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Notensatz für Anspruchsvolle
Zahlreiche Noten-
satz-Programme
buhlen um die
Gunst der Anwen-
der. Fünf aktuelle
Vertreter aus ver-
schiedenen Preis-
klassen haben wir
unter die Lupe
genommen. Lesen
Sie, was welche
Software leistet.
Noten-Prüfstand
igene Kompositionen, Arrangements für die
Band, Bearbeitungen für Schüler – es gibt viele
Gründe für den Einsatz eines Notensatzpro-
gramms, und wer sich mit der Materie beschäftigt,
findet mit der Zeit fast ebenso viele Programme.
Die meisten Anwendungen findet man für die Win-
dows- und Mac-Plattformen, wobei kommerzielle
Programme deutlich überwiegen. Fünf dieser Ver-
treter stellen wir Ihnen in dieser Kaufberatung vor.
Dabei lassen sich natürlich nicht alle jeweils ent-
haltenen Funktionen würdigen. Vielmehr sollen Sie
einen Überblick bekommen, was die Programme in
ihren aktuellen Versionen auszeichnet und wo ent-
scheidende Verbesserungen gegenüber Vorgänger-
E
versionen zu finden sind. So erfahren Sie, ob sich
gegebenenfalls ein Update Ihres bereits bestehenden
Programms lohnt. Oder Sie können auch bei der
Neuanschaffung die Auswahl im Vorfeld schon ein-
schränken und sich dann gezielten Tests anhand der
Demo-Versionen widmen.
Capella Professionell 6:
Günstige Lösung mit großer Bibliothek
Fest etabliert und beliebt wegen seines vergleichs-
weise günstigen Preises und des hohen Funktions-
umfangs ist Capella des gleichnamigen Herstellers
Capella-Software. Im Internet finden sich etliche Tau-
send Musikstücke im Capella-Dateiformat, meist zum
kostenlosen Download. Über diese Ausgangsbasis
freuen sich nicht nur Musiklehrer, die ihren Schü-
lern auf diese Weise schnell professionell gestaltete
Bearbeitungen zur Verfügung stellen können.
Lorbeeren verdient Capella z.B. für sein flexibles
Eingabe-System. Noten lassen sich mittels Compu-
ter- oder MIDI-Tastatur eingeben, außerdem kann
man per Maus und Mausklavier aktiv werden. Wer
Noten scannen möchte, kann auf das zusätzliche
Programm Capella-Scan zurückgreifen. Notenseiten
lassen sich mit Capella recht schnell gestalten, und
auch bei komplexen Passagen muss man als An-
wender nicht mutlos werden. Allerdings sind immer
mal wieder manuelle Eingriffe nötig, um automatisch
erzeugte Kollisionen auszumerzen. Eine dokumen-
tierte Plug-in-Schnittstelle erlaubt das Erweitern
der Programmfunktionen.
Inzwischen hat das Programm auch bei der Wie-
dergabe der dargestellten Musik einige Fortschritte
gemacht. Für einen lebendigen Vortrag kann das
Tempo zum Beispiel am Beginn jeder Note oder
Pause verändert werden. Durch die Integration einer
Capella-Tune genannten Technologie lassen sich
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Capella Professional erfreut sich großer Beliebtheit – wegen seines Funktionsumfangs,
der einfachen Bedienung und der vielen frei verfügbaren Notendateien im Internet.
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Klotzen nicht kleckern ist die Devise bei den Funktionen von Finale 2010 .
auch Dynamik, Artikulation und Phrasierungsarten
frei definieren. Wer die MIDI-Sounds aus seinem
Computer nicht mehr hören mag, kann für knapp
200 Euro das Capella Vienna Orchestra erwerben,
das eine Auswahl an Samples der berühmten Sym-
phonic Library enthält. Über die VST-Schnittstelle
lassen sich aber auch andere Software-Klangerzeuger
und -Effekte mit Capella kombinieren.
Finale 2010: Profi-Paket
mit riesiger Funktionsvielfalt
Die Entwickler des Notensatzprogramms Finale 2010
blicken mit auf die längste Erfahrung in diesem Seg-
ment zurück. Das Programm bietet einen schier
unüberschaubaren Funktionsumfang und lässt sich
über eine Plug-in-Schnittstelle um zusätzliche Funk-
tionen erweitern. Die Notenseiten genügen professio-
nellen Ansprüchen, so dass Finale neben dem Kon-
kurrenzprogramm Sibelius gerne von Musikverlagen
eingesetzt wird.
Dem Finale-Anwender wird in der aktuellen Ver-
sion die Arbeit z.B. durch neue Akkordfunktionen
oder automatische Orientierungszeichen erleichtert.
Akkordbezeichnungen können jetzt auch Takten zuge-
ordnet werden, ganz gleich, ob diese Noten oder
Pausen enthalten. Die automatischen Orientierungs-
zeichen verbessern die Übersicht in umfangreicheren
Notentexten. Praktisch dabei: Wird zwischen zwei
bestehenden Zeichen ein neues eingefügt oder ein
bestehendes gelöscht, werden die nachfolgenden
automatisch neu nummeriert und entsprechend bei
der Wiedergabe berücksichtigt.
Musiklehrer werden sich über die mehr als 300
enthaltenen Arbeitsblätter freuen, die als gute und
erprobte Ausgangspunkte für eigene Unterrichtsma-
terialien dienen können, die sich aber auch schon
fertig einsetzen lassen. Wer viel mit Perkussionisten
www.tastenwelt.de
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in Finale 2010 schon gut aus; erst bei komplexen
Sätzen mit vielen Zusatzelementen ist der Erwerb
der Vollversion des Scan-Programms Smartscore
notwendig. Die beste Eingabe-Methode ist in Finale
ein MIDI-Keyboard, gefolgt von der Notenplatzierung
per Maus. Die Eingabe per Computer-Tastatur ist
möglich, aber nicht so bequem, wie bei anderen
Programmen. Der Preis ist nicht ganz ohne, dafür
sind alle Komponenten enthalten, für die man bei
manchem Konkurrenten extra bezahlt.
PriMus: Notzensatz und einfaches
Desktop Publishing unter einem Hut
Als relativ junges Programm macht PriMus mit ei-
nem gelungenen Konzept, einer sehr guten Noten-
qualität und einem recht günstigen Preis auf sich
aufmerksam. Dem Bedienkonzept ist anzumerken,
dass die Entwickler sehr genau analysiert haben, was
bei anderen Programmen gut funktioniert und was
den Arbeitsfluss eher ausbremst. So ist eine Anwen-
dung entstanden, mit der man zügig arbeiten kann
und schnell zu ansprechenden Notenseiten kommt.
In der aktuellen PriMus-Version werden klassi-
scher Notensatz und Desktop Publishing verschmol-
zen. Zu sehen ist das nicht nur an den Möglichkeiten,
externe Grafiken und Notenbild zu kombinieren, auch
das Zusammenführen mehrerer Musikstücke in ein-
em PriMus-Dokument geht ohne Komplikationen von
der Hand. Ansprechende Notenhefte oder Liedblät-
ter lassen sich so in einem Programm erstellen. Da
sich Korrekturen hier meist innerhalb der Noten
ergeben, sind diese auch schneller zu erledigen. Es
müssen nicht erst die Noten als Grafik exportiert
und in einem Layout-Programm neu zu den anderen
Elementen gestellt werden.
Mit PriMus kann man nicht nur recht einfach wohl-
proportionierte Notenseiten erstellen, auch bei Lead-
sheets kommen einem die Programmfunktionen ent-
gegen. Noten und Grafik-Elemente lassen sich rasch
zu in Pop, Rock und Jazz üblichen Gedankenstützen
kombinieren. Zu gefallen weiß auch der flexible Um-
gang mit Dateiformaten: Importiert werden können
Capella-Dateien und Score Perfect Professional bis
Version 4.0. Der Austausch über MIDI und Music-
XML gehört zum Standard. Bei der Wiedergabe von
Musik überzeugt PriMus durch das Einbeziehen vie-
PriMus kann durch die Integration von Notensatz und Desktop-Publishing gefallen.
Score Perfect Professional
5.2 bietet einen Assistenten,
mit dem man Gitarrengriff-
bilder erstellen kann.
zu tun hat, braucht nicht unbedingt die entsprechen-
de Erweiterung für Finale, wenngleich diese natürlich
viele Vorteile bietet. Auch für die Standards bietet
Finale schon einige tolle Funktionen, welche die
Percussion-Notation beherrschbar machen. Für ein-
fache Stücke reicht die integrierte Scan-Funktion
Test-Parcours
Noten aus einem MIDI-File
In einem kurzen Test mussten die fünf vorge-
stellten Programme zeigen, wie schnell man
aus einem kommerziellen Standard-MIDI-File
Notenseiten erzeugen kann, z.B. um Bandmit-
glieder mit ihren Stimmen zu versorgen. So
sparen diese sich das Heraushören, und der
Keyboarder kann sicher gehen, dass sein evtl.
mitlaufendes Playback zu den anderen Stimmen
passt. Die Import-Dialoge aller Programme
boten mehrere Einstellungsvarianten, für den
Vergleich wurden die Standardwerte gewählt,
und die Musik der einzelnen MIDI-Spuren wurde
in allen Fällen in Noten umgesetzt. Dennoch
gab es große Unterschiede: Nur mit Score Perfect
Professional 5.2 gelang es, die im MIDI-File
enthaltenen Lyrics automatisch korrekt unter der
richtigen Stimme zu platzieren. Die Notenwerte
der Klavierstimme waren nur in Finale 2010 und
Sibelius 6 absolut korrekt. Finale überzeugte
außerdem dadurch, dass die Klavierstimme
automatisch passend auf die üblichen zwei
Notenzeilen verteilt wurde. Ohne jegliche Kolli-
sionen von Notenzeichen klappte der Import in
Finale 2010 und Sibelius 6; die Kollisionen in
Score Perfect Professional 5.2 waren gering und
mit wenigen Bearbeitungsschritten auszumerzen.
In Capella Professionell 6 und PriMus waren um-
fangreichere Nacharbeiten nötig, um schöne Par-
tituren zu erstellen. Das Erstellen von Stimmaus-
zügen war in allen Fällen einfach zu erledigen.
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ler Artikulationszeichen. Spieler der Steirischen Har-
monika freuen sich über die integrierte Griffschrift.
Score Perfect Professional 5.2:
Papier und Bleistift digital
Notenpapier, Bleistift und Radiergummi – diese Vor-
stellung steckt hinter dem Bedienkonzept von Score
Perfect Professional (SPP) – und seine Anwender
lieben es dafür. In der konkreten Anwendung bedeu-
tet das Konzept, dass man Noten mit einem Maus-
klick (links) eingibt oder mit einem Mausklick (rechts)
wieder löscht, ganz so, als hätte man Bleistift und
Radiergummi zur Hand. Trotz vieler anderer Funk-
tionen ist die Computermaus zentrales Element.
Der zunehmenden Verbreitung großformatiger
Computerbildschirme trägt SPP dadurch Rechnung,
dass die Toolboxen jetzt nicht mehr am unteren
Bildschirmrand fixiert sind, sondern frei verschoben
werden können. Außerdem wartet das Programm
mit etlichen Detailverbesserungen auf. Als sehr nütz-
lich erweist sich zum Beispiel die Möglichkeit, dass
frei positionierbare Texte Notenzeilen verdrängen
können. So lässt sich sicherstellen, dass der Text
nach Neuformatierungen nicht durch Noten verdeckt
wird. Eine große Arbeitserleichterung ist es auch,
dass Akkordbezeichnungen zuerst als Lyrics einge-
geben und dann automatisiert in die vom Programm
eingesetzten Akkordbezeichner umgewandelt werden
können. In der Praxis spart das Zeit.
Die Druckqualität der von SPP 5.2 erzeugten
Noten ist sehr gut, die Layoutmöglichkeiten sind
umfangreich und sachdienlich. Wer mehrere Versio-
nen, Arrangements, Partituren und Stimmauszüge
eines Stück in einem Ordner gespeichert hat, wird
sich über die neue Miniaturansicht freuen, mit der
man schnell die passende Datei finden kann, ohne
erst alle öffnen zu müssen. Dank der jetzt verfüg-
baren MusicXML-Import- und -Exportmöglichkeiten
gestaltet sich auch die Zusammenarbeit mit An-
wendern anderer Programme recht einfach.
Sibelius 6: Innovationen für
schnelle und perfekte Ergebnisse
Mit seinem Funktionsumfang hat Sibelius 6 wirklich
für jeden Anwender mächtige Werkzeuge zu bieten
– angefangen vom Musiker, der sich ab und zu Noten
erstellt, bis hin zum professionellen Komponisten,
der Ideen skizzieren oder die Veränderungsprozesse
innerhalb einer Komposition nachvollziehen möchte.
Capella
Professionell 6
168 €
Windows
Ja/Ja
www.capella.de
Musikalische Ideen zum Beispiel lassen sich in
Sibelius ganz einfach verwalten, anzeigen und mit
wenigen Klicks ins aktuelle Notenprojekt einfügen.
Gut gefallen kann auch die Versionsverwaltung. So
muss man nicht ständig manuell neue Dateien an-
legen und die nötigen Versionsinformationen im Datei-
namen verstecken, um die Übersicht zu behalten.
Sibelius übernimmt jetzt die Verwaltung.
Dass mit Sibelius professionelles Notenmaterial
produziert werden kann, hat sich herumgesprochen.
Dass dennoch Verbesserungspotenzial bestand, zeigt
die aktuelle Version: Die neue Funktion Magnetic
Layout verhindert, wenn aktiviert, Kollisionen zwi-
schen Noten, Texten und Zusatzzeichen. Egal, was
man importiert, automatisch überarbeiten lässt (z.B.
durch Plug-in-Funktionen) – das Layout bleibt über-
sichtlich, die Nacharbeit gering.
Überzeugend gelöst sind die neuen Funktionen
zur Gestaltung von Bögen, die jetzt sehr frei geformt
werden können. Auch für die Notation moderner
Musik mit ihrer grafischen Vielfalt, mikrotonalen
Vorzeichen und anderen Sonderfällen bietet Sibelius
immer mehr Werkzeuge, die die Arbeit erleichtern.
Dank der Möglichkeit, vielfältige MIDI-Befehle ein-
zugeben und dank der VST-Schnittstelle kann Sibe-
lius – wie auch Konkurrent Finale mit seiner Studio-
Ansicht – zum Teil als Sequencer-Ersatz herhalten.
Der Preis ist zwar stolz, der Gegenwert aber hoch.
Und für Musiklehrer gibt es ja günstigere Schul-
lizenzen – wie übrigens bei allen vorgestellten An-
wendungen.
Ulrich Simon
tw
Die Funktion Magnetic
Layout verhindert bei
Sibelius wirkungsvoll
Kollisionen zwischen
Noten, Texten und
Spielanweisungen.
Programm
Preis
(Vollversion)
Plattform
MusicXMl
(Import/Export)
Info
Finale 2010
617 €
Windows & Mac
Ja/über Plug-in*
www.klemm-music.de
PriMus
349 €
Windows
Ja/Ja
www.columbussoft.de
Score Perfect
Professional 5.2
198 €
Windows
Ja/Ja
www.scoretec.de
Sibelius 6
699 €
Windows & Mac
Ja/über Plug-in*
www.m3c.de
* Kommerzielles Plug-in des MusicXML-Erfinders Recordare (www.recordare.com)
www.tastenwelt.de
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