Equipment guide Kopfhoerer
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EQUIPMENT-GUIDE
Kopfhörer
© PPVMEDIEN 2009
Reine
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SORTIMENTE VERSTEHEN UND NUTZEN
Kopfsache
S O W Ä H LT I H R D E N R I C H T I G E N K O P F H Ö R E R A U S .
Geschlossen, offen oder quasi salomonisch halboffen?
Hoch- oder doch lieber niederohmig? Damit ihr beim
Kauf eines Kopfhörers die beste Wahl für eure Zwecke
trefft, liefern wir euch die wichtigen Fakten. Mit
Fachwissen in Sachen Bauform, Wandlerprinzip und
Impedanz geht ihr bestens vorbereitet zum Fachhändler.
Recording Markt 2009
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Er ist nicht gerade der Star unter den Audiotools: Der
Kopfhörer zählt zum eher unscheinbaren und inso-
fern weniger beachteten Recording-Equipment. Einen
Fehler begeht man aber, hält man ihn für relativ be-
deutungsloses Zubehör und greift daher beim
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Händler schlicht zum erstbesten Modell. Schließlich
will man auch im Fall von Kopfhörern keinen Fehlkauf
riskieren. Und so sind nicht unbedingt weniger
Faktoren als bei der Anschaffung von zum Beispiel
Studiomonitoren zu beachten.
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Kopfhörer
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Wie immer, wenn es an den
Kauf von Equipment geht, gilt
es zunächst, sich Gedanken
über das in Frage kommende
Anwendungsgebiet zu ma-
chen.
Soll der Kopfhörer vor
allem im Rahmen von Laptop­
Produktionen zum Einsatz kom­
men, also etwa als Alternative zu regulären
Monitoren genutzt werden? Oder benötigt
man schlicht noch eine Monitoring­Möglichkeit
für die Drumbooth? Sind Fragen wie diese ge­
klärt, können die Spezifikationen der angebote­
nen Kopfhörer besser eingeordnet und so bereits
eine erste Auswahl getroffen werden – die sich
dann beim Händler vor Ort entsprechend probe­
hören lässt.
Geschlossener, dynamischer
Stereokopf hörer: der
Sennheiser HD 280 Silver.
Muschelkopfhörer zum Einsatz.
Zwei
verschiedene
Klassen
werden angeboten: supra­aurale
und circum­aurale Kopfhörer. Wobei
Ersteres schlicht „über den Ohren auflie­
gend“ und Letzteres „die Ohren umschließend“
meint. Die Rede ist diesbezüglich meist von of­
fenen oder geschlossenen Modellen. Ein offener
Kopfhörer lässt Schall in beiden Richtungen
durch die Hörerschale passieren. Es gelangen
demnach sowohl Umgebungsgeräusche ins
Innere des Kopfhörers – und also an die Ohren
des Anwenders – als auch der durch das Gerät
reproduzierte Schall nach außen.
Offene
Kopfhörer
bringen
folgenden
Die Bauform:
Offen oder geschlossen?
Der K 702 von AKG ist in offener Bau-
weise konstruiert und wird mit individuell
angepaßten Ohrpolstern ausgeliefert.
Grob können Kopfhörer zunächst nach ihrer
Bauform unterschieden werden. In Studios
kommen in den allermeisten Fällen so genannte
Nachteil mit sich:
Trägt man sie als Musiker etwa
in Recording­Situationen, so lassen sie eventuell
Störschall bis ans Aufnahmemikrofon passieren
Experte im Gespräch:
Peter Grooff
Peter Grooff, Produkt-
Manager für den Bereich
Kopfhörer bei beyerdy-
namic, über die neue
Technologie Headzone
und mehr.
RecMag: Zunächst ein wenig Begriffs-
klärung: Als interessierter Kunde begegnet
man immer wieder dem Kürzel HRTF. Was
ist hierunter zu verstehen?
Peter Grooff:
HRTF steht für die so genannte
„Head Related Transfer Function“, zu Deutsch:
Kopfhörerübertragungsfunktion. Der beim
natürlichen binauralen Hören – also dem
Hören ohne Kopfhörer – bestehende Einfluss
aus Übersprechen und Zeitverzögerungen
zwischen den Signalen an beiden Ohren
ist enorm. Als weitere Einflüsse kommen
Abschattungen von Kopf, Nase, Ohrmuscheln
und so weiter hinzu. Diese individuellen
Gegebenheiten jeder Person beschreibt die
Kopfhörerübertragungsfunktion, oder eben:
HRTF. Da Kopfhörer derzeit nicht für jeden
Nutzer individuell entwickelt und angepasst
werden, müssen sich die Hersteller an gene­
ralisierten Kopfübertragungsfunktionen orien­
tieren, um eine für möglichst viele Personen
natürliche Wiedergabe zu erreichen.
RecMag: Wie geht beyerdynamic dies-
bezüglich vor?
Grooff:
Wir haben hierfür Headzone ent­
wickelt: ein allein stehendes System, das
ein 5.1­Lautsprechersystem über einen
Stereokopfhörer simuliert – mithilfe der oben
genannten generalisierten HRTF. Maximal
kommen sechs Kanäle als Eingangssignal
zum Einsatz, was durch ein DSP beeinflusst
beziehungsweise verändert wird. Der Kunde
bekommt so mittels eines Stereokopfhörers
den Eindruck, ein 5.1­Lautsprechersystem zu
hören. Dazu kommt, dass das System über
einen Headtracker verfügt. Dieser sorgt da­
für, dass – genauso wie beim Hören eines
5.1­Lautsprechersystems – der Kunde sei­
nen Kopf drehen kann, ohne dass sich das
Klangbild mitdreht. Das ist realisierbar, weil
der HRTF über volle 360 Grad (in 5­Grad­
Schritten) gemessen wurde, was ebenso die
Möglichkeit bietet, die virtuellen Lautsprecher
beliebig mit der Headzone­Software zu plat­
zieren. Über weitere Einstellungsmöglichkei­
ten wie Lautsprecherabstand, Raumgröße und
Hallanteile kann der Kunde das System mittels
der Software weiter personalisieren.
RecMag: Die Interessen von Käufer und
Verkäufer decken sich nicht immer. Bei
welchen Lobpreisungen bezüglich der
technischen Vorzüge eines Kopfhörers gilt
es, unbeeindruckt zu bleiben?
Grooff:
Generell: Man soll sich nicht durch
komplizierte, technische Ausdrücke beein­
drucken lassen. Was letztendlich zählt, sind
der Klang und der Komfort des Kopfhörers,
und das muss man einfach ausprobieren.
Ein Verkäufer kann einen Kopfhörer in den
Himmel preisen, aber wenn er dem Käufer
klanglich nicht gefällt, sollte er ihn einfach nicht
kaufen. Der Käufer muss sich auch nach zum
Beispiel drei Jahren noch über das Produkt
freuen können und genau wissen, warum er
den Kopfhörer gekauft hat.
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Recording Markt 2009
Fotos: Wilschewski, Hersteller
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– das Kopfhörersignal wird also mit aufgenom­
men. Auch ist es nicht unbedingt empfehlens­
wert, zu einem offenen Modell zu greifen, wenn
in relativ lauter Umgebung abgehört werden
soll. Aufgrund der Konstruktionsweise offener
Kopfhörer würde zu viel Störschall an das Ohr
des Anwenders gelangen. Konzentriertes und
somit effektives Abhören wäre nur noch be­
dingt möglich. Als klarer Vorteil von offenen
Kopfhörern erweist sich allerdings der Umstand,
dass der Anwender sich beim Tragen entspre­
chender Modelle normalerweise weniger von
seiner Umwelt abgeschnitten fühlt. Eben weil
auch Umgebungsschall ans Ohr des Nutzers
dringt. Die Abhörsituation gestaltet sich insofern
Beim Händler werdet
ihr eine Vielzahl von
Kopfhörern antreffen
– probiert sie aus!
Neben Tragekomfort
und linearer
Wiedergabe solltet
ihr darauf achten,
dass euch der Klang
des Kopfhörers auch
wirklich gefällt.
Im Studio hat sich das dynamische
Wandlerprinzip durchgesetzt.
natürlicher. Vor allem Musiker empfinden daher
gerade längere Arbeitsphasen als angenehmer,
wenn offene Modelle Verwendung finden.
Mit
geschlossenen
Kopfhörern
kann
schallundurchlässig gestaltet. Außerdem kom­
men häufig speziell angefertigte geschlossene
Ohrpolster zum Einsatz. Man fühlt sich mit
derartigen Modellen aber eben auch oft un­
angenehm von seiner Umwelt abgeschnitten.
Darüber hinaus können beim Einsatz geschlos­
sener Kopfhörer die Ohren des Anwenders auch
schon mal wortwörtlich heiß laufen – geschlos­
sene Kopfhörer sind meist kaum luftdurchlässig.
Insofern ist es unter anderem ratsam, auf das
verwendete Material der Ohrpolster zu achten:
Wer viel schwitzt (Drummer aufgehorcht!) sollte
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hingegen das oben beschriebene Auftreten
von Störschall verringert werden.
häuse der Hörmuscheln ist hier möglichst
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Kopfhörer
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sich womöglich für Velourspolster entscheiden,
denn diese sind in der Lage, Schweiß aufzu­
nehmen, im Gegensatz etwa zu so genannten
Softskin­Polstern aus Kunstleder.
obwohl sie in der Audiowiedergabe aufgrund
ihres Bauprinzips eigentlich für eine präzisere
Abbildung prädestiniert sind. Vielen dürfte das
Prinzip der dynamischen Wandlung auch von
so genannten Tauchspulen­Mikrofonen bekannt
sein. Beim Kopfhörer erfolgt sie nur in genau ent­
gegengesetzter Richtung. Es wird ein akustisches
in ein elektronisches Signal gewandelt. Beim
dynamischen Kopfhörer bewegt sich eine an
der Membran des Kopfhörers befestigte so ge­
nannte Tauchspule in einem Magnetfeld analog
zum elektrischen Signal. Die Tauchspule bewegt
die Membran, diese überträgt entsprechend
die Welle an das Medium Luft. Elektrostatische
Kopfhörer dagegen arbeiten nach dem selben
Wandlerprinzip wie Kondensatormikrofone, nur
eben auch in umgekehrter Richtung.
Wandlerprinzip
Wie ein herkömmlicher Lautsprecher wandelt
auch der Kopfhörer ein elektrisches Signal in ein
Impedanz
Ein
entscheidender
Faktor
bei
der
Wahl
des passenden Kopfhörers ist die jeweilige
Impedanz: Unter dem Begriff Impedanz wird
der
Wechselstromwiderstand
verstanden,
den die Tauchspule (oder auch engl.: Voice
Coil) des Kopfhörer­Wandlers dem Ausgang
des Kopfhörer­Amps entgegensetzt. Eine
Impedanz von 0 Ohm stellt einen Kurzschluss
des Kopfhörerausgangs dar, wobei dieser so viel
Strom liefert, dass er sich entweder abschaltet
oder gänzlich das Zeitliche segnet. Bei unendlich
hoher Impedanz fließt hingegen gar kein Strom.
Während Lautsprecher mit Impedanzen von vier
bis acht Ohm arbeiten, sind bei Kopfhörern Werte
zwischen 16 und 600 Ohm die Regel. Warum
aber sind überhaupt unterschiedliche Produkte
mit unterschiedlichen Impedanzen erhältlich?
Hierzu meint Peter Grooff, Produktmanager
für den Bereich Kopfhörer bei Beyerdynamic:
„Generell ist es so, dass Kopfhörer oftmals für
den Anschluss an tragbare Geräte entwickelt
wurden, die intern meist mit einer relativ nied­
rigen Spannung aus Batterien oder Akkus arbei­
ten. Diese Betriebsspannung begrenzt gleich­
zeitig die maximale Ausgangsspannung am
Kopfhörerausgang. Ein niederohmiger Kopfhörer
kann nun an einer niedrigen Ausgangsspannung
eventuell lauter betrieben werden.“
Bei der Schlagzeugaufnahme erwartet man
vom Kopfhörer natürlich auch, dass er
möglichst dicht gegen Schall von außen ist.
akustisches. Sprich: Er versetzt ein Luftvolumen
in Bewegung, wodurch ein Schallwechseldruck
übertragen und das Signal schließlich hörbar
wird. Im Studiobetrieb hat sich das so genannte
dynamische Wandlerprinzip durchgesetzt. Was
vor allem auf die Robustheit, den unkompli­
zierten Einsatz sowie die vergleichbar günstige
Produktion entsprechender Geräte zurückzu­
führen sein dürfte. Elektrostatische Kopfhörer
finden sich in professionellen Studios kaum,
Beyerdynamic Headzone Pro ermöglicht
5.1-Monitoring unabhängig von der
Kopfhaltung. Das System mißt Position
und Ausrichtung des Kopfhörers per
Ultraschall und paßt die Wiedergabe an.
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Und wieso bieten die Hersteller dann nicht
ausschließlich niederohmige Kopfhörer an?
„Die Impedanzbestimmende Schwingspule
besteht aus aufgewickeltem Kupferdraht“, er­
Variante üblicherweise neutraler. Je nach dem
verwendetem Kopfhörerverstärker können sie
aber eventuell ein wenig leiser sein.“ Das heißt
auch: Man wird je nach Anwendungsgebiet auf
Kopfhörer mit unterschied­
lichen Ohmwerten zurück­
greifen. Instrumentalisten be­
vorzugen etwa während des
Einspielens „lautere“, also:
„Tontechniker mögen aber zum Beispiel“, sagt
Grooff, „wenn sie einen geschlossenen Hörer
nutzen, eher die präzisere 250 Ohm Version“.
Kurz: Nur wer sich vorab über das Einsatzge­
biet des zu erstehenden Kopfhörers Gedanken
macht, greift beim Händler sicher zum für ihn
geeigneten Equipment.
.
Der Autor
Florian
Zapf
Freier Journalist und ausge­
bildeter Tontechniker
Bei unendlich hoher Impedanz
fließt gar kein Strom mehr.
läutert Grooff. „Der ist auf dem weltweiten
Drahtmarkt zwar in nahezu jeder gewünsch­
ten Länge, nicht aber in jeder Dicke erhältlich.“
Dünnerer Draht, so Grooff, hat einen hö­
heren Widerstand als dickerer, es passe
„halt weniger durch“. Das Magnetfeld, das
eine Spule beim Anlegen des Audiosignals
erzeugen soll, ist unter anderem von der
Anzahl der Windungen abhängig. „Das
führt dazu, dass für ein niederohmiges
Wandlersystem relativ dicker – und damit
auch schwerer – Draht notwendig ist. Da
auch die eigentliche Membranfolie nicht
unendlich leicht sein kann, ist die bewegte
Masse relativ hoch.“ Eine größere Masse
folgt jedoch einem Audiosignal weniger
präzise als eine kleinere. Dünnerer Draht
– man denkt es sich bereits – bietet jedoch
diese geringere Masse und bildet daher ein
Audiosignal theoretisch genauer ab. Durch
dünneren Draht wird jedoch auch die
Tauchspule hochohmiger. Grooff weist auf
die klanglichen Folgen hin: „Das heißt, an­
sonsten baugleiche Kopfhörer – wie etwa
die beiden Versionen des Beyerdynamic
DT 770 PRO – klingen in der hochohmigen
niederohmige, Varianten. In
dieser Situation spielt schließlich eine klanglich
optimale Wiedergabe nicht unbedingt die größ­
te Rolle, oft aber ein möglichst hoher Pegel.
recmag
Zur Anprobe bitte!
Angaben über Bauform,
Wandlerprinzip und Impedanz
sagen bereits viel über den in
Frage kommenden Kopfhörer aus.
Keinesfalls unterbewerten sollte man
allerdings Faktoren wie etwa den
Sitzkomfort. Auch wenn beispielswei-
se Herstellerangaben zu Andrückkraft
und Gewicht eine erste Orientierung
bieten können: Ob das gewünsch-
te Modell wirklich dem eigenen
Geschmack entspricht, lässt sich letzt-
lich nur durch die Anprobe vor Ort
beim Händler herausfinden.
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