BÜHNE
WORKSHOP
© PPVMEDIEN 2010
ENTERTAINMENT MIT GITARRE
Saiten-Orchester
Der Workshop
Alleinunterhalter bauen ihr Programm meist
auf Keyboard-Arrangements auf. Sampling,
Begleitutomatik und Harmonizer bieten die
Möglichkeit, im Alleingang eine komplette
Band, ein ganzes Orchester und einen
mehrstimmigen Chor auf die Bühne zu
zaubern. Gitarre spielende Solo-Entertainer
mussten sich früher mit dem Spiel zum MIDI-
File begnügen. Heute sind auch sie in der
Lage, multiinstrumental und multivokal
aufzutreten, ohne den Live-Charakter ihrer
Darbietung preiszugeben. Wie’s funktioniert,
klären wir in diesem einteiligen Workshop.
Hans-Joachim
Schäfer
ist promovierter
Diplom-Biologe und
arbeitet als Software-
Entwickler. Seine
Aktivitäten als Musiker
sind vielfältig: Im Stu-
dio spielt er Synthesizer
und Keyboards, auf der
Bühne unplugged in
einem Gitarren-Duo.
Zudem befasst er sich
seit Jahren mit dem
Thema Recording im
eigenen Home-Studio.
Ausgestattet mit einem
hexaphonischen Piezo- und
einem Magnet-Pickup ist
die Godin Multiac Spectrum
vielseitig einsetzbar.
lleine mit Gitarre und „unplugged“ auf der
Bühne zu stehen, ist stilvoll und zeitgemäß,
es beschränkt jedoch zunächst die Möglich-
keiten der Klanggestaltung und des Arrangements.
Gesang oder Mundharmonika mit Gitarrenbegleitung
und reine Gitarren-Instrumentalmusik – mehr ist
normalerweise nicht drin. Lediglich den Rhythmus
kann man mit einer Stomp-Box wie dem Shadow
Stompin’Bass oder einem an einer HiHat-Mechanik
montierten Schellenkranz per Fuß mit stampfen.
Deutlichen Zugewinn bringt ein Chor oder zumin-
dest eine zweite Stimme. Keyboarder setzen hierfür
seit Jahren MIDI-gesteuerte Harmonizer ein. Die
Harmonieerkennung funktioniert bei ihnen mittels
tastengesteuerter Begleitautomatik oder MIDI-File-
Harmoniespur vollautomatisch. Gitarristen mussten
die Akkordfolgen ihrer Songs bisher mühsam pro-
grammieren und konnten sich auf der Bühne dann
per Fußschalter durch die festgelegte Sequenz tasten.
Moderne Harmonizer wie etwa der TC-Helicon Voi-
ceLive 2 oder der Digitech Vocalist Live sind nun
auch in der Lage, die den Chorstimmen zugrunde
liegenden Harmonien direkt aus dem analogen
Gitarrensignal abzuleiten. Da die Zusatzstimmen
aus dem Gesangssignal gebildet werden, kommt
der gesamte Gesang live, und man ist bei der Ausge-
staltung des Vokalparts nicht mehr den Einschrän-
kungen starrer Akkordlisten unterworfen.
Auch die Beschränkung auf nur eine Gitarre ist
für den Gitarren-Entertainer ein Handicap. Gitarren-
Soli sind leider kaum möglich, da dann die sound-
tragende Rhythmusgitarre fehlt. Auch hier schafft
die Elektronik Abhilfe: Mit Hilfe eines Gitarren-
A
Loopers wie Roland RC-2, RC-20 und RC-50,
Digitech Jamman oder Line6 JM4 kann man Riffs,
Sequenzen und sogar ganze Songbegleitungen live
einspielen und dann ebenfalls live in die Perfor-
mance einbauen.
Schließlich wäre es wünschenswert, neben dem
Akustikgitarrensound weitere Instrumentenklänge
zur Verfügung zu haben. Zu diesem Zweck bauen
wir einen Gitarrensynthesizer (Roland GR-20, Axon
AX100) in unser Equipment ein. Er liefert eine breite
Palette an hochwertigen, gesampelten Sounds vom
Streicher-Set bis hin zu abgefahrenen Effektsounds.
Zur Ansteuerung benötigen wir allerdings einen spe-
ziellen Pickup.
Gitarre: Zwischen Akustiksound
und hexaphonischem Pickup
Wichtig für Unplugged-Musik ist ein Akustikinstru-
ment; typische E-Gitarren scheiden also für unsere
Zwecke aus. Natürlich muss die Akustikgitarre mit
einem Pickup und nach Möglichkeit mit einem
eingebauten Vorverstärker inklusive Klangregelung
ausgestattet sein, um sie möglichst problemlos ver-
stärken zu können. Die Auswahl an geeigneten In-
strumenten ist groß, die Entscheidung alleine vom
persönlichen Geschmack abhängig.
Tipps für die Auswahl: Ein großer Korpus wie der
einer Jumbo oder Dreadnought klingt akustisch
wohl voll und laut, verstärkt gespielt erzeugt er jedoch
schneller unerwünschte Rückkoppelungen als ein
kleinerer. Zu empfehlen sind Korpusgrößen wie Taylor
Grand Auditorium oder Grand Concert, Takamine
Nex, Martin 000 und andere.
TASTENWELT 4/2010
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WORKSHOP
BÜHNE
Das über die Klinkenbuchse abgenommene Gitar-
rensignal nutzen wir zur Steuerung des Harmonizers,
zum Füttern des Loopers und natürlich gleich zur
direkten Ausgabe über die Lautsprecher. Für die An-
steuerung des Gitarren-Synthesizers benötigen wir
die Signale jeder Saite einzeln und damit einen
speziellen, hexaphonischen Tonabnehmer (zum Bei-
spiel Roland GK3). Der muss in der Nähe des Stegs
an der Gitarrendecke angeklebt oder angeschraubt
werden. Die dazugehörige Elektronik findet an der
Zarge oder auf der Decke Platz. Es ist jedoch sicher-
lich nicht jedermanns Sache, seine geliebte Akustik-
gitarre mit einem zusätzlichen Tonabnehmer zu ver-
schandeln.
Deshalb greifen wir an dieser Stelle zu einer Godin
Multiac Spectrum. Diese Gitarre bietet alles, was
wir brauchen. Es handelt sich um eine Halbakustik-
Gitarre mit schmalem E-Gitarren ähnlichen Korpus
und eingebautem hexaphonischen Piezo-Pickup.
Zusätzlich ist sie mit einem Magnettonabnehmer,
wie er bei E-Gitarren verwendet wird, ausgestattet.
Die Soundpalette reicht von einem erstaunlich guten
Akustiksound, der von den Piezos abgenommen
wird, bis hin zu einem E-Gitarren-Sound, der vom
Magnet-Pickup kommt. Beide Klangfarben lassen
sich mischen.
Die Multiac ist von Haus aus mit einem 13-Pin-
Anschluss zur Ansteuerung eines Gitarren-Synthe-
sizers ausgestattet. Auch den Synth-Sound kann
man bequem von der Gitarre aus zumischen. Man
kann also zum Beispiel die Strophe mit dem Akus-
tiksound begleiten, im Refrain die Streicher zumi-
schen und für das Solo den E-Gitarrensound abrufen.
Mehr Klanggestaltungsmöglichkeiten wird man wohl
bei keiner anderen Gitarre finden.
Der Akustikgitarren-Sound kann mit dem Akustik-
gitarren-Effektpedal Zoom A2.1u auch noch weiter
verfeinert und variiert werden. Das Zoom-Gerät
erlaubt die Simulation verschiedener Korpusgrößen
und Gitarrentypen und stellt einen sehr umfang-
reichen Equalizer, Hall, Modulationseffekte, Feed-
back-Unterdrückung sowie ein Volumenpedal zur
Verfügung
Weiterhin bietet der eingebaute Vocal-Effektprozes-
sor qualitativ hochwertige Effekte (Reverb, Delay,
Modulation, EQ, Compressor, De-Esser) für Haupt-
und Chorstimmen. Um die Chorlautstärke ständig
im Griff zu haben, stellen wir dem VoiceLive 2 ein
Volumenpedal zur Seite.
Dem Gitarrensignal hat man einen zusätzlichen
Effektprozessor spendiert. Dieser bietet Reverb, 3-
Band-EQ und Compressor in einer hevorragenden
Qualität. Nur wer auch noch Modulationseffekte
oder Gitarrensimulationen benötigt, muss ein sepa-
rates Gitarreneffektgerät wie etwa das Zoom A2.1u
einbinden.
Bereits in diesem Stadium unseres Setups hat
sich der Spaß am Spielen enorm vergrößert. Spielen
Sie doch einfach mal „The Boxer“ von Simon & Gar-
funkel an und benutzen Sie hierfür das VoiceLive-
2-Preset „Pop Duo“. Versuchen Sie’s dann anschlie-
ßend mit „Rote Lippen soll man küssen“ und dem
Preset „Tuned Up+Down“. Auch „Hymn“ von Barcley
James Harvest macht sich in dieser Einstellung
besonders gut.
Gitarren-Looper: Modelle
für unterschiedliche Ansprüche
Welche Prioritäten man bei der Auswahl des Gitar-
ren-Loopers setzt, kommt auf Art und Intensität
Harmonizer: Vom Gesangs-
duo bis zum Gospel-Chor
Als Vocal-Harmonizer verwenden wir in unserem
Setup einen TC-Helicon VoiceLive 2 (Test in Aus-
gabe 5/09 und in dieser Ausgabe). Der VoiceLive 2
kann seine Harmonie-Informationen direkt aus dem
Gitarrensignal ziehen und liefert bis zu acht Har-
monie- und zusätzlich bis zu vier Doubling-Stim-
men. Damit sollte vom Simon&Garfunkel-Duo bis
zum Gospel-Chor alles möglich sein.
Das ist aber bei weitem noch nicht alles: Der Voice
Live 2 verfügt über eine zuschaltbare Tonhöhen-
korrektur, die knapp daneben liegenden Gesang zu-
rechtrückt. Ein exakt intonierter Gesang ist beim
Einsatz eines Harmonizers besonders wichtig, da
bei einer Abweichung der Tonhöhe um 50 Cent oder
mehr der Chor mitzieht – und das klingt grauenvoll.
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