© PPVMEDIEN 2009
TASTEN
WORKSHOP
SOUND: MALLET-SOUNDS IMITIEREN
Im Internet unter
www.tastenwelt.de
finden Sie Klangbeispiele
zu diesem Beitrag.
Sanfte Schläge
Der Workshop
In dieser Praxis-Reihe dreht sich alles um
den Sound aus Keyboard oder Synthesizer-
Workstation. Lesen Sie, wie und mit welchen
aktuellen Instrumenten in Hard- und
Software-Varianten Sie an bestimmte
Soundtypen herangehen.
In dieser Ausgabe
geht es um Mallet-Sounds. Wir geben Ihnen
Tipps zum Einsatz von Klängen der verschie-
denen Stabspiele wie Marimba, Xylofon, Vibra-
fon etc. und stellen ein paar repräsentative
Klangerzeuger vor, die sich Meriten für ihre
Mallet-Sounds verdient haben.
Matthias
Sauer
befasste sich bereits
vor seinem Studium
der Musikwissen-
schaft intensiv mit
Synthesizern und
Keyboards. Er arbeitet
freiberuflich als Autor,
Live-Keyboarder,
Musikschullehrer und
produziert elektro-
nische Musik.
Mit Collision bietet Ableton einen
Physical-Modeling-Synthesizer für
Mallet-Sounds, der mit einer Viel-
zahl an Presets ausgeliefert wird.
Mit Vibes gibt es für Pianoteq 3
ein erstaunlich realistisch
klingendes Add-on.
ie Mallet-Sounds setzen perkussive Akzente
im Jazz und Pop, aber auch in der orchestralen
Filmmusik oder bei der Hörspielproduktion.
„Mallet“ bedeutet im Deutschen einfach Schlägel
oder Stabspiel. Die Mallet-Instrumente unterscheiden
sich hauptsächlich durch das Material der Klang-
stäbe. Wie das Xylofon und das afrikanische Balafon
erzeugt die Marimba aus Guatemala seine Klänge
durch hölzerne Klangstäbe. Klangstäbe aus Metall
verwenden Vibrafon und Glockenspiel oder die über-
wiegend in Marschkapellen gespielte Lyra. Doch
akustische Instrumente sind nur eine Seite der Me-
daille. Mit Synthesizern wie dem Yamaha DX7 ent-
standen bemerkenswerte Mallet-Sounds wie etwa
„Nippy“ aus den 80ern, wohl eine Hommage an den
Percussionisten Nippy Noya.
Im Live-Einsatz verwenden Keyboarder Mallet-
Sounds eher sporadisch. Umso beliebter sind die
perkussiven Klänge für rhythmische Muster, die am
Sequencer gebastelt werden. Der 2006 erschienene
Hit „Tanz der Moleküle“ von Mia beweist sehr
schön, wie gut Mallet-Sounds im Dance-Pop-Arran-
gement fuktionieren. In der Swingmusik wird das
solistische Vibrafon bereits um 1930 bekannt durch
Bandleader Lionel Hampton. Im Fusion ist es bei-
spielsweise Dave Samuels, der ab Mitte der 80er
Jahre als Bandmitglied von Spyro Gyra sowohl
Marimba als auch das Vibrafon virtuos präsentiert.
Etwa „Morning Dance“ ist ein zeitloser Titel, der
das Dinnerjazz-Repertoire mit schönen Marimba-
Soli bereichern kann.
Zur Spieltechnik sollte man wissen, dass das Vib-
rafon ähnlich wie Klaviere oder E-Pianos mit einem
Haltepedal ausgestattet ist. Dadurch können belie-
D
bige Akkorde gehalten werden, um damit breite
Klangflächen zu bilden. Weil Mallet-Sounds norma-
lerweise relativ schnell abklingen, werden sie häufig
tremoliert. Dies geht prinzipiell auch mit technischer
Hilfe eines Arpeggiators („Mallet-Roll“) oder per
Step- oder Wave-Sequencing, wirkt aber meist et-
was maschinell. Deshalb ist es besser, das Tremo-
lieren mit zwei Tönen traditionell per Hand zu üben.
Solistisch werden Vibrafon und Marimba mit zwei
oder auch mit vier Schlegeln gespielt. Mit der digi-
talen Kopie des Sounds können also auch mehr-
stimmige Akkorde angedeutet werden, ohne dass
die Klänge unnatürlich wirken.
Physical-Modeling erlaubt
differenzierte Klanganpassungen
Freilich möchten Sie nun wissen, mit welchen aktu-
ellen Klangerzeugern Sie die verschiedenen Mallet-
Sounds klanglich effizient imitieren oder vielleicht
sogar modellieren können. Eine gute Adresse ist der
französische Software-Anbieter Modartt. Seit kurzem
gibt es nämlich für dessen virtuellen Klangerzeuger
Pianoteq 3 ein mit rund 50 Euro recht preiswertes
Add-on, das sich ganz auf die Imitation akustischer
Vibrafone spezialisiert hat.
Das Add-on Vibes bietet zwei virtuelle Modelle
eines Vibrafons, die von Bergerault und Musser stam-
men. Dank Physical Modeling kann der Tonumfang
von ursprünglich drei auf fünf Oktaven erweitert wer-
den. Mit den Voicing-Parametern lassen sich die
Anschlagstärke (Mallet hardness) und das Anschlag-
geräusch oder auch der Klangcharakter verändern.
Filterähnliche Soundmodifikationen erlaubt der so
genannte Design-Bereich.
TASTENWELT 6/2009
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TASTEN
Die Natürlichkeit dieser Vibrafon-Imitate ist fas-
zinierend. Warme tremolierende Flächen sind eben-
so möglich wie klare prägnante Sololinien. Diese
Variabilität deutet aber die Preset-Auswahl mit weni-
gen Standards leider nur an. Vorbereitet sind die
Abstufungen bright, soft, mute oder eine Tremolo-
Version, was aber dem Jazzmusiker bereits genügen
dürfte. Das Besondere und Schöne an Pianoteq
liegt in den subtilen klanglichen Veränderungen,
die kein Sample-ROM-Player mit seinen Filtern
oder Hüllkurven erlaubt. Tipp: Nutzen Sie doch
einmal die Random-Funktion. Beim Vibes-Add-on
entstehen mit dieser pfiffigen Zufallsfunktion recht
fantasievolle Mallet-Sounds, die stilistisch irgendwo
zwischen Pop und Avantgarde liegen.
Plate, Pipe und Tube. Rufen Sie hierzu das Preset
„Bells-August“ im Ordner „Mallets“ auf. Im Fenster
des Resonator 2 ist „Marimba“ eingestellt, das Sie
der Reihe nach durch die anderen Resonanz-Typen
(Beam, String, etc.) austauschen – schon ändert
sich der Charakter des Sounds deutlich. Das An-
gebot an sofort verwendbaren Klängen ist ebenso
üppig wie eindrucksvoll. Klangbeispiele finden Sie
unter www.tastenwelt.de zum Download.
Workstations sind stark bei
Klangkombis mit Mallet-Sounds
Vor allem mit Workstations und Sample-ROM-Syn-
thesizern lassen sich Mallet-Sounds mit anderen
Klangfarben sehr leicht und effizient schichten.
Dabei entpuppt sich die Marimba als deutlich fle-
xibler und offener als der Klang des Vibrafons.
Generell sollten Sie eine Marimba oder einen
ähnlichen Mallet-Sound für die Attack-Phase einer
Klangschichtung verwenden, die um eine stabile
Haltephase erweitert wird. Probieren Sie doch ein-
mal die Kombination aus Marimba und weichem
Synthbrass oder Chor-Samples aus. Bewährt und
unter den Namen „Bellpad“ öfter anzutreffen sind
die Stacks aus Glocken und Synthflächen.
Bei den Effekten kommen ein sparsam dosierter
Hall und etwas Chorus oder Tremolo meist richtig,
um ein natürliches Klangbild zu erhalten. Kurze
perkussive Mallet-Sounds wie die Marimba oder
Xylofon bieten sich für Spielereien mit allerlei rhyth-
mischen Delay-Effekten an. Oder Sie hüllen das
Vibrafon in eine dichte Hallwolke ein, wodurch at-
mospärische Klänge enstehen. Entschärfen Sie
dabei die Attackphase der Lautstärke-Hüllkurve ent-
sprechend, damit das Vibrafon weich einschwingt.
Wenn Sie E-Piano oder Klavier beim Arrangement
langweilen, schwenken Sie doch einfach um auf
Vibrafon oder Marimba. Dabei sorgen das Pianoteq-
Add-on und insbesondere das Software-Instrument
Collision für neue kreative Klangfarben. Diese Soft-
ware-Produkte können Sie als Demo-Version von
den Webseiten der beiden Hersteller herunterladen
tw
und ausprobieren.
Neue Akzente setzt
Ableton Live Collision
Aus dem Klangarsenal der Suite 8 des Software-
Herstellers Ableton ragt das noch junge Instrument
Collision hervor, das auch einzeln für knapp 100
Euro zur klanglichen Erweiterung von Ableton Live
erworben werden kann. Genau genommen handelt
es sich bei Collision um einen Synthesizer, basierend
auf der Physical-Modeling-Technologie, den Ableton
zusammen mit dem Hersteller Applied Acoustics
Systems entwickelt hat. Der Klang entsteht durch
das Oszillator-Paar aus „Mallet“ und „Noise“, deren
Ausgangssignale in zwei separate Stereo-Resona-
toren geleitet werden. Die Oberfläche des virtuellen
Instruments wird den Nicht-Programmierer vielleicht
etwas entmutigen, sobald er mit solch exotischen
Begriffen wie „Excitator“ konfrontiert wird. Ganz so
kompliziert ist es aber dann doch nicht: Der Exci-
tator liefert mit „Mallet“ (simuliert den Klang durch
Anschlagen eines Schlegels) und „Noise“ (fügt das
Anschlaggeräusch hinzu) den Ausgangsklang der ver-
schiedenen Mallet-Sounds.
Sie müssen bei Collision technisch gar nicht so
weit ins Detail gehen, um verschiedene Klangtypen
herzustellen. Probieren sollten Sie aber auf jeden
Fall einmal die insgesamt sieben Modelle resonanter
Klangkörper: Beam, Marimba, String, Membrane,
Mallet-Sounds zum
Download (www.
tastenwelt.de):
pianoteq_vibe_
soft+hard.mp3:Das
Add-on für Modartt
Pianoteq 3 kopiert
ein akustisches
Vibrafon (Anschlag
weich oder hart).
pianoteq_vibe_mute.
mp3: Presets mit
abgedämpften
Vibrafonklängen.
pianoteq_vibe_
tremolo.mp3:
Tremolo-Effekt für
mehr Lebendigkeit
collision_standard.
mp3: Collision von
Abletons Suite 8 be-
sitzt einen ganz eige-
nen Klangcharakter.
collision_special.mp3:
Um mit innovativen
Mallet-Sounds Gren-
zen zu überschreiten,
ist Collision auch
ein guter Tipp.
effekt_rhythm_delay.
mp3: Kurze präg-
nante Mallet-Sounds
eignen sich für
rhythmische Muster
mit Delay-Effekten.
workstation_layer.
mp3: Workstations
wie Korg M3 oder
Yamaha Motif XS
ermöglichen Layers
aus Mallet und
Flächen – mit oder
ohne Arpeggiator.
Audio-Demo