© PPVMEDIEN 2009
TASTEN
WORKSHOP
Sound: Orgelsounds aufpeppen
Hammond & Co
Der Workshop
In dieser Praxis-Reihe dreht sich alles um
den Sound aus Keyboard oder Synthesizer-
Workstation. Lesen Sie, wie Sie beim Pro-
grammieren von Sounds vorgehen, um Schritt
für Schritt das Potential Ihres Instruments
auszureizen.
Matthias
Sauer
befasste sich bereits
vor seinem Studium
der Musikwissen
schaft intensiv mit
Synthesizern und
Keyboards. Er arbeiitet
freiberuflich als Autor,
Live-Keyboarder,
Musikschullehrer und
produziert elektro-
nische Musik, die
unter Pseudonym
veröffentlicht wird.
In dieser Ausgabe
geht es um den Einsatz von Orgelsounds: Wir
sagen Ihnen, welche Klangquellen es gibt und
wie Sie die Sounds mit Effekten und anderen
Techniken besonders authentisch gestalten
können.
Hörbeispiele auf CD und
unter www.tastenwelt.de
er Sound der Hammond-Orgeln hat Musikge-
schichte geschrieben: Mitte der 30er Jahre von
Erfinder Laurens Hammond, einem Uhrmacher,
als Ersatz der Pfeifenorgel vorgestellt, wurden die
klassischen Orgelsounds in den 60er und 70er Jahren
von Tastenvirtuosen wie Jon Lord, Jimmy Smith oder
Brian Auger im Rock, Pop und Jazz adaptiert.
Mit seinen Modellen B3, C3, M3, M100, A-100
ist Hammond aber nur einer von vielen Herstellern
elektromechanischer Orgeln. Ihren eigenen nostalgi-
schen Charme haben die Instrumente von Farfisa,
Vox Continental und die in der traditionellen U-
Musik beliebten Orgeln von Wersi oder Dr. Böhm.
D
Emulationen der Originale
sind salonfähig geworden
Heute ist es ein Leichtes, den Sound einer Hammond-
Orgel live zu spielen, ohne in teures Musikmöbel
investieren zu müssen. Gute transportable Nachbau-
ten inklusive Zugriegelsystem und Leslie-Effekt
bieten etwa Korg (CX-3/BX-3), Roland (VK-8 oder als
Soundmodul VK-8M), Clavia (Electro 3) und natür-
lich die Firma Hammond (XK1 oder als Modul XM-
2) selbst. Seit dem Erscheinen des Programms B4
von Native Instruments im Jahr 2001 erfährt die
Hammond-Orgel auch als Software eine große Ak-
zeptanz. Die Sounds sind zwar klasse, finden aber
kaum direkt auf die Bühne, da Laptop, Controller
und weiteres Equipment erforderlich sind.
Um in den Genuss authentischer Hammond-
Sounds zu kommen, werden weder Hardware- noch
Software-Spezialisten benötigt. Eine Synthesizer-
Workstation à la Korg M3, Roland Fantom-G oder
Yamaha Motif XS reicht allemal fürs Orgelspiel.
Besonders angenehm wird es, wenn sich die Work-
station mit einem speziellen Sound-Set ausstatten
lässt, das orgeltypische Multissamples und Klangein-
stellungen anbietet. Ein solches Sample-Kraftpaket
ist für rund 50 Euro für Yamahas Motif-Modelle
erhältlich. Es nennt sich „Organ Session“ und wurde
von Peter Krischker, Easy Sounds, produziert.
Wie bei der originalen Hammond entstehen die
Klangfarben durch eine Mischung von neun unter-
schiedlichen Sinus-Wellenformen, vertreten durch
neun Zugriegel (Drawbars), nach dem Prinzip der
additiven Synthese. Allerdings können die Fußlagen
frei verteilt und andere Vorteile moderner Workstations
genutzt werden. Welche klanglichen Besonderheiten
zu entdecken sind, erfahren Sie insbesondere akus-
tisch anhand der Hörbeispiele, die Sie auf der Heft-
CD finden. Alle Orgelsounds wurden einer Yamaha
Motif XS, ausgestattet mit „Organ Session“, entlockt.
Soundveränderungen
sorgen für dynamische Klänge
Halten Sie nicht einfach Akkorde, sondern verändern
Sie während des Tastenspiels die Positionen der
Zugriegel, die bei vielen Workstations anhand multi-
funktioneller Slider nachgebildet werden können. Die
Fußlagen 16’, 8’, 4’, 2’ und 1’ (= geradzahlige Har-
monische) sorgen für klangliche Substanz, während
die Fußlagen 5 1/3’, 2 2/3’, 1 3/5’ und 1 1/3’ (=
ungeradzahlige Harmonische) den Klangcharakter
prägen. Beim Registrieren sollten Sie mit der 8’-
Lage beginnen und für Helligkeit 4’- oder 2’- bzw.
für stabilere Bässe die 16’-Lage hinzunehmen.
Wichtig zur Simulation ist das schmatzende
Knackgeräusch, das die Tastenkontakte der Hammond-
tastenwelt 2/2009
Ein musikalisches Gestalten
der Lautstärke bei gehal-
tenen Tönen oder Akkorden
verleiht der Live-Perfor-
mance viel Ausdruck. Im
Sequencer werden Noten
und Controller-Daten
(Expression) separat auf
zwei Spuren aufgenommen.
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Orgel beim Einschalten eines Tons erzeugen. Je
mehr Tasten gleichzeitig gedrückt werden, desto
stärker entfaltet sich das Geräusch. Die so genannte
„Organ Percussion“ ist nur auf dem oberen Manual
der Orgel möglich. Das Percussion-Element auf den
Fußlagen 4’ und 2 2/3’ arbeitet im so genannten
Single-Trigger-Modus. Dies bedeutet, dass der in je
zwei Lautstärken (normal/soft) und Abklingphasen
(kurz/lang) einstellbare perkussive Ansatz bei Legato-
spiel nicht, sondern ausschließlich beim erneuten
separaten Anschlagen einer Taste hörbar wird.
**
Die Hammond-B3-Emulation „Organ
Session“ von easy sounds ist auch
als Software für Apple-Logic (EXS24,
EVB3) oder Steinberg Cubase
(Halion3) zu haben.
Authentische Sounds
durch authentisches Spiel
Dynamisches Spiel wirkt Wunder, denn falsch ein-
gesetzt klingt auch das beste Sample fade. Stark
vernachlässigt ist z.B. der Einsatz des Expression-
Pedals, um die Lautstärke gefühlvoll zu gestalten.
Viele Live-Keyboarder spielen pedalfrei, was sich
unbedingt ändern sollte. Denn: Wie bei Blasinstru-
menten oder bei der menschlichen Stimme entsteht
durch einfache Lautstärkeschwankungen eine gewisse
Natürlichkeit, die ausdrucksvolle Parts entstehen
lässt. Der Anschluss eines Expression-Pedals ist bei
den meisten Workstations möglich und fürs Orgel-
Feeling ein absolutes Muss. Bei der Aufnahme im
Sequencer nutzen Sie bequemerweise den MIDI-
Controller #11 (Expression) und zeichnen Kurven
im Editor. Dabei hat es sich bewährt, zwei MIDI-
Spuren anzulegen – eine für die gespielten Noten,
eine separate Spur für die Controller-Daten.
Ohne den typischen Effekt eines Leslie-Kabinetts
wirkt der Hammondsound langweilig. Die Hammond-
Orgel integrierte bereits simple Effekte: Über einen
Drehknopf sind bei der B3 verschiedene Intensitäten
von Vibrato und Chorusvibrato abrufbar. Musikalisch
reizvoller und technisch diffiziler als Chorus oder
Vibrato ist aber das von Don Leslie Ende der 1930er
Jahre erfundene und nach ihm benannte Kabinett,
das physikalisch auf dem Doppler-Effekt beruht und
als idealer Partner der Orgel gilt. Es arbeitet mit
rotierenden Lautsprechern, deren Rotationsgeschwin-
digkeit in zwei Stufen zwischen langsam und schnell
vom Organisten variiert werden kann, um statische
Klänge aufzulockern. Außerdem werden Hammond-
sounds leicht bis stark angezerrt. Wenn Sie es perfekt
haben wollen, schließen Sie das Keyboard z.B. an
einen Rotosphere II von Hughes & Kettner an. Dieser
Leslie-Bodeneffekt verhilft Ihnen auch zur rotzig
klingenden Röhrenverzerrung.
Ein guter Sound entsteht aber nicht allein durch
bestimmte Samples oder Klangparameter, sondern
wie beim Klavier oder bei anderen Instrumenten durch
virtuoses Spiel, bei dem Sie viele orgeltypischen
Spielweisen auskosten sollten.
Tipp: Eine zweimanualige Orgel lässt sich mittels
Keyboard-Split aus zwei unterschiedlichen Orgel-
sounds recht einfach nachbilden. Es ist aber zu
beachten, dass die Controller-Daten für Expression
oder Rotor-Geschwindigkeit nur für den Sound der
tw
oberen Manualhälfte aktiviert werden.
www.tastenwelt.de
Statement
Peter Krischker,
Inhaber
der Soundschmiede Easy
Sounds: „Die Soundlibrary
‚Organ Session‘ ist optimal
für eine Hammond-Simu-
lation per Sampling, weil
jede einzelne Note der
chromatischen Tonleiter
aufgezeichnet ist. Zudem
sind die Samples in einer
recht großzügigen Länge
geloopt, bei der auch
Ungleichmäßigkeiten wie
‚Leakage Noise‘ (Über-
sprechen benachbarter
Tonräder) erhalten bleiben.
Eine besondere Stärke sehe
ich in der Reproduktion des
Key-Clicks, der ja vor allem
für perkussive, punchige
Orgelsounds von entschei-
dender Bedeutung ist. Im
Original wie auch bei den
Samples klingt der Key-
Click mit jeder gespielten
Taste etwas anders. Um
Stimmen der 128-fach
polyphonen Yamaha Motif
XS einzusparen, wurden
neben den Multisamples
der B3-Drawbars auch
gängige Registrierungen
wie ‚16’ 5 1/3’ 8’ 4’‘, ‚Even
Bars‘ oder ‚Full Organ‘“
gesampelt.“
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