©PPVMEDIEN 2010
TASTEN
WORKSHOP
SOUND: AKKORDEON-KLÄNGE SPIELEN
Im Internet unter
www.tastenwelt.de
finden Sie Klangbeispiele
zu diesem Beitrag.
Heiße Luft
Der Workshop
In dieser Praxis-Reihe dreht sich alles um
den Sound aus Keyboard oder Synthesizer-
Workstation. Lesen Sie, wie und mit welchen
aktuellen Instrumenten in Hard- und Soft-
ware-Varianten Sie an bestimmte Soundtypen
herangehen.
In dieser Ausgabe
geht es um die vielfältigen Arten von Akkor-
deonklängen und wie diese in aktueller Hard-
und Software in die Digitalwelt transformiert
werden.
Matthias
Sauer
befasste sich bereits
vor seinem Studium
der Musikwissen-
schaft intensiv mit
Synthesizern und
Keyboards. Er arbeitet
freibe-ruflich als Autor,
Live-Keyboarder,
Musikschullehrer und
produziert elektro-
nische Musik.
L
ambada, argentischer Tango oder Alpenklänge
– das Akkordeon ist fast überall zu Hause. Und
trotzdem muss es häufig wenig schmeichelhaf-
te Bezeichnungen wie Schifferklavier, Quetschkom-
mode oder Tretschrank ertragen. Seinen Namen ver-
dankt es aber eigentlich den Akkorden, die sich per
Knopfdruck im Bassteil abrufen lassen. Weil dabei
keine Umkehrungen oder harmonische Veränderun-
gen möglich sind, klingen die Akkorde eher schlicht.
Das Akkordeon ist der technisch wie musikalisch
höchst entwickelte Vertreter der Harmonika-Instru-
mente, zu denen auch die Mundharmonika und die
Melodika zählen. Es besteht aus drei Elementen:
Diskant, Bass und einem Balg. Dieser aus einer Spe-
zialpappe angefertigte Balg ist luftdicht mit dem
Diskant- und Bassteil verbunden. Zur Tonerzeugung
versetzt die Balgluft elastisch federnde Metallzun-
gen in Schwingung.
Keyboardern gespielt werden. Der Tonumfang der
Diskantseite reicht beim Piano-Akkordeon meist von
f bis a3. Aufwendigere Modelle lassen sich mehr-
chörig (zwei- bis fünfchörig) spielen und erlauben
daher einfache Soundvariationen: Neben der norma-
len 8-Fuß-Lage können eine Oktave auf- wie abwärts
(4 Fuß und 16 Fuß) und Tremolo, bei Konzertinstru-
menten auch noch die 2-2/3-Fußlage als Mixtur-
stimme hinzugeschaltet werden. Für einen simplen
frischen Akkordeon-Klang sorgt die 8-Fuß-Grund-
tonreihe mit Tremolo. Einen vollen orgelähnlichen
Sound erreicht man beim Drücken aller Register.
Welchen Akkordeon-Sound
für welchen Musikstil?
Nach einem passablen Akkordeon-Sound braucht
man eigentlich nicht wirklich lange zu suchen. In
aktuellen Arranger-Keyboards steht eine Reihe an
überzeugenden Presets abrufbereit. Doch wie heißen
die Modelle und wie setzt man sie ein?
Die Konzertina bedient klar die Volks- und Unter-
haltungsmusik. Vor allem im Irish Folk ist sie noch
heute populär. Ihre historische Form entwickelte
sich weiter: In Deutschland entstand das Bandoneon
und wird insbesondere in der argentinischen Tango-
musik verwendet. Sein Klang reicht von klaren vol-
len bis zu scharfen brillanten Tönen, die sich beim
Solospiel durchsetzen. Die verschiedenen Musette-
Stimmungen samt Tremoli und Schwebungen, auf-
gekommen im Paris der dreißiger Jahre, sind natür-
lich ideal für Chansons und französische Folklore.
Für alpine Klänge ist die in Wien erfundene Stei-
erische Harmonika prädestiniert.
TASTENWELT 1/2010
Unterschiede von Akkordeontypen
in der Spielweise sichtbar
Auffällig und für ein Tasteninstrument eher unge-
wöhnlich ist die Spieltechnik: Die Dynamik gestaltet
sich nicht wie beim Klavier per Tastendruck, son
dern durch Balgführung. Die feinen bis starken Laut-
stärkeschwankungen werden je nach musikalischer
Interpretation durchgeführt und prägen die Akkor-
deon-Performance wesentlich. Ähnlich der Ham-
mond-Orgel können Töne sehr lange gehalten und
dabei dynamisch sensibel variiert werden.
Während das Knopfgriff-Akkordeon eine spezielle
Grifftechnik erfordert, kann das Piano-Akkordeon
wegen der üblichen Tastenform praktisch von allen
Mit dem Software-
Instrument Accordions,
entwickelt von Eduardo
Tarilonte, findet sich
das Akkordeon sehr gut
reproduzierbar im Rechner
wieder.
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WORKSHOP
TASTEN
Bei den handgefertigten Modellen ist die Auswahl
kaum zu überblicken. Zu groß ist die Zahl an kleinen
Instrumentenbauern, die an individuellen Konzepten
arbeiten. Ein besonderes Element ist das Cassotto,
ein erweiterter Hohlraum auf der Diskantseite, der
bestimmte hohe Frequenzanteile abschwächt und
Resonanzen verstärkt. Der Klang wird als warm und
voluminös emp-funden.
Digitale Akkordeons:
Mehr drin als beim Vorbild
Für Live-Musiker bietet die V-Accordion-Serie von
Roland einen interessanten Ansatz neben midifi-zier-
ten akustischen Instrumenten. Seit 2004 gibt es
volldigitale Akkordeons ohne akustische Klanger-
zeugung in einigen Varianten als Knopf- oder Piano-
Version. Bei allen diesen leicht zu transportierenden
Modellen ist es sehr verlockend, beliebige intern
gesp-eicherte Klangfarben oder externe MIDI-Sound-
quellen mit der Balgdynamik und zusätzlich per
Anschlagdynamik steuern zu können.
Die vielfach größere Klangauswahl als beim akus-
tischen Instrument weiß zu gefallen. Im Nu kann
man das Kolorit zwischen Steiermark, Paris und
Argentinien wechseln. Exotisch wird es vor allem,
wenn man Klänge anspielt, die man von einem Akkor-
deon p-artout nicht erwartet. Ein sehr breites Sp-iel-
feld für Klangexperimente entsteht. Gut sind dabei
Klänge mit langer stabiler Haltephase (Orgel, Blä-
ser, Streicher); perkussive Klänge wie die in der
letzten Folge vorgestellten Mallet-Sounds entfalten
sich mit dem Balg kaum. Mit den Bassknöpfen kön-
nen auch Drums- und Percussionsounds abgefeuert
werden – dem experimentierfreudigen Performer
stehen neue künstlerische Live-Darbietungen offen.
Die V-Accordions sind wirklich innovativ und mehr
als nur ein Plagiat traditioneller Musikinstrumente.
Wer aber trotz der klanglichen Stärken der V-Tech-
nologie weiter auf akustische Instrumente schwört,
sollte sich sehr gute MIDI-Akkordeons anschauen.
Die diversen MIDI-Systeme wurden in TASTENWELT
bereits an verschiedenen Stellen vorgestellt.
Das Akordeon-Allround-Talent
gibt’s jetzt als Software
Für Arrangeure, die im Studio gern am Computer
arbeiten, empfiehlt sich ein recht neues Software-
Instrument, das basierend auf dem mitgelieferten
NI-Kontakt-3-Player alle beliebten Akkordeontypen
anbietet: Accordions von Eduardo Tarilonte (rund
150 Euro) rekrutiert sich aus 2,7 Gigabyte Samp-les,
die zusammen acht verschiedene Akkordeons nach-
bilden und deren Klangregister in wiederum acht
Multis (Oboe, Celeste, Organ und andere Register)
kombiniert werden.
Die Instrumente wurden jeweils in Halbtonschritten
in drei Dynamikstufen aufgenommen. Ein dreifaches
Round-Robin (Verfahren zur Lastverteilung, das kon-
kurrierenden Prozessen Ressourcen zuteilt) sorgt für
subtile Klangveränderungen bei Tonwiederholungen.
Für einen höheren Klangrealismus gegenüber den
Akkordeon-Presets von Synthesizer-Workstations oder
Arranger-Keyboards sorgen auch die mechanischen
Nebengeräusche, die durch das Klap-p-ern der Knöp--
fe, Tasten oder Luftgeräusche des Balgs entstehen.
Das Glanzstück der virtuellen Sammlung ist ein
Bandoneon von Alfred Arnold mit der Seriennummer
15.690, das noch vor dem zweiten Weltkrieg erbaut
und in gleicher Bauweise auch von Weltstar Astor
Piazzolla gesp-ielt wurde. Weiterhin gibt es auch die
Concertina und Musette-Akkordeons. Für die akkor-
disch-rhythmische Begleitung ist das so genannte
Left-Hand-Bass-Akkordeon vorgesehen. Die MIDI-
Tastatur ist aufgeteilt in Basstöne (C1-H1) sowie
Dur- (C2-H2), Moll-(C3-H3), Septakkorde (C4-H4)
und verminderte Dreiklänge (C5-H6).
Wie das akustische Pedant kann die Software
Accordions einfach gesp-ielt wer-
den: Das Ziehen und Drücken
des Blasebalgs erfolgt mit dem
Modulationsrad, das dem MIDI-
Controller #11 (Exp-ression) zu-
gewiesen ist. Nicht allein die
Lautstärke, auch die Klangfarbe
ändert sich.
An Effekten reicht meist ein
simp-ler Reverb. Bei schnellen
virtuosen Passagen sollte ein
kurzer und dezenter Raum bei-
gemischt werden, während lan-
ge ausdrucksvolle Akkordeon-
töne gern mehr Hall und auch
ein bisschen Chorus vertragen.
Ob edles V-Accordion oder
p-reiswerte Software: Das dyna-
mische Sp-iel mit dem Blasebalg
ist einzigartig. Wird es digital
imitiert, sollten man unbedingt
Handrad oder Fußschweller dyna-
tw
misch verwenden.
Im Sound-Workshop
dreht sich diesmal
alles um das Akkor-
deon. Wie emotional
dieses Instrument
klingen kann, erfährt
man anhand des Soft-
ware-Instruments
Accordions sowie mit
den Demos des Roland
V-Akkordeon FR-7x.
Hören Sie im Internet
(www.tastenwelt.de)
kurze Beispiele zu den
klanglichen Unter-
schieden zwischen den
einzelnen Modellen.
Eduardo Tarilonte produzierte Accordions für Best Service: „Ich mag das
Akkordeon, denn klanglich vermittelt es ganz unterschiedliche Emotionen
– von tieftraurig bis überglücklich. Mit dem Blasebalg lassen sich ein
beschwörender Klang und enorme Ausdruckskraft erzeugen. Mein Favorit
ist das Bandoneon. Es klingt nach purer Magie. Für mein Produkt
Accordions habe ich das gleiche Modell aufgenommen, das Astor Piazzolla
spielt. Hervorragend für folkloristische Musik finde ich auch Musette und
Concertina. Man muss aber jeweils ein Register wählen, das zur Musik
passt.“
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AUDIO-DEMO
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