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Workshop:
produCers seCrets
Infos im Netz:
Unter
www.soundcheck.de
findet ihr Soundbeispiele
zu diesem Workshop.
Producers Secrets – Teil 1
Das Geheimnis der Parallelität
In der neuen Workshop-Reihe „Producers Secrets“ erfahrt ihr von Produzenten und
Toningenieuren der HOFA-Studios viele nützliche Tipps für eure Produktionen und
Arrangements. Los gehts im ersten Teil mit dem Thema parallele Signalbearbeitung.
H
inter der geheimnisvollen Bezeichnung
parallele Kompression verbirgt sich eine
Bearbeitungstechnik, die von Lawrence
Horn (Motown) in den 50ern für Gesangsaufnah-
men entwickelt wurde. In den 60er- und 70er-Jah-
ren wurde das Konzept auf Drums übertragen.
New York Drums Trick
In den 80ern und 90ern hat es dann haupt-
sächlich der New Yorker Tony Maserati für
heftige Drumkompression angewendet.
lässt sich dabei tatsächlich von einer Art trick
sprechen, da die Vorgehensweise auf recht simp-
le und unkomplizierte Art und Weise ein Problem
der normalen Kompression von transienten-
reichem, perkussivem Audio-Material löst. Ge-
hen wir zur Verdeutlichung von einer normalen
Mix-Situation eines Rock-/Pop-titels aus, in
welcher die verschiedenen Drum-Spuren eines
live-mikrofonierten Schlagzeugs auf eine Drum-
Subgruppe zusammengeführt werden. Auch
wenn die Einzelinstrumente (Bassdrum, Snare,
Hi-Hat, etc.) schon in den jeweiligen Inserts dy-
namisch mit Kompressoren bearbeitet wurden,
möchte man doch meist auch noch einen Sub-
gruppen-Kompressor auf der Drum-Gruppe ein-
setzen, um das gesamte Drumset im Klang zu
verdichten und druckvoller zu zeichnen. Benutzt
man hierfür etwas mutigere Einstellungen der
Kompressorparameter Ratio, threshold, Attack
und Release, bemerkt man schnell eine stark
klangformende und -verändernde Wirkung, wel-
che dem Schlagzeug-Sound letztlich seine Na-
türlichkeit raubt.
Die Problematik liegt klar auf der Hand:
primiert man die Gruppe stark, entstehen uner-
wünschte Veränderungen im Sound, komprimiert
man dezent, bleibt zwar die Natürlichkeit erhal-
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Foto: HoFA
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So funktionierts:
Die Drumspuren werden zweimal grup-
piert (einmal ohne und einmal mit Kompressor) und die
beiden Signale dann zusammengemischt.
An den Wellenformen werden die Auswirkungen der Parallelen Bearbeitung deutlich:
oben ein unbearbeitetes Signal. In
der Mitte die Darstellung des bis zur Unkenntlichkeit komprimierten Parallelsignals. Unten schließlich die Mischung der beiden
Signale – die transienten bleiben erhalten, aber man erkennt die Veränderung besonders in den Peakzwischenräumen.
ten, allerdings erreicht man damit nicht den ge-
wünschten Druck. Die Lösung des Problems wur-
de von New-Yorker-Mix-Legenden gefunden. Sie
routeten die Einzelsignale einfach gleichzeitig auf
zwei parallele Drum-Subgruppen, wobei die eine
komplett unbearbeitet belassen, das Signal der
anderen dafür heftigst komprimiert und nach Be-
lieben hinzugemischt wurde.
Diese Art der Bearbeitung hat viele Vorteile
gegenüber der normalen Kompression einer
Drum-Subgruppe:
Die transienten der Schläge bleiben im unbe-
arbeiteten Signal vollkommen erhalten, was
vom Zuhörer als transparente Natürlichkeit
des Sounds wahrgenommen wird.
Das stark komprimierte Gruppensignal sorgt
für eine konstante, breite und dichte Soundba-
sis des Gesamt-Sounds, die dezent hinzuge-
mischt dem Ausgangssignal eine eher spürbare
als direkt hörbare Fülle und Stabilität verleiht.
Je nachdem, wie man die Einstellung der At-
tack- und Release-Zeiten wählt, lässt sich dem
unbearbeiteten Signal ein stark pumpendes
Sustain hinzumischen, welches bei exakter
Einstellung die Zwischenräume der Schläge im
timing des titels auffüllt und so eine Sound-
Dichte möglich macht, die man mit normaler
Kompression nie realisieren könnte.
Und so funktioniert das Ganze in der Praxis:
Benutzt dafür, wie oben bereits beschrieben, wenn
möglich mehrere Schlagzeugsignale, die ihr in eu-
rer DAW auf eine Drum-Subgruppe routet. Nun
führt ihr die Signalanteile auf eine weitere neue
Gruppe, in die ihr einen Kompressor einschleift.
Schaltet nun zuerst das komprimierte Signal
stumm und hört euch die unbearbeitete Drum-
Gruppe an.
Wenn ihr daraufhin beginnt, das
komprimierte Signal langsam dem original hinzu-
zumischen, könnt ihr deutlich die erwähnten
Klangveränderungen hören. Das komprimierte
Signal darf alleine abgehört sehr wohl komplett
verbogen und entstellt klingen. Eine angezeigte
Gain-Reduction von 10 dB und mehr ist also ab-
solut in ordnung und sogar erwünscht. Ihr könnt
beispielsweise eine hohe Ratio ab mindestens 8:1
wählen – bei einem sehr niedrigen threshold von
etwa -40 bis -60 dB, kürzester Attack- und sehr
kurzer Release-Zeit. Regelt über den Ausgangs-
Gain die „verlorenen“ Gain-Reduction-dBs wieder
hinzu. Die kurze Attack-Zeit beschneidet die pun-
chigen transienten des komprimierten Signals
und verhindert somit, dass sie sich mit denen des
unbearbeiteten addieren. Die Wahl der Release-
Zeit definiert den „Groove“, in welchem das Signal
pumpend wieder lauter geregelt wird.
arbeitungsweise dicker und durchsetzungsfä-
higer gestaltet. Versucht es doch einfach einmal
selbst nach demselben Prinzip mit einer Vocal-
Spur. Und warum nicht noch einen Schritt wei-
tergehen und aus der Parallelkompression eine
allgemeinere Parallelbearbeitung machen? Es
muss nicht zwingend ein Kompressorsignal sein,
welches man dem unbearbeiteten hinzumischt.
Versucht es doch einmal mit stark klangbearbei-
teten Signalen, die vielleicht durch nicht gerade
subtil eingestellte EQs oder Verzerrer, Amp-Si-
mulationen, Bitcrusher, Sample-Reduction-tools
oder ähnliche Kaputtmacher gelaufen sind.
Natürlich verraten Produzenten selten ihre
Tricks aber die Vermutung liegt nahe, dass der
Vocalsound des Nickelback Sängers Chad Kro-
eger so bearbeitet wurde.
Besonders auf den
frühen Aufnahmen wie bei „How You Remind Me“
kann man bei genauem hinhören Eigenschaften
von Parallelbearbeitung auf Chads Leadvocals er-
kennen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Spielt
und experimentiert mit dem Konzept und findet
so eure eigenen geheimnisvollen tricks.
Norman Garschke
Parallele Bearbeitung –
unendliche Möglichkeiten ...
Denkt man dieses wirkungsvolle Konzept wei-
ter, stellt sich schnell die Frage, warum man
diese Technik nicht auch auf Einzelspuren an-
wenden sollte.
Und tatsächlich: Sehr oft wer-
den alle möglichen Einzelsignale mit dieser Be-
Autor: Norman Garschke
Die HOFA-Studios zählen seit über 20 Jahren
zu den größten und beliebtesten professionel-
len Tonstudios in Deutschland und bieten mit
HOFA-Training ein staatlich zertifiziertes, mo-
dulares Ausbildungskonzept im Audio-Bereich
an. HOFA-Audio-Engineer Norman Garschke
ist erfahrener Produzent, Musiker und Autor
des Fernkurses HOFA-Training BASIX.
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