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Toneguide
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Von AC bis DC und zurück
Was nützt die beste EGitarre ohne Verstärker? Wenig. Was nützt der beste
Verstärker ohne Strom? Noch weniger. Und was wäre, wenn die Strom
versorgung leider gar nicht die beste wäre? Dann hätten wir wahrhaft
„störende“ Probleme, die man nur schwer einordnen kann.
Arne Frank
Achtung, liebe Freunde der Stromgitarre,
diesmal wird’s spannend, denn wir begeben uns
auf unsicheres Terrain. Üblicherweise machen
wir uns über alle möglichen Details unseres
Equipments mehr Gedanken als über die
schnöde Spannungsversorgung unserer Geräte.
Klingt ja auch viel zu langweilig und profan:
Hauptsache, der Strom ist da, wie, ist doch egal
… und solange die Netzstrippe lang genug ist.
Aha, kommt bei euch auch der Strom
einfach so aus der Steckdose? Da seid ihr nicht
allein. Keine Angst, ich will jetzt gar nicht
in irgendwelche ökologischen Diskussionen
um erneuerbare Energien, Agrarsprit oder
die Laufzeit von Kernkraftwerken einsteigen
– obwohl es sicher nicht verkehrt ist, sich
gelegentlich mal zu informieren und ein paar
eigene Gedanken dazu zu machen. Gehen wir
Spannung wird der Strom in die Netze
eingespeist. Je nachdem, wie stabil und technisch
sauber so ein Netz aufgebaut ist oder auch nicht,
kann es dabei jedoch zu mehr oder weniger
deutlichen Schwankungen kommen. Da wirken
sich unter anderem die Materialqualität der
Leitungen, etwaige Lecks oder auch die Anzahl
der gerade angeschlossenen Stromverbraucher
aus. Blitzschläge sorgen für Überspannung.
… und da geht er rein
von „Akte X“ ausartet, sehen wir uns einige
dieser Phänomene mal etwas genauer an.
Und damit das nebulöse Thema ein wenig
verständlicher und besser nachvollziehbar wird,
beziehen wir uns doch lieber auf die handfesten,
naturwissenschaftlichen Grundlagen. Wer sich
damit womöglich ein wenig unsicher fühlt,
werfe also einen Blick auf das Folgende.
USGeräte laufen auf 110 Volt ...
Die Qualität des Stroms
spielt eine wichtige Rolle
also davon aus, der Strom steht in ausreichender
Menge zur Verfügung. Nur kommt es eben nicht
nur auf die Quantität, sondern auch auf die
Qualität an.
Allerdings ist den Wenigsten bewusst, dass
es in Sachen Stromversorgung überhaupt qua-
litative Unterschiede gibt. Dabei können diese
überaus enervierende Probleme verursachen,
die phänomenal im wahrsten Sinne des Wortes
sind: Sie treten manchmal und nebelhaft wie
geisterhafte Phänomene auf und verschwinden
genau so rasch wieder. Gerade deshalb sind sie
in der Lage, uns um den Verstand zu bringen.
Bevor das nun in eine fantastische neue Folge
Elektronen auf Reisen
Wer den schulischen Physikunterricht nicht
komplett „frei genommen“ hat, dürfte norma
lerweise mitbekommen haben, dass es unter
schiedliche Ausprägungen von Elektrizität
und ein paar grundlegende Prinzipien dahinter
gibt. Da fließen winzige Teilchen, sogenannte
Elektronen, zwischen einem negativen (-)
und einem positiven (+) Pol herum. Wie stark
negativ beziehungsweise positiv diese Pole
geladen sind, bestimmt die Spannung, die man
bei uns üblicherweise in Volt misst. Das lässt
sich bildlich in etwa mit dem Wasserdruck an
der Schleuse eines Stausees verglichen.
... und brauchen einen externen Trafo ...
Richtig spannend
In Europa hat man sich vor einiger Zeit auf
einen Spannungswert von 230 Volt geeinigt.
In den USA arbeitet man mit 110 Volt. Daher
lassen sich direkt aus Übersee importierte
Geräte für den dortigen Markt bei uns nicht
einfach so betreiben. Verfügt das entsprechen-
de Elektrogerät nicht gerade über einen
Spannungswahlschalter, benötigt man einen
externen Transformator. Ohne einen solchen
schickt man das Teil sonst frühzeitig über den
Jordan. Ob EU oder USA, mit der angegebenen
Hier kommt der Strom aus der Steckdose …
...oder einen Spannungswahlschalter
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Vorsicht, Pfusch!
Doch nicht nur im Netz der Strombetreiber
kann es zu Schwierigkeiten kommen. Die
(hoffentlich) fachmännische Ausführung der
etwa in einem Konzertsaal oder Proberaum,
Festzelt und erst recht in einem Konzertraum im
Freien verlegten Stromleitungen spielt ebenfalls
eine entscheidende Rolle. Mal gar nicht davon
zu reden, dass jede Anlage unbedingt auch
ordnungsgemäß abgesichert sein sollte.
Leider sieht die Realität bei näherer Betrach-
tung häufig völlig anders aus. Nun, einige
Verstärker und auch andere Geräte mögen so
etwas gar nicht gern. Aber das besprechen wir
an geeigneter Stelle noch genauer.
Current“, zu Deutsch: Wechselstrom. Plus- und
Minuspol sind hier nicht fix, sondern werden
abwechselnd und ständig umgepolt, und zwar
etwa 50 mal pro Sekunde. Die Elektronen
fließen also nicht mehr immer nur in eine
Richtung, sondern zappeln nur noch blitzschnell
hin und her. Wie die Lachse am Ende ihrer
Wanderung zum Laichplatz. Genau das besagt
die so genannte Taktung mit 50 Hz. Nanu, das
ist doch eine Frequenz, das kann man doch
hören, oder? Genau so ist es. Das ist nämlich
diejenige Frequenz, die uns unter unglücklichen
Umständen als tiefes Netzbrummen heimsucht,
meist in Form einer Erdungsschleife. Da kommt
der „böse Brumm“ also her – und schon haben
wir einen unsichtbaren Übeltäter ausgemacht.
Volt ihr mehr Ampere?
Neben der Spannung (Volt) gibt es noch den
Stromfluss, also die Menge der Elektronen, die
während einer bestimmten Zeit und mit Hilfe
der angelegten Spannung vom Gerät durch die
Leitung gesaugt wird. Diese elektrische Energie
misst man in Ampere. Deshalb findet man zum
Beispiel auf der Unterseite eines Effektpedals
die Angabe der Stromaufnahme in mA, also
Milliampere. Die besagt, wie viel „Saft“ das
Gerät für die korrekte Funktion benötigt. Dazu
gehört dann erneut eine Spannungsangabe,
meistens 9V (Volt) und das Kürzel DC. Letzteres
steht für „direct current“, also Gleichstrom, wie
er zum Beispiel aus einer funktionstüchtigen
Batterie fließt. Plus- und Minuspol sind hier ab
Werk festgelegt, und die Elektronen bewegen
sich konstant in einer Richtung. Solange
man dafür nun eine Batterie oder einen um-
weltfreundlicheren, weil wieder aufladbaren
Akku verwendet, ist alles in Ordnung.
Netzteil, Vorteil oder Nachteil
Fangen wir mit den einfachen Dingen an und
„speisen“ erst mal ein hungriges Effektpedal.
Zur Anpassung an die heimische Steckdose
benötigen wir ein Netzteil. Diese unscheinbaren
In Europa hat man 230
Volt, in den USA 110 Volt
Dinger verwandeln den Wechselstrom aus dem
Netz in Gleichstrom und passen die Spannung
an, von 230 Volt auf 9, 12 oder 18 Volt, was das
jeweilige Gerät eben gerade braucht.
So ein Netzteil ist zunächst mal eine feine
Sache, denn es spart Batterien. Benutzt man
mehrere Pedale, hat man aber häufig rasch eine
hübsche Netzteilsammlung beisammen. Das
bringt dann leider auch wieder einige Nachteile
mit sich. Zum einen sind die Dinger gar nicht mal
so billig, zum anderen brauchen sie eine Menge
Platz auf dem Pedalboard und passen kaum
nebeneinander in eine Mehrfachsteckdose.
Dazu kommt das zusätzliche Gewicht beim
Transport. Außerdem sind die Verbindungskabel
in aller Regel erschreckend schwächlich gebaut.
Alles nicht unbedingt das, was man sich unter
gigtauglichem Equipment vorstellt. Trotz der
häufig nicht gerade zimperlichen Preise für
ordentliche Netzteile für den Musikerbedarf ist
jedoch von irgendwelchen „Schnäppchen“ aus
dem Elektronikgroßmarkt oder der Grabbelkiste
dringlichst abzuraten.
Nicht stabilisierte Billignetzteile sind
wie eine Einladung für Probleme aller Art,
die einem die Freude am Spielen komplett
Die Erde brummt
Nun arbeitet unser Stromnetz aber nicht auf
DC-Basis, sondern mit AC, sprich „alternate
Da steht, was und wie viel gebraucht wird
Röhrengeräte sind einfach anders
Windiger Grabbelkistenfund
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ein eigentümliches „Sirren“, das vorher nicht zu
hören gewesen war.
In der Sprechstunde vor Ort stellte sich
dann heraus, dass unser Musiker einige ältere,
analoge Effektpedale und einen brandneuen,
digitalen Multieffekt-Prozessor auf seinem
Board platziert hatte. Diese Geräte wurden
nun alle über dasselbe Netzteil versorgt.
Kaum hatten wir den Prozessor wieder an ein
versauen können. Solche Produkte begünstigen
unangenehme Störgeräusche und können im
ungünstigsten Fall sogar abrauchen. Vor allem
multifunktionale „Allwetterausführungen“ mit
umschaltbarer Spannung oder Polung können
gefährlich werden – für sich selbst und die
angeschlossenen Geräte, falls man den oder die
Schalter mal versehentlich verstellt hat.
Ohnehin werden alle Netzteile bei Betrieb
ziemlich warm, sollten also sicherheitshalber
generell nicht abgedeckt oder zugebaut
werden, damit es nicht zum Hitzeschock oder
Schlimmerem kommt. Ihr meint, ich übertreibe?
Wie wär’s zum Beispiel mit einem Teppichbrand
im Proberaum durch ein überhitztes Netzteil? War
Oder darf’s noch ein bisschen mehr sein?
befriedigt werden. Ja, sogar einige Pedale mit
Röhrenschaltungen, die wegen der notwendi-
gen, vergleichsweise hohen Versorgungsspan-
nung immer etwas heikel sind, bekommt man
damit satt. Man sollte sich aber zunächst einmal
klar machen, was genau gebraucht wird, zumal
die Spezialnetzteile nicht ganz billig sind. Es lohnt
sich also, sich eingehender damit zu beschäftigen.
Schließlich gilt, je besser man die Anfor-
derungen der eigenen Effektgerätesammlung
kennt, desto sicherer läuft das zentral gepowerte
Setup anschließend auch.
Für alle Fälle die richtige Spannung
Kleiner Störfall
Wildes Sammelsurium und mickrige Strippen
zwar eine Verkettung unglücklicher Umstände,
ist aber leider alles schon mal vorgekommen.
Erklärt so etwas mal eurer Versicherung … Nun,
das ist ein anderes Thema.
Okay, ein hochwertiges Spezialnetzteil ist sinn-
voll, das lässt sich noch einsehen. Damit ist dann
alles gut, oder? Leider noch nicht ganz. Wieder
einmal steckt das sprichwörtliche Teufelchen
im Detail: Zunächst sollte man bei einem
Mehrfachnetzteil unbedingt auf ausreichend
Leistung (Ampere) und möglichst stabile Kabel
und Steckverbindungen achten.
Ich staune zum Beispiel immer wieder, wie
manche Hersteller ausgerechnet an solchen
Stellen sparen. Selbst hoch spezialisierte,
ansonsten wirklich professionelle Pedalboards
mit eingebautem Mehrfachnetzteil sind zum einen
nicht selten einfach „underpowered“ und zum
anderen mit lächerlich dünnen Klingeldrähten
Willkommen im Kraftwerk
Glücklicherweise gibt es mittlerweile einige
Hersteller, die hochwertige Netzteile speziell
für musikalische Anforderungen bauen. Äh,
nein, diese Geräte haben keinen eingebauten
Supersound und spielen auch nicht Gitarre für
euch. Aber mit reichlich Ampere, mehreren
unterschiedlichen Spannungen zwischen 9V
und 24V und teilweise sogar mit DC- und
AC-Ausgängen versehen, sorgen die kleinen
Kraftwerke dafür, dass auch wahre Pedal
Maniacs ihren Fuhrpark möglichst optimal und
zuverlässig mit Kraftstoff versorgen können.
Wie erwähnt, gibt es da die verschiedensten
Ausführungen. Selbst exotische Spannungs-
bedürfnisse, wie sie zum Beispiel von einigen
Geräten aus dem Hause MXR, Electro Harmo
nix oder Line 6 angemeldet werden, können
Wenn nur der Saft für alle reicht
separates Netzteil gehängt, war das entnervende
Geräusch weg und der Spuk vorbei. Ähnliche
daraufhin untersuchte Setups zeigten eine
vergleichbare, wenn auch weniger drastische
Geräuschentwicklung.
Die Erfahrung lehrt also, dass die gemeinsa-
me Nutzung eines Netzteils von analogen und
digitalen Geräten Stress machen kann. Es kann
aber aber auch sein, dass alles glatt geht. Das
sollte man bei „unerklärlichen“ Störgeräuschen
als Erstmaßnahme ruhig mal in Erwägung
ziehen. Noch gemeiner ist allerdings die Sache
mit den Störfeldern, die jedes Netzteil mehr
oder weniger stark produziert und ausstrahlt.
Netzteile sollten nicht
abgedeckt werden
ausgestattet. Bevor ihr euch dafür entscheidet,
rechnet lieber mal nach, ob das OnBoard
Netzteil auch wirklich ausreicht und kalkuliert
vorsichtshalber auch eine Neuverkabelung ein
– zumindest, wenn ihr damit viel auf Tour sein
wollt/müsst.
Nichts ist lästiger, als vor dem Gig erst
mal die Pedale vom Board zu holen, um die
korrekte Stromversorgung zu checken. Da ist der
vermeintliche Vorteil, dass man doch alles so schön
kompakt, in einem Gehäuse und preisgünstig aus
einer Hand bekommen hat, nämlich gleich wieder
dahin. Und das Detailteufelchen zeigt euch eine
lange Nase – ätsch!
Dummerweise ist man auch nach An-
schaffung eines professionellen High-Power
Netzteils noch nicht vor sämtlichen Störfällen
in Form von Störgeräuschen sicher. Da klagte
zum Beispiel einer unser Sound-Patienten seit
der Umstellung auf ein zentrales Netzteil über
Starke Ausstrahlung
Wo Strom von „A“ nach „B“ fließt, passiert
noch so einiges mehr. Das muss uns jedoch
glücklicherweise nicht alles interessieren
und beschäftigen. Ohne unnötig tief in die
Gesetzmäßigkeiten der Physik einzusteigen,
sollten wir noch einen wunden Punkt an-
sprechen, den nicht nur die Liebhaber von
Singlecoil-Pickups kennen und fürchten: elek-
trische Störfelder.
Wo immer diese entstehen und herum-
strahlen, wollen sie nur eines – in unsere
Signalkette gelangen, um uns den Sound zu
versauern und das Leben schwer zu machen.
Leider generieren auch unsere Netzteile selbst
Kompakten Kraftwerken gehört die Zukunft
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solche Felder. Ja, auch unter den ansonsten
guten und teuren Spezialnetzteilen gibt es böse
Geräte, die mit elektromagnetischem Schmutz
nur so um sich werfen.
Mit dem an sich höchst begrüßenswerten
Aufkommen professioneller Pedalboards sind
die Hersteller derselben auf die Idee gekommen,
die benötigten Netzteile entweder gleich direkt
zu integrieren (siehe oben), wie zum Beispiel bei
einigen Boards aus dem Hause Rockbag/Rockcase.
Andere wie Pedaltrain haben ein passendes Fach
selten kommt es erst durch eine bestimmte On/
Off-Kombination mehrerer Geräte so richtig in
Fahrt. Dann jedoch umso mehr. Da kann man
sich schon mal den Wolf suchen, bevor man auf
die eigentliche Ursache stößt.
Übrigens tritt diese Phänomen keineswegs nur
bei eng gepackten Pedalboards auf. Es genügt
manchmal schon, wenn man einen Effektprozessor
während des Gigs oder der Probe auf dem Combo
oder Amp-Top parkt. Denn auch im Inneren
eines Verstärkers und aller übrigen elektrischen
Geräte finden sich selbstverständlich Netzteile,
die den Saft aus der Steckdose aufbereiten
und die passende Versorgungsspannung bereit
stellen. In solchen Fällen kann eine andere
Platzierung rasch Abhilfe schaffen. Nur muss
man natürlich erst einmal darauf kommen, dass
die Nebengeräusche hier durch die Einstreuung
eines Netzteils verursacht werden.
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Digital und analog über ein
Netzteil macht Stress
unter dem eigentlichen Board vorgesehen, um
ein hochwertiges Mehrfachnetzteil platzsparend
und sicher zu verstauen. Die Idee ist natürlich
grundsätzlich sehr gut, hat aber einen Haken:
In der Regel wird so ein Board schnell ziemlich
gründlich zugebaut.
Postiert man nun ein Gerät in unmittelbarer
Nähe oder sogar direkt über einem Netzteil,
welches für das Störfeld empfänglich ist, fängt
man sich ein fieses Brummen, Rauschen oder
Zirpen ein. Perfiderweise macht sich dieses
dubiose Geräusch meistens auch nicht gleich
mäßig oder durchgehend bemerkbar. Nein, nicht
Manchmal hilft ein wenig Abstand
Der Saft gibt Kraft
Tja, da hilft nichts, als „elektrischer“ Gitarrist
oder Bassist muss man sich auch ein wenig mit
dem „Saft“ beschäftigen, der unseren Sound
erst zum Leben erweckt. Wie wir aber gesehen
haben, ist das Thema Strom doch gar nicht so
schlimm. Zumindest solange wir uns auf die
für uns relevanten Bereiche beschränken. In
der nächsten Folge sehen wir uns dann auch
ein paar spezielle Problemlöser an, die noch
ein wenig weiter reichen und für zusätzliche
Sicherheit sorgen. Bis dahin – stay wired!
Arne Frank
Better keep ’em separated