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Tune it yourself
„Noise-weg-Dummy“ –
die Spule für die Ruhe
Nach dem recht komplexen und trockenen TIY in der vergangenen Ausgabe
gibt es diesmal pures Selbertunen mit Spaßeffekt (ging mir jedenfalls so).
Das noch fehlende Bauteil der brummunterdrückenden Schaltung aus guitar
10/09 ist der schon erwähnte „Dummycoil“, der zum Hals-Singlecoil hinzu-
geschaltet werden kann, um einen brummunterdrückenden Effekt zu erzielen.
Doc Schneider
Wat is ’n Dummycoil? Da stellen wir uns
mal janz dumm: Ein Dummycoil ist im Grunde
genommen eine vollwertige Spule (Coil), die
aber keinen Metallkern und auch kein eigenes
Magnetfeld besitzt, so dass sie nicht in der Lage
ist, aus Saitenschwingungen Strom zu erzeugen.
Bei einem normalen Humbucker sind zwei
Spulen am Werk. Elektrisch gesehen sind die
beiden Spulen entgegengesetzt ausgerichtet,
so dass sich aufgenommene Störgeräusche
gegeneinander auslöschen oder reduzieren - da
gegenphasig. Damit dies nicht auch mit dem
aufgenommenen Saitensignal passiert, sind die
Magnetfeldrichtungen ebenfalls entgegengesetzt
ausgerichtet, so dass sich beim Humbucker auf-
genommene Saitensignale addieren, während sich
die aufgenommenen Störgeräusche gegenseitig
reduzieren.
Experimente zum Nachahmen aufzeigen, die
– ohne zu viel vorwegzunehmen – durchaus zu
einer brauchbaren und livetauglichen Lösung in
Sachen Brummreduktion führen können.
Eine livetaugliche Lösung in
Sachen Brummreduktion
Würde man jetzt (das geht aber aufgrund der
kurzen Distanz nur in der Theorie) bei einer der
Spulen Magnetfeld und Metallkern entfernen,
würde diese Spule zum Gitarrensignal nichts
mehr hinzusteuern (da keine Induktion), die
brummunterdrückende Funktion würde aber
weiter arbeiten.
Bei solch einer Spule redet man bei Gitarren
von einem Dummycoil (Blindspule). Das ist jetzt
nichts Neues – den Dummycoil gab es schon mehr
oder weniger erfolgreich auf Gitarrenmodellen
verschiedenster Baujahre. Auf der Suche nach
der brummfreien Position 1 für die Schaltung
aus dem Oktoberheft möchte ich an dieser Stelle
In Serie oder parallel
Grundsätzlich können Spulen auf zwei verschie-
dene Arten zusammengeschaltet werden.
Möglichkeit 1: Die Serienschaltung (Abb. 1),bei
der die Spulen hintereinandergeschaltet werden.
Hierbei addiert sich der elektrische Widerstand
der Spulen. Schaltet man eine Blindspule mit
einer aktiven Spule in Serie, so färbt diese den
Gesamtsound recht erheblich ein. Der Sound
wird bedeckter und je nach Spulenparameter
möglicherweise sogar muffig. Häufig ist dies kein
ganz überzeugender Ansatz, einen Dummycoil
einzusetzen.
Möglichkeit 2: Die Parallelschaltung (Abb. 2).
Bei dieser Schaltungsvariante addieren sich
die Einzelwiderstände nicht, sondern der Ge-
samtwiderstand wird nach folgender Formel
geringer: 1/R1 + 1/R2 = 1/Rg. Und genau das
Abb. 1:
Seriell geschaltete Spulen
Abb. 2:
Parallel geschaltete Spulen
Abb. 3:
Simpel aber effektiv: der Testaufbau,
um verschiedene Spulen durchzuprüfen
Abb. 4:
Die Ausrichtung der Spule hat erheb-
lichen Einfluss auf die Brummunterdrückung
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guitar 11/09
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ist auch das Problem des Parallelschaltens. Der
Sound wird extrem transparent, dünn, und die
Lautstärke vermindert sich.
Experimentansatz: Nimmt man einen
sehr starken Dummycoil, verringert sich der
elektrische Widerstand nach der Formel immer
weniger, je stärker der Dummycoil gewählt wird.
Diplomphysiker klopfen sich an dieser Stelle
lachend auf die Schenkel – egal!
Die Idee: dicke Spule = weniger Verlust?
Sofort wird es praktisch. Selbst mit begrenzten
Mitteln liegt Selbermachen im Rahmen des Mög-
lichen. Um verschiedenste Spulen durchtesten
zu können, habe ich auf einer Testgitarre einen
Singlecoil fest mit dem Ausgang verlötet. Mit
einem Minischalter kann nun beliebig eine Spule
parallel zum eingebauten Singlecoil aktiviert
werden (Abb. 3).
Abb. 6:
Sicher platziert: der Dummycoil
fertig zum Einsatz
Verschieden starkes Brummen
Als erster Kandidat kommt eine Humbuckerspule
mit ca. 3,6 kOhm in den Test. Einfach an den
Schalter gelötet, und durch Zu- und Abschalten
können die Veränderungen im Sound und in
puncto Brummen durchgetestet werden. Sehr
interessant ist, wie sich das Brummen verändert,
wenn die Spule in Position und Lage verändert
wird (Abb. 4).
Ergebnis: Parallel zur Singlecoil-Ebene
gelagert, ist eine deutliche Reduktion des
Abb. 5:
Die Testkandidaten: HB-Spule/T-
Style-Singlecoil/„Monsterspule“ im Aufbau
Brummens zu hören. Durch mehrmaliges
Wenden der Spule kann so die Ausrichtung der
Spule bestimmt werden, bei der die Reduktion
des Brummens am größten ist.
Ist diese Position gefunden, müssen beim
endgültigen Einbau in die Schaltung Kabel-
belegung und Ausrichtung 1:1 übernommen
werden, sonst war das „Ich such das Brummen“-
Experiment umsonst. Beim Spielen der Gitarre wird
der Ton nach dem Zuschalten der Spule jedoch
sehr dünn und leise. Alleine gespielt vielleicht
noch interessant, im Zusammenhang mit anderen
Tonabnehmern nicht brauchbar, da zu leise.
Kandidat Nummer 2
Als nächster Testkandidat geht ein T-Style-
Halstonabnehmer mit rund 7 kOhm an den Start.
Damit die Einzelmagneten den Versuch nicht
stören, habe ich diese ganz vorsichtig aus dem
Pickup herausgedrückt – und der Pickup hat
überlebt, was nicht immer gelingt, so dass er nun
als reine Blindspule agieren kann.
Die Testergebnisse sind ähnlich, jedoch wird
der Sound beim Zusammenschalten nicht mehr
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ragt leicht aus dem Potiknopf heraus, ist die
Spule aus (Abb. 9). Kann der Stift ganz in den
Knopf eintauchen, ist die Spule an (Abb. 10).
Dies ist jedoch lediglich eine Anregung – der
ambitionierte Bastler kann natürlich eigene
Wege gehen.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die
Spule durch die komplexe Schaltung aus TIY
10/09 beim Ausschalten in der Tat komplett von
der Schaltung abgetrennt wird. Ausgeschaltet
beeinflusst sie in keiner Weise das Originalsignal
des Tonabnehmers. Unterm Strich stellen sich
nun aber zwei Fragen: Wie stark wird das
Brummen reduziert, und wie stark verändert sich
der Sound?
Bei solchen Fragen ist Papier oft geduldig.
Daher habe ich parallel zum TIY-Text ein
1 (Dummy automatisch aktiviert) zeigt dies noch
einmal recht deutlich.
Deaktiviert man nun in Position 1 die
Dummyspule, bricht das ganze Gebrumme
wieder über einen herein, und die Messlatte
wird wieder in Position gerückt. Der nächste
Vergleich ist die Position 1 (Hals-SC/Dummy
aktiv) mit der Position 5 (Humbucker am Steg).
Auch der Humbucker ist alles andere als still
(konstruktionsbedingt).
Sein Restbrummen liefert er aber im unteren
Frequenzbereich, während die Position 1 mehr
hochfrequente Störungen liefert (lautstärkemäßig
jedoch ungefähr gleich).
Vergleicht man zum Abschluss die Position 4
(gesplitterter Humbucker parallel mit mittlerem
Singlecoil) mit der Position 1, wird deutlich, dass
die Dummycoil-Variante genauso viel oder wenig
brummunterdrückend ist wie die als livetauglich
durchaus akzeptierte Schaltungsvariante eines
gesplitteten Humbuckers parallel mit einem
entsprechenden Singlecoil (RWRP).
Abb. 7:
„Sichtfenster“ für den Dummycoil
in der Abschirmung des Schlagbrettes
ganz so dünn. In der Hoffnung auf bessere
Resultate krame ich ganz tief in meiner Kiste
mit defekten Pickups und bekomme so zwei
alte Humbuckerspulen mit jeweils ca. 8,5 kOhm
Widerstand.
In Serie geschaltet, ergibt sich so eine
„Monsterspule“ mit ca. 17 kOhm Widerstand.
Durch Experimentieren – wie auf Abb. 4 gezeigt
– wird die Ausrichtung bestimmt, die die größ-
te Brummunterdrückung liefert. Anschließend
werden die beiden Spulen miteinander
verklebt, verlötet und getestet. Resultat: gut.
Die Brummunterdrückung ist okay, das Signal
verliert nur unwesentlich an Ausgangsleistung.
„In echt“ sind die Unter-
schiede noch deutlicher
Demovideo auf www.guitar.de hochgeladen.
Da die Soundveränderungen zu subtil für die
durchschnittlichen Internet-Möglichkeiten sind,
beschränkt sich das Video auf das Betrachten
des Brummaspekts. Technische Details der
Gesamtschaltung sollten in TIY 10/09 nach-
gelesen werden.
Brauchbare Gitarrensounds
Wird zum Abschluss in Position 1 die Dummy-
spule wieder deaktiviert, wird der Effekt einer
solchen Spule durchaus hörbar. Vor dem
Hintergrund, dass „in echt“ die Unterschiede
noch deutlicher sind, ist die parallel geschaltete
Dummyspule ein ernstzunehmendes Werkzeug
für brauchbare Gitarrensounds.
Gefloppt sind Versuche, die Beeinflussung
des Sounds per Video zu dokumentieren. Der
Unterschied ist zu gering. Der Pickup wird ledig-
lich eine Nuance silbriger und verändert leicht
seinen Sound. Viele Testkunden brachten es auf
den Punkt: Ein sinnvoller Kompromiss zwischen
Brummunterdrückung und Originalsound.
Und das Gute daran: Bei deaktivierter
Dummyspule bleibt der Originalsound des Ton-
abnehmers unangetastet. Wenn es brummt:
Dummy an – spielen ohne Nervenkrieg bei völlig
akzeptablem Sound.
Somit geht auch der zweite Teil meiner
Abschlussarbeit in Sachen Elektrik zu Ende.
Die Dummyspule ist ein interessantes Projekt
und recht problemlos zu realisieren. Auch
ohne die gezeigte Fräsung findet sich meist ein
passendes Plätzchen fürs Bauteil, denn Platz
ist ja bekanntlich selbst in der kleinsten Hütte (in
diesem Falle: E-Fach).
Michael „Doc“ Schneider
Vintage-Schalter
Die so zusammengestellte Blindspule positioniere
ich in einer Fräsung direkt unter dem Schlagbrett
(Abb. 6). Damit die Spule genügend Störungen
aufnehmen kann, habe ich an der entsprechenden
Stelle die Metallfolie vom Schlagbrett entfernt
(Abb. 7).
Ziel: Die Spule soll genau das Gleiche „sehen“
(und dann auslöschen) wie der entsprechende
Singlecoil-Tonabnehmer. Aktiviert wird der
Dummycoil durch einen Fender S1-Switch
(vergleiche auch Abb. 8 + Abb. 9 aus TIY 10/09),
der optisch kaum als Schalter wahrnehmbar ist
und somit einer eventuell gewünschten Vintage-
Optik keinen Abbruch tut (im Vergleich etwa zu
Minischaltern).
Der Potiknopf wird in der Mitte durchbohrt
und bietet daher die Möglichkeit, den Schalter mit
einem dünnen Stift zu betätigen (Abb. 8). Als Stift
dient ein ausrangierter Mini-Schraubendreher,
bei dem die Spitze plangeschliffen wurde. Ein gel-
ber Schrumpfschlauch dient als Tiefenanschlag.
Steht der Stift auf dem Taster des Schalters und
Blindspule aktivieren
Zunächst wird vor einem Amp sitzend eine
Position gesucht, bei der es richtig brummt
(Schalterposition 1 = Hals-SC/Dummy aus).
Bei maximaler Einstreuung wird nun die
Blindspule durch den S1-Switch aktiviert.
Resultat: wesentlich weniger Brummen, was
durch mehrmaliges Ein- und Ausschalten des
Dummycoils verdeutlicht wird.
Skeptiker werden nun - zu Recht - anmahnen,
dass eine echte Brummunterdrückung nur bei
möglichst gleichen Spulen eintritt. Der Singlecoil
mit seinen ca. 6,74 kOhm ist da ja weit von
dem Dummycoil mit ca. 17 kOhm entfernt,
vom eigentlichen Aufbau der Spule ganz zu
schweigen.
Somit ist es logisch, dass beim Schalten auf
Position 2 (Hals-SC parallel mit mittlerem SC/
Dummy automatisch deaktiviert) das Brummen
weiter abnimmt. Das Zurückschalten auf Position
Abb. 8:
Fast unsichtbar: durchbohrter
Potiknopf, um den S1-Schalter zu betätigen
Abb. 9:
Parallel geschaltete Spulen
Abb. 10:
Stift eingetaucht: Spule aktiv
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guitar 11/09