Special Cases und Transport So bringt ihr euer Equipment
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Special:
Cases und Transport
Die ganze Welt ist eine Bühne
So bringt ihr euer Equipment sicher zum Gig
FOTOS: IMAGO, HOPPERT
Die Sommersaison ist vorbei, vor der Tür steht der Winter mit jeder Menge
Clubgigs. Während bei Open Airs das Equipment meistens vom Verleiher
kommt, ist bei Clubgigs alles anders: Die Backline muss mit, jeder will ei-
nen Monitor, die PA soll ordentlich tönen und ein paar bunte Lampen sol-
lens auch noch sein. Es gibt also viel zu tun – laden wirs ein.
W
er sein Equipment sicher und prak-
tisch von Gig zu Gig transportieren will,
kommt um die Anschaffung passen-
der Cases nicht herum. Gig- oder Softbags für die
Instrumente, Racks und Cases für Amps und Pul-
te, außerdem die bekannten Hutschachteln für die
Kessel des Drummers. Selbst für Kabel, Stative und
Zubehör gibt es mit den praktischen Transporttru-
hen die passenden Behälter für den Roadalltag (sie-
he auch Kasten auf S. 40). Für viele Anwendungen
gibts Lösungen von der Stange, andere Anwendun-
gen verlangen nach einer maßgeschneiderten Lö-
sung – nicht zuletzt spielt ja auch der persönliche
Geschmack des Einzelnen eine gewisse Rolle. Seit
der Rock 'n’ Roll erfunden wurde, ist um ihn her-
um ein ganzer Industriezweig entstanden, der sich
um Transport, Handling und sicheren Schutz des
geliebten Equipments bemüht. Ein Blick auf die
Geschichte der Cases zeigt, dass auch hier die Ent-
wicklung keineswegs stehen geblieben ist.
Über den Wolken ...
Lüften wir aber zunächst mal ein kleines Ge-
heimnis.
Wir versuchen es zumindest, denn so
richtig ist der Ursprung des Flightcase nicht be-
legt. Eine Theorie besagt, dass findige Roadies
auf der Suche nach der idealen Verpackung die
stabilen Kisten erfunden haben. Anregung dazu
erhielten sie dazu aus der Flugzeugindustrie. Auch
hier war schließlich traditionell immer schon die
Kombination aus hoher Stabilität und minima-
lem Gewicht gefragt. Freilich ging es dabei nicht
um Transportkoffer, sondern vielmehr um Rümp-
fe und Tragflächen. Und wie später bei den Ca-
ses wurden seinerzeit auch hier dünne Holzbret-
ter mit Hilfe von Nieten dauerhaft in einem Alu-
miniumrahmen befestigt. Das Ergebnis war dank
des Rahmens sehr stabil, dank des Holzes sehr
leicht und zudem noch schnell und einfach her-
zustellen. Selbst unter extremsten Bedingungen
Warm angezogen:
Mit den Protection-Racket-Bags reist
euer Drum-Equipment sicher von Gig zu Gig.
hielten die Nieten dabei im Gegensatz zu Schrau-
ben oder anderen Verbindungen perfekt und si-
cher. Und was einen Flug über den Atlantik aus-
hält, das sollte doch eigentlich auch die Backline
einer Band zuverlässig schützen können.
Wer übrigens glaubt, Musiker und Piloten hät-
ten so etwas wie ein Exklusivrecht für die stabilen
Leichtgewichte, der irrt sich gewaltig.
Praktisch
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SOUNDCHECK 01 | 08
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DAS FACHBLATT FÜR MUSIKER
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Die ganze Welt ist eine Bühne
So bringt ihr euer
Equipment sicher zum Gig
SPECIAL
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setzen konnte sich dagegen eine einheitliche
Einbautiefe der Geräte, darum entwirft hier jeder
Hersteller ganz nach seinen Bedürfnissen.
Auch bei den Rack-Bauformen haben sich ge-
wisse Standards durchgesetzt.
Double Door be-
sitzt, wie der Name bereits vermuten lässt, zwei
identische Türen auf der Vorder- und Rückseite.
Single Door hat hingegen nur eine einzelne vor-
ne, dafür häufig eine Serviceklappe auf der Rück-
seite, um die Verkabelung überhaupt erst mög-
lich zu machen. L-oder W-Racks bieten dagegen
auch Platz auf ihrer Vorder- und Oberseite und
werden daher besonders für kompakte Front-
plätze oder von DJs bevorzugt.
Aus etwas neuerer Zeit datiert ein Standard,
mit dem seit seiner Einführung alles deutlich
einfacher zu Laden ist – das Truckmaß.
Ein kluger Kopf verglich vor geraumer Zeit die
gängigsten Transportmittel des Rockbusiness
und fand eine erstaunliche Gemeinsamkeit: 60
Zentimeter brei te Kisten passen in jeweils un-
terschiedlicher Anzahl gleichermaßen perfekt
in den großen Trailer, den 7,5-Tonner – etwa
für die Deutschland- oder Europatour – und
auch in den Kleintransporter für die Clubtour
passen solche Kisten perfekt. Was lag also nä-
her, als alle Cases, die kein 19"-Equipment be-
inhalten, in einheitlicher Breite zu fertigen.
Die 11 Gebote
zum reibungslosen Transport
1-2-3 … dabei!
Der ultimative Wegweiser durch
das Flightcase-Wunderland
Ein Special von Uli Hoppert
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überall in der Industrie findet man heute diese
Art der Transportsysteme. Empfindliche Einzel-
teile aus der Auto- oder Glasindustrie etwa rei-
sen darin ebenfalls sicher von Ort zu Ort. Es
scheint also doch was dran zu sein an dem Aus-
spruch, dass Gaffaband und Nieten unser Busi-
ness zusammenhalten würden.
Racks und Cases, Zoll und HE, Catch und
Wheel, Butterfly und Double Door:
Wie so oft
ist alles Englisch oder bis zur Unkenntlichkeit
abgekürzt. Damit ihr euch im Dschungel der
Fachbegriffe nicht verirrt, bekommt ihr hier
einen kleinen Exkurs über die Grundlagen:
Es kommt eben doch
auf die Größe an
Racks und deren Inhalt sind in Sachen Größe
genormt.
Das englische Zoll, etwa 2,54 Zenti-
meter, ist die Grundlage; die Gehäusebreite 19"
das Maß der Dinge. Seit man sich vor Jahren
auf dieses Einheitsbreite geeinigt hat, hat alles,
was ins Rack soll, diese Breitenmaß (siehe auch
Kasten rechts). Ganz ähnlich verhält es sich mit
der Höhe, dort hat sich die Angabe in Höhen-
einheiten – kurz HE – etabliert. 44 Millimeter
und damit fast das doppelte eines Zolls misst eine
solche Höheneinheit. Niemals so richtig durch-
Wissen
Cases vs. Racks
Unter Cases versteht man ganz allgemein alle
Arten von Kisten oder Truhen die Equipment
aufnehmen können. Als Rack werden dagegen
spezielle Cases definiert, die mit einem Einbau-
rahmen für technisches Equipment bestückt
sind. In der Veranstaltungsbranche haben sich
als Standardmaße 19" für die Breite und HE
für die Höhe durchgesetzt. Racks dienen nicht
nur dem Transport, sondern speziell auch am
Veranstaltungsort dem einfachen Zugriff auf
alle benötigten Geräte und Utensilien.
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Cases und Transport
Ganz nebenbei haben sich dabei auch die an-
deren Maße gleich mit etabliert: Höhe und
Tiefe sind jeweils ein Vielfaches der Breite. Die
so entstandenen Truhen sind also durchweg
handlich und passen beim Laden immer ohne
Platzverlust und Versatz zusammen.
Ähnlich heiß diskutiert ist die Ausstattung eines
Cases mit 2 gelenkten und 2 festen Rollen.
Das schont zwar den Geldbeutel bei der An-
schaffung, belastet allerdings die Nerven bei je-
dem Auf- und Abbau deutlich über Gebühr.
Solche Cases haben den Fahrkomfort eines Ein-
kaufswagens und fahren daher auch nur dahin,
wo sie auch hin sollen, wenn sie genau in die
richtige Richtung geschoben werden.
Serienausstattung
Nach dem Blick auf die Größe fehlt noch der
Blick auf die Ausstattung.
Unabhängig davon,
ob ihr euch für den Klassiker aus Holz und Alu-
minium oder für ein moderneres Kunststoffcase
entscheidet, essenziell wichtig sind in jedem Fall
Für Edles oder Empfindliches
– die gepolsterte Haube oder
das Rack im Case
Diese Casevarianten werden überall dort einge-
setzt, wo empfindliches Röhrenequipment, hoch-
preisige Peripherie oder auch Computer für den
Roadalltag sicher verpackt werden müssen.
Gitarristen unter euch kennen das zum Beispiel
von der klassischen Caseform für das Röhren-
topteil, aber auch Mischpulte ab einer gewissen
Größenordnung, empfindliche TFT-Displays, Be-
amer, Keyboards oder Rechner profitieren vom
gepolsterten Transport. Während bei erstge-
nannter Lösung das Gerät eigentlich ständig im
Unterteil des Haubencase stehen bleibt, hat sich
für empfindliches Rackequipment eine Variante
hiervon etabliert. Als Rack im Case bezeichnet
man eine Kombi aus Studiorack und Case, bei-
des zusammen schützt den Inhalt optimal und
sieht zudem beim Gig auch noch sehr edel aus.
Der Frontplatz bekommt dadurch einen gewis-
sen Hauch von Studioatmosphäre.
Häufig werden solche Racks auch direkt vor-
verkabelt transportiert.
Mit Steckfeldern oder
Profi-Standard:
Die Blue Wheels von LTT
verkraften bis zu 140 kg Last.
Gut gestoppt ist halb gewonnen:
Bremsen an den
Wheels des Racks sorgen für einen festen Stand.
Multicoresystemen ausgerüstet bieten sie damit
echten Komfort auf Tour. Der notwendige Ver-
kabelungsaufwand hält sich damit in minimalen
Grenzen. Auf- und Abbau gehen schnell und zü-
gig von der Hand und am Ende bleibt einfach
mehr Zeit fürs Wesentliche – die Show. Ganz
günstig sind solche komfortablen Doppellösun-
gen natürlich nicht, dafür bieten sie optimalen
Schutz und professionelles Outfit.
die Griffmöglichkeiten. Für alles was mehr als
eine Hand braucht, gibts idealerweise Klapp-
griffe. Einhand-Jobs hingegen lassen sich auch
mit möglichst komfortablen Koffer- oder Rie-
mengriffen bewerkstelligen.
Sobald mehr als zwei Hände notwendig sind,
um das Case samt Inhalt zu bewegen, kommen
Rollen an der Unterseite ins Spiel.
Neudeutsch
nennt man so etwas Wheels – der echte Kenner
bevorzugt dabei üblicherweise Blue Wheels von
LTT. Green Wheels gibts auch – vom selben Her-
steller, allerdings mit dem doppelten Gewicht
pro Satz belastbar. Für schwere Racks oder Tru-
hen also die optimale Wahl. Grey Wheels kom-
men meist nur in Baumarktqualität daher und
überstehen oft nicht einmal das erste Kopf stein-
pflaster. Auch zu Black Wheels sei hier nicht ge-
raten, denn die treiben ob ihrer Abriebspuren
den meisten Mehrzweckhallen-Hausmeistern die
sprichwörtliche Zornesröte ins Gesicht.
Die Antwort auf die Frage, ob Rollen eine Brem-
se besitzen sollten, wird immer noch von den Phi-
losophen diskutiert.
Mein Rat dazu: Maximal zwei
gebremste Rollen an den Cases, die beim Gig auf
den Rollen stehen bleiben. Damit stellt ihr sicher,
dass das Marshallstack beim Gig an eurer Seite
bleibt. Bei allen anderen Racks oder Cases kann
man getrost auf die Bremsen verzichten und die
Kisten lieber auf die Seite kippen.
Alleskönner, mobile Helfer
und unentbehrliches Tool –
die Transporttruhe
Was bis hierhin noch nirgends seinen Platz
gefunden hat, kommt in die Truhe.
Klingt ganz
banal, hat sich aber in der Praxis bewährt. Wich-
tig dabei ist nur, dass ihr euer Material sortiert
verpackt. Metallteile oder Stative zum Beispiel
haben nichts bei den empfindlichen Kabeln ver-
loren. Die Gefahr einer Beschädigung in der Tru-
he selbst wäre dabei größer als die Gefahr der
Beschädigung von Außen. Auch hier bietet der
Markt mittlerweile eine Vielzahl von professionel-
len Lösungen. Angefangen bei der kompakten
Truhe – etwa für die Stative – bis hin zu flexibel
unterteilbaren Materialtruhen, in denen durch fle-
xible Trennfächer oder Einschübe, vorgefertigte
Einsätze oder integrierte Schubladen stets Ord-
nung und Übersichtlichkeit herrschen. Zumindest
solange man diese selbst einhält.
Praxistipp
Truhen = Allesschlucker
Truhen sind echte Raumwunder. Damit verbun-
den ist allerdings eine große Gefahr: Wer immer
weiter einpackt, verliert schnell das Gewicht
aus den Augen und wundert sich am Ende, dass
zwar immer noch Platz wäre, die Truhe aber
mittlerweile nicht mehr zu bewegen ist. Selbst
unscheinbare Dinge wie Kabel ergeben in ent-
sprechender Menge ein nicht zu unterschätzen-
des Gewicht, ebenso wie Netz- oder Starkstrom-
leitungen sowie Multicores. Also auch hier nicht
von den Augen blenden lassen und lieber zwei
kleine Truhen einer großen Truhe vorziehen.
Alles verpackt –
noch nichts im Auto!
Wie so oft trifft man sich nun am oder im
Proberaum, jeder hat ein Auto organisiert und
alle beginnen, ihr Equipment einzuladen.
Ist der
Kofferraum voll, kommt die Rückbank, dann der
Beifahrersitz und zur Not nimmt man die Tasche
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