Tasten Workshop Saxofon Imitieren
© PPVMEDIEN 2009
TASTEN
WORKSHOP
Sound: Saxofon imitieren
Hörbeispiele auf CD und
unter www.tastenwelt.de
Let’s Have Sax
Der Workshop
In dieser Praxis-Reihe dreht sich alles um
den Sound aus Key-board oder Sy-nthesizer-
Work-station. Lesen Sie, wie Sie beim Pro-
grammieren von Sounds vorgehen, um Schritt
für Schritt das Potential Ihres Instruments
auszureizen.
In dieser Ausgabe
geht es um Saxofon-Klänge aus dem
Keyboard und dem Computer. Erfahren Sie,
wo die Schwierigkeiten der klanglichen
Umsetzung liegen und hören Sie, wie viel man
mit der richtigen Technik den digitalen
Imitaten entlocken kann.
Matthias
sauer
befasste sich bereits
vor seinem Studium
der Musikwissen-
schaft intensiv mit
Synthesizern und
Keyboards. Er arbeitet
freiberuflich als Autor,
Live-Keyboarder,
Musikschullehrer und
produziert elektro-
nische Musik.
erry Raffertys „Baker Street“, „Smooth Opera-
tor“ von Sade und der 5/4-Klassiker „Take Five“
haben eines gemeinsam: Alle drei Titel setzen
ein Saxofon als Soloinstrument in Szene. Vor allem
das Tenor- und Alt-Saxofon spielen in der Pop- und
Jazzmusik eine größere Rolle als die Klarinette, deren
Sounds ebenfalls mit einem Rohrblatt entstehen.
Ein Saxofon ist nur schwierig auf digitalem Weg zu
imitieren. Mancher Musiker fragt sich, ob man ein
Saxofon überhaupt per Tastenspiel imitieren soll.
G
Kleine Geschichte
digitaler Sax-Imitate
Momentan an der Spitze,
wenn es um die Imitation
eines Tenor-Saxofon geht:
Mr. Sax T. von Sample
Modeling.
Schon immer war der Wunsch vorhanden, Sounds
von Blasinstrumenten per Keyboard nachzubilden.
Im Fall des Saxofons wurde es erstmals mit der FM-
Synthese des 1983 erschienenen Yamaha DX7 ernst.
Ein monofoner Synthesizer mit der gesamten Palette an Saxofonklängen. SaxLab2
lässt sich einfach handhaben und gut per Keyboard anspielen.
Plötzlich wurden raue Soloklänge möglich, die sich
mit einem Breath-Controller blasdynamisch steuern
ließen. Die Saxofone klingen per FM-Synthese erzeugt
nicht gerade authentisch, bieten aber Kraft und
Dynamik, wie etwa bei John Farnhams „Take the
pressure down“ zu hören.
Für die Schar an Keyboardern und Produzenten
wurden Saxofone erstmals mit der 1987 erschienen
Workstation Korg M1 samt Halleffekten spielbar. Die
internen Programme 22 „Solo Sax“ oder 62 „Tenor
Sax“ der M1 genügten selbst für manche Studio-
produktion. Die nächste Etappe der Sax-Imitation
begann Mitte der 90er Jahre. Neue Impulse gaben
Yamahas Physical-Modeling-Synthesizer der VL-Serie,
die von Studioprofis und weniger von Musikern aus
der Homerecording-Szene gespielt wurden.
Im Hardware-Sektor stellen die Super-Articulation-
und Super-Articulation-(2)-Voices der Yamaha-Tyros-
Modelle 2 und 3 die Speerspitze der aktuellen Sound-
entwicklung dar – gerade was die Live-Spielbarkeit
verschiedener Samples mit unterschiedlichen Spiel-
techniken anbelangt.
Seit geraumer Zeit brodeln jedoch auch neue Ent-
wicklungen im Software-Bereich: Am Puls der Zeit
ist z.B. das neue Software-Instrument Mr. Sax T.,
das von der Klangschmiede SampleModeling ent-
wickelt wird. Im Unterschied zum ebenfalls exzellen-
ten The Trumpet des gleichen Herstellers ist dieses
Tenorsax-Plagiat ganz ohne Keyswitches über eine
Tastatur spielbar. Ebenfalls gut umgesetzt ist Saxlab2
der Berliner Software-Schmiede LinPlug. Die Klänge
dieser Software lassen sich besser per Keyboard als
via Windcontroller spielen. Im Unterschied zu Mr.
Sax T. deckt dieser monofone Synthesizer von LinPlug
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WORKSHOP
TASTEN
Expertentipp
alle Saxofontypen ab, wozu neben Sopran, Alt und
Tenor auch Bass oder Bariton gehören.
Dass die aktuellen Plug-ins mehr überzeugen, als
ein Tenorsax aus der betagten Korg M1, liegt unter
anderem an den Luft-, Atem- und Klappengeräuschen,
die bei der Soundimitation einfließen. Zudem lassen
sich saxofontypische Spieltechniken und spezielle
Effekte heute viel besser realisieren.
Saxofon-Imitation
am Keyboard
Torsten Kamps, Saxofonist und Arrangeur: „Das Saxofon ist ein
ausdrucksstarkes Instrument. Es gibt viele Möglichkeiten, gleiche
Töne und Phrasen unterschiedlich klingen zu lassen. Die Wechsel
zwischen verschiedenen Lautstärkeverläufen, Tonbeugungen und
Klangfarben verlaufen dabei oft so schnell, dass die einzelnen Wechsel nicht isoliert,
sondern insgesamt als musikalische Phrasen wahrgenommen werden. Was beim
Imitieren eines Blasinstruments per Tastatur zählt, ist der Einsatz des Atmens als
Controller. Enorm hilfreich ist es, die Saxofonphrasen vor oder auch während des Key-
boardspiels parallel mitzusingen. Das muss nicht schön sein, denn es geht nur darum,
sich die atemgestützte Phrasierung vorzustellen und dann entsprechend umzusetzen.
Anschließend sollte ein Breath-Controller für die Dynamik verwendet werden. Mit etwas
Geduld beim Einarbeiten kann die musikalische Performance dadurch enorm gewinnen.“
Variantenreiche Spieltechniken
sorgen beim Sax für farbige Klänge
Das Saxofon erlaubt eine sehr differenzierte Arti-
kulation. Eine Phrase kann entweder klassisch ge-
bunden, elegant freundlich, intim, rockig, humoris-
tisch oder z.B. auch sehr zickig artikuliert werden.
Versuchen Sie mit einem Keyboard, zwischen diesen
Ausdrucksweisen zu wechseln, haben Sie schon eine
Ahnung, weshalb sich das Saxofon so schwierig nach-
empfinden lässt. Mit einem Blaswandler wie dem
Yamaha BC-3 oder einem Windcontroller gelingt es
aber besser als rein auf den Tasten des Keyboards.
Saxofonisten haben einige klangliche Tricks parat,
so etwa den beliebten Growl-Effekt. Um ihn zu erzeu-
gen, singt der Saxofonist einen beliebigen Ton ins
Instrument, während er es ansonsten normal spielt.
Das Ergebnis klingt rotzig frech. Allerdings sollte das
Growling sparsam bzw. nur bei einzelnen Tönen
innerhalb einer Phrase eingesetzt werden. Selter
verwendet wird der Soundeffekt einer Flatterzunge,
der in einer knurrenden Variante von Pete Tex be-
kannt ist. Der Effekt entsteht, indem die Zunge
über dem Mundstück liegt und der Saxofonist ein
rollendes R produziert. Perkussive Klänge enstehen
durch Klappeneffekte oder auch beim Slap Tongue,
wobei die unterhalb des Blatts liegende Zunge weg-
gezogen wird, was dem Zungenschnalzen ähnelt.
Die so genannten Subnotes erschaffen gerade bei
Balladen auf dem Tenorsax eine warme intime Atmos-
phäre. Hier werden tiefe Töne mit einem hohen
Rauschanteil gespielt. Als Höhepunkte eines Solos
werden dem Saxofon gerne Top Tones entlockt. Dies
sind sehr hohe Töne, die oberhalb des eigentlichen
Tonumfangs liegen und mit bestimmten Griffen und
Ansatztechniken erreicht werden. Für Glissando-
Effekte wird beim Aushauchen der Luft eine
chromatische Tonleiter angedeutet, während das
Bending wie ein Vibrato durch leichtes Variieren des
Unterkiefers entsteht.
Bis auf den Growl-Effekt, der bei sample-ba-
sierten Klangerzeugern beispielsweise auch mit der
Ringmodulation imitiert werden kann, erfordern die
genannten Saxofonklänge spezielle Samples, die von
den Soundentwicklern zu einem spielbaren Klang-
programm zusammengesetzt werden und per An-
schlagdynamik oder mittels Spielhilfen umgeschal-
tet werden können. Entsprechende spieltechnische
Hinweise gibt der jeweilige Soundname. Und wenn
Sie „Breathy“ im Display lesen, haben Sie das rich-
tige Sax-Imitat für balladeske Subtones gefunden.
Sehr wichtig ist es, wie Sie ein Sax-Imitat spielen.
Denn: Geschickt ins Arrangement eingebettet kann
www.tastenwelt.de
das Sample-Saxofon angenehmer klingen, als Sie
vielleicht beim ersten Anspielen eines Presets vermu-
ten. Unterstützung bekommen Sie manchmal auch
durch eine dicke Hallfahne, wobei ansonsten EQ
und Effekte behutsam verwendet werden sollten.
Richten Sie sich beim Improvisieren sehr nach dem
Klang. Wenn Ihnen zwar eine bestimmte musikali-
sche Phrase sehr zusagt, diese aber mit dem virtuel-
len Saxofon schwach klingt – leider Pech gehabt.
Akustisch oder digitales Imitat –
eine Frage des persönlichen Geschmacks
Ob sich Saxofone wirklich passabel per Software
oder Keyboard imitieren lassen, ist eine Frage des
Geschmacks. Viele Künstler ziehen einen guten Saxo-
fonisten jeder digitalen Lösung vor. In manchen Fäl-
len machen Saxofonklänge aus der Retorte einen
guten Job. Dabei ist das lyrisch-säuselnde Sopran
und das rhythmisch markante Bariton besser nach-
zuempfinden als ein gespieltes Alt- oder Tenorsax.
Manchmal ist es besser, sich vom Klangpurismus
zu lösen und einfach ein bisschen kreativer mit den
Saxofon-Sounds zu arbeiten. Wie das funktionieren
kann, zeigt etwa der Groove-Klassiker von 1990:
DNA feat. Suzanne Vega „Tom’s Diner“. Hier enste-
hen kurze Bläserakkorde vor allem aus Saxofon-
Samples. Zweites Beispiel: „All that she wants“ der
schwedischen Popgruppe Ace of Base beweist, dass
ein mäßiges Baritonsax-Sample nicht verhindern
konnte, dass dieser Song 1993 zur Hit Single wurde.
Wenn auch Mr. Sax T. momentan die Spitze der
virtuellen Saxofone bildet, sollten Sie auch einmal
das vielseitigere LinPlug SaxLab2 probieren. Für
Keyboarder, die ein Saxofon imitieren möchten, gibt
es dabei noch einen einfachen wie guten Tipp: zuhö-
ren! Achten Sie deutlich auf die klanglichen Fein-
heiten, die Saxofonisten ihrem Instrument entlocken.
Die Audio-Demos auf der Tastenwelt-CD offenbaren,
wie stark sich ein per Windcontroller (Yamaha WX7)
geblasenes Mr. Sax T und ein über Keyboard gespiel-
tes SaxLab2 von einem realen Tenorsaxofon (einge-
tw
spielt von T. Kamps) unterscheiden können.
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