Ableton Live Zone Granularsynthese Tempoerkennung Algorithmen
PRAXIS
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Ableton Live Zone
Ableton
Live
Zone
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Wie funktioniert die Granularsynthese?
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Automatische Tempoerkennung
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Die Algorithmen der Warping-Sektion
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Tempo-Master/Slave
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Extra-Tipp: Service-Updates
HÖRBEISPIELE
auf der KEYS-CD
H
aben Sie schon ein-
mal mit den verschie-
denen Algorithmen der
Warping-Sektion expe-
rimentiert? Oder kennen Sie die
Funktion des Tempo-Master/Sla-
ve? In dieser Folge dreht sich al-
les um die Elastizität des Audio-
materials: Angefangen bei der
automatischen Tempoerkennung
in Echtzeit über die verschie-
denen granularen Resynthesever-
fahren bis hin zum variierenden
Songtempo.
Seit Version 5 verfügt Live
über eine automatische Tem-
poerkennung.
Ein Sample, das
zum ersten Mal in ein Live-Set im-
portiert wird, durchläuft eine Ana-
lyse, bei der das Tempo und die
Länge ermittelt werden. Sämt-
liche Daten werden dabei in einer
Analysedatei (.asd) gespeichert.
Basierend auf dieser Grundlage
erfolgt dann das Warping und die
Synchronisation zum Songtem-
po. Hierbei wird das Audiomate-
rial mit Hilfe von Warp-Markern
gestaucht oder gedehnt.
Lives
Auto-Warp-Algorithmus
basiert auf der Granularsyn-
these, die der gesamten Audio-
wiedergabe zugrunde liegt. Sie
sorgt für die Elastizität des Au-
diomaterials und für eine Unab-
hängigkeit zwischen Tempo und
Tonhöhe. Um den unterschied-
lichen Arten von Musik, wie
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KEYS 07/2008
rhythmischem und tonalem Ma-
terial, gerecht zu werden, verfügt
die Warping-Sektion über mehre-
re Modi. Jeder Warp-Modus be-
sitzt einen eigenen Algorithmus-
Typ, um ein möglichst hoch-
wertiges Stauchen und Dehnen
zu erzielen. Allerdings lassen
sich die verschiedenen granu-
laren Resyntheseverfahren auch
wunderbar zur Klangmanipula-
tion nutzen.
Die Warping-Parameter eines
Samples liegen innerhalb der
Clip-Ansicht vor.
Ist der Warp-
Schalter aktiv, stehen die Vari-
anten
Beats, Tones, Texture, Re-
Pitch
und
Complex
zur Auswahl.
Sobald eine REX-Datei importiert
wird, aktiviert sich automatisch
der REX-Modus und Live über-
nimmt die vorhandenen Tempo-
und Timinginformationen (Nä-
heres lesen Sie dazu in der Live
Zone in KEYS 05/08).
Im Beats-Modus, der sich für
rhythmusorientierte Musik eig-
net, steht ein Parameter zur
Transientenerkennung zur Ver-
fügung. Mit seiner Hilfe können
Sie festlegen, wo innerhalb der
Wellenform nach Attacks, den
Anschlagsphasen der Schläge,
gesucht werden soll. Die Anga-
be erfolgt in Notenwerten. Da
der Parameter die Granulation
beeinflusst, führt eine Kombina-
tion von hohen oder niedrigen
Werten bei der Transienten-Auf-
lösung mit Tonhöhenverände-
rungen über den Transpose-
Regler oftmals zu interessanten
Ergebnissen. Der ursprüngliche
Rhythmus wird aufgelöst und Va-
riationen rhythmischer Artefakte
entstehen. In unserem Klangbei-
spiel auf der KEYS-CD wurde ein
viertaktiger Drumloop zunächst
um 19 Halbtöne bei einem Tran-
sienten-Wert von Sechzehnteln
erhöht und im Anschluss um
zwölf Halbtonschritte bei Viertel-
Noten gesenkt.
Für Gesang und monofone In-
strumente wurde der Tones-
Algorithmus entwickelt. Über
Extra-Tipp:
Ableton Live Updates
Seit dem Erscheinen von Live 7 Ende letzten Jahres hat es mehrere kleine
Versionsupdates (Live 7.0.2, 7.0.3 und 7.0.5) mit wichtigen Bugfixes
und Verbesserungen gegeben, die jedem User zu empfehlen sind. Um
Aktualisierungen komfortabel zu gestalten, besitzt Live eine Update-
Funktion, die Sie über das Hilfe-Menü erreichen. Ist eine Internetverbindung
vorhanden, öffnet sich über den Befehl zum Suchen nach Updates die
Service-Homepage von Ableton, wo eine Überprüfung Ihrer Versionsnummer
vorgenommen wird. Falls Updates vorhanden sind, können diese direkt von
dort bezogen werden. Alternativ erhalten Besitzer einer Vollversion von
Live 7 das kostenlose Update auch über folgenden Link: http://www.ableton.
com/download-live?i=nl.
Die Update-Neuerungen im Überblick:
• Erweiterte Handbücher und Kurse
• Support von Propellerhead ReCycle 1 Dateien (.rcy)
• Bedienoberflächen-Unterstützung für Faderfox LV1, LV2, LX2, LC2 und LD2
• Drum Rack Support für Korg Kontrol 49 und microKontrol
• Bedienoberflächen-Unterstützung für Korg Zero 8
• Bedienoberflächen-Unterstützung für Akai MPD 32 und MPD 24
• Performance-Verbesserung beim Laden großer Presets
• Support von 256 Mono-Ein- und Ausgängen unter Mac OS X
Fotos:
Hersteller/Vertrieb
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von
Maike
Paessens
| NQ
den Parameter
Grain Size
lässt
sich die durchschnittliche Grain-
Länge für das granulare Resyn-
theseverfahren bestimmen. Im
Gegensatz zum Beats-Modus
erfolgt die Beeinflussung der
Grain-Länge nicht aufgrund eines
Notenwertes, sondern hinsicht-
lich der tonalen Eigenschaften
des Ausgangsmaterials. Für das
Klangbeispiel wurde ein Vocal-
Sample bei der maximalen Grain-
Size von 100 um drei Halbtöne
transponiert und bei 60 BPM
abgespielt.
Der Texture-Algorithmus ist für
polyfone Klänge gedacht und
bietet neben dem Grain-Wert
die Möglichkeit, Zufallsvariati-
onen bei der Positionierung der
Grains zu bestimmen. Hierbei
wird die Grain-Länge unmittel-
bar, also unabhängig von Noten-
wert oder tonalen Eigenschaften,
bestimmt. Anhand des Vocals
können Sie hören, wie bei einem
hohen Flux-Wert in Verbindung
mit einer geringen Grain-Size
ungewöhnliche Verfremdungs-
Effekte erzielt werden.
Dieser Modus eignet sich aus-
gezeichnet für Klangexperimente
mit unterschiedlichstem Audio-
material: Spielen Sie doch ein-
mal einen Drumloop über den
Texture-Algorithmus ab und ver-
ringern langsam den Grain-Wert.
Besonders in der Kombination
von Transponierung und Fluk-
tuation ergeben sich auch bei
rhythmischen Elementen einzig-
artige Effekte.
Wer die Unabhängigkeit zwi-
schen
Geschwindigkeit
und
Tonhöhe beim Warpen aufheben
und wie bei einem Turntable Pit-
ching-Effekte erzeugen möchte,
erreicht das mit dem Modus Re-
Pitch. Die Parameter Transpose
und Detune sind hier inaktiv, da
automatisch eine Transponierung
des Samples erfolgt, sobald das
Songtempo erhöht oder verlang-
samt wird. Der Modus Complex
ist auf das Warpen ganzer Songs
spezialisiert und besitzt keine
Parameter für die Klangmanipu-
lation. Experimentieren Sie ein-
fach, in dem Sie verschiedene
Algorithmen miteinander kom-
binieren. Spielen sie etwa einen
Clip mit doppelter Geschwin-
digkeit in einem der Modi ab,
konsolidieren Sie ihn (Windows:
Strg + J, Mac: Apfel + J) und
geben Sie ihn nachher mit hal-
ber Geschwindigkeit und einem
anderen Modus wieder. Die Er-
gebnisse sind spannende Gra-
nularsounds, die sich sowohl gut
in Beats als auch in Lead- wie
Flächen-Sounds machen.
Mit Hilfe des Master/Slave-
Schalters können Sie auf
einfache Art und Weise das
Songtempo variieren, um
beispielsweise
temporedu-
zierte Breaks zu platzieren.
Gewarpte Clips lassen sich in
der Arrangement-Ansicht als
ein so genannter Tempo-Master
definieren. Ein solcher Tempo-
Master wird dann in seinem Ori-
ginaltempo abgespielt, während
sich alle anderen Clips zu ihm
synchronisieren. Dies wird da-
durch erreicht, indem Live der
Master-Spur eine Tempo-Au-
tomation hinzufügt. Diese Au-
tomation sorgt dafür, dass das
Live-Set über die Länge des
Tempo-Master-Clips in dessen
Tempo abgespielt wird. Das
Tempofeld in der Transportleiste
wird deaktiviert, da die gesamte
Steuerung nun durch den Tem-
po-Master erfolgt. Grundsätzlich
können beliebig viele Clips als
Tempo-Master definiert werden.
Allerdings ist immer nur der un-
terste spielende Clip in der Ar-
rangement-Ansicht aktiv.
Die Tempo-Automation der Mas-
ter-Spur kann auf Wunsch auch
freigegeben und weiter bearbeitet
werden. Per rechtem Mausklick
über dem Tempofeld der Trans-
portleiste erscheint ein Kontext-
Hohe Grain-Längen können im Tones-
Modus dopplungsartige Effekte erzielen
Bei kleinen Grain-Werten im Texture-
Modus hat die Länge der Grains Einfluss
auf die Tonhöhe
Zum Ausprobieren der Funk-
tionsweise können Sie einen
leeren Clip erzeugen, der Ihnen
als Tempo-Master-Clip dient. Im
Feld zur Anzeige des Original-
tempos kann jede gewünschte
BPM-Angabe gemacht werden.
K
.beim Experimentieren!
menü mit dem Befehl: Tempo-Au-
tomation freigeben. Damit werden
alle definierten Tempo-Master auf
den Slave-Status zurückgesetzt.
Die erzeugte Tempo-Automation
der Master-Spur bleibt jedoch er-
halten und kann verschoben, be-
arbeitet und kopiert werden.
Wie funktioniert
die Granularsynthese?
Die Granularsynthese ist ein Klangerzeugungsverfahren, das hauptsächlich
in Software-Systemen Verwendung findet. Ihre Anfänge sind auf den
Physiker und Nobelpreisträger Dennis Gabor (1900–1979) zurückzuführen,
nachdem auch die Gabor-Transformation benannt wurde. 1978 erfolgte die
erste rechnergestützte Implementierung, während die heutige Realtime-
Granularsynthese 1986 ihre Geburtsstunde erlebte. Bekannte Applikationen,
die sich der Granulation zur Erzeugung von Tönen bedienen, sind Reaktor
von Native Instruments, der Synthesizer Malstrom aus Reason, Ableton Live
und Max/MSP von Cycling 74.
In Ableton Live wird die granulare Synthese zur Resynthese von
gesampeltem Material eingesetzt. Hierbei wird ein Sample bei der Analyse
in kleinste Schnipsel, so genannte Grains, zerlegt, die eine maximale
Länge von 50 Millisekunden haben. Die typische Länge eines Grains
beträgt 10–30 ms, da diese Einheit vom menschlichen Gehör nicht als
eigenständiges Klangereignis wahrgenommen werden kann. Das Resultat
ist vergleichbar mit einem Film, der aus tausenden von Einzelbildern
besteht. Bei der Wiedergabe werden die einzelnen Ton-Quanten (Grains) so
ineinander übergeblendet, dass der Eindruck eines zusammenhängenden
Klanggebildes entsteht.
Jedes Grain beinhaltet Informationen über Dauer, Wellenform, Hüllkurve
und Frequenzspektrum, die separat voneinander vorliegen und manipuliert
werden können. Eine Besonderheit gegenüber dem klassischen Sampling:
Soll die Tonhöhe eines Samples als Ganzes transponiert werden, kann dies
über ein schnelleres oder langsameres Abspielen erreicht werden. Hierdurch
wird allerdings die Länge des Samples verändert und der bekannte Mickey
Mouse- oder Darth Vader-Effekt tritt ein. Beim herkömmlichen Pitchen hat
die Transponierung der Tonhöhe also Einfluss auf die Wiedergabegeschwin-
digkeit und Länge des Samples. Der entscheidende Vorteil des granularen
Resyntheseverfahrens besteht in der Entkopplung von Wiedergabege-
schwindigkeit und Tonhöhe, dem Time-Stretching und Pitch-Shifting in
Echtzeit. Hier lässt sich die Tonhöhe bei konstanter Wiedergabegeschwin-
digkeit verändern oder das Tempo variieren, ohne dass dies Auswirkungen
auf die Tonhöhe hat.
Allerdings stößt das Verfahren bei größeren Abweichungen vom
Ausgangsmaterial auch an seine Grenzen. Es entstehen hörbare Grain-
Artefakte. Diese Artefakte lassen sich jedoch wiederum gezielt als Effekt
einsetzen, um Klänge zu verfremden. Eine beliebte Methode, um neuartige
Sounds in Ableton Live zu designen.
Über einen Tempo-Master-Clip lassen
sich schnell Tempo-Regionen im Live-
Set erzeugen
Beim Beats-Algorithmus eignet sich das
Zusammenspiel von Transponierung und
Transienten-Parameter zur Klangmani-
pulation
www.keys.de
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