besser ist der Sound fürs Publikum.
Und dies ist also, um es zusammenzufassen,
das Grundproblem des Gitarristen: Da hat man
sich eine teure Anlage gekauft, mit der man
den Saal so richtig aufmischen kann. Und dann
kommt der Mischer daher, und das erste, das er
sagt, ist: „Jetzt drehst du deinen Amp mal um
die Hälfte leiser!“
Die lieben Mitmusiker
Das gilt natürlich nicht nur für Gitarristen
und ist ja eigentlich auch das Prinzip des
Zusammenspiels in einer Band. Aber es ist
trotzdem gut, sich dieses Prinzip immer wieder
vor Augen – besser gesagt: vor Ohren – zu
führen. Wenn sich auf der Bühne alle Musiker
Glücklich, wer ein solch opulentes Monitoring beim Gig
nutzen kann: So hört man alles
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gear-workshop
Gitarrensound auf der Bühne
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Frequenzauslöschungen, die das Gesamtklang-
bild der Band enorm verschlechtern.
Hier ist natürlich in erster Linie der
Tontechniker gefragt, der für die passenden
Mikrofone und eine optimale Ausrichtung
derselben sorgen sollte. Insbesondere der
Gitarrist kann jedoch durch Mäßigung der
Lautstärke seinen Teil zu einem sauberen
Gesamtklangbild beitragen.
Passende Übertrager
Wenn ihr mit einem Amp-Modeler auf die
Bühne geht oder das Gitarrensignal direkt aus
der Vorstufe an das Mischpult abgebt, dann
spart ihr euch die Mikrofonierung und die damit
einhergehenden Probleme, wie Übersprechen,
Rückkopplungen, Phasenauslöschungen, etc.
Wichtig ist jedoch, dass dieses Signal
dann sauber zum Mischpult übertragen wird.
Mikrofone geben von Haus aus symmetrische
Signale ab, die vor Störeinstreuungen relativ
sicher sind. Euer Amp oder der Modeling-
Preamp werden in den meisten Fällen ein
unsymmetrisches Signal zur Verfügung stellen.
Die Ausgangsbuchse ist dann meist eine
Wichtiges Thema: Monitoring
Das Problem des schief singenden Sängers
oder der jammernden Backing-Vocals kennen
wir wohl alle. Doch die Ursache liegt oft gar
nicht in der fehlenden Gesangstechnik, sondern
daran, dass sich der Sänger auf der Bühne nicht
oder nur schlecht hört.
Hier kommt das Thema Monitoring ins
Spiel. Besonders reizvoll, da immer bezahlbarer,
ist In-Ear-Monitoring, das dieses Problem
löst, da auch der Sänger jetzt sein eigenes
Monitorsignal direkt zugespielt bekommt. Der
nächste Schritt ist, dass alle Bandmitglieder mit
In-Ear ausgestattet werden – dann kann jeder
Musiker heraushören, wie er im Kontext der
gesamten Band klingt.
Das Problem ist: In-Ear-Monitoring ist ver-
gleichsweise teuer und erfordert ein separates
Pult. Aber vielleicht ist es möglich, dass ihr euch
ein System leiht und im Proberaum ausprobiert.
Wenn ihr dann auf den Geschmack gekommen
seid, ist die nächste Investition eventuell kein
weiterer Amp, sondern ein In-Ear-System.
In-Ear-Monitoring ist
vergleichsweise teuer
Monoklinke, und die unsymmetrische Signal-
führung erkennt ihr daran, dass euer Klinken-
stecker nur zwei – und nicht drei – Kon-
taktflächen hat.
Das unsymmetrische Ausgangssignal sollte
jetzt möglichst direkt hinter dem Ausgang des
Preamps symmetriert werden – zum Beispiel
mit Hilfe einer DI-Box. DI-Boxen werden in
sehr unterschiedlichen Ausführungen und
Preisklassen angeboten. Eine DI-Box mit Trafo-
Übertrager ist zwar etwas teurer, aber gerade
für Tube-Amps klanglich die bessere Lösung.
Gute DI-Boxen werden zum Beispiel von
Palmer oder BSS angeboten. Der Ausgang der
DI-Box ist eine XLR-Buchse, die das Signal über
ein normales Mikrofonkabel an die Stagebox
abgibt.
Experimente mit dem Gitarrensound
Natürlich kann man den Standpunkt vertreten:
Mein Amp klingt am besten, wenn er voll
aufgerissen ist, das habe ich schon immer
so gemacht. Aber vielleicht gibt es ja auch
Lösungen, die genauso gut – oder gar besser
– klingen und dem Gesamtsound der Band
mehr dienen.
Vielleicht klingt der Lieblings-Power-Amp
mit einem Modeler-Preamp schon bei gerin-
geren Lautstärken richtig fett – oder das
Line-Ausgangssignal aus dem Preamp ist für
die Durchsetzungsfähigkeit im Live-Setup
genau das richtige. In diesem Fall muss der
angeschlossene Gitarren-Speaker nicht voll
aufgerissen werden, da er schließlich nur als
Monitor dient.
Hier ist Experimentiergeist gefragt – und ein
erfahrener Tonmann. Denn leider könnt ihr das
Ergebnis dieser Bemühungen nur beurteilen,
wenn ihr beim Soundcheck mal die eine oder
andere Lösung ausprobiert.
Für den optimalen Gesamtsound kommt man an
etwas Klangtüftelei am Amp nicht vorbei
Mono oder stereo?
Gitarrensound in Stereo kann sehr gut kommen
– die Frage ist nur, ob er auch im Gesamt-
klangbild der Band funktioniert. Wenn ihr
zum Beispiel mit kurzen Delays von 2 bis 10
Millisekunden arbeitet, dann ist dieser Effekt
stereo sehr schön, weil er den Gitarrensound
breiter macht. In diesem Fall solltet ihr das
trockene Signal nach links und das Delay nach
rechts pannen – dann bleibt in der Mitte mehr
Raum für den Gesang übrig.
Auch ein Chorus-Effekt kommt stereo sehr
gut und erzeugt einen schwebenden, breiten
Charakter. Ein voluminöses Hallprogramm hin-
gegen vermatscht den Gitarrensound und führt
meist zu einem diffusen Klangbild.
Lästige Übersprechungen
Übersprechungen zwischen den Bühnenmikro-
fonen lassen sich nicht ganz vermeiden, da zum
Beispiel das Gesangsmikro immer auch einen
Teil der anderen Schallquellen auf der Bühne
mitnimmt. Aber je leiser es auf der Bühne
zugeht, desto geringer ist dieser Effekt.
Wenn ein Schlagzeugmikro den Gitarren-
sound mit abnimmt, dann wird dieses Signal
im Mischpult mit dem Direktsignal der Gitarre
gemischt. Durch Phasenverschiebungen in Fol-
ge unterschiedlicher Schalllaufzeiten entstehen
Viele Anschlüsse, viele Möglichkeiten
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guitar 06/10
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auch bei Rechnerabsturz fortgeführt werden
kann. Dann ist es sinnvoll, entweder einen
Ersatzrechner, einen Minidisc-Player oder
Ähnliches mitzunehmen, auf dem ein Backup
aufgespielt wurde.
Wenn ihr ein Klinkenkabel mehr als nötig
im Gepäck habt, dann beruhigt das nicht nur
die Nerven, sondern kann eventuell sogar
den gesamten Gig retten. Klar – gegen alle
Eventualitäten kann man sich nicht schützen.
Aber eine gute Vorsorge mit dem nötigen
Improvisationstalent hilft, brenzlige Situatio-
nen zu meistern.
Perfektes Monitoring
Insbesondere wenn ihr auf der Bühne nur mit
einem Modeling-Preamp arbeitet, müsst ihr
auf einen möglichst perfekten Monitorsound
vertrauen können. In diesem Fall könnt ihr
euch nicht mehr mit dem eigenen Amp-Sound
behelfen, wenn der Mischer das Monitoring
nicht auf die Reihe bekommt.
Mit anderen Worten: Ohne gutes Monitoring
seid ihr vollkommen aufgeschmissen! Deshalb
empfiehlt es sich, für ein solches Setup einen
eigenen Monitormischer dabei zuhaben, der
die Band, die Stücke und natürlich auch die
Technik genauso gut kennt wie der Mann am
Hauptmischpult.
Andreas Ederhof
Ein Backup-System ist enorm wichtig – es müssen ja nicht gleich alle Komponenten in dreifacher Ausführung sein
Plan B
Wenn viel Technik im Spiel ist, dann kann
auch viel schiefgehen. Das Publikum merkt
davon meistens gar nichts, so lange man sich
von einem abstürzenden Rechner oder einem
Wackler im Kabel nicht irritieren lässt und
Plan B aus der Tasche zieht. Das ist zwar
leichter gesagt, als getan, aber wenn ihr euch
vor dem Gig mit möglichen Fehlerquellen und
deren Beseitigung beschäftigt, dann wird man
davon nicht überrumpelt.
Ein Beispiel: Ihr fahrt eure Loops vom
Rechner ab und wollt sichergehen, dass der Gig
Idealfall: ein In-Ear-System