Tasten Workshop Tipps zur Song Instrumentierung Teil 1
© PPVMEDIEN 2009
WORKSHOP
TASTEN
Tipps zur Song-Instrumentierung
Sounds auswählen
Der Workshop
Diese Praxisreihe vermittelt Tipps & Tricks
zum Umgang mit Arranger-Keyboards am
Beispiel der Tyros-Modelle. Viele der
behandelten Themen lassen sich aber auch
ganz einfach auf andere Keyboard-Modelle
übertragen.
In dieser Ausgabe
erfahren Sie, welche Möglichkeiten es gibt,
schnell die passenden Instrumente für einen
Song auszuwählen und wie Sie den Zusam-
menklang einzelner Instrumentensounds
optimieren können.
Heidrun
Dolde
arbeitet selbständig
als Musikerin und
Grafikerin. Seit 1984
präsentiert sie
Keyboards und
Digitalpianos und
bestreitet seit 2002
Musiker-Workshops.
Tipps und Downloads
im Internet unter
(http://heidruns-
musikerseiten.de)
ohl jeder Musiker, der professionell mit mo-
dernen Tasteninstrumenten umgeht, wird
sich unweigerlich einmal die Frage stellen:
Welche Klanggestaltungsmöglichkeiten habe ich mit
meinem elektronischen Tasteninstrument? Wie mi-
sche ich unterschiedliche Instrumente, so dass sie
zueinander passen? Wie schaffe ich es, meinen Ge-
samtsound fetter zu machen? Wie entwickelt man
einen eigenen Sound, der vielleicht sogar vor Publi-
kum einen Wiedererkennungswert hat?
Will man gelungene Voice-Kombinationen finden,
ist eine ganz wesentliche Vorraussetzung: Man muss
erst einmal lernen, Musikstücke bewusst zu hören
und sie genau zu analysieren. Dazu gehört, dass man
die Klangcharakteristik von Musikinstrumenten sehr
gut kennt und z.B. fähig ist, eine Klarinette klar von
einer Oboe zu unterscheiden. Wer hier bereits
Schwierigkeiten hat, sollte sich einmal musikalische
Märchen wie „Peter und der Wolf“ von Sergej Pro-
kofjew oder den „Karneval der Tiere“ von Camille
Saint-Saens anhören.
W
Die Instrumentierung eines
Musikstücks herausfinden
Der Instrumentierung eines Musikstücks kommt man
leichter auf die Spur, wenn man sich beim Anhören
folgende Fragen stellt: Welche Instrumente wurden
verwendet? Welche Instrumente spielen die Haupt-
melodie, sind also stimmführend? Spielen andere
Instrumente die Hauptmelodie einstimmig mit oder
spielen sie eine weitere begleitende Stimme wie z.B.
eine Zweit- oder Drittstimme? Liegen diese weiteren
Stimmen dann über oder unter der Hauptmelodie?
Spielen die Melodie-Instrumente alle in derselben
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Oktavlage? Werden besondere Effekte wie Hall, Echo,
Verzerrung, Leslie usw. eingesetzt? Falls ja: Bei
welchen Instrumenten wurden sie eingesetzt? Beste-
hen Auffälligkeiten im Stereo-Panorama? Klingen
manche Instrumente besonders weich oder hart?
Beispiel: Besonders „knackiger“ Pianoklang, extrem
weiche Streicher. Wird ein Hintergrundsound einge-
setzt, der das ganze Stück wie eine Glocke umfängt?
Beispiel: Ein Streicherteppich oder ein dezenter
Chor im Hintergrund. Wurden synthetische Klänge
verwendet? Falls ja, welchem natürlichen Instrument
ähneln sie? Wurden Filter eingesetzt, die z.B. die
Obertöne bei Instrumenten oder Flächensounds ab-
schneiden oder verschärfen? Oder gibt es sogar einen
Filter-Verlauf, also verändern Töne während des
Erklingens oder bei Wiederholung ihren Sound? Oft
hört man dies bei modernen Dance-Titeln.
Genau hinzuhören schärft das Bewusstsein für
Klänge, und dies hilft später, sie im Keyboard zu
reproduzieren. Eventuell hilft es auch, sich beim
Hinhören kleine Notizen zu machen. Und manchmal
hört man noch weitere Instrumente heraus, wenn
man die Analyse auf mehrere Tage verteilt (schwan-
kende Tagesform).
Praxis-Tipp
Mono-
Wieder-
gabe
Manche Musiker, die
vor Publikum auf-
treten, entscheiden
sich für eine Klang-
wiedergabe in Mono.
Dies deshalb, um
unausgewogene
Stereo-Verhältnisse
im Veranstaltungs-
raum zu vermeiden
– nicht jeder Hörer
sitzt im optimalen
Stereoklangbild. Wer
mono verstärkt, sollte
darauf verzichten,
mit allzu dicken
Orchestersounds zu
spielen, um klang-
liche Transparenz zu
gewährleisten.
Weniger ist mehr.
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Bequeme Registriermöglichkeit:
One Touch Settings
Moderne Tasteninstrumente mit Begleitautomatik
haben schon seit Jahren ab etwa der mittleren Preis-
klasse aufwärts eine sehr nützliche Funktion an Bord.
Bei Yamaha ist dies „One Touch Setting“, kurz „OTS“
genannt, bei anderen Herstellern ist die Bezeichnung
ähnlich, die Funktion vergleichbar. OTS sind immer
Bestandteil der Styles (Rhythmen) und werden mit
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diesen aufgerufen. Aber was ist OTS? Profimusiker
haben sich damit viel Arbeit gemacht und jeweils
vier passende Instrumentierungen zusammengestellt,
damit man stilsicher mit dem entsprechenden Style
musizieren kann. Angenehm dabei ist, dass in die-
sen Instrumentierungen keine Grundfunktionen ab-
gespeichert sind, wie etwa Fußschalter-Belegungen
oder der Begleitautomatik-Typ wie Single Finger,
Fingered Chord usw. Damit ist gewährleistet, dass
man an einem fremden Keyboard diese Grundfunk-
tionen kurz einstellen und dann mit OTS in gewohn-
ter Weise musizieren kann.
Besonders, wenn man sich ein neues Tasteninstru-
ment zugelegt hat, sollte man sich zum schnelleren
Kennenlernen die Mühe machen, zuerst einmal alle
OTS nach gelungenen Voice-Einstellungen oder
Soundkombinationen zu durchforsten. Wenn man
sich beim Ausprobieren auch gleich Notizen zum
Fundort und zum Instrument macht, oder am
besten diese Sounds sofort in einer Registrierung
abspeichert, wird man sich wenige Zeit später über
einen Instrumenten-Pool freuen, aus dem man immer
wieder mit sehr geringem Arbeitsaufwand gelungene
Sounds fischen kann.
Am besten sortiert man solche Voice-Registrie-
rungen nach Instrumentengruppen wie Piano, Gitarre
oder Streicher, dann muss man später nicht so
lange suchen. Häufig bilden diese abgespeicherten
Soundkombinationen auch eine Grundlage für eige-
ne Weiterentwicklungen.
Auf der ersten Seite der Mixing-Console (Abb. 1,
links) stellt man das Instrument (Voice, Schnellzu-
griff: Direct-Access + Piano-Taste) und die Lautstärke
der Voices ein (Volume, Schnellzugriff: Direct-Access
+ Organ-Taste). Mit dem gezielten Einsetzen der
Lautstärke kann man Instrumente hervorheben oder
in den Hintergrund setzen.
Dreidimensional denken
für plastische Sounds
Ein wichtiger Punkt des Soud-Designs ist die An-
ordnung der Instrumente im Raum. Dies kann durch
drei Faktoren dargestellt werden: die Anordnung
der Voices im Stereo-Panorama (links-mittig-rechts),
das Ausschöpfen der Tonhöhen (Oktavlagen) und das
bewusste Einsetzen von Effekten, die räumliche Tiefe
simulieren (Hall- und Echoeffekte) (Abb. 2).
1. Breite: Auf der ersten Mixer-Seite regelt man
neben Voice-Auswahl und Lautstärke die Stellung
einer Voice im Stereo-Panorama (Panpot, Schnell-
zugriff: Direct-Access + E-Piano). Man schafft mehr
Transparenz, wenn nicht alle Instrumente aus der
Mitte erklingen, sondern im Stereo-Panorama ange-
ordnet werden. Dabei macht es Sinn, wenn das
Hauptinstrument aus der Mitte kommt. Damit ist
gewährleistet, dass bei einem Auftritt vor Publikum
das Lead-Instrument gleichermaßen gut von allen
Zuhörern gehört wird. Durch die Anordnung der Instru-
mente im Stereo-Panorama bekommt man wesent-
lich raumgreifendere Gesamtsounds.
2. Tiefe: Mit Effekten gibt man den Voices räum-
liche Tiefe und lässt sie authentischer erklingen. Pro
Voice können gleichzeitig maximal drei Effekte akti-
viert werden: der Systemhall, der Systemchorus und
jeweils der DSP-Effekt, der dieser Voice zugeordnet
ist (Abb. 3).
Reverb oder „Systemhall“ (Direct-Access + Guitar)
wird meist durch den ausgewählten Style automa-
tisch eingestellt. Ein schneller Style ruft automatisch
einen kurzen Halltyp, ein langsamer Style einen lan-
gen Halltyp auf. Reverb wird deshalb auch System-
hall genannt, weil er gleichzeitig auf Style, Mikrofon,
Song (MIDI-File), Multipad und die Parts Left, Right
1, 2 und 3 wirkt, sofern man in der jeweiligen Abtei-
lung einen Wert über 0 eingestellt hat.
Um zu verstehen, wie die Effekte auf ein Instru-
ment wirken, wählen Sie jetzt einfach einmal als
Right-1-Voice eine Jazz-Gitarre und gehen auf die
Effekt-Seite in der Mixing-Console. Verändern Sie
nun einmal für diese Voice den Reverb-Wert. Bei
den Tyros-Keyboards kann man mit der Taste F den
Typ des Systemhalls einstellen. Wählen Sie unter-
schiedliche Typen aus und hören Sie sich an, wie
sich diese Änderung auf die Charakteristik des
Raumklangs auswirkt. Mit Exit kommen Sie wieder
zurück auf die Effekt-Hauptseite. Stellen Sie nun
sicher, dass der DSP-Knopf bei den Voice-Effect-
Knöpfen auf der Bedienoberfläche Ihres Keyboards
aktiviert ist, denn sonst werden Sie keine Klang-
änderung feststellen. Im Display stellen sie jetzt
den Wert bei DSP für die Right-1-Voice auf etwa 90,
tastenwelt 2/2009
Sound-Design mit der
Mixing-Console
Das umfangreiche Mischpult bildet in Yamaha-
Instrumenten die Hauptschaltzentrale beim Sound-
Design. Die einzelnen Seiten erreicht man besonders
schnell, indem man die Direct-Access-Taste zusam-
men mit dem entsprechenden Knopf auf der Bedien-
oberfläche drückt. Unser Tipp: Wenn man vorher
den Part-Select-Knopf auf das zu ändernde Instru-
ment gesetzt hat, ist man noch schneller an der
richtigen Stelle.
Die Mixer-Seiten können auch mit dem Mixing-
Console-Knopf aufgerufen und mit den Tab-Tasten
durchgeblättert werden. Mit den Tasten A bis J ge-
langt man auf die entsprechende Reihe, und mit den
Wipptasten, dem Data-Entry-Rad oder den Slidern
stellt man die Werte des angewählten Reglers im
Display ein. Welche Schalter verfügbar sind, hängt
vom jeweiligen Keyboard ab.
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Die Bildschirmseiten der
Tyros-Keyboards zeigen
exemplarisch, welche
Parameter beim Gestalten
von Klängen von zentraler
Bedeutung sind.
Praxis-Tipp
Modulationsrad
Immer wieder ist bei Musikern, die sich am Keyboard noch
nicht so gut auskennen, ein Fehler zu beobachten: Das
Modulationsrad wird – wahrscheinlich aus ästhetischen
Gründen – in die mittlere Position gedreht. Doch Vorsicht,
in Mittelstellung „eiern“ die Voices! Also das Modulationsrad
grundsätzlich nach dem Einschalten des Keyboards nach
unten drehen!
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TASTEN
und gehen mit der Taste F auf die Feineinstellungs-
Seite der DSP-Effekte (Abb. 4).
Die Effekte sind in Gruppen (Category) eingeteilt,
die Sie mit den Wippschaltern 5 oder 6 anwählen
können: Reverb, Chorus, Distortion, Flanger, Phaser,
Wah, Rotary und viele mehr. Mit den Wippschaltern
7 und 8 kann man gezielt die Effekte einstellen, die
in diesen Kategorien gelistet sind. Experimentieren
Sie nun einfach mal mit diesen Effekten, und ganz
sicher werden Sie dabei einige Aha-Effekte haben.
Mit Exit gelangen Sie wieder zurück zur Effekt-Haupt-
seite. Auf dieser Bildschirmseite können Sie bei
Bedarf noch die Stärke des DSP-Effekts einstellen.
Der Shortcut zur DSP-Seite ist übrigens Direct-
Access + Perc./Drum-Kit.
Man kann DSP 2–5 gezielt einsetzen, um z.B. bei
Voice-Kombinationen jedem Instrument seinen ei-
genen DSP-Effekt zuzuordnen. Beispielsweise ist
Folgendes gleichzeitig möglich: Ein Verzerrer-Effekt
bei der Rock-Gitarre auf Right 1, ein Wahwah-Effekt
für den Gitarrensound auf Right 2, ein extrem lan-
ger Hall bei den Streichern auf Right 3 und der un-
verzichtbare Rotary-Effekt bei der Hammond-Orgel
auf der Left-Voice.
Räumliche Tiefe schafft man also durch bewusstes
Einsetzen von Hall- und Echo-Effekten. Kombinieren
Sie auch solistisch gespielte Instrumente mit wenig
Hall und Orchestersound wie Strings mit viel Hall.
3. Höhe: Die Oktavlage der Voices ist ein extrem
wichtiger Faktor für „fette“ Voice-Kombinationen,
denn damit deckt man das Tonhöhen-Spektrum
besser ab. Der passende Shortcut: Direct-Access +
Saxophone (Abb. 5).
Wählen Sie drei unterschiedliche String-Voices
für Right 1, 2 und 3 aus und gehen Sie auf die
Tune-Seite in der Mixing-Console. Nun experimentie-
ren Sie einmal, wie sich die Änderung der Oktavlagen
auf das gesamte Klangspektrum auswirkt. Eine er-
probte und bewährte Streicherkombination setzt
sich beim Tyros 3 zum Beispiel aus den „Concert
Strings“, den „Live!Strings“ und den „Strings“ zu-
sammen. Die Okatavlagen sind jeweils -1, 1 und 0,
die Volumen-Werte 90, 90, 80, die Panorama-
Stellungen etwa „10 Uhr“, Mitte und „2 Uhr“.
Vergleichen Sie diesen Streicherklang einmal mit
dem, den Sie bisher verwendet haben und mixen
Sie auf diese Art auch einmal verschiedene Akkor-
deons, Orgeln und Padsounds.
Fazit: Durch das gezielte Einsetzen von Panorama-,
Effekt- und Oktavlagen-Einstellungen schöpfen Sie
das gesamte sich bietende Klangspektrum besser
aus und erzielen so mit Ihrem Keyboard einen
Gesamtsound, der sich zum Beispiel auch in einer
tw
Band besser durchsetzt.
Wenn Sie über Part-Select
die passende Abteilung
ausgewählt haben, kom-
men Sie auch in der Mixing
Console gleich an die
richtige Stelle.
Meist vier so genannte
One-Touch-Settings haben
sich bei Keyboards
etabliert – auch über die
Herstellergrenzen hinweg.