© PPVMEDIEN 2010
TASTEN
WORKSHOP
SOUND: LIVE-DRUMS IMITIEREN
Im Internet unter
www.tastenwelt.de
finden Sie Klangbeispiele
zu diesem Beitrag.
Schlagabtausch
Der Workshop
In dieser Praxis-Reihe dreht sich alles um
den Sound aus Keyboard oder Synthesizer-
Workstation. Lesen Sie, wie und mit welchen
aktuellen Instrumenten in Hard- und Soft-
ware-Varianten Sie an bestimmte Soundtypen
herangehen.
In dieser Ausgabe
geht’s um das Schlagzeug, ohne das nichts
läuft in der Pop-, Jazz- oder Unterhaltungs-
musik. Wie einfach man mit den Sounds
akustischer Drums hantieren kann, zeigt die
Praxis mit der Software Addictive Drums, die
diesmal im Mittelpunkt des Workshops steht.
Matthias
Sauer
befasste sich bereits
vor seinem Studium
der Musikwissen-
schaft intensiv mit
Synthesizern und
Keyboards. Er arbeitet
freiberuflich als Autor,
Live-Keyboarder,
Musikschullehrer und
produziert elektro
nische Musik.
N
icht erst seit der Finanzkrise werden Live-
bands aus der U-Musik öfter ohne Drummer
und Bassisten gebucht. Hoch im Kurs stehen
kleine flexible Formationen. Doch nicht jedes Duo
oder Trio möchte mit einem Arranger-Keyboard auf-
treten, weil es nach einer One-Man-Show klingt und
zu viele Begleitspuren im Spiel sind. Häufig besser
sind maßgeschneiderte und transparente Halbplay-
backs, die man auch selber mit dem Computer an-
fertigen kann. Neben der Bass-Spur sind die Drums
der wichtigste und zugleich sensibelste Part.
Pro Instrument finden sich
weitreichende Möglich-
keiten fürs Sound-Design –
EQ und Kompressor wollen
beschäftigt werden.
Wie man Drum-Grooves
in den Rechner bekommt
Wie aber bekommt man virtuos getrommelte Grooves
eines akustischen Drumkits in den Rechner? Viele
Jahre haben Arrangeure einschlägige MIDI-Files ver-
wendet und nach passenden Sounds gesucht. Diese
Methode ist zeitraubend und führt bei einem akusti-
schen Drumpattern nicht zu den besten Ergebnissen.
Frischer sind die Drums von Yamaha Tyros und
Konsorten. Von deren Stereo-Ausgang könnte man
einfach das Drum-Signal abgreifen und mit der ge-
wonnenen Audiospur im Sequencer (Cubase, Live,
Logic) weiterarbeiten. Beim Mischen der einzelnen
Drumsounds im Rechner wäre man in diesem Fall
aber stark eingeschränkt.
Einen anderen Ansatz bieten Audio-Loops kom-
merzieller DVDs. Sie kommen zwar einem echten
Drummer am nächsten, aber es gibt kaum Loop-Pro-
dukte, die Grooves nach Formteilen für Pop- oder
U-Musik enthalten. Für R’n’B, HipHop oder Dance
gibt es natürlich eine Riesenauswahl.
Der effektivste Weg zum lebendigen Drum-Arran-
gement ist ein Player, der Grooves und Sounds in ein-
und demselben Instrument vereint. Einer dieser Spe-
zialisten heißt Addictive Drums und kommt von der
schwedischen Firma XLN Audio. Dieses Software-
Instrument besticht durch eine Fülle an guten
akustischen Drumsounds (DW, Tama, Pearl, Sonor
etc.) und über 3.000 MIDI-Beats, einfaches Hand-
ling sowie sinnvolle Erweiterungen. Zudem ist es
mit einem Preis von rund 180 Euro auch noch recht
preiswert. Genügend Gründe, um diesen Player in
den Mittelpunkt dieses Workshops zu stellen.
TIPP
Konkurrenz schläft nicht
Addictive Drums von XLN Audio ist nur eine von mehreren Lösungen. Wer mehr investieren
kann oder will, sollte sich Toontracks Superior Drummer 2.0 (ca. 210 Euro) anschauen – ein
Tipp vor allem für rockige (Vintage-)Drums. Noch massiver schlägt FXPansion BFD2 (ca. 270
Euro) zu, denn die Software bietet teilweise recht spezielle, aber richtig gute Erweiterungen,
so etwa die „Big Orchestral Marching Band“. Auch Drumcore Deluxe (ca. 300 Euro) von
Submersible Music verdient eine Erwähnung.
Druckvolle Grooves sind bei
Addictive Drums in der Überzahl
Direkt nach dem Start von Addictive Drums kann
man loslegen. Oben links findet sich ein Auswahlfens-
ter für etliche Sample-Drumkits, die weitgehend nach
Musikstilen geordnet und relativ schnell geladen
sind. Ein Mausklick auf „Beats“ öffnet eine lange
Liste an Rhythmen, die jeweils eine Länge von zwei
bis 16 Takten haben. Dreier- und Vierertakte sowie
6/8- und 7/8-Takte sind vorhanden. Wie die Drum-
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kits kann man Presets nach Musikstilen auffinden
und bekommt pro Muster eine gute Auswahl an
Varianten (Formteile wie Verse, Chorus, Bridge oder
Fills und Breaks). Der selektierte MIDI-Groove lässt
sich nun einfach im jeweiligen Songtempo abhören,
indem man auf den Wiedergabe-Knopf drückt.
In der Überzahl sind bei Addictive Drums solche
Grooves, die ordentlich Druck machen. Teilweise
möchte man aber eher softe Drums verwenden, so
etwa für Lounge und Chill-out. Tipp: Dies erreicht
man bereits auf MIDI-Ebene mit dem nützlichen
Beat Transformer: Per „Intensity“ kann die Anschlag-
dynamik des gesamten MIDI-Grooves abgeschwächt
oder forciert werden. Dies wirkt homogener als ein
Ändern der Lautstärke, da leise Schläge auch ober-
tonärmer klingen als hartes Anschlagen – wie bei
richtigen Drums eben. Manche Instrumente lassen
sich per „Filter“ (filtert die Velocity-Werte) heraus-
kristallisieren. So kann schnell eine dezente HiHat
oder eine laute Snare auf Zwei und Vier isoliert
werden. Obendrein ermöglicht der Beat Transformer
ad hoc Varianten im Half- und Double Time.
Soll das Schlagzeug-Pattern definitiv fürs Halb-
playback verwendet werden, zieht man die Datei
per „Drag & Drop“ einfach ins Arrangierfenster des
Sequencers. Nun ist der Groove als MIDI-Spur vor-
handen. Nicht immer passt die rhythmische Struk-
tur exakt für den Titel, den man produzieren möchte.
Das ist aber halb so tragisch, weil sich einzelne
MIDI-Noten oder komplette Parts wie HiHat oder
Ride-Becken löschen oder hinzufügen lassen.
Die Basisversion von Addictive Drums bedient Pop-
und Rockmusiker. Mit weiteren Packs lassen sich
Presets und Grooves aus anderen Stilen aufnehmen:
Relativ neu und mit knapp 60 Euro sehr erschwing-
lich ist das Funk AD Pak mit 30 Drumkits und über
400 MIDI-Grooves. Die Aufnahmen stammen von
einem Set aus der Pearl-Reference-Serie, das unter
klassischen Funky-Drummern beliebt ist. Stilecht
kommen auch die Grooves mit Laid-Back- oder
Shuffle-Varianten.
Für den Jazzer gibt es tolle Erweiterungen, die
sich nicht nur wegen des sportlichen Preises emp-
fehlen, sondern authentische Sounds eines Premier-
Kits auf den Punkt bringen. Dabei kann man schlag-
technisch zwischen Stock (Modern Jazz Sticks) und
Besen (Modern Jazz Brushes) wählen. Das Retro AD
Pak interpretiert mit den Ludwig-Kits schwungvoll
die Beats der 60er und 70er Jahre. Neben Psyche-
delic Pop/Rock sind auch die Motown-Grooves schön
getroffen. Die Soundauswahl wird um Tambourin,
Cowbell und Handclaps ergänzt. Mit 115 Euro ist
diese Option zwar kein Schnäppchen, hat aber viel
Substanz für eine lange, intensive Arbeit mit dem
virtuellen Trommler.
Wer Lust bekommen hat auf Addictive Drums,
sollte die Demo-Version herunterladen, mit der es
sich recht entspannt arbeiten lässt, auch wenn es
nur eine Auswahl an Kits und MIDI-Beats gibt.
tw
EXPERTENTIPP
Kleine Veränderungen im Mix
haben oft eine große Wirkung
Früher oder später möchte man die Drumsounds
klanglich besser ans Gesamtbild anpassen und einzel-
ne Sounds bearbeiten. Der Mixer, in der unteren Hälf-
te des Plug-ins zu sehen, lädt bereits zum intuitiven
Mischen einzelner Schlaginstrumente bzw. zum Ver-
ändern der Mikrofonpegel ein. Während das schnelle
Austauschen der Sounds für Kick, Snare, HiHat usw.
bereits im Hauptfenster möglich ist, animieren die
Edit-/FX-Seiten zum kreativen Audio-Design.
Nicht wenige der Presets demonstrieren, wie man
kultige oder einfach gute Drumkits erstellt – unbe-
dingt anschauen, was man per Kompressor, 3-Band-
EQ, Distortion, zwei einzelnen Reverbs und einem
einstellbaren Mikrofon-Setup zaubern kann. Aber
ehrlich, man muss selbst nicht viel editieren. Manch-
mal reichen schon kleine Schritte, wie das Ändern
der Tonhöhe von Instrumenten.
Oliver Zapf, gefragter Live-Drummer und Betreiber des Iron-
works-Studio bei Gießen: „Entscheidend für die Mikrofonierung ist
der Musikstil. Für einen knackigen Drumsound nutze ich vor
allem die Signale der Close-Mics. Soll das Set mehr Volumen
erhalten, erhöhe ich den Anteil der Room-Mics. Nicht immer
arbeite ich mit einer kompletten Mikrofonierung. Für einen
traditionellen Jazz-Sound benutze ich oft nur zwei Großmembran-
Mics als Overheads sowie ein Bassdrum- und ein Snare-Mic. Bei
Pop- oder Rocktiteln nehme ich das ganze Set mit Close-Mics ab.
Für Bassdrum und Snare verwende ich meist zwei Mics, je eins
für Schlag- bzw. Resonanzfell. So habe ich die Möglichkeit, für die Snaredrum den Anschlag
und den Snareteppich und für die Bassdrum den Anschlag und das Volumen zu dosieren.
Bevor Effekte und Dynamics zum Einsatz kommen, sollte das Drumset gut klingen. Für die
Close-Mics verwende ich oft ein paar Gates, wobei leise Schläge nicht verschluckt werden
dürfen. Beim Komprimieren des Summensignals lassen sich bei Extremeinstellungen
manchmal interessante Effekte erzielen. Den EQ verwende ich behutsam, vor allem um
störende Frequenzen herauszufiltern oder trommeltypische Frequenzen anzuheben. Bei
den Room-Effekten gilt bei schnellen Passagen ein kurzer bzw. bei langsamer Musik ein
längerer Nachhall.“
Audio-Demo
Durch Zukauf von Modulen
für weitere Stile erweiterbar
Im Sound-Workshop geht
es diesmal um Grooves
akustischer Drums. Wie
einfach und effizient man
Live-Drums rekonstruieren
kann, erfährt man anhand
von XLN Audio Addictive
Drums. Passende Hörbei-
spiele finden Sie auf der
Homepage von tastenwelt.
Zweimal Hall für
Effekte– das reicht für
Live-Drums allemal.
www.tastenwelt.de
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