© PPVMEDIEN 2009
Bühne
Workshop
Live-Mixing (2): SignaLverLäufe
Störquellen erkennen
Der Workshop
In dieser Praxis-Reihe erfahren Sie, welche
Möglichkeiten Sie haben, Ihren Sound beim
Mixing zu optimieren. Einfach umsetzbare
Tipps machen Sie Schritt für Schritt zum
Sound-Spezialisten.
Uli Hoppert
ist Verantwortlicher für
Veranstaltungstechnik
und angehender Meis
ter Vt. Als freier tech
niker für rigging und
System ist er seit etwa
15 Jahren unterwegs,
seit 1999 zudem
Geschäftsführer und
teilhaber eines Dienst
leistungsunternehmens
für Veranstaltungstech
nik. Daneben schreibt
er für mehrere Zeit
schriften.
in dieser ausgabe
erfahren Sie, wie Sie durch sorgsam einge-
stellte Signalpegel Verzerrungen und Rausch-
teppiche vermeiden können, und wo Sie bei
Signalstörungen mit der Fehlersuche anset-
zen sollten.
N
ach dem eher kreativen ersten Teil dieser
Workshop-Reihe wird es diesmal etwas „trok-
kener“, aber keinesfalls uninteressant. Gain-
Strukturen und Signalverläufe innerhalb des Equip-
ments hören sich zunächst vielleicht etwas sperrig
an, ein kleines Beispiel verdeutlicht aber, was das
Ganze soll: Stellt man sich vor, dass ein Signal
zwischen dem Gesangsmikrofon am Anfang der Sig-
nalkette und dem Lautsprecher an dessen Ende gut
und gerne bis zu 15 Verstärkergruppen durchläuft,
wird klar, dass hier Fehlerquellen lauern. Dabei
wird der rein elektrische Pegel von einigen Millivolt
an der Spule des Mikrofons bis auf annähernd 200
Volt oder mehr bei modernen Leistungsendstufen
verstärkt. Bereits eine kleine Nachlässlichkeit kann
hier unter Umständen einen fatalen Folgefehler er-
zeugen.
Folgen Sie in dieser Workshop-Folge den Signalen
auf ihrem Weg und lernen Sie die Stolpersteine ken-
nen. Aber keine Bange: Profundes Elektronikwissen
oder umfangreiche physikalische Kenntnisse sind
nicht notwendig. Das notwendige Sachwissen für
einen Verstärker erweist sich als recht überschau-
bar – auch für Nichttechniker.
Horrorvorstellung: Für mich klingt’s furchtbar,
aber Sie sind ja Künstler. Diese Aussage möchte
wohl kein Musiker vom Publikum zu hören bekom-
men. Da aber während des Auftritts nur noch sehr
eingeschränkt die Möglichkeit besteht, etwas zu än-
dern, sollte man mögliche Soundprobleme bereits
im Vorfeld möglichst verlässlich ausschließen. Häu-
fig liegen die Ursachen für schlechten Sound in zwei
möglichen Extremen, nämlich über- oder untersteu-
erten Signalen. Klingt zunächst nach einer einfa-
chen Sache, gestaltet sich aber je nach Größe des
Systems ungemein schwierig. Nicht die Tatsache,
dass der Pegel aus der Norm gerät, ist das Problem
– hier genügt ein Griff zum richtigen Regler. Das
weit größere Problem offenbart sich in der Frage,
wo sich das Problem gerade versteckt hält.
häufige Störgeräusche:
Clipping und rauschen
Um es gleich vorweg zu nehmen: Das ideale Signal,
rausch- und verzerrungsfrei, gibt es nicht! Ziel der
Übung ist entsprechend, das optimale Verhältnis
zwischen Nutzsignal und Störsignal zu schaffen,
das heißt, Rauschen zu minimieren und hörbare
Verzerrungen auszuschließen.
Rauschen entsteht, wenn der Pegel des Nutzsig-
nals zu klein ist. Systembedingtes Rauschen, wie
es bei jeder elektronischen Signalbearbeitung ent-
steht, wird also nicht überdeckt, sondern erscheint
ähnlich laut wie das Nutzsignal. Es ist nur verständ-
lich, dass der so genannte Rauschteppich insbeson-
tastenwelt 4/2009
Falsche pegel lauern überall da, wo ein X zu sehen ist.
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dere in Spielpausen oder bei ruhigen Passagen
besonders nervt. Die Ursachen für Rauschen sind
vielfältig und beginnen bereits mit Störanteilen auf
elementarer Ebene, wo die Elektronen in den einge-
setzten Halbleitern, Chips und ICs ein Urrauschen
erzeugen. Viel wichtiger und leichter zu beheben ist
aber eine zu geringe Aussteuerung der Signale. Mit
zu wenig Gain verschlechtert sich schlicht die Diffe-
renz zwischen Rauschen und Nutzsignal. Anderer-
seits lauert bei zu hoher Aussteuerung eine ganz
andere, ebenso deutlich hörbare Gefahr – das Verzer-
ren oder Clipping.
Clipping tritt immer dann auf, wenn die Leis-
tungsfähigkeit der Verstärkerelektronik überschritten
wird. Stark vereinfacht betrachtet handelt es sich
bei Audiosignalen um Sinussignale; sobald Clipping
auftritt, kann der entsprechende Verstärker nicht
mehr genug Spannung bereitstellen, und die an sich
runden Signalspitzen werden einfach abgeschnitten
– an Stelle eines Signalbogens entsteht eine Art
Plateau, wie Sie es in der Grafik auf der nächsten
Seite sehen können. Deutlich hörbar ist Clipping
durch die bekannten, hart klingenden Verzerrungen.
Besonders fatal dabei – Clipping klingt nicht nur
schlecht, es birgt auch Gefahren für das Equipment,
z.B. die drastische Überhitzung von Endstufen oder
die Beschädigung von Treibern.
Überall dort, wo Signale elektrisch verstärkt oder
erzeugt werden, lauern Über- oder Untersteuerung.
Bereits eine Mikrofonkapsel kann übersteuert wer-
den; ein Mikrofon mit unzureichender Pegelfestigkeit
verzerrt schnell beim Einsatz für die Abnahme von
Bläsern, dem Schlagzeug oder gar schon bei einer
echten Rockröhre. Dabei fällt auf, dass unser Gehör
sehr selektiv vorgeht: Bei kurzen, perkussiven Signa-
len toleriert das Ohr weit höhere Verzerrungen als
bei flächigen Sounds; ein verzerrter Bassbereich
wird in der Regel eher toleriert als clippende Mitten
oder Höhen. Während Ersteres einfach unschön
klingt, können zerrende Mitten durchaus als unan-
genehm bis schmerzend empfunden werden. Ander-
erseits verbirgt sich hinter diesen unangenehmen
Wahrnehmungen ein Vorteil, den Sie im Mix ge-
schickt ausnutzen können.
Strategie für eine
gelungene gain-Struktur
Um in einer komplexen Signalkette den Überblick
zu behalten, bedarf es eines wohl durchdachten
Vorgehens. Machen Sie sich zunächst mit den
Möglichkeiten vertraut, die Ihre Geräte zur Anzeige
der Pegel bieten – meist in Form von einzelnen
LEDs, Gruppen oder kompletten Balkenanzeigen.
Immer häufiger zu sehen und durch den Vintage-
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Signal
probleme
Ein „sauberes“ Sinussignal
Nutzsignal, gut ausgesteu-
ert, geringer Rauschanteil
Zu hoch ausgesteuertes
Signal; Clipping an den
abgeschnittenen Signal-
spitzen zu erkennen
Zu gering ausgesteuertes
Signal; Rauschen (rot) fast
so laut wie das Nutzsignal
Boom der letzten Zeit wieder in Mode gekommen
sind auch Zeigerinstrumente. Deutlich moderner sind
dagegen hintergrundbeleuchtete LCDs oder gar
TFTs, wie sie zur Anzeige in modernen Digitalkonsolen
verwendet werden.
Allen gemein ist die Grundfunktion, nämlich die
Anzeige der Pegel; unterschiedlich ist womöglich
die Kalibrierung oder die Anzeigeart. Entsprechend
steht eine aufleuchtende LED am oberen Skalenrand
nicht unbedingt gleich für hörbare Verzerrungen, vie
le Geräte verfügen selbst bei aktiven ClippingLEDs
noch über gewisse Reserven. Loten Sie also mit Ge
duld und spitzem Gehör aus, wann bestimmte
Geräte in Ihrer Signalkette an „ihrem Ende“ ange
kommen sind. Träge Zeigerinstrumente mögen noch
im grünen Bereich erscheinen, können aber keine
schnellen Peaks anzeigen, die bereits die Elektronik
überfordern. Hier ist also etwas konventionellere
Aussteuerung angebracht. Bei hochsensiblen Leucht
anzeigen wiederum versteckt sich meist deutlich
mehr Reserve im Gerät, als die Anzeige vermuten
lässt. Keinesfalls vergessen sollten Sie auch die
Geräte, die dem ersten Eindruck nach nicht direkt
betroffen sind – ein Effektgerät im AuxWeg zum
Beispiel oder der Kompressor im KanalInsert. Auch
solche Komponenten können deutlich hörbar zu
Verzerrungen beitragen.
Ebenso spannend ist die Frage, an welcher Stelle
eines Geräts die Pegelanzeige sitzt. Insbesondere
bei Mischpulten wird der Pegel meist gleich an mehr
eren Stellen abgefragt, die Anzeige jedoch erfolgt
nur über eine ClippLED im Kanal. Ist also bereits
der Eingang übersteuert oder erzeugt die Klangrege
lung eine übermäßige Verstärkung? Oder ist die
Schuld womöglich beim externen Kompressor zu
suchen? Analog dazu signalisiert Ihnen womöglich
ein externer Equalizer ein übersteuertes Signal, gibt
aber keinen Aufschluss darüber, ob das Problem am
Ein oder am Ausgang besteht. Tritt also ein hörbares
Übersteuern auf oder signalisiert die Anzeige eine
Übersteuerung, hilft nur geplantes Handeln, hekti
sches Drehen an den Reglern verschlimmert meist
nur die Symptome.
Soweit Sie ein Mikrofon oder ein Instrument selbst
als Fehlerquelle ausschließen können, kontrollieren
Sie zunächst den GainRegler und den gewählten
Eingang. Steckt womöglich der Ausgang des Key
boards im Mikrofoneingang? Ist – falls nötig – das Pad
(Dämpfungsglied) aktiv? Erst wenn hier keine Fehler
zu finden sind, sollten Sie eventuelle Peripherie im
Signalweg und dann die Klangregelung überprüfen.
Übertriebene Anhebungen in einem Frequenzband
können durchaus die Ursache für Übersteuerungen
sein, genauso gut wie ein übertrieben hoch gewählter
Gain am Kanaleingang. Der Kopfhörer, in Verbindung
mit der PFLFunktion des Mischpults, ist hier das
Mittel der Wahl, um der Ursache für Verzerrungen
auf die Spur zu kommen.
Auch wenn Sie im Kanalzug selbst keine Fehler
feststellen, kann das Signal im weiteren Verlauf bis
zu den Lautsprechern noch mehrmals pegeltechni
schen Schaden nehmen. Subgruppen und Ausgangs
kanäle des Mischpults sind ebenso Fehlerquellen
wie nachgeschaltete Limiter, Equalizer oder Prozes
soren. Letztlich natürlich auch der Verstärker der
Aktivbox oder die Endstufe ihres Beschallungssys
tems. Versuchen Sie also auch hier, penibel genau
die Grenzen auszuloten und einzuhalten. Leider ist
man in diesem Fall zumeist auf eine optische An
zeige oder das eigene Gehör angewiesen.
Stellschrauben bei Pegelproblemen
•
Richtigen Eingang gewählt? Line- und Mic-Eingang unterscheiden
sich erheblich im Arbeitspegel
Zu schwache Pegel
erzeugen Rauschen
Zu hohe Pegel sind ein Problem, das zweite sind zu
schwache Signale, die in der Folge einen untolerier
baren Rauschteppich erzeugen. Um es anschaulich
zu machen: Genau wie das eigentliche Signal selbst,
verstärken Sie auch bei jedem nachfolgenden Schritt
den Rauschteppich mit. Ein bereits am Eingang zu
schwach ausgesteuertes Signal nimmt also bis zum
Ende der Signalkette eine ganz beachtliche Rausch
fahne mit. Arbeiten Sie deshalb von Anfang an mit
den richtigen Gains und halten Sie den Signalpegel
soweit möglich auf einem hohen Niveau. Plötzliche
Extremeinstellungen an einer Funktionsgruppe, bei
der ein Signal vergleichsweise massiv angehoben
werden muss, sind fast immer ein untrügliches Zei
chen dafür, dass in der Funktionsgruppe davor der
Pegel zu gering ist. Besonders anfällig dafür sind
Effektwege, die dummerweise auch gerne von Natur
aus etwas mehr rauschen, oder Kompressoren, bei
denen nach erfolgter Signalbearbeitung dem kompri
mierten Signal nicht noch ein bisschen auf die Sprün
ge geholfen wird. Tückisch dabei: Es gibt keinerlei
verlässliche Anzeige für zu geringe Pegel, lediglich
tw
das Resultat ist sehr deutlich zu hören.
tastenwelt 4/2009
•
Gain richtig eingestellt? Bei massiv zu hohen Eingangspegeln hilft der
zuschaltbare Pegeldämpfer (Pad).
•
Extreme Einstellungen an der Klangregelung können ebenfalls
Clipping hervorrufen. Faustregel: Besser absenken als anheben und
später den Gesamtpegel nachregeln.
•
Nicht direkt im Kanal zu hören, dafür aber in der Summe: Ein über-
steuerter Effektweg sorgt im Mix für Clipping. Verfügt Ihr Mischpult
über eine AFL-Abhörmöglichkeit, so nutzen Sie diese.
•
Zu hohe Pegel am Kanalfader übersteuern die Summe. Regeln Sie im
Bereich um 0 dB. Damit ist nicht nur der Mix übersichtlicher, sondern
auch die Signalqualität höher.
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