RECORD

SPECIAL Ableton Live 8

Klangverbesserung: Der

Warping-Algorithmus Beats

wurde um transientenge-

schütztes Warpen, Loop-Modus

und Hüllkurve erweitert.

Workshop

Warping

© PPVMEDIEN 2009

mit Live

Eine Paradedisziplin von Ableton Live stellt seit jeher der elastische Umgang mit

Audiomaterial dar. Teil des neuen Live-Updates ist auch eine hilfreiche Optimierung des

Arbeitsflusses mit Warping-Funktionen, die wir in diesem Workshop vorstellen wollen.

der Wiedergabe werden die einzelnen Ton-

Quanten (Grains) so ineinander übergeb-

lendet, dass beim Hörenden der Eindruck

eines zusammenhängenden Klangbildes

entsteht. Der entscheidende Vorteil gegen-

über dem klassischen Sampling besteht

darin, dass jedes einzelne Grain mit Infor-

mationen über Dauer, Wellenform, Hüllkurve

und Frequenzspektrum ausgestattet ist, die

der Warp-Engine separat voneinander vor-

liegen und manipuliert werden können. Aus

diesem Grund lässt sich auch die Wieder-

Clip-Ansicht praxisorientiert umgestaltet:

Er vereinfacht nunmehr das Setzen von

Warp-Markern für die Temposynchronisati-

on. Darüber hinaus werden in Live 8 bei der

Sample-Analyse nun aber auch die Transi-

enten eines Samples ermittelt und im Editor

in Form dreieckiger Mini-Marker dargestellt.

Diese Transienten lassen sich auf Wunsch

per Mausklick in Warp-Marker umwandeln.

Diese Neuerungen stellen wir im Folgenden

Schritt für Schritt und im Vergleich zur bis-

herigen Warping-Funktion vor.

lips unterschiedlicher Tempi lassen

sich mit Hilfe von Warp-Markern in

Echtzeit zu jedem beliebigen Song-

tempo synchronisieren, ohne dass dies Aus-

wirkungen auf die Tonhöhe des gewarpten

Materials hat wie es beim klassischen Sam-

pling der Fall ist. Mickey-Mouse- und Darth-

Vader-Effekt lassen grüßen! Seit geraumer

Zeit verfügt Ableton Live über eine auto-

matische Tempoerkennung. Hierbei durch-

läuft ein Sample, wenn es zum ersten Mal

in ein Live-Set importiert wird, eine Analy-

se, bei der das Tempo,

die Länge und Daten

für die zeitliche Deh-

nung und Stauchung

des Materials ermittelt

werden. Die gesam-

melten Daten werden

gabegeschwindigkeit

eines Samples ändern,

ohne dass dies Ein-

fluss auf die Tonhöhe

hat oder die Tonhöhe

bei konstantem Tempo

variieren.

Der alte Complex-Algorithmus wird in Live 8 um den Modus

Complex Pro ergänzt. Hier sind beispielsweise bei

klassischen Stücken deutliche Qualitätsunterschiede hörbar.

Die granulare Audio-Engine

macht es möglich

Lives gesamte Audiowiedergabe basiert auf

der Granularsynthese, die für die Elastizität

des Audiomaterials durch eine Entkopp-

lung von Wiedergabegeschwindigkeit und

Tonhöhe, dem Time-Stretching und Pitch-

Shifting in Echtzeit sorgt. Die Warp-Engine

nutzt die granulare Synthese zur Resynthe-

se des gesampelten Materials, wobei ein

Sample in kleinste Schnipsel, so genannte

Grains, zerlegt wird. Ein Grain besitzt typi-

scherweise eine Länge von 10–30 ms, da

eine solche Einheit vom menschlichen Ge-

hör nicht als eigenständiges Klangereignis

wahrgenommen werden kann. Im Prinzip

ähnelt das Verfahren einem Film, der aus

tausenden von Einzelbildern besteht. Bei

anschließend in einer Analysedatei (*.asd)

gespeichert. Sie stellen die Grundlage

für das Timestretching in Echtzeit das

Warping. Die Originaldatei hingegen bleibt

völlig unangetastet. Mit dem Update auf

Version 8 hat Live nun eine rundum erneuer-

te Warp-Engine erhalten, die über eine stark

verbesserte Transienten-Erkennung, einen

aufgewerteten Beats-Algorithmus und ei-

nen neuen Warp-Modus namens Complex

Pro zur Steigerung der Klangqualität beim

Warpen von komplexem Klangmaterial ver-

fügt, der sich beispielsweise für komplette

Mixes eignen soll.

Auch hinsichtlich der Handhabung

von Warp-Markern gibt es Änderungen

und Verbesserungen zu vermelden.

Zum einen wurde der Sample-Editor in der

100

KEYS 06/2009

Um unterschiedliches musikalisches Ma-

terial, wie rhythmische oder tonale Samp-

les, mit der bestmöglichen Qualität stau-

chen oder dehnen zu können, verfügt Lives

Warping-Sektion im Sample-Rähmchen der

Clip-Ansicht über verschiedene Warp-Modi.

Für rhythmisches und perkussives Material

steht ein Beats-Algorithmus zur Verfügung,

der mit Live 8 um den Preserve-Parameter

Transients erweitert wurde.

Zusätzlich zu den Taktunterteilungen

in Slices können nun auch Transienten

als Ausgangsbasis für die Granulati-

onsauflösung beim Warping genutzt

werden. Hier werden die Transienten beim

Dehnen und Stauchen geschützt, was zu

einer deutlich hörbaren Klangverbesserung

führt. Im Transienten-Loop-Modus kön-

C

© PPVMEDIEN 2009

Warping

Die bei der Analyse des Audiomaterials gefundenen Transienten werden im Sample-Editor der Clip-

Ansicht durch kleine dreieckige Mini-Marker dargestellt. Da es sich bei Transienten um impulsartige

Einschwingvorgänge von Klängen handelt, eignen sich diese als Ausgangsbasis für das Erzeugen

von Warp-Markern. Die Transienten-Marker lassen sich daher in Warp-Marker umwandeln. Sobald

Sie mit der Maus über einen Transienten-Marker fahren, vergrößert sich dieser zu einem potenziellen

Warp-Marker. Per Doppelklick wird ein farblich gekennzeichneter Warp-Marker erzeugt. Um alle

Transienten eines Zeitabschnitts umzuwandeln, selektieren Sie diesen im Sample-Editor und

wählen im Kontextmenü, das sich per Rechtsklick öffnet, den Befehl „Warp-Marker einfügen“.

Warp-Marker erfüllen in Live zwei wichtige Aufgaben:

Sie ermöglichen einerseits die Temposynchronisation

des Audiomaterials und eröffnen andererseits kreative

Lives Transienten-Erkennung ist ideal

zum präzisen Setzen der Transienten.

Sie können auch verschoben, von

Hand erzeugt oder gelöscht werden.

Das Erzeugen und Löschen erfolgt

im Kontextmenü des Sample-Editors,

währenddasVerschiebenbeigehaltener

Shift-Taste mit der Maus erfolgt.

Eingriffe beim Verbiegen von Samples für das Sound-

Design. Ein Warp-Marker definiert, zu welchem Zeitpunkt

die konkrete Stelle im Sample wiedergegeben werden

soll. Bisher wurden Warp-Marker auf dem musikalischen

Zeitraster des Sample-Editors erzeugt und anschließend

zur gewünschten Wellenformposition verschoben. Sprich:

Bei einem Schlagzeug-Groove wurde die Eins auf die Bass

Drum gezogen.

Mit Live 8 wird die Wellenform selbst mit einem Warp-Marker versehen, so dass die

Wellenformposition zu einem musikalischen Zeitpunkt gezogen wird: Die Bass Drum wird also auf

die Eins gesetzt, was nach einer kurzen Umgewöhnungsphase wesentlich intuitiver ist.

Um ein Sample synchron zum Songtempo zu warpen, müssen Anfangs- und Endpunkt des Samples

stimmen. Zoomen Sie in die Wellenform hinein, um zu kontrollieren ob der Warp-Marker am Anfang

wirklich mit dem erstenTakt des Zeitlineals übereinstimmt. Falls nicht,erzeugen Sie am tatsächlichen

Sample-Anfang per Doppelklick einen Warp-Marker und ziehen diesen zur Eins des Zeitlineals. Als

nächstes kontrollieren Sie auf die gleiche Art und Weise den Endpunkt des Samples.

K

101

RECORD

VON MAIKE PAESSENS

nen darüber hinaus Eigenschaften für das

Wiederholen der Grains beim Stauchen

und Dehnen festgelegt werden: Der erste

Modus „Loop aus“ spielt das Grain ohne

Wiederholung ab, so dass Stille bis zum Er-

reichen des folgenden Transienten entsteht.

Im „Loop vorwärts“-Modus hingegen wird

das Grain bis zum nächsten Transienten ge-

loopt, während die Grains bei „Loop vor und

zurück“ zunächst abgespielt, dann rück-

wärts gespielt und schließlich wieder vor-

wärts abgespielt werden, was insbesondere

bei langsamen Tempi zur besten Warping-

Qualität führt. Eine weitere Optimierung der

Klangqualität kann mit dem Transienten-

Hüllkurven-Parameter erzielt werden, der

die Übergänge zwischen den Grains mit Hil-

fe von Fades glättet. Unter Verwendung von

kurzen Hüllkurvenzeiten lassen sich diesem

Parameter jedoch auch rhythmische Gate-

Effekte etwa für Sound-Design entlocken.

Complex Pro: Der verbesserte

Warping-Algorithmus

Für dichtes, komplexes Audiomaterial und

ganze Tracks bietet Lives Warping-Sektion

bereits den Complex-Algorithmus an. Die-

ser wird in Live 8 um den Modus Complex

Pro für eine noch bessere Klangqualität

ergänzt. Auch hier sind beispielsweise bei

klassischen Stücken deutliche Qualitätsun-

terschiede hörbar. Allerdings verbraucht der

neue Complex-Pro-Modus im Vergleich zum

ohnehin schon sehr CPU-hungrigen Com-

plex-Algorithmus bei erhöhten Warping-

Anforderungen noch einmal doppelt so viel

CPU-Leistung. Der CPU-Verbrauch steigt

hier in Abhängigkeit vom Stretchingauf-

wand. Wer mit den Complex-Algorithmen

arbeitet, sollte insofern unbedingt von der

Freeze-Funktion Gebrauch machen.

Neben den bereits dargestellten Neu-

erungen und Veränderungen, ermög-

licht die neue Warp-Engine auch das

Quantisieren von Audio-Samples in

Echtzeit. Analog zu MIDI-Clips können

jetzt auch ganze Samples einheitlich auf

einen gewünschten Notenwert quantisiert

werden, was viel Zeit beim Editieren per

Hand einspart. Der Amount-Parameter der

Quantisierungsfunktion

reguliert

zusätz-

lich die Intensität der Clip-Begradigung, so

dass sich auch feine Unregelmäßigkeiten im

Material erhalten lassen – eine super Sache!

Fans der Slicing-Funktion wird es freuen,

dass Audio-Clips über den Befehl „Auf neue

MIDI-Spur slicen“ nun auch anhand von

Transienten geslicet werden können, was

dank der hervorragenden Transienten-Er-

kennung gerade bei Beats ausgesprochen

gut funktioniert und Lives Slicing-Funktion

noch einmal erheblich aufwertet.

www.keys.de