Workshop: Besser proBen
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Besser proben – Teil 11
Proben mit In-Ear-Monitoring
Wir stellen uns der Frage: In-Ear-Monitoring – Sinnvoll oder nur Luxus? Nachdem wir uns in
den bisherigen Folgen dieses Workshops in erster Linie damit beschäftigt haben, wie ihr eure
Bandproben ohne große Neuanschaffungen optimieren könnt, beleuchten wir nun Hardware,
die euch das Proben erleichtern kann. Es geht in dieser ersten von mehreren Folgen um ein ge-
rade im Proberaum oft unterschätztes und unbeachtetes Thema: Das Monitoring.
ir beginnen in dieser Ausgabe eine
reihe von Workshopfolgen, die sich
intensiv mit dem thema Monitoring
im Allgemeinen und In-ear-Monitoring – meist
nur kurz als IeM bezeichnet – im Besonderen aus-
einandersetzen werden. Denn Monitoring taucht
allerspätestens bei den ersten ansatzweise pro-
fessionell organisierten Gigs auf dem radar auf
(siehe auch kasten auf seite 47). Da gilt es dann
auf einmal, dem Mann am Mischpult präzise
Ansagen zu geben, was man denn bitteschön lau-
ter oder leiser auf seinem Monitor hören möchte
oder auch nicht. Wie immer ist es hilfreich, wenn
man weiß, wovon man redet. Da es sich beim
W
Monitoring um eine der klassischen learning-By-
Doing-Disziplinen handelt, die uns Musikern un-
terkommen kann, ist hier handlungsbedarf gege-
ben. es gilt, sich mit der Materie auseinanderzu-
setzen und sodann im Proberaum auszuchecken,
wie alles zusammenspielt. so kann man dann
nicht nur den abendlichen soundcheck effektiv
und kurz gestalten – der klaren Ansage sei Dank
– sondern hört sich auf der Bühne generell besser.
Auch beim Proben ist es natürlich wichtig, sich
gegenseitig und natürlich auch sich selbst gut zu
hören, damit man das Zusammenspiel effektiv
optimieren kann. Denn schlussendlich geht es ja
bei einer Bandprobe um nichts anderes.
Mann im und am Ohr
Kommen wir nun zum Kernthema der heuti-
gen Folge, dem In-Ear-Monitoring.
Monitoring an sich schon ein eher schwieger-
mütterlich behandelter Bereich ist, so kann man
IeM fast schon als sträflich vernachlässigt be-
schreiben. klar, sofern man drauf achtet sieht
man die Großen und Angesagten bei ihren Auf-
tritten im Fernsehen mit fleischfarbenen Gebilden
im ohr herumlaufen. Aber anders als bei werbe-
wirksam in szene gesetzten Instrumenten kom-
men die wenigsten otto-Normal-Musiker einmal
auf die Idee, sich mit dem thema IeM zu be-
schäftigen. und wenn doch, dann gilt es zuerst
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Wissen
Monitoring
Mit Monitorsound oder Monitoring wird ein
separat ausgegebenes Signal oder eine Kom-
bination aus Signalen entsprechend den Wün-
schen eines Musikers auf eine Box geleitet. In
diesem Fall spricht man von klassischem Mo-
nitoring. Üblicherweise stehen diese of in Form
so genannter Wedges (englisch für Keil) ausge-
führten Boxen am vorderen Bühnenrand wo sich
auch Sänger, Gitarristen und Bassisten tummeln,
während Trommler meist einen besonderen Laut-
sprecher mit eingebautem Tieftöner zu Seite ge-
stellt bekommen (Sidefill), damit der Bass beim
Drummer auch mit genügend Wumms ankommt.
IEM-Wireless-Anlage von Sennheiser:
An allen professionellen IEM-Sendeanlagen findet sich ein separater
Ausgang für den Anschluss von Kopfhörern.
fern und unbekannt ist die Thematik also schon
einmal nicht.
Ab ins Ohr damit
Vor allem das durch IEM erreichbare detail-
lierte Hören ist ein ungeheurer Vorteil.
wenn man hier mit sinnvoller Boxenpositionierung
schon einiges erreichen kann, setzen Probe-
raumgröße und -aufteilung hier einige natür-
liche Grenzen. Und noch mehr Punkte sprechen
dafür, sich dem Feldversuch in der eigenen Band
einmal, harten Fakten von Mythen und Legenden
zu trennen. Beginnen wir mit den erstgenannten:
Harte Fakten über IEM
IEM ist ein Tool. Ein Werkzeug, das euch
auch bereits bei der Probe helfen kann, euer
Zusammenspiel zu verbessern, damit letzt-
endlich auch bessere Gigs zu spielen.
darüber hinaus auch eure Ohren zu schonen. Es
ist keine Wunderwaffe, die schlagartig alles
verbessert aber auch definitiv kein Hindernis,
welches auf einmal alles erschwert oder euch
einschränkt. Mit IEM müsst ihr euch aber in je-
dem Fall auch ein weiteres Stück Equipment ans
Bein binden, das geschleppt und aufgestellt vor
allem aber auch korrekt eingestellt und bedient
werden muss. Allerdings ist der Gedanke an oh-
renschonendes Proben mit glasklarem, individu-
ell einstellbaren Sound sicherlich für jeden
Musiker verlockend.
IEM existiert immer im System.
Die Kernkom-
ponenten sind ein Kopfhörerverstärker sowie
nach außen abschirmende Kopf- bzw.
Ohrhörer, die den Außenklang weitest-
möglich ausschließen und es so ermögli-
chen den gewünschten Sound in der je-
weils gewünschten Lautstärke aufs
Ohr zu geben – so zumindest die
Theorie. Im Endeffekt hatte also prak-
tisch jeder schon mal mit IEM zu tun –
und wenn es nur in Form eines iPods
oder MP3-Sticks bzw. der hei-
mischen HiFi-Anlage mit
Kopfhörern war. Nichts an-
deres machen prinzipiell
IEM-Systeme für Musiker,
mit dem Zusatz, dass man
sich per so genanntem Moni-
tormix die „Musik“ selber zu-
sammenmischen kann. Ganz so
zu stellen. Da wäre zum Beispiel die glorreiche
Erfindung des Metronoms. Das kann man selbst-
verständlich über die Proberaumanlage schicken,
erfahrungsgemäß geht der Klick aber im allgemei-
nen Getöse unter, da kann man noch so sehr ver-
suchen, lautstärketechnisch auf die Bremse zu
treten. Und monotones, hochfrequentes Piepen –
nichts anderes ist meist der Klick – in der benöti-
gten Lautstärke ist fast schon schmerzhaft laut.
Auch geschlossene Kopf-
hörer wie etwa der DT
770 von Beyerdy-
namic eignen als
Monitor für die In-
Ear-Probe – vor
allem für den
Schlagzeuger
»
Also: Kopfhörer her! Eine Klickprobe ist zu-
nächst recht schwierig, bringt aber als Er-
gebnis ungeahnte Tightness in die Rhythm-
section.
Alleine deswegen lohnt sich schon die
Anschaffung eines halbwegs amtlichen IEM-
Systems und eines Metronoms mit Kopfhörer-
ausgang. Darüber hinaus dient IEM natürlich
nicht zuletzt dem Gehörschutz. Ein Thema dem
sich auf Dauer eigentlich kein Musiker verwei-
gern kann. Anderenfalls wird man die Folgen
früher oder später am eigenen Leib zu spüren
Professioneller Gehörschutz ist auf die Dauer
ohnehin unvermeidlich.«
bekommen. Zu beachten ist hierbei, dass die
Ohr-umschließenden Kopfhörer ebenfalls gegen
(Stör) Schall abschotten, aber erst ab der geho-
benen Preiskategorie tun Sie das so wie es be-
reits die Ohrhörer der unteren Preiskategorie zu
tun vermögen.
Kopf- oder Ohrhörer,
Kabel oder Wireless?
Mit IEM verbinden die meisten angepasste
Ohrhörer – so genannte Otoplastiken
– welche
per Beltpack kabellos das Monitorsignal übertra-
gen. Für Livesituationen stimmt das soweit schon
mal, auch wenn die Drummer hier gerne eine
Ausnahme bilden und sich einen fest verkabelten
Kopfhörer überstülpen. Sowohl im Proberaum als
auch im Studio greift man eigentlich auf ebendie-
se Lösung zurück: Kabel und Kopfhörer. Sofern es
die eigene Finanzlage erlaubt, kann man natürlich
von vorneherein den möglichen Liveeinsatz mit
einplanen und sich eine IEM-Funkanlage zulegen.
Diese Anlagen sind eigentlich alle mit einem
Kopfhörerausgang ausgestattet, um das Monitor-
signal direkt per Kabel abzugreifen.
Mythen & Legenden
Mythos Nummer 1:
Speziell auf der Bühne stellt
sich beim Spielen mit In-Ears schnell ein Gefühl
des abgeschottet-seins ein. Dies wird immer wie-
der bemängelt – meist jedoch von Leuten, die die
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gerade in kleinen clubs oder eben im Proberaum ist
es ohnehin noch wichtiger die lautstärke zu redu-
zieren, als auf einer großen Bühne, auf der der aku-
stische Direktschall im großen raum weitgehend
verhallt.
Mythos Nummer 4:„IEM ist schweine-teuer“.
stimmt ebenfalls nicht. ein IeM-system für den
Proberaum, in den ihr einen klick und vielleicht
noch ein bisschen Gesang einspeisen wollt, fällt
kostenmäßig nicht sonderlich ins Gewicht.
kompakte kopfhörerverstärker beginnen bei
knapp 40 euro und bieten dann schon vier ein-
zeln in der lautstärke regelbare stereokanäle.
Für knapp 100 euro bietet beispielsweise
Behringer das Ganze unter der Bezeichnung
hA4700 Powerplay schon als 19“-Gerät mit ei-
nigen nützlichen Features an. Mit rund 50 euro
schlägt dann noch ein brauchbarer kopfhörer zu
Buche, der schon einmal entsprechend gegen
störschall isoliert, dafür nicht allzu schnell
komprimiert und ausreichend headroom bietet.
Natürlich habt ihr damit noch kein ausgefuchs-
tes und hochprofessionelles Mehrkanalsystem,
aber den Grundstein für Proberaum-taugliches
In-ear-Monitoring kann man so innerhalb eines
kostenrahmens von etwa 120 euro pro Nutzer
legen, Metronom inklusive.
Königsklasse:
spezielle In-ear-hörer
mit individuell ange-
passter otoplastik wie der
ultimate ears ue-10 Pro bieten besten
sound bei optimaler Außendämpfung
eurem ohr. Auch das eigene signal kommt auf
einmal deutlich und ohne schnörkel an und jeder
Griff am eQ zeigt sofort akustische Wirkung.
Auf dem Livesektor eingesetzt, erhöht IEM
zwar unbenommen den Aufwand beim Setup,
hat jedoch bei richtiger und durchdachter An-
wendung eine gleichbleibend hohe Qualität eures
Monitor- und damit letztlich auch eures
Bandsounds und eurer Performance zur Folge. so
viel klarheit und Direktheit ist allerdings zunächst
ungewohnt. Daher solltet ihr euch drei oder vier
Proben lang daran gewöhnen und euch langsam
an eure Idealvorstellung annähern. Vor allem aber
könnt ihr euch bei der Probe auch mit den eigen-
und Feinheiten eines planvollen Monitormixes
auseinandersetzen. und darum gehts auch in den
kommenden Folgen. In der nächsten Ausgabe be-
schäftigen wir uns mit der saitenfraktion und seh-
en uns schon mal an, wie Gitarre und Bass korrekt
mikrofoniert und effektiv in den Monitormix ein-
gespeist werden können.
stefan Müller
Wegen fehlender Dämpfungswirkung nicht als In-Ear-
Hörer geeignet:
konventioneller Walkman-kopfhörer.
IeM-technik nicht wirklich beherrschen. klar
hört man prinzipiell die frenetisch jubelnde
Menge nicht, wenn die ohren dicht sind, mit so
genannten „Ambience Mics“, also umgebungs-
mikrofonen kann man die umgebungsgeräusche
aber auch auf der Bühne einfangen und damit
auch weiterhin aktiv am Geschehen teilnehmen.
Mythos Nummer 2:
„es ist nicht rock ‚n’ roll
weil auf einmal die Bühne so leise ist und man
den Bass nicht mehr spüren kann“. Das ist natür-
lich ausgemachter unsinn. Man wird sicherlich
noch einiges spüren, es wird ein Gewöh-
nungseffekt einsetzen und außerdem gibt es
auch hierfür technische lösungen, zum Beispiel
Vibrationsbodenplatten für Bassisten und Gita-
rristen, oder Buttkicker bzw.
shaker für den Drummer. In
sachen Abschottung bewegen
sich echte In-ear-hörer außer-
dem auf demselben level wie
etwa linearer Gehörschutz – der
auf Dauer wie erwähnt, ohnehin
unvermeidlich ist.
Mythos Nummer 3:
„In ear
Monitoring braucht man nur auf
großen Bühnen“. Auch falsch.
Auch auf kleinen Bühnen wird
man sich gut hören wollen und
Besser für IEM geeignet:
ohrhörer
die direkt ins ohr eingebracht werden.
Ungewohnt,
aber gar nicht so schlimm
Die Überschrift summiert im Endeffekt den
Eindruck, wenn man das erste Mal seine neu-
en In-Ears einsetzt.
Der Bandsound oder das,
was man gerne davon hören möchte, erscheint
einem unheimlich direkt. klar – denn genau das
ist er ja auch, direkt und unmittelbar in oder an
Minimalmonitoring für schmalen Geldbeutel:
Bis zu vier Musiker versorgt etwa Behringers hA400 mit einem signal.
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