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gear
Toneguide
Studio-Sound auf der Bühne
Effekte können unseren Sound an allen möglichen Positionen im Signalweg
aufwerten – sogar hinter dem eigentlichen Verstärker. Das ist dann allerdings
nicht mehr so ganz einfach, aber dennoch machbar. Wir beleuchten die
Hintergründe dieser letzten FX-Option.
Arne Frank
Nehmen wir mal an, es gäbe tatsächlich keine
Möglichkeit, unsere Effekte an irgendeiner Stelle
sinnvoll in den Signalfluss unseres Verstärkers zu
integrieren. Sei es, weil es wirklich keinen anderen
Input gibt, der sich entsprechend nutzen ließe, sei
es, weil wir ein „Aufweichen“ des Sounds durch
Raum- und Modulationseffekte fürchten. Es
könnte auch sein, dass ein kräftiges Übersteuern
der Endstufe für unsere Klangvorstellungen
unerlässlich ist, um in den Genuss des so
genannten Poweramp-Clippings zu kommen.
Auch dann müssen zusätzliche Special-FX leider
draußen bleiben. Damit ist in Sachen Effekte zwar
noch immer nicht aller Tage Abend, aber jetzt wird
es ein bisschen aufwendiger ...
Zunächst mal müssen wir aus unserem
Verstärker ein geeignetes Signal generieren, mit
dem sich eines oder mehrere Effektgeräte speisen
lassen. Wohl dem, der auf der Chassisrückseite
zumindest einen Line-Out vorfindet. Der braucht
sich darum nämlich keine weiteren Gedanken zu
machen und ist fein raus. Dass mir aber bitte keiner
auf die Idee kommt, stattdessen einfach einen
Speaker-Output zu verwenden – Zerstörung droht!
So geht es nicht, jedenfalls nicht ohne zusätzliches
Gerät und einige Überlegung. Fehlt ein Line-Out,
müssen wir Wege finden, wie wir aus dem Amp ein
Signal mit FX-kompatiblem Pegel erhalten.
DI-Boxen mit Speaker Emulation ...
integrieren. Der Mixer und eure Band-Kollegen
würden es euch sicherlich danken. (Mehr zum
„Wie & Warum“ findet ihr übrigens auch im
zweiten Teil des Specials „Tie Your Marshall
Down“ in guitar 10/08.) Solche Kombipräparate
sind etwa der „Silencer“ von TAD, der exklusive
SPL-„Transducer“, der kleinere „Cabulator“ oder
auch der auf dem Gebrauchtmarkt noch häufiger
anzutreffende „Speaker Emulator SE 100“ aus dem
Hause Marshall. Dafür muss man natürlich etwas
mehr hinblättern, schlägt dann aber auch gleich
mehrere Fliegen mit einer Klappe.
Anschluss & Anpassung
Also, das Signal ist da. Wunderbar. Nun gleich
rein in die Effekte? Leider geht das noch nicht
so ganz. Zunächst das geringere Problem: Wir
brauchen geeignete Adapter zum Verstöpseln.
Schließlich haben wir es mit Produkten der Studio-
oder Bühnentechnik mit XLR-Anschlüssen zu
tun, während die Eingänge unserer Effektgeräte
normalerweise schnöde Klinkenbuchsen sind.
Okay, erste Hürde genommen, und weiter geht’s.
Nebenbei: Dass man bei einem Röhrenverstärker
unbedingt darauf achten muss, den entsprechenden
Thru- oder Parallel-Out einer DI-Box auch wieder
mit der Box zu verbinden, damit die Endstufe nicht
„leer“ läuft, und man hierfür hochwertige Kabel
verwenden sollte, dürfte klar sein – falls nicht,
siehe Toneguide, Ausgabe 11/06.
Ein Mikrofon liefert einen ziemlich geringen
Pegel, ähnlich einem passiven Tonabnehmer, muss
also gegebenenfalls vor der Weiterverarbeitung
… oder lieber ohne
dazwischenzuschalten, damit das Signal nochmals
zur „effektiven“ Weiterverarbeitung auf der Bühne
zur Verfügung steht. Häufig sind die Bühnen aber
viel zu klein oder ein Mikro einfach zu gefährdet
oder zu anfällig für Einstreuungen durch die
übrigen Klangquellen.
Alternativ besteht jedoch die Möglichkeit, eine
spezielle DI-Box zu verwenden, die man einfach
zwischen Speaker-Output und Box anschließt.
Geräte wie die schon legendäre „Red Box“ von
Hughes & Kettner, Palmers „The Junction“, Radials
„JDX Amplifier DI Box“ oder die „F.A.N.T.A.“-
Box von TAD sind exakt dafür konzipiert. Diese
Geräte sind vor allem dazu gedacht, ohne Mikro-
fonabnahme ein frequenzkorrigiertes Signal ans
Mischpult zu liefern, bieten sich aber selbstver-
ständlich auch für unsere Zwecke an.
Wer auf Endstufen-Clipping besteht, könnte
bei dieser Gelegenheit auch gleich noch ein
Werkzeug zur optimalen Lautstärkekontrolle
Gib mir ein Signal
Zuerst die klassische Methode schlechthin: Wir stel-
len einfach ein Mikrofon vor die Lautsprecherbox.
Im Prinzip keine schlechte Idee, da der Amp ja
normalerweise für die PA sowieso abgenommen
werden muss. Dann müssen wir also nur noch den
Mixtechniker überzeugen, eine zusätzliche DI-Box
Ein „Line-Out“ macht das Leben leicht
Das Kombiwerkzeug mögen auch
die Band-Kollegen
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guitar 10/09
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Toneguide
erst mal aufgepäppelt werden. Genau das Gegen-
teil gilt für ein per DI-Box am Speaker-Output abge-
zweigtes Signal. Dieses hat normalerweise einen
Line-Level, ist also für das eine oder andere
Effektgerät viel zu kräftig.
Diese Anpassungsproblematik lässt sich
aber mittels Booster/Buffer-Amps oder Volume-
Pedal leicht lösen, wie wir bei der ausführlichen
Betrachtung der optimalen Effekteinbindung schon
häufiger besprochen hatten (siehe auch Toneguide,
Ausgabe 07/08.)
Wer hat, der hat: ein Mikro vor die Box ...
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Alles in eigener Hand
Etwas komplizierter gestaltet sich die Weiter-
verstärkung des eigentlichen Effektsignals.
Logisch: Steht der Amp selbst nicht für die
Oder hat euer Basser vielleicht noch
’nen Amp übrig?
Von XLR auf Klinke
- aus der DI-Box in die Effekte
Verstärkung der Effekte zur Verfügung, müssen
andere externe Komponenten her, die das über-
nehmen. Egal ob Mikrofonabnahme oder eine
der genannten Spezial-DI-Boxen: In jedem Fall
haben wir damit ein bereits fertiges, vorgefiltertes
Amp-Signal. Dieses eignet sich perfekt für die
Weiterverstärkung über Hifi-taugliche Fullrange-
Speaker, also PA oder Monitore, aber nur bedingt
für die Weiterverarbeitung über „herkömmliche“
Gitarrenboxen. (Näheres hierzu findet ihr im
Toneguide, Ausgabe 10/06.) Wir müssen uns
also Gedanken darüber machen, wie wir den
eigentlichen Effekt-Sound hörbar machen.
Prinzipiell könnten wir es uns einfach machen
und uns vom Mischpult aus ein paar Effekte auf
die Monitore legen lassen. Aber der Mensch am
Mixer hat während eines Konzerts auch so schon
Der „Saubermann“ unter den Röhren-Amps
… und ab in die eigene PA
alle Hände voll zu tun. Man kann daher kaum
erwarten, dass er nur darauf wartet, an geeigneter
Stelle irgendwelche Effekte für den Gitarristen
umzuschalten. Daher ist es sicher besser, wenn wir
das selbst in der Hand behalten.
Natürlich ergibt es wenig Sinn, sich dafür nun
gleich eine eigene PA als FX-Backline mit auf
die Bühne zu stellen, obwohl so etwas in den
effektgetränkten 80ern und frühen 90ern durchaus
vorkam. Da konnte man solche Anlagenkonzepte
aus Gitarren-Amp mit angeschlossener Klein-PA
bei einigen Profi-Acts tatsächlich auf den Bühnen
stehen sehen. (Roadies oder Stagehands waren wohl
damals noch billiger zu haben ...) Der prominenteste
Gitarrero, der mir dazu spontan einfällt, ist Blues-
Rocker Andreas Schmidt Martelle, der damals für
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Ein 3-Channel-Setup muss auch richtig
abgenommen werden
Jule Neigel in die Saiten griff und sich als Endorser
eine eigene Hughes&Kettner-Backline nur für die
Effekte gönnte. So viel Aufwand muss man aber
nicht unbedingt treiben.
Und die Endstufenröhren dürfen ruhig köcheln.
Das „Effektpanorama“ steht gewissermaßen als
Kulisse dahinter und sorgt für eine bestmögliche
Präsentation.
Wie das klingt? Nun, Königslocke Brian
May oder Rack-Effektpioniere wie die heiligen
drei Steves (Lukather, Morse und Stevens) sind
schon seit Jahrzehnten glühende Verfechter
dieser Methode, die man auch das „3-Channel-
Setup“ nennt, weil unsere Gitarren-Helden damit
mindestens drei Kanäle am Mischpult belegen
– einen für den puren Amp und zwei weitere
für die Stereo-FX links und rechts im Panorama.
Aufwendig? Ja, so etwas ist selbstverständlich
nicht für jeden machbar. Aber es klingt dann auch,
als hätte man das ganze Studio inklusive Techniker
mit auf Tour dabei. CD-Qualität, sozusagen.
Der Panorama-Effekt
Im Proberaum darf man sich den Super-Hero-
Sound gerne mal gönnen. Live ist so etwas nur
mit nervenstarken Mix-Technikern zu machen.
Nicht verzagen, vielleicht tut es für euch ja auch
schon die abgespeckte „2-Channel-Version“ mit
nur einem zusätzlichen Effektsatelliten. Auch das
klingt bereits phänomenal! Das Schönste daran:
Es muss noch nicht mal besonders kostspielig
sein. Denn da euer „Main-Amp“ immer noch den
Löwenanteil am Mega-Sound liefert, genügen ein
paar relativ preisgünstige Komponenten als FX-
Line, die ja lediglich den Hintergrund bildet.
Selbst mit ein paar ganz gewöhnlichen
Bodentretern und einem einfachen zusätzlichen
Transistor-Combo kann man so schon ausge-
sprochen beeindruckende Klanglandschaften er-
zeugen. Das reicht vielleicht noch nicht ganz für
den Job bei Pink Floyd oder Dream Theater. Aber
ihr werdet staunen, wie nah man dem Super-Hero-
Feeling damit kommen kann.
Vom FX-Satelliten zum 3-Channel-Setup
Stattdessen kann man auch einen kompakten
Combo als „Effektsatelliten“ verwenden. Haben
wir es mit einem vorgefiltertem Signal aus einem
der zuvor beschriebenen DI-Boxen mit Speaker-
Simulation zu tun, wäre hierfür allerdings ein
fullrange-tauglicher Verstärker empfehlenswert.
Ein herkömmlicher Gitarrenlautsprecher kappt die
höheren Frequenzbereiche, wodurch der Sound
dann ein zweites Mal beschnitten würde. Das
wird dann schnell zu dumpf. Insofern bieten sich
etwa Verstärker für Keyboards oder akustische
Instrumente an, die Fullrange-Signale verarbeiten.
Alternativ tut es auch ein moderner Bass-Amp, da
solche Geräte heute zumeist einen zuschaltbaren
Hochtöner an Bord haben.
Doch bevor ihr nun ein Imageproblem oder gar
einen Equipment-Konflikt mit den Band-Kollegen
riskiert, greift lieber zu einer DI-Box „extra mit
ohne“ Frequenzkorrektur wie der Klotz „D10“ (die
bei 48dB Pegelabsenkung auch zwischen Speaker
und Box arbeiten kann). Dann könnt ihr im
Prinzip jeden herkömmlichen Gitarren-Amp
oder gerne auch eine externe Endstufe plus
Gitarrenbox(en) einsetzen.
Auf der sicheren Seite ist man mit besonders
clean und brillant klingenden Komponenten. Gut
funktionieren zum Beispiel ein Fender Twin oder
ein Roland JC-120, bei dem obendrein ein sehr
schöner Chorus-Effekt integriert ist. Diese Geräte
sind nicht umsonst auch bei eingefleischten
Tastenspezialisten zur Verstärkung eines E-Pianos
höchst beliebt. Zugegeben: Das ist großes Besteck.
Aber ein vergleichbares Ergebnis lässt sich auch mit
anderen und kleineren Komponenten erzielen. Es
geht ja nur darum, das Prinzip zu verdeutlichen.
Auf jeden Fall stehen wir damit wieder mit
beiden Beinen in der Multiamping-Abteilung. (Die
Basics hierzu findet ihr im Toneguide der Ausgaben
12/08 und 01/09.) Wer eine derartige Anlage schon
mal gehört oder selbst ausprobiert hat, weiß um die
beeindruckenden Qualitäten eines solchen Setups.
Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Unser Haupt-
Amp kann, von der Verstärkung irgendwelcher
externer Effektanteile befreit, sein Bestes geben.
Super-Sound gefällig?
Wie man sieht, kann man das Problem der
Effekteinbindung auf unterschiedlichste Weise
angehen. So sind wir auf Umwegen über
Effektsatelliten und die eigene PA letztlich beim
ultimativen Guitar-Hero-Sound gelandet. Und
das macht mehr Eindruck als die Tapete mit der
Gitarrenboxenwand! Nun müsst ihr nur noch
überlegen und prüfen, was für euch die passende
Lösung ist, um euren Amp-Sound ins rechte
„Effektlicht“ zu rücken. Viel Erfolg!
Arne Frank
Das Top läuft pur, das Effekt-Rack über
die eigene Endstufe und Box