Instruments Schlagzeugprogrammierung
recording
INSTRUMENTS
© PPVMEDIEN 2007
Schlagzeugprogrammierung
mit Filter!
W I E I H R A M C L E V E R S T E N D R U M L O O P S F I LT E R T U N D A R R A N G I E R T
Aber bitte
FILTERLOOPS – NEUE FARBE FÜR DEN SONG
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Fotos und Montage: R.Wilschewski
recording magazin 1/08
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Jeder kennt Chart-Hits, die gerade im Intro oder in der
Strophe mit verfremdeten, elektronisch klingenden Drums
beginnen und den Song damit gleich in eine sehr spezi-
elle Grundstimmung versetzen um den Spannungsbogen
maximal auszureizen. Seit vielen Jahren findet dieses
Stilmittel zu Recht eine wachsende Anhängerschar. Solchem
„Sounddesign“ wollen wir hier auf den Grund gehen. RecMag
zeigt euch, wie man Filterloops kreiert, Sounds verfremdet
und Loops sinnvoll miteinander verbindet.
Manchmal will ein Song während der
Produktion einfach nicht in die richtige
Grundstimmung eintauchen, ganz egal was
der Drummer vor Ort noch so alles anbietet.
Könnte es da nicht auch sein, das es gar nicht
an dem liegt, was er da gerade an spiele-
rischen Finessen abfeuert?! Das einbringen
von „Filterloops“ in solchen Fällen bietet
mehr als nur eine interessante Alternative
und es lohnt auf jeden Fall, sich auf ein
Experiment einzulassen. Schnell wird einem
bewusst, wie stark sich der Song dadurch än-
www.recmag.de
dern kann – was in nicht seltenen Fällen so-
gar zu kompletten Arrangement- Änderungen
geführt hat. Auf diese Weise lässt sich unter
Umständen aus einer Mid-Tempo-Nummer
mal eben eine Ballade zaubern, die in dieser
Form viel intensiver ist als der ursprüngliche
Einfall. Auch wenn ihr als Musiker im Studio
seid und der Produzent euch kreativen Input
für das Arrangement abverlangt, zeigt die
Erfahrung, dass Vorschläge eurerseits in
diese Richtung dem Songwriting schnell eine
neue Dimension hinzufügen können.
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Schlagzeugprogrammierung
Als Loops bezeichnet man grundsätz-
lich vorgefertigte Drumpatterns bestehend
aus z.B. Shakern, HiHats, gefilterten Bass-
drums, Snares und so weiter.
Diese erge-
ben ein geschlossenes
Soundbild und werden
meist als eine Spur ge-
bounced. Es gibt dabei
prinzipiell so genann-
te Loop- Staffelungen
(oben
beschrieben).
Einmal die einfache
Staffelung, das heißt die
Kombination einzelner
Sounds zu einem Loop
und zum Zweiten die
Möglichkeit, mehrere komplette Loops über-
einander zu legen. Letzteres bietet folgenden
Vorteil: Möglicherweise benö-
tigt man dramaturgisch eine
Steigerung in einem gewissen
dem er sich dann aber auch wieder ent-
ziehen kann.
Und da lassen sich gefilterte
Sounds genauso gut dazu nutzen, Songs sanft
einzuleiten, wie auch unterschwellig Druck zu
erzeugen – durch die den Loops inne woh-
nende Eigenenergie. An dieser Stelle sei fol-
gendes Beispiel herangezogen: der Titel „I`ve
got you“ von Marc Anthony`s Album „Mended“.
Der Song beginnt mit einem ultra leisen
Filterloop. Dieser besteht aus Schellenring 16-
teln, gefilterten Bongos mit medium Hall, die
zusätzlich mittig gemischt sind, zwei Open-
HiHats auf den Zählzeiten „1“ und „1 und“
und einem gefilterten Drumloop. An diesem
Beispiel wird eine Staffelung von einmal
einem komplett gefilterten Drumloop und
zusätzlich gefilterten Einzelsounds deutlich.
Besonders gut verträglich ist das ganze mit
Ableton Live ist ein hervor-
ragendes Werkzeug, wenn es um
kreatives Komponieren und Live-
Auftritte mit Drumloops geht.
Filterloops können im Song
unterschwellig Druck machen.
der Wandergitarre. Ein ähnlicher Effekt tritt
übrigens auch auf, wenn man eine Cajon mit
einer Konzertgitarre spielen lässt. Ein zusätz-
licher Overdub mit einem Shaker (8-tel oder
16-tel Rhythmik) könnte für weiteren Drive
sorgen.
Formteil, möchte aber noch
nicht mit akustischen Drums
oder dem Main-Loop einsetzen. So behält man
Die im Text genannten
Audiobeispiele zum Thema
Filterloops findet ihr in un-
serer Bonus-Box unter
www.recmag.de.
sich vor, diesen Part interessant und variabel
zu steigern.
Ein guter Pop Song sollte atmen können
und an der richtigen Stelle Druck haben,
Schritt für Schritt zum
gefilterten Drumloop
1
Wir laden ein Bassdrum-Sample und
legen dieses auf die gewünschten Zähl-
zeiten in Spur eins unseres Sequencers.
Das gewählte Bassdrum-Sample sollte
möglichst nicht zu viel Attack besitzen, da
diese sonst später, wenn wir die Bässe
rausdrehen, als zu starkes „Pochen“ her-
vortreten kann. Nun filtern wir also tiefe
Frequenzen raus, heben die Mitten extrem
an und die Höhen leicht. Probieren geht
hier über studieren. Ihr werdet schnell
merken, dass diese Sound-Verfremdung
im ersten Moment etwas skurril und ge-
wöhnungsbedürftig ist, im Gesamtbild
aber durchaus Sinn macht. (Abb.1)
2
Als nächstes ziehen wir ein Snare-
Sample auf Spur 2 und bearbeiten dieses
genauso wie die Bassdrum. In unserem
Soundbeispiel liegt sie auf den Zählzeiten 2
und 4. Nun kann man die Snare mit einem
leichten Delay versehen (Abb.2). Um die
Rhythmik etwas zu verdichten laden wir
eine zweite Snaredrum ein (Spur 3), die
ruhig etwas funky programmiert werden
kann. Die zweite Snare bekommt etwas
mehr Raum als die Haupt-Snare, wird aber
leiser gemischt, da sie die Funktion von
Ghostnotes haben soll.
3
Nun importieren wir eine HiHat (Spur
4) straight auf die 8-tel Zählzeiten. Sie sollte
vom Sound her unbearbeitet schon eher
dreckig und erdig klingen.
4
Als nächstes fügen wir einen Shaker
hinzu (Spur 5). Auch der sollte eher in
Richtung erdig, perkussiv klingen. Er wird
später die 8-tel HiHat in der Breite unter-
stützen und deshalb ebenso 16-tel Shake
Feel besitzen. (Online-Audiobeispiel
„Shaker“). Der Shaker sollte über einen
ganzen Takt laufen und möglichst von
einem Drummer gespielt sein. Rhythmisch
muss er auf den 4-tel Zählzeiten einen
Akzent haben. Der Trick bei der Integration
zwischen Bassdrum, Snare, und HiHats ist
nun, dass die Shaker-Zählzeit „1“ auf die
Loop-Zählzeit "1 und" gelegt wird (also
nach rechts verschoben). Wir haben somit
also auf der „1“ keinen Shaker. Diese
Akzent verschiebung verdichtet sehr gut
und zieht den Loop in sich zusammen.
Beim Shaker geben wir nur leicht Mitten
hinzu. Auch lohnt es sich hier, einmal eine
Anhebung der Bässe zu probieren und ein
wenig mit Reverb zu experimentieren.
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Um nun einen weiteren interessanten
Baustein einzubauen, bedienen wir uns
eines Schellenrings (Spur 6). Rhythmisch
macht es Sinn, ein Schellen-Sample zu be-
nutzen, dass nicht in Richtung 8-tel oder
16-tel durchläuft, sondern „sizzled“ – also
etwa wie „kurz bewegt“ klingt oder einen
"geschlagenen" Charakter besitzt. Dieses
kann man zum Beispiel auf jede „und“-
Zählzeit und auf die danach folgende 4-tel
Zählzeit programmieren, oder aber im
Zyklus auf jede Zweite „und“, sowie die je-
weils darauf folgende 4-tel. Im EQ nehmen
wir auch hier wieder tendenziell die Bässe
raus und dafür Mitten rein. Aber nicht zu
großzügig. Ein Versuch in Richtung leichtes
Delay lohnt sich auch hier.
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Nun geht es an die Lautstärkever-
hältnisse. Filterloops mischt man nicht so
wie man es üblicherweise bei einem aku-
stischen Drumkit macht. Die Bassdrum
nämlich nimmt einen eher untergeord-
neten Stellenwert ein. Snaredrum, Shaker
und HiHats haben hier mehr Vorrang. Um
sich ein solches Endergebnis einmal anzu-
hören, klickt in unserer Online-Bonusbox
auf Audiobeispiel „Filter 2“.
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Nachdem das Intro abgelaufen ist (in-
klusive Gitarrenlick), startet die Band
Abb.2: Ein Delay
auf einzelnen Loop-
Elementen kann den
Gesamtloop verdichten.
mit einem kompletten Drumloop, zwar
nicht akustisch aber super druckvoll.
Die
Filterloops laufen weiter, werden also overdubt.
Das Interessante dabei ist, das die Filterloops für
das nötige 16-tel-Feeling sorgen und ordentlich
Drive geben. Achten sollte man jedoch auf je-
den Fall darauf, dass die Filtersamples in
etwa der Rhythmik programmiert sind,
in der später das akkustische Drumkit
oder der Mainloop spielen werden. Das
betrifft hauptsächlich Kick- und Snare-
Drum. In manchen Fällen könnte es
sonst zu unerwünschten rhythmischen
Reibereien kommen.
Ein ähnliches Soundbeispiel ha-
ben wir für euch online gestellt
(Audiobeispiel „Filter 1“).
Hier wur-
den anfangs 4 verschiedene komplett
als Summe gefilterte Loops übereinan-
der gelegt. Alle vier Loops sind so ge-
Abb.1: Um den typischen Filterloop-
Sound zu erreichen, darf mit extremem
EQing gearbeitet werden.
filtert, das die Bässe komplett draußen
sind, Mitten extrem, und Höhen leicht angeho-
ben sind. In den ersten zwei Takten laufen alle
4 Loops zur gleichen Zeit. Ein Loop wurde mit
einem leichten Phaser-Effekt belegt (Abb.3), die
anderen beiden mehr oder
weniger stark in den Mitten
bearbeitet. Der hörbare
Conga-Loop hingegen ist
nur schwach gefiltert und
Abb.4: Wer seine Loops selbst programmiert,
hat stets alle Lautstärkeverhältnisse in der Hand.
man die HiHat im Verhältnis zu einem üblichen
Drum-Mix weniger laut fahren. Denkt man sich
die Keys mal weg dann stellt man fest, das die
achtel HiHat im Verhältnis zu Bassdrum und
Snare eigentlich zu leise ist.
Da ausschließlich Bassdrum, HiHat und
Snare am Start sind, wirkt der Loop äu-
ßerst griffig und tight.
Was aber lässt sich
nun tun, wenn der Song Schlagzeug-technisch
von vorn herein schon solch ein fettes Brett
fährt? Wie soll man da im Chorus nochmals
eine Steigerung draufsetzen? Eine Lösung ist
die folgende: Man löst die im Verse geschlos-
sen programmierte HiHat mit einer weiter in
8-teln gespielten geöffneten HiHat ab. Das er-
zeugt einen enormen Druck: Einmal durch die
unglaubliche Dichte, die dabei hinein gebracht
wird, und zum anderen dadurch, dass sie lauter
ist als die geschlossene. Um den Zuhörer im
bereits aufgenommenen Rhythmus zu behal-
ten, spielt Mr. Pelton die gleiche Rhythmik wie
sie auch im Verse programmiert ist. Um den
Druck dann wieder raus zu nehmen, benutzt
man im Verse 2 wieder den Loop.
Selbstprogrammierte Loops
fördern eure Unverwechselbarkeit.
sozusagen „untergemischt“. In Takt 3 kommt ein
weiterer kompletter Loop dazu, der jedoch un-
gefiltert ist und im Lautstärkeverhältnis über den
anderen steht. Ab Takt 4 kommt
nun der Main-Loop dazu, der die
gewünschte
Allgemeinlautstärke
Abb.3: Auch mit Phasing-
Effekten lässt sich ein Drumloop be-
stens anfetten.
Mangelnde Live-Tauglichkeit ist kein
Argument mehr gegen Filterloops.
Befassen wir uns noch einmal mit
Grundsätzlichem zum Sound von Filter-
loops.
Um einen Basis-Loop zu kreieren, filtert
man diverse Trommeln, Becken, Shaker etc.
in bestimmten Frequenzen. Eine Möglichkeit
der Klangfärbung ist dabei der bekannte „mit-
tige“ Sound, der stark an die Klangqualitäten
eines Mono-Küchenradios erinnert. Natürlich
bekommt man fertige Loops aber auch als
Preset Pattern auf diversen Sample CDs, die so
vorbereitet sind, dass man sie problemlos zum
weiterbearbeiten benutzen kann. Gehen wir
aber mal davon aus, das der Loop, der einem
vorschwebt in der Form nicht vorhanden ist, so
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Fotos: Wilschewski; Bilder: Ehrhar
besitzt und nicht mehr overdubt
werden soll. Alle Loops laufen nun
schön parallel zu einander und ergeben zusam-
men ein sehr dichtes Gesamtbild.
Noch eine Möglichkeit des Drum-Designs
recmag
tipp
Das Rohmaterial für dicke Loops
Geeignete Drum-Samples zum kreie-
ren von effektvollen Filter-Loops be-
kommt man in gut sortierten HipHop
Soundbänken. Diese sind ab Werk
ziemlich fett aufbereitet und eignen
sich daher hervorragend zum Filtern.
möchte ich an Hand eines weiteren Titels
aufzeigen.
„Just want you to know“ vom Album
„Never gone“ der Backstreet Boys war ein welt-
weiter Erfolg. Der Track beginnt elegant mit ho-
hem Wiedererkennungswert. Diese Drums sind
zwar elektronischer Bauart, heben sich aber
in der Lautstärke kaum von den akustischen
Drums ab, die Shawn Pelton im Chorus spielt.
Da eine straighte Rhythmik der Keyboards wäh-
rend des gesamten Verses vorherrscht, konnte
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muss man wohl oder übel selbst Hand anlegen.
Aber dafür hat man dann einen „Custom“-Loop,
den kein anderer hat und kommt in Punkto
Eigenständigkeit oder gar Unverwechselbarkeit
seines Songs ein ganzes Stück voran.
Nun könnte man sich als Band ja auch
noch Sorgen machen, dass gefilterte Drums
live nicht umzusetzen sind.
Aber nachdem
auf den Bühnen Harddisk-Recorder schon lange
Einzug gehalten haben, sieht man mittlerweile
nicht selten ein Notebook neben dem Keyboard
stehen, von dem aus diverse Samples den FOH
erreichen und den Drummer kräftig unterstützen.
Und ein Programm wie Ableton Live 6 bietet hier
sogar höchsten Bedienkomfort. Die Oberfläche
ist in Form einer Art Tabelle dargestellt, in der
man die einzelnen Spalten mit Samples oder
mit VST Instrumenten belegen kann, die sowohl
über MIDI Clips, als auch über ein Keyboard
angesteuert werden können.
Die Zeilen oder Szenen stel-
len dann die Elemente eines
Songs dar und können wäh-
rend des Live Betriebs zum
Beispiel via Pedal durchge-
schaltet werden. Weiterhin be-
inhalten die einzelnen Szenen
Tempoinformationen
und
werden quasi zu Beginn eines
neuen Taktes gestartet. Somit
wird der Ablauf des Songs nicht
unterbrochen. Das heißt, dass
während ein aktueller Takt läuft,
die nächste Szene ausgewählt
werden kann, welche automa-
tisch zu Beginn des nächsten
Taktes startet.
recmag
tipp
Um mehr Breite zu erzeugen kann
man zusätzlich einen Handclap unter
die Snare legen, und diesen mit mehr
Raumanteil versehen. Mixtechnisch
spielt der Clap eine untergeordnete
Rolle. Er sollte also nicht offensichtlich
hörbar sein und die Snare lediglich et-
was „anfetten“. Weiterhin kann man
interessante Effekte erzielen, wenn
man den Handclap minimal nach
rechts verschiebt. Die Snare und der
Clap sind dann nicht 100-prozentig
untereinander auf den Punkt geschnit-
ten und erzeugen so einen Flam.
Das verleiht der Snare mehr Attack
und klingt interessanter.
Die originellsten Loops kreiert man oftmals
wenn man direkten, intuitiven und manuellen
Zugriff auf die Filter-Parameter hat.
Damit die Snare ordentlich klatscht
Man braucht sich also
bei aller Liebe zum fett
groovenden Akustik-Schlagzeug an die-
ser Stelle nichts vorzumachen.
Wo Drum-
Samples und Loops hinpassen, klingt das ein-
fach modern und zeitgemäß und es kann nicht
schaden, damit einmal zu experimentieren. Viel
Spaß beim Filtern!
Der Autor
Sven „Ice“
Ehrhardt
ist Profischlagzeuger und arbeitet seit
vielen Jahren live und im Studio für
namhafte Künstler und Produzenten.
www.recmag.de
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