Equipment guide Plugins
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EQUIPMENT-GUIDE
PlugIns
© PPVMEDIEN 2009
Das virtuelle
SOFTWARE-KLANGBEARBEITUNG
Rack
WAS IHR FÜR EURE PLUGIN - AUSSTATTUNG WISSEN MÜSST
Der Umgang mit PlugIns ist heute tontechnische
Alltags beschäftigung. Unser Grundlagenartikel liefert
euch alle wichtigen Infos zur Arbeit unter Architekturen
wie VST, AU oder RTAS. So verliert ihr im alles
überwuchernden PlugIn-Dschungel nicht den Durchblick
– und holt das Optimum aus eurem virtuellen Studio.
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Foto: Wilschewski
Recording Markt 2009
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Besonders faszinierend wird der Umgang mit einer DAW erst
durch die Möglichkeit, sich via PlugIns das eigene Studio gleich-
sam virtuell ins theoretisch Unendliche erweitern zu können.
Die Menge der erhältlichen PlugIns ist mittlerweile kaum über-
schaubar. Ebenso hat sich die Zahl der Funktionsweisen und
Standards erhöht. Es ist nicht immer leicht, hier noch den
Überblick zu behalten. Eine erste Betrachtung der Grundlagen
kann helfen, den Wust technischer Fachtermini nach und nach
zu durchschauen.
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PlugIns
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Unter dem Begriff PlugIn wird in der
Informationstechnik allgemein ein Pro-
gramm verstanden, dass über eine spezielle
Schnitt stelle in eine so genannte Host-An-
wendung eingebunden
ist. Um das Konzept von
PlugIn-Software generell
erfassen zu können,
macht es Sinn, sich zu-
erweitern, hierbei aber in der Regel nicht auf ei-
genständige Bibliotheken zurückgreifen. Sie kön-
nen somit – im Gegensatz zu PlugIns – keine
Funktionen bereitstellen, die nicht bereits zum
Kern der Host-Software gehören.
Der wichtigste Unterschied zwischen
Host-Anwendung und PlugIn besteht darin,
dass Erstere immer auch unabhängig von
Letzterem funktionsfähig ist. Das PlugIn lässt
sich jedoch normalerweise nicht eigenständig
betreiben. Wobei hier Ausnahmen möglich sind,
gerade im Bereich der Software-Instrumente.
Notwendig für den gemeinsamen Betrieb von
Host-Anwendung und PlugIn ist in jedem Fall die
Bereitstellung einer Schnittstelle (engl.: Interface)
seitens des Hosts.
Die bedeutendsten PlugIn-Schnittstellen
in der Musikproduktion sind der Audio-
Units-Standard (kurz: AU) sowie das Virtual-
Die Computer-eigene CPU kann
durch DSPs entlastet werden.
nächst die Ausdrücke „PlugIn“ und „Host“ ins
Deutsche zu übersetzen. „PlugIn“ bedeutet so
Steinberg, Erfinder und Weiterentwickler
der PlugIn-Schnitt stelle VST, liefert seine
DAW-Software Cubase 4 inklusive jede
Menge hauseigener PlugIns.
viel wie „Anschließen“ oder „Einstöpseln“. Das
Wort „Host“ steht im Englischen für „Gastgeber“
oder auch „Hausherr“. Wir haben es im Fall von
PlugIns also offenbar mit Elementen zu tun, de-
nen gewissermaßen vonseiten eines Gastgebers,
dem Host, der Raum gewährt wird, sich eben sel-
bem anzuschließen. Die Funktionen des Hosts
werden dadurch erweitert. In dieser Hinsicht
kann eine Parallele zu Konzepten wie Extensions
beziehungsweise Add-Ons gezogen werden.
Wobei jedoch berücksichtigt werden muss, dass
die letzteren beiden eine Host-Anwendung zwar
Studio-Technology-Interface (kurz: VST). Da-
rüber hinaus gibt es die von der Firma Digidesign
entwickelte Schnittstelle Real Time Audio Suite
(kurz: RTAS). Diese ist herstellergebunden und
bleibt somit auf den Einsatz innerhalb der
Systeme Pro Tools TDM, Pro Tools LE und Pro
Tools M-Powered beschränkt. RTAS-PlugIns gren-
zen sich zu den ebenfalls unter Pro Tools ein-
setzbaren AudioSuite-PlugIns dadurch ab, dass
hier Audiodaten in Echtzeit verarbeitet werden.
Das eigentliche Audiofile bleibt dabei unverän-
dert, es werden keine neuen Daten in die Datei
geschrieben. RTAS-PlugIns sind für den nativen
Betrieb ausgelegt und unterscheiden sich inso-
fern beispielsweise von den ebenfalls unter
ProTools einsetzbaren TDM-PlugIns. Wir werden
auf diese Differenz gegen Ende des Artikels
noch zu sprechen kommen. Der AU-Standard ist
eine für Drittanbieter offene Audiospezifikation
des Apple-Betriebssystems Mac OSX. Direkt ein-
gebunden ist AU in die Mac-eigene Architektur
CoreAudio, die zentrale Audioschnittstelle inner-
halb OSX. CoreAudio setzt unter anderem die
Hardware und das Betriebssystem via Treiber
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tipp
Latenz
verringern
Bei hohen Latenzen des Audiosystems
wird die Arbeit mit Effekt-PlugIns und
besonders Software-Instrumenten
zur Qual – oder gar unmöglich.
Um die Latenz des Systems zu
verringern, kann zum Beispiel die
Puffergröße der jeweiligen Audio-
Hardware möglichst klein gewählt
werden (512 Samples oder weniger).
So steigt zwar die Belastung der
CPU an, da aber eine geringere
Menge von Audioinformationen
zwischengespeichert wird, sinkt die
Latenz. Außerdem empfiehlt es sich
unter Umständen, die Samplerate
zu erhöhen: Eine Verdopplung der
Samplerate zieht eine Halbierung
der Pufferzugriffszeit nach sich.
Generell sollten sehr rechenintensive
PlugIns, wenn möglich, erst nach den
Aufnahmen genutzt werden.
Oben und rechts: PlugIns
Fotos: Wilschewski, Hersteller
holen die analoge Welt
in den Rechner: Der
Effekt Softube Spring
Reverb und das virtuelle
E-Piano Lounge Lizard
von Applied Acoustics.
Ganz rechts: Der Oxford
EQ von Sonnox.
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miteinander in Verbindung. Eine längere
Von der Signal-
analyse bis zur
Klangbearbeitung
bietet der PlugIn-
Markt wirklich alle
Möglichkeiten, eine
Produktion komplett
in der DAW zu fahren.
Geschichte als der relativ neue AU-Standard hat
die von der Firma Steinberg entwickelte VST-
Architektur. 1996 in erster Version eingeführt
wurde die Schnittstelle mittlerweile neu program-
miert und ist in der neuesten Version VST3 er-
hältlich. Über die neuen Features von VST3 gibt
der Infokasten links auf dieser Seite Auskunft.
Wie Apples Audio Units steht auch der
VST-Standard prinzipiell jedem PlugIn-Ent-
wickler offen. Bedingt durch diesen Umstand,
aber auch durch die simple Tatsache, dass VST
sich als erstes am Markt durchsetzen konnte, ist
heute eine Unmenge von
Produkten unter dem Label
„Virtual Studio Technology“
verfügbar. Nicht immer ist
derartige Software übrigens
kostenpflichtig. Wer sich
einmal auf einschlägigen
Internetseiten umschaut,
der wird mit Sicherheit das
Oben: Band-
sättigungseffekt
von Digidesign
– Reel Tape
Saturation.
Links: Gitarren-
Amp-Modelling
von Line 6 – die
Gear Box.
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wissen
Sidechain
Sidechaining kann besonders bei
der Arbeit mit PlugIns interessante
Möglichkeiten eröffnen. Unter ande-
rem ist diese Funktion Bestandteil
der neuen VST3-Spezifikation.
Side-Chains finden etwa in
Dynamikprozessoren wie Gates oder
Kompressoren Verwendung. Im
Normalfall dient diesen Geräten als
Steuersignal das am Haupteingang
anliegende Signal. Kurz: Steuersignal
und der zu bearbeitende Klang sind
identisch. Via Sidechain lässt sich das
Regelverhalten des Geräts mittels
Fremdsignal beeinflussen. Ein Beispiel
aus der Praxis ist etwa der frequenz-
abhängige Kompressor. Hier wird
dem Gerät ein mit dem EQ bearbei-
tetes Signal über den Sidechain-Input
zugeführt. Der Kompressor reagiert in
diesem Fall also zum Beispiel nur auf
die Höhen und Mitten eines Signals.
eine oder andere lohnende Gratisschnäppchen
machen. Sehr empfehlenswerte Websites sind
diesbezüglich zum Beispiel www.audiomaster-
mind.com oder www.kvraudio.com. Wobei zu
berücksichtigt ist, dass gerade frei erhältliche
PlugIns nicht immer ausreichenden Tests unter-
zogen werden. Der Einsatz solcher Software kann
daher zu instabilen Systemen führen. Abgesehen
davon ist man selbstverständlich auch bei der
Arbeit mit teuersten PlugIns nicht vor derartigen
Problemen gefeit.
Neben Schnittstellen wie VST, AU, oder
RTAS steht auch für Linux-User ein eigenes
PlugIn-Format bereit. Mit dem LV2-Standard ist
dieses Jahr eine weitere freie Schnittstelle für die
Open-Source-Gemeinde vorgestellt worden. LV2
löst den Open-Standard LADSPA für Audioeffekte
sowie die Software-Instrument-Schnittstelle DSSI
ab. Die Entwicklung und Portierung dieser neuen
PlugIn-Spezifikation läuft weiter. Es bleibt abzu-
warten, ob beziehungsweise wie gut sich der
neue Standard durchsetzt. Nur geringfügig etab-
liert hat sich im Bereich PlugIns die von Microsoft
eingeführte Direct-X-Spezifikation. Einige der we-
nigen Anwendungen, die auf den entspre-
chenden Software-Instrumenten-Standard DXi
setzen sind etwa die Produktionsprogramme aus
dem Hause Cakewalk. Wobei Cakewalks Pro-
duktionsprogramm Sonar aber genauso auch
VST-Instrumente einbindet.
Grundsätzlich lassen sich zwei Haupttypen
von Audio-PlugIns unterscheiden: Effekte
(Prozessoren) und Software-Instrumente. Bei
Effekt-PlugIns kann es sich im Prinzip um alles
handeln, was sich früher in entsprechenden
Unter VST3 wird die Zahl der
PlugIn-Ein- und Ausgänge automatisch
dem Kanaltyp angepasst.
Für eine In-The-Box-Produktion
empfiehlt sich ein Setup mit zwei
Bildschirmen. Dann ist genügend
Platz um viele PlugIns gleichzeitig
darzustellen.
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Instrumente aus analogen Tagen emuliert.
Hammond-Orgeln und Konzertflügel etwa, aber
beispielsweise auch Streichinstrumente. Damit
letztere realistisch klingen, bedarf es einiges
Wissens um ihre richtige Programmierung. Soft-
ware-Instrumente wandeln MIDI-Daten wie
Tonhöhe oder Anschlagsstärke in Audiosignale.
Vor allem bei der Aufnahme solcher Audio- und
MIDI-Daten, die live auf einem Masterkeyboard
eingespielt werden, gilt es, die Systemlatenz mög-
lichst gering zu halten. Hilfreich ist hier zum
Beispiel die neue PlugIn-Spezifikation VST3, die
nicht genutzte PlugIn-Busse deaktiviert. Das kann
die CPU-Belastung immens senken (siehe
Infokasten auf Seite 50). Vor allem für den Einsatz
auf der Bühne interessant sind virtuelle PlugIn-
Racks, mittels derer sich auf verschiedene Soft-
ware-Instrumente auch ohne Sequencer zugreifen
lässt. Spannend ist der Einsatz solcher Tools auch,
Der Bedienkomfort von PlugIns muss mit
moderner Controller-Technologie nicht hinter
Outboard-Signalprozessoren zurückbleiben.
will man Systemressourcen sparen. So können
etwa rechenintensive Software-Instrumente auf
einen zweiten Computer ausgelagert werden.
Zu unterscheiden sind PlugIns außerdem
in native oder DSP-basierte Produkte. Der
größte Teil digitaler Audiobearbeitung findet heu-
te auf dem Wege des so genannten Native-
Processings statt. PlugIns, die nach diesem Funk-
tionsprinzip konstruiert sind, greifen zur Klang-
bearbeitung oder -erzeugung ausschließlich auf
den Mikroprozessor des PC/Macs zu. Das heißt,
die Rechenleistung muss allein von der CPU des
Computers erbracht werden. Im Gegenteil dazu
arbeiten einige PlugIns mit digitalen Signalpro-
zessoren (DSPs). Hierbei handelt es sich um
Mikroprozessoren, die speziell für die digitale
Signalverarbeitung optimiert wurden. Die Compu-
ter-eigene CPU kann durch diese zusätzliche
Hardware entlas-
tet werden. DSP-
basierte Systeme
bieten sich vor
allem im Fall von
besonders rechen-
Der VST 3
Standard
Das kann die neue PlugIn-Technologie:
Sidechaining: Wer den neuen Standard VST3
nutzt, der kann in seiner Sequencer-Software jedes
Audiosignal vom virtuellen Mixer auf den Sidechain-
Buss eines jeden PlugIns routen. So ist zukünftig etwa
auch die Verwendung von Sidechains in eher unty-
pischen Zusammenhängen möglich. Sprich: außer-
halb der üblichen Verdächtigen wie Gate, Kompressor
und anderer Dynamikprozessoren.
64 Bit: VST3-PlugIns verarbeiten Audio in 64 Bit.
Dynamische I/O-Konfiguration: Unter VST3 wird
die Zahl der Ins und Outs automatisch dem Kanaltyp
angepasst. Ist ein PlugIn etwa in einen 5.1-Surround-
Kanal insertiert, so stehen sechs unabhängige
Audiokanäle zur Verfügung. In der VST3-Spezifikation
wird somit jedes PlugIn zum Surround-Tool.
Bus-Deaktivierung: Unter VST3 können nicht ge-
nutzte PlugIn-Busse deaktiviert werden. So hält man
beim Einsatz von etwa Software-Instrumenten mit
mehreren Ausgängen erstens den Audiomixer über-
sichtlich und reduziert zweitens die CPU-Belastung.
Audio-Eingänge für VST-Instrumente: VST3-
Instrumenten können von nun an externe Audio-
signale zugewiesen werden. Dieses Feature empfiehlt
sich, möchte man Vocoder und Ähnliches verwenden.
Stufenlose Automation: VST3 bietet stufenlose und
Sample-genaue Automatisierung von Parametern.
Parameter-Organistation: Die Parameter von
VST3-PlugIns werden als Baumstruktur dargestellt.
Untergruppen von Parametern lassen sich zusam-
menfassen, speichern und laden – unabhängig von
der Gesamt-Instanz. Einzelne Parameter wie etwa
„Cutoff“ oder „Resonance“ könnten also zum Beispiel
unter der Bezeichnung „Filter“ gruppiert werden.
Fernbedienung mit VSTXML: VST-PlugIns können
ab sofort mithilfe von VSTXML und speziellen Remote
Controllern ferngesteuert werden. Wobei sich selbst
nicht-editierbare Parameter zwecks Anzeige auf die
Oberfläche des Controllers routen lassen.
Verbesserte Performance: VST3-PlugIns belasten die
CPU nur, wenn auch ein Signal in der Spur anliegt
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Outboard-FX-Racks gefunden hat: Kompressoren,
Delays, Equalizer, Reverbs, De-Esser, Chorus. Die
Anwendungen scheinen unbegrenzt – und ha-
ben sich vielfach erst durch die neuen
Möglichkeiten von Software-basierter Signalbear-
beitung ergeben. Wie ihre analogen Ahnen wer-
den auch FX-PlugIns unterschiedlich in die Host-
Software eingebunden, je nachdem ob es Aux-/
Send- oder Insert-Effekte sind. Die Organisation
der PlugIns kann außerdem je nach Host-
Programm anders ausfallen – abhängig von
Hersteller und Programmart. Meist wird man
Effekt-PlugIns innerhalb eines Audio-Sequencers
wie Apple Logic oder Steinberg Cubase nutzen.
Wie ihre analogen Ahnen werden PlugIns
als Aux- oder Insert-Effekt unterschiedlich
in die Host-Software eingebunden.
Um hier nicht bei einer Vielzahl von PlugIns den
Überblick zu verlieren, empfiehlt sich im Übrigen
der Einsatz so genannter PlugIn-Manager.
Im Gegensatz zu Effekt-PlugIns bearbei-
ten Software-Instrument-PlugIns nicht ein
bereits vorhandenes Signal – sie erzeugen
es. Neben Samplern, Synthesizern und Drum-
Machines werden heute auch viele klassische
www.recmag.de
intensiven PlugIns
an, bei Faltungs-
effekten etwa. Naturgemäß fallen derartige
Systeme aufgrund der zusätzlich erforderlichen
Hardware in der Regel etwas kostspieliger aus als
native PlugIns. Aber zum Glück gibt es auf dem
Markt der Audio-PlugIns eines der am breitge-
fächertsten Angebote der Tontechnik. Da sollte
jeder, der auf der Suche ist, fündig werden.
Florian Zapf