Instruments Gitarren doppeln
recording
INSTRUMENTS
Gitarren doppeln
© PPVMEDIEN 2008
Doppelt gespielt
G U T E R G I TA R R E N - S O U N D I S T D E R A N FA N G V O N V I E L E M
KLANGDICHTE DURCH MEHRFACH-AUFNAHMEN
Da tönt sie aus den Boxen, die
Oberhammer-Breitseite. Ja, so soll eine
Gitarre klingen! Aber Vorsicht, bist du
sicher, dass du hier wirklich nur eine
Fotos und Montage: R.Wilschewski
hörst? Denn in den allermeisten Fällen
wird im Studio gedoppelt und wie das
richtig funktioniert zeigen wir hier.
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klingt fetter
Bei professionellen Studioproduktionen auf
hohem Level habt ihr euch vielleicht auch
schon einmal über die Unzahl an Signalen
gewundert, die dort oft verarbeitet werden.
Mischungen mit 64 und wenn es ganz dicke
kommt auch noch viel mehr Spuren kön-
nen Furcht erregend wirken. Bei näherem
Hinsehen, oder besser noch Hinhören, wird
aber schnell klar, wie es zu einem solchen
Wust von Geräuschen kommt, denn hier
wurde so einiges doppelt und dreifach aufge-
nommen. Bei Gesängen, Gitarren, Streichern
und anderem Gezirpe ist das gang und gäbe
und in den bunten Siebzigern wurden bei
Disco-Produktionen auch gern mal ganze
Drum-Tracks gedoppelt, um den typischen
Stampf-Beat zu bekommen.
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Klären wir zunächst, warum doppeln ei-
gentlich Sinn macht. An dieser Stelle könnte
die Frage auftauchen: Kann man nicht ein-
fach das Signal kopieren und dann Kopie
und Original im Stereobild nach rechts und
links legen? Die Antwort: Leider nein, so
schön einfach es wäre. Um das zu verste-
hen, müssen wir verdeutlichen, was genau
beim Doppeln von Gitarrenspuren geschieht.
Nehmen wir dazu mal die typische Achtel-
Rhythmusgitarre, am Steg mit der rechten
Hand abgedämpft, wie man sie aus tausen-
den Rocksongs kennt. Wenn man so eine
Spur nun kopiert und wie eben beschrie-
ben Original und Kopie auf rechts und links
dreht, hört man ein und dasselbe Signal, nur
aus zwei Richtungen. Das ist natürlich auch
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Gitarren doppeln
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nicht Stereo, sondern Mono, denn für echte
Stereophonie muss das Signal auf zumindest
zwei Kanälen, sprich mit zwei Mikrofonen aufge-
zeichnet werden. Spiele ich aber jetzt zu meiner
Originalspur noch einmal mal brav die gleichen
Achtel auf eine weitere Spur, passiert Folgendes:
Selbst wenn mein Timing unbeirrbar sicher ist,
so kommt es im Vergleich zur Originalspur doch
zu minimalen zeitlichen Verschiebungen bzw.
Überlagerungen des Anschlags. Diese liegen
zwar im Millisekunden-Bereich, sind aber hör-
bar, zumindest spürbar und werden vom Ohr als
„fetter klingend“ wahrgenommen. Dazu kommt
ein leichter Modulationseffekt, denn auch wenn
ich noch so feinfühlig wäre, so könnte ich doch
nicht genau bei jedem Anschlag die gleiche
Anschlagsstärke wie bei der ersten Spur repro-
duzieren. Was wiederum zur Folge hat, dass die
Saiten ab und an minimal
anders intonieren. Wer das
nicht glaubt, der nehme
feststellen, dass die Saite bei extrem hartem
Anschlag, also bei Erreichen ihrer maximalen
Schwingungsamplitude, leicht zu hoch intoniert.
Bei sehr weichem Anschlag liegt sie auch mal
leicht unter der eigentlich richtigen Tonhöhe.
Bei tieferer Stimmung und dadurch niedrigerer
Saitenspannung wird sich dieser Effekt noch
deutlich verstärken, doch dazu später mehr.
Bleiben diese leichten Verzögerungen und
Verstimmungen im Rahmen (einem sehr en-
gen, wohlgemerkt), so sind sie als Effekt
durchaus erwünscht.
Sie machen die Dopplung
erst zum echten „Verdickungsmittel“. Man erhält
dadurch nämlich einen natürlichen Chor-Effekt.
In einem Chor singen ja auch mehrere Soprane
oder Bässe dieselbe Stimme. Da dies nun aber
mehrere Menschen tun, kommt es auch hier
Der zweite Take hat immer anderen
Anschlag und andere Intonation.
zu minimalen zeitlichen Verzögerungen und
Intonationsschwankungen, die das Ganze aber
um so voller klingen lassen, da das Ohr nun
Für dynamische Singlecoil-Sounds mit
harmonischer Übersteuerung und klarer
Zeichnung: Tele oder Strat an einem AC 30.
sich jetzt ein möglichst ge-
naues Stimmgerät, stimme
seine Gitarre und spiele immer wieder den im-
mer gleichen Ton. Dabei sollte man nun mal die
Anschlagsstärke variieren und wird dann schnell
Stimmung! Das richtige
Gitarren-Tuning ist die Grundlage
Beim Doppeln spielt wie bereits
eingangs erwähnt die Intonation
eine wichtige Rolle. Daher sind na-
türlich das Setup und die saubere
Stimmung der jeweiligen Gitarre ein
Muss, andernfalls kommt es insbe-
sondere bei verzerrten Sounds zu
extrem fies klingenden Reibungen.
Da rollen sich dem Hörer förmlich
die Fußnägel auf. Deshalb beachte
man diese Checkliste:
1
Frische Saiten sind Pflicht!
Immer
wieder erscheinen Menschen in Studios
mit Saiten auf ihren Gitarren, welche die
Vermutung aufkommen lassen, das
Instrument sei über mehrere Wochen im
Freien gelagert worden. Rostige, ver-
dreckte Saiten erinnern nicht nur vom
Spielgefühle her an Stacheldraht, son-
dern intonieren auch nicht mehr sauber.
Außerdem reißen alte Drähte schneller.
Für das richtige Feeling hilft es beim
Doppeln sehr, wenn man seinen Part
schön aus einem Guss durchspielen
kann. Ärgerlich hingegen ist es, mitten in
einem guten Take abzubrechen und neue
Saiten aufzuziehen. Deshalb sollten vor
Aufnahmen neue Saiten aufgezogen und
für gute Stimmstabilität sorgfältig einge-
dehnt werden. Nylonsaiten auf
Konzertgitarren sollte man sogar ein bis
zwei Tage vorher einspielen. Bei E-
Gitarren sollte selbstverständlich nach
dem Aufziehen frischer Saiten die Oktav-
und Bundreinheit überprüft und gegebe-
nenfalls korrigiert werden. Zu alledem
besorge man sich…
2
…ein
möglichst
genaues
kette. Bei billigen Stimmgeräten gibt es
durchaus Toleranzen in der Genauigkeit,
daher lieber ein paar Euro mehr investie-
ren. Am genauesten sind übrigens
Strobotuner wie z.B. von Peter son, die
aber ein ziemliches Loch in die Kasse rei-
ßen. Ist noch ein anderer Gitarrist mit von
der Partie, sollten beide Sechssaiter und
auch der Bassist nach Möglichkeit das
gleiche Stimmgerät benutzen.
3
Aufgepasst bei tiefen Tunings.
Bei tiefen Stimmungen intoniert eine
Saite je nach Anschlag auch mal bis zu
einem Halbton zu hoch und eiert sich
dann im Ausklingen erst auf die richtige
Tonhöhe runter. Hier helfen dickere
Saiten. Für ein Drop D-Tuning gehen
.009er Saiten vielleicht so gerade noch,
doch auch da muss man den Anschlag
schon etwas zurücknehmen Mit einem
Satz .010 bis .052 intonieren Akkorde
schon deutlich straffer. Wer allerdings
ständig in Deftones-Manier im tiefsten
Frequenzkeller wildert, sollte zu noch di-
ckeren Drähten greifen. Dazu hat mittler-
weile jeder Saitenhersteller einen Low
Tune Satz im Programm. Bei tiefen
Tunings sollte man die Gitarre übrigens
immer auf den Impuls stimmen, d.h. die
Anzeige des Stimmgeräts sollte beim
Anschlag auf der richtigen Tonhöhe lan-
den. Wenn der Akkord dann im
Ausklingen ein kleines bisschen nach un-
ten sackt, kratzt das das menschliche Ohr
nur noch peripher
4
Spezial-Tunings.
Wollen bestimmte
Akkorde trotz frischer Saiten und guter
Einstellung des Instruments einfach nicht
sauber klingen, muss man für den betref-
fenden Part die Gitarre eben auf diese
bestimmte Lage stimmen. Die heute all-
gemein gültige temperierte Stimmung ist
eben nur ein sehr brauchbarer
Kompromiss, der uns ermöglicht in allen
12 Tonarten zu spielen, ist aber eben
nicht hundertprozentig rein. Dieser Tücke
kann man dann nur mit einer
Kompromiss-Stimmung
beikommen.
Live interessiert das keinen Menschen,
im Studio hört man es nun mal.
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Foto: Emskötter
Stimmgerät.
Wer schon viel Geld für
seine Gitarre, für den Amp und auch für
Aufnahmen oder Studio-Equipment aus-
gibt, sollte letztendlich am Stimmgerät
nicht sparen, denn merke: Die saubere
Stimmung steht am Anfang der Signal-
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Gitarren doppeln
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Gitarren-Amp
Mikrofonieren
Eine zentrale Weisheit des Doppelns von Gitar-
renspuren: Bei mehreren Mikrofone für dieselbe
Schallquelle müsst ihr die Phasenlage beachten!
Beim Einrichten von mehr als einem Mikrofon ist
Sorgfalt gefordert um Phasenauslöschungen zu ver-
meiden. Das Signal sollte unbedingt zeitgleich auf alle
Mikros treffen und daher gilt es, die Mikromembranen
in exakt den gleichen Abstand zum Speaker zu bringen.
Zuallererst muss man wissen wo im betreffenden
Mikro genau die Membran sitzt und zwar millimeterge-
nau. Sieht man sie nicht so gut wie bei z.B. beim SM 57
muss man schätzen. Dann heißt es:
1. Mit einem Zollstock die Abstände der Seitenwand
zum rechten und linken Speakerrand, sowie zur
Speakermitte bestimmen. Bei einer 4 x 12er:
Akkuschrauber raus, Rückwand ab und messen.
2. Die Maße mit Tape-Streifen auf die Frontseite
übertragen und die Mikros in die gleiche Position
vor dem Speaker bringen. Dabei hilft der Zollstock
den gleichen Abstand zur Stoffbespannung der Box
zu finden. Für angezerrte und High Gain-Sounds
orientiert man sich mit dem Mikro eher zum
Speaker-Rand, da man in der Speakermitte eine
unangenehme Überbetonung der Präsenzen erhält.
3. Feinjustierung mit den Ohren. Das klappt am
besten mit einem Helfer wie einem geduldigen
Bandkollegen, der mit entsprechendem Gehörschutz
ausgestattet die Mikros im Aufnahmeraum bis zur ei-
genen Zufriedenheit hin und her schiebt. Oder aber
man lässt den Kollegen spielen, gibt sich das Signal
im Aufnahmeraum auf einen Kopfhörer und wursch-
telt selbst bis es klingt. Dabei sollte man immer beide
Mikrospuren einzeln und dann wieder zusammen
hören, um zu vergleichen, ob etwas verloren geht.
4. Bei einer Kombination aus Nahabnahme und
Raummikrofon sollte man letzteres nicht direkt in
den Abstrahlkegel der Box richten. Besser ist es, das
Raummikro im Winkel von 90° zum Speakermikro
zu drehen. In den meisten Fällen greift man hier zu
einem Kondensatormikro. Hat man dann noch die
Möglichkeit einer umschaltbaren Richtcharakteristik,
sollte man es mal mit einer Kugel oder auch der Acht
versuchen. Diese Richtcharakteristiken kommen dem
Aufnahmeverhalten unserer Ohren am nächsten und
klingen daher für uns besonders natürlich.
mehrere unterschiedliche Stimmen orten kann,
die den gleichen Ton singen. Nun dürfte auch
klar werden woher der Chorus-Effekt seinen
Namen hat. Hier wird das eingehende Signal in
zwei Hälften gesplittet, eine Signalhälfte dann
leicht zeitverzögert und verstimmt und danach
der unbearbeiteten Signalhälfte wieder hinzu-
gemischt. Wer jetzt aber einfach seine kopierte
Spur nimmt, diese im Sequencer-Arrangement
um ein paar Millisekunden nach vorn oder hin-
ten zieht und noch ein bisschen Chorus drauf-
legt, ist aber immer noch auf dem Holzweg,
denn dabei entstehen Phasenprobleme. Stellen
wir uns unser Gitarrensignal mal stark ver-
einfacht als Sinuswelle vor. Legt man nun die
gleiche Welle leicht verschoben darüber, so er-
kennt man Stellen an denen sich das Wellen-
Hoch beider Wellen überlagert. Hier kommt es,
vereinfacht gesprochen, zu einer Verstärkung
dieser Signalanteile. In Bereichen, in denen
das Wellen-Hoch einer Welle auf das Wellen-
Tal der anderen fällt, kommt es
zur Ausdünnung des Signals.
Im ungünstigsten Fall, wenn
Es
empfiehlt es sich, mehrere Signale einer
Gitarrenstimme auf einen Bus zu legen.
Chorus- und Delay-Effekte
ersetzen keine Dopplung.
stehen zwar auch die oben beschriebenen
Zeitverschiebungs- und Chor-Effekte, aber eben
in natura und dadurch in völlig chaotischen, nie-
mals gleich wiederkehrenden Mustern. Daher
klingt es eben auch natürlich, wohingegen fest
eingestellte Chorus- und Delay-Effekte, die auf
Millisekunden genau nach gleichen Mustern
ablaufen, eben künstlich klingen. Manche
Produktion aus den effektverliebten Achtzigern,
als Gitarrenspuren vor Effekten nur so trieften,
könnte da als abschreckendes Beispiel dienen.
Also: Play it again, Sam! Man muss es einfach
öfter spielen. Und dabei tun sich viele unter-
schiedliche Wege auf. Zum besseren Überblick
kann man die Gitarrendoppelei auch in unter-
schiedliche Schulen einteilen.
die zweite Welle um eine halbe
Wellenlänge verschoben ist und
der Wellenhöhepunkt einer Welle genau über
dem Wellentiefpunkt der anderen Welle liegt,
kommt es zur totalen Phasenauslöschung: Es ist
kein Signal mehr zu hören.
Da unser Gitarrensignal aus einer Vielzahl
solcher Wellen besteht, ist die Problematik
hier auch gleich um ein vielfaches komple-
xer und die Effekte unter Umständen drama-
tisch.
Da können derlei Phasenschweinereien
regelrechte Schneisen ins Klangbild schlagen,
so dass von der satten Gitarrenwand am Ende
nur die sprichwörtliche wütende Wespe in der
Coladose bleibt. Auch alle Basteleien mit Delays
und Chorus-Effekten werden letztendlich nicht
zum wirklichen guten Resultat führen. Denn
bei einem richtigen Chor, oder Streichern, oder
beim Einspielen mehrerer Gitarrenspuren en-
Einer von vielen Bereichen, wo Gitarren
und ihre Doppelung für das Klangbild
enorm wichtig sind, ist der Metal.
Thrash-
Ikonen wie James Hetfield (Metallica), Dimebag
Darrell (Pantera), Scott Ian (Anthrax) und
Foto: Wilschewski; Grafik: KvG
Konsorten verfahren bei ihren Produktionen (für
Metallica gilt das zumindest für ihre Frühphase
einschließlich des schwarzen Albums) alle nach
dem gleichen Muster. Hier hört man in der Regel
drei Rhythmusgitarren: Eine links, eine rechts,
eine in der Mitte. Alle Spuren werden mit exakt
dem gleichen Setup aus Gitarre, Amp und Box
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arbeiten bzw. arbeiteten auch Zakk Wylde oder
der zu früh verstorbene Dimebag Darrell nach
dieser Methode. Die ebenfalls früh verschiedene
Metal-Legende Randy Rhoads doppelte so nicht
nur die Rhythmusgitarren, sondern spielte auch
schneiderten Gitarrensound zusammenmischen.
Dabei macht man sich die unterschiedlichen
Klangcharakteristiken der einzelnen Mikros zu-
nutze. Für einen typischen Vintage-Marshall-
Sound eignet sich bestens das gute alte Shure SM
57. Ein Studio-
standard, der
die typischen
Mit ten dieser
Randy Rhoads doppelte seine
Soli bis zu dreimal übereinander.
Soli bis zu dreimal übereinander. Angesichts der
darin exponierten Fingerakrobatik ist das eine
Meisterleistung in Sachen Präzision.
Man könnte jetzt vor den Speaker noch
ein zweites Mikro mit einer anderen Klang-
charakteristik stellen und damit eine wei-
tere Spur aufnehmen.
Wenn sich die Mikros gut
eingespielt, und auf allen Spuren werden ex-
akt die gleichen Riffs gespielt. Hier ist natürlich
äußerste Präzision gefordert, da möglichst alle
Parameter der zuvor eingespielten Spur genau
reproduziert werden sollten. Das geht mit dem
genauen Timing los, dem
Klang und der Intensität des
Anschlags, dem Abdämpfen
bestimmter Töne etc. Wenn
dann noch Slides, Hammer-
Ons, Pull-Offs, Bendings
oder gar Fingervibrato ins
Spiel kommen, wird es wirk-
lich knifflig. Gerade Bending
und Vibrato sind bei einem
Gitarristen sehr persönliche
Angelegenheiten, die sehr
vom eigenen Körpergefühl
abhängig sind und somit von
einem anderen Gitarristen
nur bedingt nachempfun-
den werden können. Daher
haben sich Metallicas James
Hetfield oder auch Scott Ian
von Anthrax dereinst zu einer
radikalen Lösung entschlos-
sen. Um das Maximum an
Präzision zu erreichen, wurden
sämtliche Rhythmusgitarren
stets nur von Hetfield bzw.
Scott Ian eingespielt. Die
Kollegen Kirk Hammett und
Dan Spitz betraten das Studio
nur zum Einspielen ihrer Soli.
Ist man alleiniger Gitarrist der
Band, gibt es da sowieso
keine Diskussionen und so
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Amps genau
so wiedergibt, wie man sie von vielen klassischen
Rock-Produktionen kennt. Das könnte man
dann schön mit einem Bändchenmikro, wie et-
wa dem Beyerdynamic M 160 kombinieren. Sie
geben durch ihren linearen Frequenzgang die
Schallquelle sehr natürlich wieder und machen
den Sound so auch etwas breitbandiger. Ihr ten-
denziell eher warmer Sound sorgt auch für mehr
Druck. Will man etwas tiefere Mitten, wäre ein
Sennheiser MD 421 eine gute Wahl, für einen
noch weicheren, impulsärmeren Sound auch das
MD 441. Dieses wird zum Beispiel von Brian May
sehr geschätzt.
ergänzen, beispielsweise eins für präsente Mitten,
ein anderes für den Schub von unten, vielleicht so-
gar noch ein drittes z.B. ein Großmembranmikro,
das für einen Tick mehr Brillanz sorgt, kann man
die Spuren im Mix zu einem großen, maßge-
recmag
1. Haltet das Signal beim Einspielen
knochentrocken, also kein Reverb,
Delay oder andere Schönfärber.
2. Legt zur Probe die bereits aufgenom-
mene Spur auf eine Seite, die nächste
auf die andere. Das hilft beim beurtei-
len der rhythmischen Präzision. Seid
selbstkritisch in Sachen Intonation und
Vibrato.
3. Finger weg vom EQ. Bei der Aufnah-
me sollte die Klangregelung am Pult
neutral eingestellt sein. Der EQ wird
hinterher im Mix benutzt um eventuell
nervige Frequenzen herauszufiltern.
Dazumischen kann man nichts, was
auf der Aufnahme nicht schon da ist.
4. Bei mehreren Mikrosignalen sollte
man immer kritisch die Phasenlage
beurteilen. Oft tut es auch ein Mikro.
5. Vorsicht mit dem Gain-Regler am
Amp. Beim Doppeln von Heavy-
Riffs ist hier weniger oft mehr. Die
Zeichnung der einzelnen Akkorde
bleibt deutlicher, der Attack klarer. Bei
zu hohem Gain erhält man gerade bei
bissigen High-Gain-Amps durch die
Überlagerungen der einzelnen Spuren
zu viel aggressive Obertöne.
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Gitarren doppeln
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Für ein richtig bissiges Heavy-Brett mit
ordentlich Low End sollte man die Kom-
bination aus einem Kondensator- und ei-
nem dynamischen Mikro ausprobieren.
Als
Kondensatormikro könnten diverse Kleinmem-
braner, aber auch Großmembranmikros wie etwa
ein Neumann TLM 103 in Frage kommen, nur
ordentlich Schalldruck müssen sie vertragen. Als
dynamisches Mikro wäre z.B. ein Shure SM 7
oder ein ElectroVoice RE 20 einen Versuch wert.
Letzteres gilt als absoluter Tipp für Attack von
unten. Mit gezieltem Einsatz eines Kompressors
lassen sich nun bestimmte Signalanteile der
einzelnen Mikros hervorheben. So
kann man unter Umständen sogar
auf Nachbearbeitung mit dem EQ
verzichten.
Bringt man darüber hinaus
andere Gitarrentypen und damit
auch andere Pickups ins Spiel,
lässt sich noch mehr machen,
wie es die folgenden Herren
tun.
Einen sehr minimalistischsten
Ansatz verfolgt Tom Morello. Er
vertraut seit Jahr zehnten dem
immer gleichen Marshall 50 Watt
JCM 800-Topteil mit einer Peavey
4x12"-Box. Was Pickups angeht ist
Gut für High Gain: Ibanez über Peavey 5150. Die
Kombi aus Kondensator- und dynamischem Mikro
sorgt für sattes Low End und brilliante Obertöne.
Tom ein Singlecoil-Fan, denn viele
seiner groovigen Heavy-Riffs sind
auf dem Hals-Pickup von Fender-
Gitarren gespielt. Dazu nimmt er
gern die Stratocaster aber auch immer wieder
eine Telecaster zur Hand. Ein Sound
wie man ihn auch von Hendrix oder
Steve Ray Vaughan kennt. Soll es
noch fetter rocken, doppelt er das
auch schon mal mit dem Bridge
Pickup einer Les Paul. Hörtipp:
Audioslave – Revelation.
Auch Brian May vertraut den im-
mer gleichen Amps, nämlich dem
Vox AC 30 und dem legendären
Deacy-Amp.
Dies ist eine kleine
Transistorkiste, die Bass-Kollege John
Deacon einst für ihn bastelte. Eine
Kopie dieses Geräts gibt es von Vox
als Brian May Amp. Allerdings spielt
So werden gedoppelt einge-
spielte Gitarrenspuren in der
Waveform-Darstellung sichtbar:
Hier mit ordentlich Gain…
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inklusive
Out-of-phase-Schaltung
nutzbar
macht. Die Klangvielfalt, die daraus entsteht
kann man auf allen Queen-Platten hören. Wenn
man nun noch die Vielfalt unterschiedlicher
Pickups mit bestimmten Amps kombiniert
wird die Spielwiese riesig. Hier könnte als klas-
sisches Hörbeispiel Jimmy Page dienen, der bei
Aufnahmen stets mit verschiedenen Amps und
Gitarren arbeitet. Zu derlei Sound-Experimenten
kann man hier natürlich nur ein paar allgemeine
Beschreibungen liefern, die immer von Fall zu
Fall ausprobiert und nach eigenem Geschmack
eingesetzt werden sollten.
…und hier eine clean eingespielte
Aufnahme. Die jeweiligen Attacks kommen
im Timing aber eben nicht exakt gleich.
Für warme, fette Mitten gibt es eigent-
lich nichts besseres als die Kombination
aus Humbucker und Vintage-Marshall.
Das
ist der klassische Rocksound. Eine etwas an-
dere Textur bei gleichem Mitten-Punch liefert
der klassische Marshall oder auch ein Fender
Bassman in Kombination mit P-90 Pickups.
Fotos: Wilschewski, Emskötter; Grafiken: Emskötter
Dieser Sound ist auf der letzten Green Day-
Scheibe „American Idiot“ zu hören. Darf es hef-
tiger sein, greife man zu Gain-Boliden von Mesa,
Engl oder Peavey. Hier bekommt man schär-
fere Höhen und mächtig Low End. Auch wenn
es vielleicht komisch klingt, sollte man gerade
beim Doppeln von harten Riffs auch mal eine
Gitarre zur Hand nehmen, die eigentlich nicht
so mit Metal assoziiert wird, wie beispielsweise
ein Tele. Bei hartem Anschlag liefert die gerade
unten herum richtig Schub. Auch Baritongitarren
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er beim Einspielen seiner manch-
mal geradezu orchestralen Gitarrenwände viel
mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der
Pickup-Schaltung seiner Red Special, die die drei
Singlecoils in allen erdenklichen Kombinationen
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von Gretsch oder Danelectro, die sonst eher im
Surf- oder Rockabilly-Sound angesiedelt werden,
sind hier ein echter Tipp. Bei tiefen Stimmungen
und viel Gain kann schnell etwas Zeichnung
im Klangbild verloren gehen, die man sich mit
dem cleaneren Sound eines Lipstick-Pickups
wiederholen kann. Für besonders dynamische,
angezerrte Sounds mit weicher Übersteuerung
ist die Kombi aus Tele oder Strat mit einem Vox
AC 30 oder einem vergleichbaren Class A-Amp
sollten natürlich Fender- oder auch ältere Music
Man-Amps nicht unerwähnt bleiben, die vom
bissigen Funk bis zum Country-Twang feinste
Ergebnisse liefern.
Gerade die Kombination beider Extreme,
also High-Gain-Zerre und Cleansound, kann
beim Doppeln besonders reizvoll sein, um
dem Sound mehr Räumlichkeit zu geben.
So etwas hört man zum Beispiel bei Steve
Morse, der oft Läufe
und Akkordzerlegungen
mit einem Cleansound
tun. Etwas, das wie eine Gitarre klingt, kann al-
so aus fünf, sechs oder auch mal zehn Spuren
zusammengemischt sein. Wer nun nicht über
eine riesige Auswahl an Amps verfügt, sollte
auch ruhig mal mit digitalen Simulationen
wie Amplitube oder Guitar Rig herumpro-
bieren, da hier unterschiedlichste Amp- und
Mikrofon-Charaktere im Angebot sind. Das
so etwas klanglich durchaus professionellen
Standard erreichen kann zeigt Farin Urlaubs
Album „Am Ende der Sonne“, wo alle Gitarren
komplett mit PlugIns eingespielt worden sind.
Viel Spaß!
Zu viel Gain kann dem Klangbild
auch die Zeichnung nehmen.
unschlagbar. Man höre sich mal dazu die alten
Aufnahmen von Rory Gallagher an. Aber auch
auf „Echoes, Silence, Patience and Grace“ von
den Foo Fighters ist die Tele mit dem AC 30
kombiniert mit Gibsons über Mesa-Rectifier zu
hören. Auch für unverzerrte Klänge ist der alte AC
30 Dave Grohls Favorit. In Sachen Cleansounds
unterlegt. Dazu ist üb-
rigens oft ein direkt ins
Pult gespieltes DI-Signal die erste Wahl. Aber
auch bei Nu Metal-Produktionen ist das ge-
bräuchlich. Man höre dazu mal Korn‘s „Freak
On A Leash“, insbesondere den Chorus. Hier
gibt die Clean-Gitarre mit Chorus der Sache
erst die richtige Weite. Auch die Hinzunahme
von Akustikgitarrenspuren kann hier Wunder
Der Autor
Uli
Emskötter
Gitarrist, Workshop- und Fachbuchautor
(Band Book Bd. 1 & 2) ist unter
anderem auf den Playalongs der
DrumHeads!!-CD zu hören.
Akustische Gitarren-
Tracks können auch
hervorragend
benutzt werden
um High-Gain-
Spuren auf-
zupeppen.
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