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s war – krankheitsbedingt – schon ein paar
Monate vorher abzusehen, schockierte
aber doch die Metal- und Rock-Szene
nachhaltig: der Tod des Sängers Ronnie James
Dio. Dieser fiel neben seinem kraftvollen Gesang
auch durch seine allzeit sympathische und pro-
fessionelle Art auf. Der US-Amerikaner verzich-
tete aus Skandale und setzte stattdessen auf
Qualität. Für alle, denen der Name zwar ein Be-
griff ist, die aber gerne mehr Details zum Leben
des kleinen Energiebündels erfahren möchten
hier ein kurzer Überblick über den Lebensweg
des Sängers.
Ronnie James Dio wurde am 10. Juli 1942 als
Ronald James Padavona in New Hampshire im
Nordosten der USA geboren.
Der junge Dio lern-
te bereits im zarten Alter von fünf Jahren Bassgi-
tarre und – Achtung! – Trompete spielen. Knappe
zehn Jahre später performte er dann in seiner ers-
ten Band, einer Schülercombo namens „The Vegas
Kings“. Anfang der 60er Jahre legte sich Ronnie
den Künstlernamen Dio zu, offenbar inspiriert
durch den Mafioso Jonny Dio, ein Mitglied der
berüchtigten Lucchese-Familie, der sich zu jener
Zeit in Florida einen Namen gemacht hatte.
Der Bandname der „Vegas Kings“ wechselte
mehrere Male, bis schließlich unter dem Na-
men „Ronny Dio and the Prophets“ die ers-
ten Singles sowie ein Album erschienen,
genommen in einem Szene-Lokal, in dem die
Band regelmäßig auftrat. Der Stil war damals
Hier feierte er einige seiner größten Erfolge:
Ronnie James Dio im Kreise der nach ihm benannten Band.
noch stark von poppigen Einflüssen geprägt,
und bis auf wenige Ausnahmen befanden sich
kaum eigene Werke auf den Recordings. Es
folgten einige Besetzungswechsel und eine
weitere Änderung des Bandnamens in „The
Electric Elves“ (angeblich wegen der Ähnlich-
keit des damaligen Gitarristen Nick Pantas mit
einem Elfen – oder dem, was sich Bandkollege
Dick Botoff unter einem Elfen vorstellte). Auch
der Musikstil verschob zu dieser Zeit deutlich in
eine rockigere Richtung.
Nach einem schweren Autounfall, in den Ron-
nies Band 1968 verwickelt war und bei dem
Gitarrist Pantas ums Leben kam,
änderte sich
Metal und Mystic:
Neben Bands wie
Black Sabbath war auch Ronnie
James Dio maßgeblich daran beteiligt,
Fantasy im Metal zu thematisieren.
der Bandname ein weiteres Mal – von nun an
nannte man sich „The Elves“, tourte fleißig durch
Collegekneipen und sammelte Material für ein
erstes Studioalbum. Doch um dieses aufzuneh-
men fehlte leider der nötige Plattenvertrag bezie-
hungsweise die Finanzierung. Erst als Ian Paice
und Roger Glover (beide Deep Purple) einen Auf-
tritt der „Elves“ sahen, wendete sich das Blatt. Die
beiden boten der Band an, ihr Album zu produzie-
ren – gesagt, getan, und so erschien 1972 das
Album „Elf“. Es folgten Auftritte mit Deep Purple
und zwei weitere Alben. Außerdem steuerte Dio
zu dieser Zeit einige Songs zu Glovers Soloprojekt
„Butterfly Ball and the Grasshopper's Feast“ bei.
Kurz darauf wurde Richie Blackmore auf die Band
aufmerksam, besonders auf den inzwischen vom
Bass zum Gesang gewechselten Ronnie James
Dio. Noch während der Aufnahmen zum dritten
„Elf“-Album entstanden aus der Zusammenarbeit
zwischen Richie Blackmore und Ronnie
James Dio zwei Songs, die zunächst für
einen Singlerelease vorgesehen waren.
Stattdessen stieg Blackmore 1975
bei Deep Purple aus und gründete
mit Mitgliedern von „Elf“ die Band
„Rainbow“. Diese Band kann man
wohl endgültig als Wendepunkt in
Dios Leben und als Sprungbrett
für seine Karriere bezeichnen, denn mit ihr veröf-
fentlichte Dio einige wahre Klassiker-Alben der
Rockgeschichte (darunter „Rising“, mit dem für
damalige Verhältnisse neue Maßstäbe gesetzt
wurden, und das legendäre „Live on Stage“)
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Story: ronnie JameS dio
und machte sich auf zahlreichen Touren interna-
tional einen Namen.
Neben Blackmore war Dio zu jener Zeit übri-
gens das einzige ständige Mitglied bei Rain-
bow, die restlichen Musiker wurden in beina-
he regelmäßigen Abständen ausgetauscht.
Leider war die äußerst fruchtbare Partnerschaft
zwischen Blackmore und Dio nicht von allzu lan-
ger Dauer, denn schon drei Jahre später entließ
Blackmore (fast) alle Mitglieder von Rainbow
noch während der Arbeit an einem Album, und
er und Ronnie gingen wieder getrennte Wege.
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Die Gründe dafür waren, wie so oft, musikalische
Differenzen. Zur selben Zeit hatten auch Black
Sabbath Probleme mit ihrem Sänger Ozzy Os-
bourne. Dieser verließ Sabbath 1978, kurz nach
den Aufnahmen für das Album „Never Say Die“.
Seine Nachfolge trat Ronnie James Dio an. Wäh-
rend seiner Zeit bei Black Sabbath veröffentlich-
te die Band die Alben „Heaven and Hell“, „Mob
Rules“ und „Live Evil“. Auf der Tour zu „Heaven
and Hell“ im Jahr 1980 führte Dio (eigenen Aus-
sagen zufolge) die „Pommesgabel“ in die Welt
des Metal ein. Ob er wirklich der Urheber dieser
Geste ist, ist zwar umstritten (unter anderem
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erhebt auch Gene Simmons Anspruch darauf),
allerdings war es Dio, der die wohl berühmtesten
Hörnchen der Welt als Symbol einer Szene popu-
lär gemacht hat.
Allerdings währte auch die Zusammenarbeit
mit Black Sabbath nicht lange, da es immer
größere Spannungen innerhalb der Band gab.
Dies führte schließlich dazu, dass sich Dio nach
drei Jahren wieder von der Band trennte und im
Oktober 1982 endlich seine eigene Band „Dio“
gründete, die sich stilistisch an einer Mischung
aus Sabbath und Rainbow orientierte – also gi-
tarrenbetonter Rock/Metal mit oft mystischen
und sehr bildhaften Themen und Texten. Das De-
büt „Holy Diver“ (1983) markiert einen Meilen-
stein in der Geschichte des Rock, und besonders
den Titeltrack kennt heutzutage – nicht zuletzt
dank diverser Coverversionen (u. a. recht aktuell
von Killswitch Engage) oder Auftritten z. B. in
der Zeichentrickserie South Park – fast jedes
Kind. Auf diesem Album spielte Dio übrigens
noch selbst Keyboard, wurde dann aber von
Claude Schnell abgelöst und war von da an „nur
noch“ Frontmann und Sänger.
1985 begann Ronny James Dio, nach dem
Vorbild von „Band Aid“ zahlreiche Größen der
Rock- und Metalszene um sich zu scharen,
unter dem Namen „Hear 'n Aid“ eine Benefizmu-
sikprojekt auf die Beine zu stellen, dessen Ein-
nahmen – rund eine Million US-Dollar innerhalb
eines Jahres – für Hunger- und Entwicklungshil-
fe gespendet wurden. Die Platte erschien 1986
im Handel. 1991 legte Dio seine eigene Band
vorübergehend auf Eis, um erneut mit Black
Sabbath ins Studio zu gehen. Das Ergebnis wa-
ren das Album „Dehumanizer“ und sein erneuter
Ausstieg. Er widmete sich wieder seiner eigenen
Band und veröffentlichte, mit wechselnden Be-
setzungen, fünf weitere Studioalben sowie di-
verse Live- und Best-Of-Alben.
2007 beschloss Ronnie James Dio, zur Überra-
schung, aber auch zur Freude vieler Fans, mit
seinen Ex-Bandkollegen von Black Sabbath,
Tony Iommi, Geezer Butler und Vinnie Appice,
unter dem Namen „Heaven and Hell“ auf Tour-
nee zu gehen.
Zwei Jahre später erschien außer-
dem das erste – und leider einzige – Studioalbum
„The Devil You Know“. Im selben Jahr, genauer am
25. November 2009, gab seine Frau be-
kannt, dass man bei Ronnie Magenkrebs
im Frühstadium diagnostiziert hätte. Beide gaben
sich optimistisch und ließen die Fans wissen, dass
Dio bald wieder auf der Bühne stehe, sobald er
„seinen Drachen getötet“ hätte. Es folgten un-
zählige Therapien und Versuche, den Krebs in den
Griff zu bekommen. Nachdem die Ergebnisse der
Chemotherapie zunächst Hoffnung gemacht hat-
ten, verstarb Ronny James Dio am 16. Mai 2010
an den Folgen seiner Erkrankung.
Die Metalwelt wird den Performer, guten
Freund und tollen Sänger im Herzen bewahren,
und seine Alben sind sein Vermächtnis an die
Nachwelt.
Songs wie Holy Diver, Kill The King
oder Neon Nights werden auch in Jahrzehnten
noch gespielt werden. Im Folgenden findet ihr ein
Interview, dass wir mit Ronnie James Dio auf Tour
mit Heaven & Hell führen konnten.
Wilhelm Würmseer
So werden ihn seine Fans immer in Erinnerung
behalten:
Ronnie James Dio als energetischer und
überzeugender Performer auf der Bühne.
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SC: Seit mehr als 40 Jahren stehst du auf der
Bühne. Triffst du Vorbereitungen vor der Show?
Dio:
Das tue ich nie. Ich gehöre zu den glückli-
chen Personen, die es einfach so können. Ich singe
mich nie warm, ich habe einfach eine gute Tech-
nik und ich weiß wie es geht. Ich begann nämlich
als fünfjähriger Trompete zu spielen und die
Atemtechnik die dafür benötigt wird, ist dieselbe,
wie sie auch beim Singen benötigt wird.
SC: Dann hast du wahrscheinlich auch nie ei-
nen Vocalcoach oder Gesangslehrer benötigt.
Dio:
Nein, ich arbeitete nie mit einem Vocal-
coach. Singen war für mich das Natürlichste auf
der Welt. Wie schon erwähnt, ich gehöre zu den
glücklichen Personen, die es einfach können.
SC: Wie lange vor der Tour habt ihr die Songs
geprobt?
Dio:
Wir probten die Songs ca. eine Woche da-
vor ein. Da muss man schon vorbereitet sein,
bevor es losgeht. Wir spielten also die neuen
Songs immer und immer wieder.
SC: Habt ihr euch dafür in einem Proberaum
getroffen?
Dio:
Wir trafen uns in Los Angeles, wo ich lebe.
Wir haben da einen großen Raum der super
klingt. Wir schalteten einfach das Licht an und
los ging es.
SC: Wie schützt du eigentlich dein Gehör auf
der Bühne?
Dio:
Das ist schon etwas schwieriger, da wir kein
In-Ear-Monitoring (IEM) verwenden. Wir arbeiten
mit der Lautstärke, die einfach auf der Bühne ent-
steht. Wenn du vor Tonys Amp stehst, kannst du
dein linkes Ohr echt vergessen. Es ist einfach un-
glaublich laut. Mein Gehör hat über die ganzen
Jahre gelitten. Wenn es einen Schutz gäbe, der
tatsächlich nichts am Sound ändert, ihn einfach
nur leiser macht, würde ich ihn verwenden.
SC: Beim IEM setzen manche Tontechniker
Ambiencemikros ein, damit es natürlicher
klingt. Wäre das eine Option für dich?
Dio:
Nein, für mich wäre das wie eine Lüge. Na-
türlich wird gerne getrickst, wie zum Beispiel hier
etwas mehr Stimme, da ein bisschen mehr Kick
oder Keyboard. Aber live möchte ich das nicht.
SC: Hast du zum Schluss noch ein paar Worte
für junge Sänger?
Dio:
Zunächst mal solltet ihr Talent haben. Und
das wichtigste ist die richtige Atemtechnik.
Wenn ihr die nicht könnt, lernt sie.
Markus Beug-Rapp
Wir hatten Mitte letzten Jahres noch einmal die Chance, mit Ronnie
James Dio im Rahmen der Tour mit Heaven & Hell zu sprechen.
Dieses Gespräch wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten, denn
wann hat man schon die Chance mit einer Legende zu sprechen.
SC: Zunächst mal gratuliere ich zum neuen
Album mit Heaven & Hell. Wie habt ihr an
neuen Songideen gearbeitet?
Dio:
Wir gingen die Sache gemeinsam an. Bevor
wir in ein Studio gingen haben wir erstmal unser
komplettes Equipment zusammengebracht, die
Amps aufgedreht und los gerockt. Wir ver-
suchten gemeinsam Songs zu schreiben, wie wir
sie auch live spielen würden. Danach haben wir
uns in meinem Haus getroffen um erste Demos
in meinem kleinen Studio aufzunehmen. Als
Plattform benutzten wir Pro Tools. Wir brachten
nicht nur unsere Amps ins Studio und spielten
drauf los, sondern hatten die Möglichkeit wäh-
rend der Recordingsessions miteinander zu spre-
chen und an den Songs zu arbeiten. Wir alle
hatten Ideen und jeder brachte sich ein.
SC: Was hat sich heutzutage daran geändert,
Songs aufzunehmen?
Dio:
Natürlich arbeiten wir digital. Einer der
großen Vorteile ist, dass wir alle auf der selben
Plattform arbeiten. Das macht es sehr einfach
und schnell Songs, Ideen und Riffs aufzunehmen.
Vor allem muss man heutzutage keine Bänder
mehr schneiden. Wir konnten unserem Produ-
zenten die Aufnahmen zeigen und falls es Pro-
bleme gab, konnte er uns einfach Support bieten.
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