TASTEN
WORKSHOP
© PPVMEDIEN 2010
SOUND: E-GITARRE IMITIEREN
Im Internet unter
www.tastenwelt.de-
finden Sie Klangbeispiele
zu diesem Beitrag.
Saitensprünge
Der Workshop
In dieser Praxis-Reihe dreht sich alles um
den Sound aus Keyboard oder Synthesizer-
Workstation. Lesen Sie, wie und mit welchen
aktuellen Instrumenten Sie an bestimmte
Soundtypen herangehen.
In dieser Ausgabe
geht’s um die Gitarre. Nicht wenige Key-
boarder schätzen die Sounds ihrer Kollegen
an den sechs Saiten. Leider wissen sie aber
meist wenig über die Klänge, die mit Gitarre,
Amp und Effekten enstehen. Mit dieser
Sound-Workshop-Folge soll sich die
Wissenslücke schnell füllen.
Matthias
Sauer
befasste sich bereits
vor seinem Studium
der Musikwissen-
schaft intensiv mit
Synthesizern und
Keyboards. Er arbeitet
freiberuflich als Autor,
LiveKeyboarder,
Musikschullehrer und
produziert elektro-
nische Musik.
chon in tastenwelt 4/08 informierten wir über
Gitarren. Dort ging es um die Imitation von
Rhythmusgitarren anhand der etablierten
Software-Player „RealGuitar“ und „RealStrat“ von
MusicLab. Wer Gitarrenspuren nicht zusammen mit
einem Studiomusiker produzieren kann, sondern
lieber direkt mittels Plug-in im Rechner erstellt, kann
mit solchen virtuellen Playern in mehreren Musik-
stilen gut arrangieren. Nun stehen die wichtigsten
Sounds eines E-Gitarristen selbst im Fokus.
S
Gitarrenvielfalt zwischen elektrisch,
halbakustisch oder natur pur
Schaut man auf das Voice-Angebot beispielsweise
eines Yamaha Tyros, wird schnell klar, welche Arten
von Gitarren wirklich beliebt sind: Weit vorne auf der
Pop-Skala steht die E-Gitarre mit Single-Coil-Pick-
ups („Ein-Spulen-Tonabnehmer“) wie bei der Fender
Stratocaster oder die Gibson Les Paul, eine mit Hum-
INFO
Simulation im Rechner
Der Platzhirsch bei der virtuellen Simulation von Amps und Gitarreneffekten heißt Guitar
Rig 4 Pro und stammt von Native Instruments. Über 14 Guitar- und Bass-Amps, 48 Effekte
sowie 17 Gitarren- und sechs Bass-Boxen werden mit dieser Software nachgebildet,
die für 180 Euro von der Herstellerseite heruntergeladen werden kann. In der Paket-Version
(Kontrol, ca. 380 Euro) sind sogar Fußpedal und Audio/MIDI-Interface enthalten.
Kostengünstig ist Guitar Rig 4 Essential (ca. 90 Euro) mit einer reduzierten Auswahl.
Seit der Version 9 ist auch in Apple Logic eine tolle Auswahl an Effekten zu bekommen.
Allerdings ist das Preset-Angebot des virtuellen Pedal-Boards nicht so umfangreich
und originell wie bei Native Instruments. Öfter muss man selber Hand anlegen, was aber
zu ungewöhnlichen Sounds und Effekten inspirieren kann.
bucker-Pickups (Brummunterdrücker-Tonabnehmer)
ausgestattete Variante. Wie das klingt? Nun, für den
Strat-Sound bekannt sind Eric Clapton, Jimi Hen-
drix und viele mehr.
Bei den akustischen Gitarren nimmt man häufig
die Konzertgitarre bzw. die Klassik- oder Flamenco-
gitarre mit Nylonsaiten. Stahlbesaitet sind die Wes-
tern- oder Folkgitarre und die zwölfsaitige Gitarre mit
größerem Klangvolumen. Im Jazz und Blues kommt
die semiakustische Gitarre häufig zum Einsatz, wäh-
rend die Pedal-Steel-Gitarre und die verwandte Lap-
Steel-Gitarre („Hawaii-Gitarre“) im Country eine be-
deutende Rolle spielen.
Das Instrument selbst definiert sich aber meist
nur als Ausgangspunkt für einen Gitarrensound. Den
Klang prägen vor allem auch Verstärker, die es als
Topteil (Amp und Lautsprecher) oder Combo (Amp,
kombiniert mit Lautsprecher) gibt. Zu den wohl
wichtigsten Amps gehören der 1971 Marshall Plexi,
vertreten auf etlichen 70er-Jahre-Hits, und der schnei-
dende Sounds eines Marshall JCM 800. Für einen
cleanen bluesigen Charakter sorgen der Fender Twin
Reverb oder der vielseitige Tweed Deluxe von Fender.
Im Jazz ist – nomen est omen – der Roland Jazz
Chorus beliebt, dessen warmer Klang gern zur Ver-
stärkung des Fender Rhodes-Pianos diente. Für Heavy
Metal ist ein Mehrkanal-Verstärker wie der Mesa
Boogie Rectifier angesagt. Der berühmte Vox AC30
liefert den typischen Britpop- oder „Queen-Sound“.
Neben der Wahl des Verstärkers sind auch die
Lautsprecher-Boxen (Cabinets) zu berücksichtigen.
Hier unterscheidet man grob zwischen vier Varianten
(1x12, 2x12, 4x12 und 4x10). Zur Mikrofonierung
TASTENWELT 4/2010
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Beim Sequencer Apple Logic 9 können einzelne „Tretminen“
beliebig als Pedal-Board kombiniert werden – hier eine
Effektkette für bluesige Sounds.
Komplette Ausstattung von Native Instruments:
Guitar Rig bietet Amps, Effekte und vieles mehr.
Im Sound-Workshop geht
es diesmal um E-Gitarren.
Welche Typen man unbe-
dingt kennen sollte, er-
fährt man anhand der
Software Guitar Rig 4 Pro
von Native Instruments.
Passende Klangbeispiele,
eingespielt von André
Vaccaro, finden Sie auf
www.tastenwelt.de
Die E-Gitarre kann je nach
Instrument, Amp und
Effekten recht unter-
schiedlich klingen. Zwei
Gitarren hat André Vaccaro
für die Sound-Demos
verwendet:
A= Fender Stratocaster
B= Gibson Les Paul
Hier die Beispiele aus den
Sparten Rock, Pop, Jazz und
Funk. Die Soundnamen
orientieren sich an den
verwendeten Presets aus
NI Guitar Rig 4 Pro.
blues_rhythm.mp3 =
Rhythmus-Guitar (Blues)
a la Stevie Revaughn - A
black_agnus-lead.mp3 =
klassischer AC/DC-
Leadsound, Marshall-Amp
(ClassicRock) - B
foo-monkey-grat =
typischer AlternativeRock/
Metal-Rhythmsound Mesa
Boogie-Rectifier - B
pull_my_theater = Rock/
Clean-Guitarsound, für
Arpeggien (Pickung)
mit Tempo-Delay - B
wide_open_tom =
universeller cleaner breiter
Pop/Classic-Akkord-Sound
(Tom Petty) - A
70s_oktave_solo = 70ies
Funk-Single-Note-Guitar
mit Oktaver-Effekt - A
auto_rhythm = Funky
WahWahRhythmGuitar - A
jazzy_chorus = Jazz-
Comping-Sound mit
Roland mit Roland JC-120
Amp – A
werden Sennheiser E 609 und 421 und beispielswei-
se auch das Shure SM 57 noch gern verwendet. Die
räumliche Positionierung und die Kombination meh-
rerer Mikrofone ist eine tontechnische Aufgabe.
Effekte sind meist genauso
wichtig wie sechs Saiten
Gerade bei den E-Gitarren bilden die Effekte eine
wesentliche Komponente des Gesamtklangs. Man
kennt sie ja von den Bodeneffektgeräten („Tretmi-
nen“), die sich im Pedal-Board des Rockgitarristen
tummeln. Eher klanglich neutral bleiben dabei
Reverb (Hall), Delay und der Chorus als Breitmacher
– egal, bei welchem Gitarrentyp. Beim Echo bietet
sich aber viel Spielraum für Experimente bei Stilen.
Versierte Gitarristen kreieren mit Delays und Looper
dichte malerische Klangteppiche.
Bei der E-Gitarre fast immer angesagt sind Over-
drive (übersteuerter Verstärker-Sound) oder Fuzz (ein
60er-Jahre-Verzerrer) mit eher dünnem und schar-
fem Klang sowie Distortion (Hi-Gain-Verzerrung für
Hardrock, Metal). Zudem muss der Sound bewegt
werden: Seit Jimi Hendrix ist der WahWah-Pedal für
dynamisch modulierende Sounds erste Wahl. Modu-
lativ sind auch der Flanger und der noch beliebtere
Phaser (wirbelnder psychedelischer Effekt). Selbst
das Leslie-Kabinett (Rotary) zieht nicht nur Orgelspie-
ler magisch an, sondern auch Gitarristen, wie das
Solo beim Beatles-Song „Let it be“ schön beweist.
Einfaches Tremolo reichert gehaltene Akkorde an.
Bei einstimmigen Riffs kommt gern auch ein
Octaver ins Spiel, der die gespielte um eine Oktave
versetzt doppelt. Manche Freaks nutzen eine Talk-
Box für vokal-ähnliche Effekte. Schließlich arbeiten
Gitarristen auch mit Dynamik-Bearbeitung: Der Kom-
pressor schneidet Pegelsprünge ab, so dass ein Gitar-
renpart homogen wirkt. Zudem kann dieser Effekt
ein langes Sustain erzeugen. Mit einem Noise-Gate
lassen sich Brummen und Rauschen ausblenden.
Zur Verhinderung von Übersteuerungen nachgeschal-
teter Stufen hilft ein Limiter. All diese Amps, Tools
und Effekte finden sich softwarebasiert in toller
Qualität bei Guitar Rig von Native Instruments.
Kopfzerbrechen, lassen sich die häufig verwendeten
Gitarren-Setups doch einfach benennen. Für Blues
tut es eine Fender Straocaster mit Wah-Effekt, Over-
drive und einem Fender Amp wirklich am Besten.
Im Jazz entsteht der Gitarrensound mit einer Gibson
ES-335, Polytone Amp und eingeschleiftem Delay.
Eine Fender Stratocaster, Compressor, Volumen-
pedal, Overdrive, Delay und Fender Amp sind das
Rüstzeug eines Country-Gitarristen. Im Soul und
Funk hat sich eine Fender Stratocaster mit WahWah,
Compressor, Phaser mit einem Amp inklusive Hall be-
währt. Ähnlich zeigt sich das Setup im Pop: Fender
Stratocaster, Wah, Compressor, Preamp, MultiFX,
Endstufe und 2x12 Speaker. Der Rocker schwört auf
Gibson Les Paul oder auf eine andere Gitarre mit
Humbuckern plus einem Topteil mit 4x12-Box mit
viel Verzerrung, Wah und Delay. Zu guter Letzt: Un-
ter www.tastenwelt.de finden Sie prominente Gitar-
tw
rensounds im Hörvergleich.
Diese Kombinationen
sollte man kennen
Welche Gitarren, Amps und Effekte nimmt man letzt-
lich für welchen Musikstil? Diese Frage bereitet kein
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ANDRE VACCARO, Live-Gitarrist,
Musikschullehrer und Vorführer bei
Korg und Vox: „Im Grunde ist es wie
bei den Keyboardern. Wer sich in
mehreren Sparten bewegt, benötigt
auch unterschiedliche Sounds, die
zu den Projekten passen. Das heißt,
man braucht mehrere Arten von
Gitarren, Amps und diverse Effekte. Bei meinen
Auftritten mit der Opera Classica Europa habe ich
meistens alles dabei – von der Klassikgitarre bis zum
Rockbrett. Wenn es mal jazziger sein soll, wird die
Semi-Akkustik eingepackt. Im Duo spiele ich meistens
die Westerngitarre. Wenn ich mit Coverbands unterwegs
bin, nehme ich universell einsetzbare Gitarren.
Also z.B. eine Gitarre mit Single-Coils und Humbucker
kombiniert und dazu einen Akkustiksimulator als
Tretmine. Alternative: ein zusätzlicher Piezo-
Tonabnehmer an der E-Gitarre für Akkustiksounds.
Damit kann ich mit einer Gitarre viele Sounds abdecken.
Als Messe-Mitarbeiter von Vox und Korg weiß ich, dass
man Presets immer noch etwas verändern kann und
sollte. Presets klingen in Abhängigkeit von der gespielten
Gitarre immer unterschiedlich. Daher macht es Sinn,
sich seine an die Gitarre angepassten eigenen Sounds
zu basteln. Man sollte einfach ungewöhnliche Kombina-
tionen antesten, um neue Soundwelten zu entdecken.“
EXPERTENTIPP
Audio-Demo
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