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Nuno Bettencourt wurde 1966 in Portugal
geboren. Als er vier Jahre alt war zog er
mit seiner Familie in die USA. 1985 dann
stieg Nuno bei Extreme ein, das gleichna-
mige Debütalbum erschien 1989 und
steigt direkt in die Charts ein. Richtig ab
ging es dann mit „Pornograffiti und der
Nummer-1-Song „More Than Words“.
Nach einer Trennung Mitte der 90er tat
die Band sich 2007 wieder zusammen.
omentan ist er mit Rihanna
auf der „Last Girl On Earth“-
Tour unterwegs. Sie ist die
momentan erfolgreichste Künstlerin in
den USA und auch international nicht
gerade erfolglos. Kein Wunder, dass sie
sich für ihre aktuelle Tour eine Band
vom Feinsten zusammengestellt hat.
Nuno wurde als Leadgitarrist vorge-
schlagen und war trotz anfänglicher
leichter Skepsis schnell Feuer und Flam-
me. „Auf ihren Studioaufnahmen hört
man keine Gitarren. Aber sie wollte eine
Band, die die Songs sehr rockig und funky spie-
len kann, und ein alter Freund von mir, der Musi-
cal Director und selbst ein toller Gitarrist ist, hat
mich angesprochen, weil er mich und meinen Stil
genau kennt und wusste, dass ich perfekt zu
dem passe, was Rihanna haben will.“
So kommt es, dass an einem schönen Nach-
mittag an der altehrwürdigen Frankfurter
Festhalle ein gut gelaunter Nuno Bettencourt
darum bittet, ihm doch in die Halle zu folgen,
wo er zu einem Rundblick auf die Bühne ein-
lädt.
Dort ist der Soundcheck gerade vorbei und
es wird noch letzte Hand an die vielen optischen
Gimmicks gelegt. Zuerst fällt Nunos reduziertes
Equipment auf. Man möchte meinen, hinter sei-
nen zwei Signature-Amps würde sich noch ein
großes Rack mit Effektgeräten und anderen
Soundverbiegern verstecken. Aber Nuno ist ein
Purist: „Ich mag es ehrlich. Mein Floorboard hat
ein paar Effekte, die ich aber nur selten einsetze.
Der Amp klingt fantastisch, da brauche ich nur
noch ab und zu ein wenig subtiles Delay oder
einen Chorus.“ Dabei war der Bettencourt-Ver-
stärker eher ein Zufall. „Ich habe mit einem aus-
tralischen Freund herumgebastelt und plötzlich
hatten wir diesen Amp, der alles andere in den
Schatten stellte. Er kann all das, wofür ich früher
einen Haufen verschiedener Verstärker brauchte.“
Und wie kam es zu dem abgefahrenen Design
und dem Kontakt mit Randall? „Ich wollte, dass
der Amp ein wenig nach postapokalytischem
Elektro-Müll aussieht. Randall ist wie Washburn
(wo man seit Jahren Nunos Signature-Gitarren
baut) Teil des USM-Konzerns, da lag die Zusam-
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INTERVIEW: NUNO BETTENCOURT
menarbeit nahe. Ausserdem hätte kein anderer
Hersteller ein so einzigartiges Design bauen
wollen.“ Und einzigartig ist das Design in jedem
Fall. Aber selbst das zunächst als lustiges Gim-
mick anmutende VU-Meter hat seinen Grund:
„Das Ding ist einfach ein gutes Analysetool. Ich
kann damit bei Schwierigkeiten schneller erken-
nen, wo ein Problem liegt und es beheben.“
Auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen
inmitten der Vorbereitungen für die Show
finden wir einen Raum voller Flight-
cases, in dem sich Nuno unseren Fra-
gen zu Rihanna, aber auch zu den
wiedervereinigten Extreme stellt.
SOUNDCHECK: Du bist mit Rihanna
auf einer langen Tour. Ist das Leben
als Sideman eine große Umstellung?
Nuno Bettencourt:
Nein, das ist wie
Urlaub! Ich singe nicht, ich bin ein Teil
einer großen Band und ich spiele meinen
Part. Die Musik ist nur ein Aspekt dieser
Show. Schau dir diese riesige Produktion
mit den Tänzern, Kostümen und der
Lightshow an. Ich genieße das, nicht so
viel Verantwortung zu haben.
SC: Und wie ist Rihanna auf Tour so?
NB:
Sie ist sehr talentiert. Ich gebe ihr
Unterricht, wenn die Zeit es erlaubt, und
Washburn hat ihr eine tolle Custom-Gi-
tarre gebaut, die sie auf der Bühne
Nicht nur Live-Gitarrist
sondern auch Privatlehrer
von Rihanna:
Nuno
Bettencourt ist nicht
nur an der Gitarre
sehr vielseitig.
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Nuno reist mit leichtem Gepäck. Lediglich
zwei seiner Signature-Amps von Randall, das
Modell NB King 100 mit der passenden
NB412, zwei Gitarren aus der N-Serie von
Washburn - darunter natürlich das legen-
däre N4-Original -, eine Washburn Idol mit
publikumswirksamer Glitzerlackierung und
eine Dreadnought, ebenfalls von Washburn,
bilden den Grundstock des Tourequipments.
Die Würze für den Sound liefert ein
Floorboard mit einem sparsam eingesetzten
Boss GT-8, einem Octaver-Pedal (Boss OC-
3), einem Stimmgerät (Boss TU-2) und
einem Rauschunterdrücker (Boss NS-2).
Weitere wichtige Utensilien sind ein Löffel
und Nunos E-Bow, die für einige abge-
fahrene Spezial-Effekte verantwortlich
zeichnen. Und natürlich speziell angefertigte
Plektren mit dem eigenen Konterfei, so viel
Eitelkeit sei einem Ausnahmegitarristen er-
laubt. Mit diesem überschaubarn Equipment
Konzentration aufs Wesentliche:
Mit seinem Randall-
ruft Nuno eine Vielzahl an Sounds ab.
Signature-Amp erzeugt Nuno alle Sounds, die er sich wünscht.
spielt. Ausserdem spielt sie auch in der Show
Schlagzeug. Sie ist keine Diva, sondern hat viel
Spaß mit der Band. Die ganze Band besteht aus
absoluten Profis, da macht es riesigen Spaß, je-
den Abend zu spielen.
SC: Rihannas Bühne ist voller Treppchen und
Rampen. Hast du nicht Angst, mal zu stürzen?
NB:
Ja, es ist ein bisschen gefährlich, aber ich
gewöhne mich jeden Tag mehr daran. Hast du
den riesigen rosa Panzer gesehen? Da werde ich
während des Akustik-Sets raufklettern und mei-
ne Akustikgitarre spielen.
SC: Weiß das Rihanna-Publikum, wer du bist?
NB:
Ich glaube, die meisten wissen es nicht,
aber vielleicht ja ihre Eltern! Seit meine Tochter
weiß, dass ich für Rihanna spiele, bin ich plötz-
lich der coole Papa. (lacht)
SC: Ist es schwierig, so lange von zu
Hause weg zu sein?
NB:
Es wird schwieriger, wenn du
Kinder hast. Allen auf der Tour
geht es ähnlich. Aber alle
paar Monate kann man für
einige Wochen nach Hau-
se, das macht es leichter.
SC: Du bist offensichtlich
ein Hansdampf in allen Gas-
sen. Was sagen die Fans zu
deinen diversen ver-
schiedenen Projekten?
NB:
Es gibt immer welche, die nicht einverstan-
den sind, dass ich so viele unterschiedlichen Sa-
chen mache. Aber sie sollten mich so langsam
kennen. Ich liebe es einfach, mit unterschied-
lichen Künstlern zu spielen.
SC: Was war damals eigentlich der Grund für
den Extreme-Split?
NB:
Wir hatten keine Pausen in all den Jahren.
Wir konnten es nicht genießen, dass wir um die
Welt getourt sind, und irgendwann waren wir
von einander einfach nur genervt. Wir haben nie
eine Stadt oder eine Halle auf uns wirken lassen
können. Anderer Tag, andere Stadt, andere Halle
- und irgendwann verschwimmt das alles. Es war
teils unsere eigene Schuld, teils die des Manage-
ments. Wir waren hungrig, aber wir hatten keine
Zeit, das alles richtig zu verdauen. Jetzt schät-
zen wir alle es wesentlich mehr, zusammen spie-
len und touren zu können.
SC: Wie seid ihr die Reunion angegangen?
NB:
Wir hätten einfach nur auf Tour gehen und
die alten Songs spielen können, aber das hätte
sehr danach ausgesehen, dass wir nur aufs Geld
aus sind. Wir wollten es aus den richtigen Grün-
den machen: Wegen der Musik! Deshalb haben
wir auch „Saudades de Rock“ geschrieben und
aufgenommen, um die Leute mit frischem Mate-
rial neu von uns zu überzeugen.
SC: Der Opener des Albums hört sich stark
nach Queen an. War das Absicht?
NB:
Nein, überhaupt nicht! Wir haben zuerst auf
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den Groove gejammt, hatten dann das Riff, und
der Song hat sich daraus einfach entwickelt. Wir
haben erst später gemerkt, dass wir unser eige-
nes „Tie Your Mother Down“ geschrieben haben.
Ich habe mich dann auch bei Brian May dafür
entschuldigt! (lacht)
SC: Brian May hat ja wohl mal gesagt, dass Ex-
treme die Band wäre, die am besten verstehen
würde, was Queen war. Das ist dir sicher runter-
gegangen wie Öl.
SC: Ihr habt einen neuen Drummer. Wo ist
denn Paul Geary?
NB:
Paul ist jetzt unser Manager! Paul ist natür-
lich „der“ Extreme-Schlagzeuger. Kevin Figuei-
redo ist der Neue und hat wirklich ein unglaub-
lich gutes Gefühl für die Songs und ist einfach
ein toller Kerl. Wir können uns glücklich schät-
zen, ihn zu haben.
SC: Wie habt ihr „Sausades“ aufgenommen?
NB:
Das war gar nicht so einfach. Wir wollten
NB:
Richtig, das war auf dem Tribute-Konzert für
Freddie Mercury (das Konzert fand zum Gedenken
an den legendären Sänger vor 72.000 Besuchern
statt und wurde in 76 Länder zu geschätzen 1
Milliarden Zuschauer übertragen, Anm. d. Red).
Das Wembley-Stadion war voll und wir waren
schon sehr aufgeregt. Aber als Brian unseren Auf-
tritt dann damit angekündigt hat, habe ich mir
beinahe in die Hosen geschissen vor Nervosität.
komplett analog aufnehmen, aber finde mal
ein Studio, das noch 2"-Tapes hat! Wir haben
eine Weile gesucht. Wir haben dann alle zu-
sammen live gespielt, für jeden Song einen
Haufen Takes gemacht und dann, wie zum Be-
spiel Led Zeppelin, die besten Parts zusammen
geschnitten. Da war es auch nicht so schlimm,
wenn mal jemand einen kleinen Fehler gemacht
hat. Uns war wichtig, dass das Feeling stimmt.
Weniger ist mehr:
Nuno Bettencourt nutzt live lediglich
das Boss GT-8 sowie einige wenige Pedale für Effektsounds.
Produktionen wie bei Pornograffiti tendieren
dazu, einen Sound in eine gewisse Richtung zu
drängen und dadurch einzuengen. Mit der Old-
School-Produktion von „Sausades“ haben wir
ein breiteres Spektrum abdecken können und
INTERVIEW: NUNO BETTENCOURT
© PPVMEDIEN 2010
Jemand mit Nuno Bettencourts Status in der
Gitarristenwelt verfügt natürlich auch über
ausgewählte Signature-Instrumente. Schon
legendär ist seine Washburn-N4-Gitarre, die
es seit Ende 1990 gibt. Von dem Modell wur-
den über die Jahre auch diverse günstigere
Versionen in Korea auf den Markt gebracht. In
Sachen Amp setzt Nuno seit einiger zeit auf
seinen Randall NB 100 KIng und die passende
NB 412. Wer es kleiner mag, für den gibt es in
der NB-Serie seit kurzem auch Combos.
Auch zu Hause klingen wie
Nuno? Nichts leichter als das.
Wir verlosen den schicken
Randall NB 15. Schickt uns ein-
fach eine E-Mail, Postkarte oder
den „Ich mache mit“-Coupon mit
dem Stichwort „Nuno“. Es gelten
die Teilnahmebedingungen des
Take Aways von Seite 111.
te Arbeit, aber wir singen und
spielen wirklich alles live.
SC: Also wird man von Extreme noch einiges
hören?
NB:
Na klar. Wir waren einige Zeit weg, da kön-
nen wir natürlich nicht erwarten, dass wir genau
dort weitermachen können, wo wir aufgehört
haben. Wir müssen die Leute wieder davon über-
zeugen, dass wir es immer noch drauf haben. Wir
werden unser Bestes geben!
konnten so vielseitiger sein und mehr Gewicht
auf die Songs legen.
SC: Wie siehts mit einem neuen Extreme-Album
aus? Verzögert sich das durch diese Tour?
NB:
Nein, überhaupt nicht. Wir schreiben Songs
per Skype, übers Netz. Der Vorteil ist, dass man
einfach den Laptop zuklappen kann, wenn man
voneinander genervt ist. (lacht) Wenn die Rihanna-
Tour zu Ende ist, werden wir so schnell wie mög-
lich ins Studio gehen. 2011 sollte es so weit sein.
Ich habe auch schon wirklich tolle Ideen, die ganz
anders sind, als die Leute das von uns erwarten.
SC: Ihr habt ja eure DVD „Take Us Alive“ in
Boston mitgeschnitten. Habt ihr dort auch so
puristisch aufgenommen?
NB:
Ja, das ist alles live und ohne doppelten Bo-
den. Wir haben nur dort nachträglich im Studio
Overdubs gemacht, wo es technisch notwendig
war, wenn zum Beispiel ein Mikrofon defekt war.
Da darf man dann schon einmal ein paar Schläge
auf einem Tom-Tom neu einspielen. Aber wenn
jemand einen falschen Ton gespielt hat, dann ist
das mit drauf. Alles andere wäre mir unehrlich
vorgekommen. Es gibt viele Live-Alben, bei de-
nen ganze Parts im Studio neu eingespielt wur-
den. Das wollten wir nicht.
SC: Apropos Ton: Auf der
DVD hört man auch wie-
der euren unglaublichen
Harmonie-Gesang ...
NB:
Es hat mal ein Kritiker
über ein Extreme-Konzert
geschrieben, dass er zwar
insgesamt beeindruckt war,
es hat ihn aber gestört,
dass wir Gesangs-Play-
backs verwenden! (lacht)
Es ist zwar manchmal har-
Aktuellste Veröffentlichung von Nunos
Hauptband Extreme ist die Live-Scheibe
„Take Us Alive“. Hier zeigen die Bos-
toner, dass sie während des Bandsplits
nichts verlernt haben und live immer
noch mit zum Besten Zählen, was der
Markt zu bieten hat. Absolut sehens-
und hörenswert.
Nach diesem entspannten Plausch wurde es
Zeit, Nuno mit Rihanna in Aktion zu erleben.
Und der Auftakt der Deutschland-Tour geriet
nach Maß. Es gab viel zu sehen und noch mehr zu
hören. Wer Rihanna nur aus dem Radio kennt,
wird überrascht gewesen sein. Denn das zwei-
undzwanzigjährige Energiebündel aus Barbeidos
rockte die Halle. Nuno hatte sichtlich Spaß und
die großen Rockstarposen genau so gut drauf wie
seine Chefin, die es sich nicht nehmen lies, neben
etlichen Kostümwechseln unermüdlich über die
Bühne zu huschen, sich in Pose zu werfen und
dabei noch wirklich klasse zu singen. Die zwei Gi-
tarristen lieferten sich mitreißende Duelle und
Nuno kann auch bei Rihanna zeigen, dass er wirk-
lich ein Chamäleon ist, das sich einfach in jeder
stilistischen Umgebung pudelwohl fühlt.
Jan Lüdeke
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