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gear
Tune it yourself
Brumm-Unterdrückung spezial
Doc Schneiders Abschlussarbeit in Sachen Elektrik steht an. Der eine
seufzt erleichtert „Na endlich!“, von anderen kommt nur ein überraschtes
Augenzwinkern, aber in der Tat möchte ich zum Jahresende (Heft 12/09)
die TIY-Serie in der jetzigen Form auslaufen lassen. In gut fünf Jahren
sind so viele Themen abgedeckt worden, dass akute Wiederholungsgefahr
besteht. Zudem ist das gesammelte Wissen über die Bücher „Guitar Basics“
oder das „Guitar Service Manual“ jederzeit abrufbereit.
Doc Schneider
Statt banaler Wiederholungen und halb-
herzigen Aufpolierens alten Materials möchte
ich – falls machbar – neue Wege gehen, auf
denen ich Text und Videos vereine. Also
Beschriebenes hörbar und sichtbar machen.
Aber das ist Zukunftsmusik; erste Versuche
laufen. In der realen Wirtschaft würde man von
einer Machbarkeitsstudie reden. Bei mir heißt es:
Probieren geht über Studieren.
Bevor nun aber der treue Kugelschreiber in
der Ablage verschwindet, habe ich noch ein an-
spruchsvolles Elektrik-TIY-Projekt vom Aller-
feinsten. Worum geht es? Abb. 1 zeigt’s: Hum-
bucker am Steg, Singlecoil in der Mitte und am
Hals – eine Standardbestückung, wenn Vielseitig-
keit angesagt ist. Immer wieder fragen jedoch
Soundfreaks mit großen Ohren nach einer Mög-
lichkeit, in dieser Schaltung ein 500er Poti für
den Humbucker einzusetzen, die Singlecoil-
Tonabnehmer jedoch mit 250er Potis zu regeln.
Der Grund für diese feine Detailfrage liegt in
der Signalbedämpfung der Potis. Für die einen
zu vernachlässigende Toleranzen, für die anderen
ein wichtiger Baustein im Grundsound. (Um
an dieser Stelle nicht vom Pfad abzukommen,
empfehle ich die guitar-Ausgaben 8/07, 9/07 und
10/07 zur Lektüre – die Thematik würde hier den
Rahmen sprengen.) Somit ist die Zuordnung 500
= HB und 250 = SC die Vorgabe Nummer eins der
Schaltung. Die zweite Vorgabe (hum-cancelling,
zu deutsch: Brummunterdrückung) kommt da-
her, dass viele Live-Gitarristen auf Stadtfesten,
Open-Air-Bühnen oder Musical-Aufführungen
mit so starken elektrischen Einstreuungen zu
kämpfen haben, dass ein Standard-Singlecoil
zur störenden Lärmquelle wird. Hier bringt die
Brummunterdrückung Balsam für das Ohr – und
das geht auch, ohne auf aktive Tonabnehmer
zurückgreifen zu müssen.
Die Schaltung, die beide Vorgaben erfüllen
kann, ist etwas komplex. Zerlegt man sie jedoch in
einzelne Schritte, wird sie durchaus ein machbares
Tune It Yourself. Bauteile und Anordnung zeigt
die Abb. 2. Für dieses Beispiel werden durchweg
Seymour-Duncan-Tonabnehmer verwendet (Kun-
denwunsch). Am Steg sitzt der Pearly Gates
als Trembucker mit Metallkappe. Für Hals und
Mitte werden die Texas-Hot-Modelle aus der
Antiquity-Serie eingesetzt. Abweichend vom
eigentlichen Verwendungszweck setze ich jedoch
den RWRP in die Halsposition. Mit seinen rund
6,74 kOhm hat er etwas mehr Dampf als der
eigentliche Halstonabnehmer und gibt somit die-
ser Position etwas mehr Druck. Der eigentliche
Halstonabnehmer kommt in die mittlere Position
und sorgt hier im Mix mit seinen zirka 6,34
kOhm für angenehm perlige Singlecoil-Sounds.
Somit bietet das bestückte Schlagbrett (Abb. 2)
folgende Ausgangssituation: Halstonabnehmer:
S. Duncan TH RWRP – Südpol oben, mittlerer
Tonabnehmer: S. Duncan TH normal – Nordpol
oben, und am Steg der TBPG, bei dem die
vordere, glatte Spule (zirka 4,2 kOhm) den
Abb. 1:
Äußerlich altbekannt, im Inneren viel
Neues – Docs HB/SC/SC-Variante
Abb. 2:
Die Bauteile und ihre Anordnung
Abb. 3:
Die Schalterpositionen
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guitar 10/09
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Tune it yourself
Pos. 2: Spule 1 + Spule 2, geregelt mit 250er Potis
Pos. 3: Spule 1 + Spule 3, geregelt mit 250er Potis
Pos. 4: Spule 2 + Spule 4, geregelt mit 250er Potis
Pos. 5: Spule 3 + Spule 4, seriell als Humbucker,
geregelt mit 500er Poti
(Die Positionen 2 bis 5 sind brummunterdrückend
durch die gewählte magnetische Polarität.)
Abb. 4:
Das mit leitendem Lack ausgekleidete
E-Fach, um elektr. Einstreuungen abzuleiten
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Die Vorbereitung
Um die Brummunterdrückung weitgehend zu
optimieren, ist es ratsam, nicht alleine auf den
Humbucking-Effekt von zusammengeschalteten
Spulen zu bauen, sondern schon im Vorfeld
störende Einstreuungen abzufangen und an
Masse abzuleiten. Um dies zu bewerkstelligen,
habe ich die komplette Elektronikfräsung und
die Fräsung für die Buchse deckend mit einem
leitenden Lack ausgekleidet (Abb. 4). Da der
Lack über den Rand der Fräsung hinausgeht,
bekommt die komplette „Wanne“ Anschluss an
Masse, wenn – wie auf Abb. 5 zu sehen – die
Unterseite des Schlagbrettes mit einer leitenden
Metallfolie beklebt wird.
Ich halte diese Art der elektrischen Abschir-
mung für sehr gut, da die große Metallfläche
in Verbindung mit der ausgekleideten Fräsung
Abb. 9:
Die Bodenplatte des S1-Schalters
mit der Platine
wie eine Art Antenne arbeitet, die einfallende
Störungen einfängt und an Masse ableitet. Hierzu
ist eine gute Masseverbindung vonnöten.
Im Beispiel sitzen die Potentiometer direkt
auf der Folie und stellen so, da selbst geerdet,
eine gute Masseverbindung her. Bei Kontakt-
schwierigkeiten (etwa Korrosion) kann eine
zusätzliche Masseverbindung gelegt werden.
Wichtig ist nur, dass sie da ist.
Förderlich für einen sauberen Ton ist natürlich
auch eine saubere Verkabelung (Abb. 6) –
kurze Kabel, saubere Lötstellen. Klingeldraht,
Lüsterklemmen oder das Lautsprecherkabel mit
2,5 mm Querschnitt sollten im Hobbyraum blei-
ben und bei entsprechenden Projekten sinnvoll
eingesetzt werden. Bei einer Gitarrenschaltung
reichen die stoffummantelten Vintage-Kabel
vollkommen aus. Kombiniert mit einer feinen
Lötspitze, die auch heiß genug wird, ergeben sich
dann „normgerechte Verbindungen“.
Abb. 5:
Metallfolie auf der Unterseite des
Schlagbretts macht die Abschirmung komplett
Nordpol oben und die hintere (mit Polepieces;
rund 4,5 kOhm) den Südpol oben hat. Das
oberste Potentiometer ist ein 500er CTS-Poti,
das für die Lautstärkregelung des Humbuckers
eingesetzt wird. Die Potis 2 und 3 sind 250er
CTS-Potis, die die Volumen- und Tone-Regelung
für die Singlecoils bilden.
Neben der klaren 500/250-Zuordnung bie-
tet diese Schaltung auch die Möglichkeit,
Rhythmus- und Sololautstärke unabhängig von-
einander einzustellen. Zum Beispiel eine leicht
heruntergeregelte Funkgitarre, die durch Um-
schalten auf den HB die volle Power für ein
angezerrtes Riff bietet. Um klanglich flexibel
zu sein und zudem brummunterdrückend zu
arbeiten, werden die Tonabnehmer wie folgt
angewählt (hierzu bitte Abb. 2 und Abb. 3
verfolgen):
Pos. 1: Spule 1 alleine (zur Brummunterdrückung
kann eine Dummyspule aktiviert werden; Details
im nächsten Heft)
Die Bauteile
Das Herzstück der Schaltung bildet ein Fünf-
Wege-Schlitzschalter mit vier Ebenen – auch
Megaswitch genannt (Abb. 7). Angeboten wird er
zum Beispiel von der Firma Allparts, aber auch
Rockinger/Göldo haben dieses Schaltungstalent
im Programm. Vier Ebenen, fünf Positionen,
und alle Positionen einzeln anwählbar (nicht
paarweise, wie bei herkömmlichen Fünf-Wege-
Schaltungen): Das lässt Tuner-Herzen höher
schlagen – und ermöglicht unendliche Schal-
tungsvarianten.
Die beiden Volume-Potis sind Standardbauteile
der Firma CTS und nicht weiter erwähnenswert.
Interessant ist jedoch das 250er Tone-Poti (T/Sc
Abb. 2),auf das ich etwas genauer eingehen möch-
te. Es handelt sich um einen Fender S1 Switch, wie
man ihn von diversen Fender-Gitarrenmodellen
kennt. Basis ist ein 250er CTS-Poti, unter dem
ein Minischalter befestigt wurde (Abb. 8). Durch
einen beweglichen Stempel im Inneren des Potis
kann der Schalter umgelegt werden. Abb. 9 zeigt
auf der Unterseite die Schaltkontakte. Es sind vier
Ebenen mit je drei Anschlüssen, die so arbeiten
wie zwei herkömmliche Push/Pull-Potis mit je-
weils zwei Ebenen (Abb. 10). In der Tat riesiges
Potential für wahre Schaltungsfeuerwerke – in
der vorliegenden Schaltung jedoch lediglich
zuständig für das Aktivieren der Dummyspule.
Abb. 7:
Mittelpunkt der Schaltung: der Megaswitch
Abb. 6:
Saubere Lötarbeit für sauberen Ton
Abb. 8:
Verbindet das CTS-Poti mit einem Mini-
Switch: der Fender-S1-Schalter
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Parallel an die 250er Potigruppe;
Ebene 3: Position 1 – 4: Das Signal von der 250er
Gruppe zur Buchse, Position 5: Humbucker-
signal vom 500er Poti zu Buchse;
Ebene 4: Position 4: Anzapfung HB an Masse.
Was passiert, wie passiert’s?
Position 1: Hals hot + Dummy (optional) zur
250er Gruppe, dann zur Buchse.
Position 2: Hals hot + Mitte hot zur 250er
Gruppe, dann zur Buchse.
Position 3: Hals hot + Mitte hot zur 250er
Gruppe, dann zur Buchse. Hier gilt die Beson-
derheit, dass die Anzapfung des HB als hot des
HB gewählt wird. Abb. 12 zeigt den Schaltungs-
hintergrund. Wird beim Beispielhumbucker
die Anzapfung an hot gelegt, ist Spule 1 aktiv
(entspricht Spule 3 auf Abb. 2). Wird hingegen
die Anzapfung an Masse gelegt, ist Spule 2
aktiv (entspricht Spule 4 auf Abb. 2). So kann
durch unterschiedliches Verschalten gewählt
werden, welche Spule aktiviert ist. Das wird in
der nächsten Position benötigt.
Position 4: Mitte hot + HB gesplittet (durch
Ebene 3) zur 250er Gruppe, dann zur Buchse.
Abb. 10:
Funktionsweise des Schalters
Etwas kostspieliger und umständlicher in der
Beschaffung als herkömmliche Push/Pull-Potis,
bietet der S1 Switch den Vorzug des CTS-Potis
als Regeleinheit, so dass auch „große Ohren“ ge-
setzten Standards treu bleiben können. Es gilt
jetzt aber nicht, in die unendlichen Weiten des
Mojo abzudriften, sondern – da alle Zutaten an
Bord sind – die Schaltung aufzubauen.
Da ich kein technischer Zeichner bin, anbei
eine kleine Skizze (Abb. 11), die etwas erläutert
werden soll (vielleicht auch muss). Zu sehen sind
die vier Ebenen mit ihren Ausgängen (Quadrate)
und den jeweiligen fünf Eingängen. Die Ebenen
1 und 2 sind quasi die „Anwähler“.
Ebene 1: Position 1/2/3 Hals hot, Position 4 HB
hot – hier eine Brücke vom 500er Poti-Eingang;
Ebene 2: Position 1: optionale Dummyspule,
Position 2 und 4 Mitte hot, Position 3: Anzapfung
HB – hier Brücke zu Ausgang Ebene 3;
Nicht in die unendlichen
Weiten des Mojo abdriften
Musterschüler werden bemerken, dass hier
250er und 500er Potis aufeinandertreffen. Da
jedoch die Brücke vom Eingang des 500er Potis
her gelegt ist, trennt der 500-kOhm-Widerstand
des Potis das Signal von der Masse, und der
Schleifer des 500er Potis liegt frei im Raum.
Somit hat dies trotz Berührung der Systeme
keine Auswirkung auf Sound und Funktion.
Position 5: HB – das volle Brett, regelbar in der
Lautstärke durch das 500er Poti. Der HB wird
direkt an das 500er Poti gelegt und geht erst
dann zur Schaltung (siehe Skizze).
Der Vorteil dieses zugegebenermaßen kom-
plexen Ansatzes liegt darin, dass die 250er
und die 500er Positionen völlig unabhängig
voneinander arbeiten. Auch ein Herunterregeln
auf null wird die andere Position nicht stumm
schalten. Dies ist beim simplen Parallelschal-
ten von Potis nicht möglich. Daher diese
Schaltungsoption, die zudem noch das Problem
der Bedämpfung umgeht.
Somit steht die 250/500er Nearly-hum-
free-Spezialnummer (mit Dummy) – nicht ganz
einfach, aber alle Vorgaben werden umgesetzt,
und die Funktionen sind da (getestet). Natürlich
lassen sich auch Teilaspekte der Schaltung in
bestehende Schaltungen integrieren, aber das
ist eine andere Geschichte und somit Stoff für
eigene Ideen.
In der nächsten Ausgabe lüftet die geheimnis-
volle Dummyspule ihr Geheimnis und das, wenn
alles gut geht, auch visuell und hörbar.
Michael „Doc“ Schneider
Abb. 11:
Die komplette Schaltung als Skizze
Abb. 12:
Splitting-Optionen bei einem Humbucker
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