Special Cases und Transport Die 11Gebote zum reibungslos
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DAS FACHBLATT FÜR MUSIKER
Special:
Cases und Transport
Die ganze Welt ist eine Bühne
So bringt ihr euer
Equipment sicher zum Gig
SPECIAL
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Die 11 Gebote
zum reibungslosen Transport
1-2-3 … dabei!
Der ultimative Wegweiser durch
das Flightcase-Wunderland
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Kleiner Rückblick: 1995 kam Christo mit seiner Frau Jeanne-Claude auf die Idee den Berliner
Reichstag zu verhüllen. Auch wir Mucker neigen dazu unser Hab und Gut ordentlich zu
verpacken. Wir – im Gegensatz zu Christo – legen bei der Verpackung allerdings weniger
Wert aufs Künstlerische, als vielmehr aufs Praktische. Mit den nachfolgenden 11 Gebote
habt ihr nun einen Codex für die sichere Verwahrung eures Equipments an der Hand.
M
al ehrlich – wer mit offenen Augen
durchs Leben geht, der stellt schnell
fest, dass alles irgendwie verpackt
ist. 20 Flaschen im praktischen Kasten, der
Burger im Thermokarton und das sündhaft teure
Parfum als Mitbringsel für die Freundin imeinem
Glitzer-verzierten Hochglanzkarton der uns
den dreifachen Inhalt vorgaukelt. Wie? Eure
Gitarre hat immer noch keinen Koffer?
1. Gebot
Du sollst für alles ein
Case verwenden
Klingt eigentlich absolut banal, ist aber das
wichtigste Gebot und darum steht es an erster
Stelle!
Cases oder Koffer schützen nicht nur eu-
er wertvolles Equipment, sondern erleichtern
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Ich packe mein Case und nehme mit:
Eine Lederweste,
ein Hemd, zwei Paar Cowboystiefel ...
zudem noch den Transport und den Auf- und
Abbau ungemein. Außerdem helfen sie, den
Wert eures Equipments zu erhalten – und das
alles zu einem vergleichsweise geringen An-
schaff ungs preis. Wer einmal den Neupreis sei-
ner Gitarre oder seines Amps in Relation zum
Kaufpreis des passenden Cases gesetzt hat, wird
feststellen, dass die Mehrinvestition gar nicht so
hoch ist und sich über den Werterhalt sehr
schnell wieder amortisiert. Klar braucht nicht
jedes Teil sein eigenes Case, ein Satz Mikrofone
oder drei Verstärker teilen sich perfekt einen
Koffer oder ein Case. Wer mehr als fünf oder
sechs Gitarren oder Bässe mit zum Gig schleppt,
kommt ebenfalls so langsam in eine Region, in
der ein Vorsprechen beim Casebauer für eine
Komplettlösung durchaus sinnvoll ist und evtl.
auch eine preisgünstigere Lösung zur Folge hat.
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SOUNDCHECK 01 | 08
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F O T O : H O P P E R T, B E U G - R A P P
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benden Höheneinheiten auskommt. „Think Big“
lautet die Devise an dieser Stelle. Übertreiben
sollte man dabei aber nicht, denn ein 12-HE-
Rack, gefüllt mit nur einem Equalizer und einem
Effektgerät nimmt nur unnötig Platz weg und
sieht – Hand aufs Herz – auch albern aus. Also
lieber in zwei Cases mit je sechs HE investieren.
Handlich:
Mit Hughes & Kettners AmpGuard lässt sich
dank Rollen der Röhrenamp leicht hinterherziehen.
2. Gebot
4. Gebot
Du sollst das richtige
Case verwenden
Nach dem mehr praktisch orientierten, ersten
Gebot hier nun das etwas philosophisch klin-
gende, Zweite.
Genau wie es nicht eine Gitarre
für alle Sounds gibt, gibt es auch nicht das
Case für alle Geräte. Von den typischen
Koffern oder Softbags für Musik instrumente
mal abgesehen, haben sich für das restliche
Equipment drei Typen etabliert: das klassi-
sche Rack mit Single- oder Doubledoor, das
Rack im Case und die sogenannten Hauben
oder Truhen. Daneben gibts unzählige Spezial-
formen für besonders empfindliche, beson-
ders schwere oder besonders kuriose Geräte –
komplette Küchen oder Kleider schränke nebst
Schminktisch zum Beispiel. Es kommt also nicht
darauf ein, einfach nur ein Case zu haben;
sondern viel mehr darauf, das richtige Case zu
haben. Die Gitarre in den Koffer, die Effekte
ins Rack und das Stack ins Haubencase – so
lautet die Devise. Ampracks fallen auf Grund
des zu tragenden Gewichtes naturgemäß sta-
biler aus als Effektracks, und Röhrenequipment
reist besser im gepolsterten Rack im Case. Für
eine Ladung Starkstromkabel genügt hinge-
gen ein einfaches, aber stabiles Truhencase.
3. Gebot
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Du sollst beim Kauf
auf Qualität achten
Ein gutes Case hält mindestens ein Musiker-
leben lang. Vorausgesetzt, man achtet bereits
bei der Anschaffung auf gute Qualität.
Ganz
gleich, ob man sich für das klassische Case aus
Holz mit seinen typischen Aluminiumbeschlägen
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entscheidet oder zum heißgeformten, modernen
Kunststoffcase greift: Wichtig sind gute Qua-
lität der Bauteile und gute Verarbeitung. Ku-
gelecken, Griffe und Ver schlüsse sollten sich
einfach gut anfassen und eine solide Material-
stärke aufweisen. Auch die verwendeten Nieten
müssen sauber angebracht sein. Bei den klas-
sischen Flightcases hilft zudem ein Blick ins
Innere. Wenn rund um die Griffe, Verschlüsse
und Profile beim Einnieten Rückplatten oder
Unterlegscheiben verwendet wurden, dann ist
dem Case meist ein langes Leben beschieden.
Wurde darauf verzichtet, habt ihr zwar vermut-
lich Geld gespart, allerdings wird es aller Vor-
aussicht nach, genau an diesen Stellen zu den ers-
ten Defekten kommen. Verschlüsse oder Griffe
reißen dann unter Belastung aus. Solche Schäden
Du sollst dein Case mit
Bedacht auswählen
Das Angebot auf dem Markt ist riesig, die
Verwirrung entsprechend groß.
Während man
beim Case fürs Instrument am besten mit ei-
ner Maßanfertigung beraten ist und diese
meist auch schon direkt beim Kauf mit ange-
boten wird, ist bei der Anschaffung eines pas-
senden Cases für das restliche Equipment et-
was mehr Weitsicht und Planung ratsam. Ein
bis zwei HE Reserve bei den Effekten schadet
nie, ein paar Zentimeter mehr Einbautiefe sind
ebenfalls keine unnötige Investition. Wer weiß
schließlich heute schon, wie tief das demnächst
neu anzuschaffende Gerät ist, ob genügend
Raum dafür zur Verfügung steht oder ob die
zusätzliche Endstufe auch mit den verblei-
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Cases und Transport
6. Gebot
Du sollst nichts übertreiben
Unkaputtbar:
Manche Cases von Pink Floyd
sind schon seit Jahrzehnten auf Tour.
sind nur sehr aufwändig, manchmal auch gar nicht
mehr zu beheben. Wer keine Möglichkeit hat, das
Objekt direkt vor Ort beim Casebauer zu begut-
achten und darum auf Katalogbestellung ange-
wiesen ist, sollte auf bewährte Anbieter vertrau-
en. Das vermeintliche Schnäpp chen aus der On-
lineauktion entpuppt sich nämlich allzu oft als
minderwertig – einen Garantieanspruch gibt es
zumeist ebenfalls nicht. Vor allem wird niemand
Haftung für zerstörtes Equipment übernehmen,
wenn beispielsweise auf der obersten Stufe einer
Treppe ein Griff abreißt und das teure Mischpult
selbige hinabsegelt. Der Fachhandel ist an dieser
Stelle vielleicht ein paar Euro teurer, der Mehrpreis
dafür aber gerechtfertigt.
5. Gebot
Ein Dimmerrack oder Amprack mit 120 kg Le-
bendgewicht oder mehr ist schlicht nicht mehr
zu transportieren – genauso ist ein Siderack mit
25 HE einfach nicht mehr praxisgerecht.
Wer
täglich mit seinem Equipment unterwegs ist, der
weiß, wovon ich spreche. Natürlich ist der
Gedanke verlockend, am FoH alles unter einer
Haube zu haben oder nie mehr Racks verkabeln
zu müssen. Trotzdem sollte man bei solchen
Überlegungen immer auch einen Gedanken an
die Praxis verwenden. Ampracks lassen sich zum
Beispiel nach Bühnenseiten aufteilen – damit
reduziert sich ohne größeren Verkabelungs-
aufwand des Gewicht um die Hälfte. Sideracks
las sen sich durch Aufteilung in Funktionsgruppen
verkleinern. Die Effekte in ein Rack, die Pro-
zessoren ins nächste und alles was die Summe
versorgt zusammen mit einem Zuspieler ins drit-
te Rack. Schon werden aus einmal 25 dreimal
acht HE und prompt ist dieser Frontplatz auch
ohne artistische Meisterleistung beim Transport
und ohne schweißtreibende Anstrengungen beim
Aufbau ganz alleine zu handhaben.
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denkt man zum Beispiel an eine schwere, analo-
ge Konsole in der Klasse oberhalb von 40 Ein-
gangskanälen oder den ab und an gefragten
Konzertflügel. In beiden Fällen ist man schnell
mit weit mehr als 100 kg Gewicht dabei und
freut sich über jede zusätzliche Möglichkeit
zum Anpacken. Auch üppige Kabeltruhen errei-
chen schnell die magische Grenze von 100 kg
und werden damit auch für zwei Personen zur
echten Aufgabe.
Ein weiterer Punkt, an dem ebenfalls viel zu
oft gespart wird, ist die Qualität bzw. die Größe
der Hardware und Zubehörteile.
Klappgriffe und
Griffschalen sollten ausreichend groß und/oder
mit dickem Gummi gepolstert sein. Verschlüsse
sollten großzügig dimensioniert sein und au-
ßerdem so beschaffen, dass sie jederzeit mit
Handschuhen problemlos betätigt werden kön-
nen. Nichts nervt mehr, als nach jedem Hand-
griff die Handschuhe aus- und wieder anziehen
zu müssen. Ein zusätzliches Paar Rackschienen
auf der Caserückseite hält Amps oder anderes,
schweres Gerät beim Trans port sicher in Position
und eignet sich zur platzsparenden Montage
von Anschlussfeldern oder Verteilerblenden.
8. Gebot
Du sollst auch auf
die Farbe achten
Das Mischpultcase ist pink und auf der Bühne
spricht gerade der Kulturbeauftragte eurer Hei-
matstadt!
Das Marshallstack im signalroten
Haubencase steht beim Empfang des Bürger-
meisters direkt neben den Honoratioren. Das
Effektrack ist rosa ... Alles schon gesehen, aber
ist das wirklich notwendig? Klar, Punk ist laut
und derb, Rock 'n’ Roll steht für Protest, aber
solche Attitüden kann man beim Gitarrenkoffer
ausleben, dort passt so was auch bestens. Beim
sichtbaren Equipment auf der Bühne oder am
Frontplatz ist hingegen etwas Under statement
angebracht. Denn – ganz ehrlich – dem Auge
entgeht nichts und der erste Eindruck zählt! Der
Inhalt eines Cases kann noch so hochwertig
sein, wenn die Optik verheerend ist, gilt dies
meist auch für den ersten Eindruck und der
bleibt in den Köpfen. Also gilt an dieser Stelle:
Gedeckte Töne machen das Rennen, schwarz
oder rotbraun heißen die Klassiker. Wem das zu
eintönig ist kann auch zu einem hellen Grau
oder zu dunklem Blau greifen. Die einschlägigen
Her steller und Casebauer bieten mittlerweile
auch umfangreiche Farb-Paletten an.
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Praxistipp
Freie Sicht für alle
Sehr publikumsfreundlich ist es, einen über-
sichtlichen Arbeitsplatz am Pult zu schaffen.
Die Plätze direkt beim Pult sind ja bekannter-
maßen die soundtechnisch besten. Mit drei
Sideracks anstelle eines einzigen sind diese
Plätze dann auch gleichzeitig die, mit freier
Sicht auf die Bühne.
Du sollst dein Equipment
ordentlich verstauen
7. Gebot
Du sollst nicht am
falschen Ende sparen
Wer beim Casekauf am falschen Ende spart,
bereut diese Entscheidung meist sehr schnell.
Ein Satz stabiler Rollen zum Beispiel schlägt
zwar mit einem gewissen Mehrpreis zu Buche,
ist aber für schwere Racks unentbehrlich und
erleichtert das Handling ungemein. Mit zusätz-
lichen Griffen verhält es sich ebenso, auch die
muss man beim Kauf extra bezahlen, lernt sie
aber bei jedem Auf- und Abbau ungemein
schnell zu schätzen. Ein Beispiel: Für alles, was
schwerer als 50 kg ist, sind acht Griffmöglich-
keiten keinesfalls übertrieben. Damit haben vier
Helfer jederzeit optimale Möglichkeiten, das
Case zusammen auf die Bühne oder von der
Laderampe zu heben. Selbst noch mehr Griffe
an einem Case mögen durchaus berechtigt sein,
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Wer glaubt, mit dem Kauf der Cases endet
die notwendige Sorgfalt beim Transport, der
begeht einen großen Irrtum.
Sicherlich schüt-
zen Racks und Cases das Equipment besser als
Pappkarton oder Wolldecke. Ein All heilmittel
sind sie allerdings trotzdem nicht. Etwas Über-
legung gehört schon dazu, wenn es darum
geht, alles gut und sicher für den Transport in
PKW oder Bandbus zu verstauen. Grundsätzlich
gehört das, was groß, sperrig und schwer ist in
die unterste Lage. Darüber kommt all das, was
leichter und kleiner ist. Klingt eigentlich lo-
gisch – trotzdem staunt man immer wieder,
8
Solide:
Gummierte Griffe und große Butterfly-Verschlüsse
sorgen für Sicherheit und lange Lebensdauer der Cases.
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