Mietstudio Surround Mikrofonierung
setup
MIETSTUDIO
© PPVMEDIEN 2007
Surround-Mikrofonierung
Diese Doppel-MS Anordnung
kommt komplett mit Mikrofonen
und Spinne von der Firma Schoeps.
Rundum
AUFNEHMEN AUS ALLEN RICHTUNGEN
94
Fotos: Wilschewski, Schoeps
recording magazin 1/08
© PPVMEDIEN 2007
glücklich
SO WERDEN AUFNAHMEN FÜR EINE SURROUND-PRODUKTION GEMACHT
Die Zielgruppe für Surround wächst. Wenn ihr euer Studio bereits für
entsprechende Mischungen vorbereitet habt und die Aufnahmen dafür
selbst machen wollt, werdet ihr euch wohl als nächstes um ein Surround-
Mikrofon kümmern. Wer sich nicht auskennt, könnte tatsächlich auf den
Gedanken kommen, dass ohne ein INA-5 Mikrofon Surround-Aufnahmen
gänzlich unmöglich sein müssen. Doch dabei kann man viel einfacher
Surround aufnehmen, als man denkt! Grundsätzlich existieren hierfür drei
grund legend verschiedene Ansätze, die hier besprochen werden sollen.
Da gibt es einmal die so genannten echten
Surround-Mikrofontechniken.
Darunter
versteht man Mikrofonanordnungen, de-
ren Ausgangssignale direkt ohne Panning
eine Surround-Mischung ergeben. Um
die Besonderheiten der Surround-Mikro-
fontechniken verstehen zu können, muss
man zunächst ein paar Grundlagen der
Stereomikrofonie begriffen haben. Eine
www.recmag.de
Stereomikrofontechnik hat die Aufgabe,
mit zwei Mikrofonen eine Abbildung eines
Signals zwischen den Lautsprechern ei-
ner Stereoabhöre zu erzeugen. Diese
Signalabbildung ist üblicherweise eine
Phantomschallquelle, die mit Hilfe von
Pegel- und/oder Laufzeitunterschieden
an eine bestimmte Stelle zwischen den
Lautsprechern positioniert werden kann.
95
setup
MIETSTUDIO
© PPVMEDIEN 2007
Surround-Mikrofonierung
Dabei ergibt sich eine Darstellung genau zwi-
schen zwei Lautsprechern, wenn ein Signal auf
beiden Mikrofonen zeitgleich und mit gleichem
Pegel aufgenommen wird. Eine Verschiebung
der Phantomschallquellen erfolgt immer zugun-
sten des lauteren oder früheren Signals.
Werden nun statt zwei Mikrofonen drei
Mikrofone aufgestellt, so ergibt sich die
Phantomschallquellenabbildung möglicher-
weise mehrfach:
Zwischen Mikrofon 1 & 2, zwi-
schen 2 & 3 und schließlich noch einmal zwischen
1 & 3. Das würde in der Praxis zu einer sehr un-
scharfen Abbildung von Schallereignissen führen
und die gesamte Aufnahme
in Frage stellen.Nun haben es
sich jedoch ein paar findige
Köpfe zur Aufgabe gemacht,
Mikrofon-Setups zu definieren, bei denen die
in sehr gut klingenden Räumen (oder mit viel
Glück) gelingt eine ausgewogene Aufnahme.
Aus diesem Grund werden für Surround-
Aufnahmen gerne Kombinationen aus zwei
Stereotechniken eingesetzt.
Hierzu stellt man
eine Stereomikrofontechnik als Hauptmikrofon
(Frontmikrofon) auf und eine weitere – mög-
licherweise ganz andere – Mikrofontechnik
in den hinteren Bereich des Raums. Eine
Schwachstelle ist dabei jedoch die nicht so
präzise Lokalisation des Surround-Klangbildes
durch die Stereotechniken (siehe Kasten
„Stereomikrofonie und Surround“). So bietet
Für die Surround-Kanäle sind
eher diffuse Signale gefragt.
beispielsweise eine XY-Mikrofontechnik zwar ei-
ne hervorragende Abbildungsschärfe, entspricht
aber oft nicht den Klangvorstellungen einer
Aufnahme. Eine Aufnahme mit einem Decca-
Tree beispielsweise liefert zwar „nur“ ein relativ
diffuses Stereobild, welches dafür aber oft den
Klangvorstellungen sehr nahe kommt.
Bleibt noch die Frage offen, welche
Stereotechniken kombiniert werden sol-
len.
Hier ist zum Glück viel Spielraum vorhan-
den. Für die Front empfiehlt sich die Technik,
die auch direkt für eine Stereoaufnahme ver-
wendet werden würde. Auf diese Weise ergibt
sich als Abfallprodukt automatisch gleich eine
Stereoaufnahme. Für die Surround-Kanäle sind
normalerweise ziemlich diffuse Signale gefragt
(Raumeindruck!). Dazu kann man eine große
AB-Technik aufstellen oder auch Grenzflächen
im Raum auslegen. Die Kombination mehrerer
Raummikrofone bringt in der Regel sehr gute
Ergebnisse. Für die Surround-Anteile wird auch
gerne ein Hamasaki-Square oder ein IRT-Kreuz
verwendet. Ist für eben diese Surround-Kanäle
nun eine gute Stereoabbildung gefordert, weil
beispielsweise Schallquellen im hinteren Bereich
des Raums vorhanden sind, so muss man wie-
der auf die üblichen Stereotechniken zurückgrei-
fen. Es spricht dann nichts dagegen, zwei gleiche
mehrfache Abbildung von Phantomschallquellen
nur sehr gering oder gar nicht auftritt. Die so
entstandenen Vorschriften sind als mögliche
Surround-Mikrofonanordnungen bekannt gewor-
den (siehe Kasten "Horch was kommt…").
Die grundsätzliche Problematik von Sur-
roundmikrofonen betrifft deren Aufstel-
lungsort.
Bereits bei Stereoaufnahmen ist es
schwierig, eine gute Position für das Mikrofon
zu finden. Der Abstand zwischen Mikrofon und
Eine mögliche Anwendung eines
IRT-Kreuzes ist die Aufnahme von
Feuerwerksdonner in Surround.
Mikrofonierung nach INA-5
am Nürburgring, realisiert mit
Atmos 5.1-Systemen von SPL.
(links: an der Boxengasse)
Schallquelle bestimmt nicht nur die Breite der
Abbildung, sondern auch ganz wesentlich das
Verhältnis zwischen Direkt- und Diffusschall auf
der Aufnahme! Für ein Surroundmikrofon kommt
noch hinzu, dass die Mikrofonposition das
Verhältnis zwischen Front- und Surroundkanälen
beeinflusst. Daher wird es in der Praxis sehr
schwer, eine optimale Position zu finden. Nur
Bei den Surround-Mikrofontechniken
und den Stereomikrofontechniken bitte
die Stützmikrofone nicht vergessen!
Mit zu-
sätzlich direkt mikrofonierten Instrumenten bzw.
recording magazin 1/08
96
Fotos: SPL; Grafiken: Friesecke
Techniken vorne und hinten aufzustellen. Auch
zusätzliche Raummikrofone können noch ver-
wendet und später zugemischt werden.
© PPVMEDIEN 2007
Horch was kommt von rechts hinten rein
Wir erklären euch die wichtigsten Techniken der Surround-Mikrofonierung
Techniken ohne
Laufzeitunterschiede
Am einfachsten umgeht
Techniken mit
Laufzeitunterschieden:
Bei diesen Techniken muss unbe-
dingt auf die korrekten Abstände und
Richtcharakteristiken geachtet werden, da
sonst unscharfe Abbildungen entstehen.
INA-5:
Die „Ideale-Nieren-Anordnung“
mit 5 Nieren-Mikrofonen ist eine der
bekanntesten Mikrofontechniken für
Surround. Sie liefert direkt ein 5-kanaliges
Signal für eine 5.0-Mischung. Ein LFE ist
nicht vorgesehen.
OCT-Surround:
Das „Optimal Cardioid
Triangle“ (Ideales-Nieren-Dreieck) mit
Surround-Erweiterung liefert ebenfalls di-
rekt ein 5-kanaliges Ausgangssignal besteht
jedoch aus Nieren-Mikrofonen für Center,
Links-Surround und Rechts-Surround und
Supernieren für Links und Rechts.
IRT-Kreuz:
Das Institut für Rundfunktechnik
(IRT) hat diese vierkanalige Anordnung
von Nieren-Mikrofonen für Quadrofonie-
Aufnahmen definiert. Die Ausgangssignale
sind L/R und Hinten L/R. Für 5-kanalige
Aufnahmen ist das IRT-Kreuz alleine nicht
zu verwenden, man kann es jedoch als
Surroundmikrofon benutzen (siehe Text).
Kugelflächenmikrofon mit zwei zusätz-
lichen Achten an den Seiten:
Vereint den
klanglichen Vorteil einer Kugelfläche mit
der Möglichkeit über M/S-Dekodierung
eine vorne/hinten Information zu erzeu-
gen. Zunächst stehen nur 4 Signale zur
Verfügung. Diese können jedoch zu 5
Kanälen zusammengemischt werden.
Holophone:
Kugelflächenmikrofon für
direkte 5.1-Aufnahmen. 5 Kapseln für
Richtungskanäle und eine LFE-Kanal-
Kapsel sind in einem eiförmigen Körper
untergebracht und werden bevorzugt
für Atmo- und Filmaufnahmen einge-
setzt. Dieses Mikrofon liefert direkt 6
Ausgangssignale.
Zur Realisation eines IRT-Kreuzes
müssen alle Mikrofone die
Richtcharakteristik Niere haben.
Eine weitere Option – Hamasaki
Square: Vier Mikrofone, Richt-
charakteristik Acht, positive
Einsprechrichtung nach außen.
man
das
Problem der doppelten Phantomschall-
quellenabbildung mit einer punktför-
migen Mikrofonanordnung. Wenn nur
Pegelunterschiede aufgezeichnet werden
können und keine Laufzeitunterschiede
entstehen, so bleibt die Abbildung scharf
und realistisch.
Doppelte M/S-Technik:
Eine der ein-
fachsten Surround-Anordnungen ist die
doppelte M/S-Technik. Hierbei erweitert
man die normale M/S-Technik (Niere +
Acht) um ein weiteres Nierenmikrofon,
welches nach hinten gerichtet ist. Be-
reits mit der einfachen M/S-Technik
war es möglich L/C/R und Surround als
Ausgangssignal zu erhalten. Die dop-
pelte M/S-Technik ergibt L/C/R/Surr/
LHinten/CHinten/RHinten. Und das
Ganze bei nur drei Mikrofonen und drei
Aufzeichnungsspuren!
Üblicher weise
verwendet man L/C/R für die Frontkanäle
und LH/RH für die zwei Surroundkanäle.
Soundfield:
Auch das Soundfield Mi-
krofon hat alle Kapseln an einer Stelle
und liefert ein Signal, das für Surround-
Aufnahmen geeignet ist. Mit Hilfe des
Surround-Prozessors SP451, kann das B-
Format des Soundfield-Mikrofons in ein
5.1-Signal konvertiert werden.
Die Aufstellungs-
vorschrift einer INA-5
Mikrofonierung (Ideale
Nieren Anordnung).
Die OCT-Surround-Aufstellung: 3 x Niere, 2 x Superniere
GEARBOX
PLUG-IN
www.line6.com
PLUG-IN TONE FÜR PC ODER MAC.
Du willst ein Killer Solo aufnehmen?
Man nehme eine Prise Plexi Voodoo, 'ne
Menge Fuzz, füge etwas Hall und Tape
Delay dazu - fertig. Welchen Tone du
auch brauchst - hier hast du ihn.
Plug-In screen shot
TonePort
DI USB Interface inklusive.
Die Plug-In Suite für Gitarristen. Eine riesige Sammlung von Gitarrenamps und Bodeneffekten für dein PC oder MAC recording system.
setup
MIETSTUDIO
© PPVMEDIEN 2007
Surround-Mikrofonierung
Stereomikrofonie
und
Surround
Die Kombinationen aus zwei Stereo-
Mikrofonierungen hat Vorteile gegenüber einer
Surround-Mikrofonierung:
– Für die Front und für den Raum ist eine optimal
aufgestellte und angepasste Mikrofontechnik möglich.
Dadurch kann der Direkt- bzw. Diffusschallanteil unab-
hängig für vorne und hinten angepasst werden.
– Die Erfahrungen, die man mit Stereomikrofon-
techniken hat können direkt eingesetzt werden.
– Es ist keine (teure) und möglicherweise optisch
störende Mikrofonkonstruktion notwendig.
– Bei Hörtests wurden den Surround-Techniken im
Vergleich zu den Stereotechniken oft ein falsches
Verhältnis von Diffus- und Direktschall und ein unaus-
gewogener Gesamtklang bescheinigt.
Ein Nachteil der Stereotechniken:
– Sie liefern meist keine so präzise Lokalisation
des Surround-Klangbildes, was schon bei reinen
Stereotechniken ein grundsätzliches Problem ist.
So sieht eine OCT-Mikrofon-Anordnung
der Firma Schoeps in der Realität aus.
Schallquellen lässt sich im Mix die gewünschte
überrealistische Abbildung erreichen. Zu empfeh-
len sind Monomikrofone, da sich diese zu allen
gängigen Stereo- und Surround-Mikrofontechniken
problemlos kombinieren lassen.
Weiterhin gibt es noch die Poly- oder
Einzelmikrofonierung.
Diese ist den mei-
sten längst bekannt, da sie schließlich die
Standardtechnik für Mehrspuraufnahmen dar-
stellt. Hierbei werden die Instrumente einzeln
mit Mikrofonen abgenommen und auf indivi-
duelle Spuren aufgezeichnet. Aus klanglichen
Gründen (zum Beispiel bei der Abnahme von
Gitarrenverstärkern) können auch mehrere
Mikrofone zusammengemischt und auf eine
Spur aufgezeichnet werden.
Nur ganz selten kommen
hier Stereomikrofontechniken
zum Einsatz (zum Beispiel
Schlagzeug-Overheads).
Um legendäre Karajan-Aufnahmen in ein Surround-
Format zu transformieren, wurden sie über Adam
Audio Lautsprecher in die Berliner Philharmonie
eingespielt und orchesterähnlich abmikrofoniert.
lich nur eine Frage der Klangvorstellung, wo
die einzelnen Spuren hingeschickt werden.
Im Gegensatz zur Stereomischung wird man
jedoch schnell eine Besonderheit feststellen:
Bei Surround-Mischungen hat man einfach
viel mehr Platz! Das bedeutet, dass man von
vornherein viel mehr Spuren aufnehmen kann
als bei einer Stereo-Mischung. Eine Gitarre, die
beispielsweise bei einer Stereoaufnahme dop-
pelt aufgenommen wurde, sollte bei Surround
viermal vorhanden sein, um einen schön dif-
fusen
Umgebungsklang
hinzubekommen.
Auch Synthesizerspuren können zweimal in
Stereo aufgezeichnet werden (obgleich das mit
Mikrofontechniken nichts zu tun hat). Möchte
man jedoch beispielsweise ein Leslie abnehmen,
Bei Surround-Mischungen hat
man einfach viel mehr Platz.
so kann man gut eine Stereomikrofontechnik auf
eine Seite stellen und auf eine benachbarte Seite
(also 90° versetzt) eine zweite Stereotechnik für
die Surroundkanäle. Auch zwei unterschiedliche
Techniken (X/Y für vorne und AB für Surround)
bringen interessante Ergebnisse.
Vorteil der Polymikrofontechnik ist die
Möglichkeit der individuellen Spurbear-
beitung. Effekte und EQ-Einstellungen kön-
nen für jede Spur individuell eingestellt
werden.
Ein Raumanteil kann einfach durch ein
Hallgerät erzeugt werden und anschließend auf
die Stereosumme geschickt werden. Einen wirk-
lich authentischen Klang der Originalschallquelle
wird man mit der Polymikrofontechnik nicht
bekommen, aber man kann sehr gut eigene
Klangvorstellungen verwirklichen.
Fotos: Adam Audio, Schoeps
Anschließend werden die einzelnen
Spuren mit Hilfe der Panorama-Regler im
Surround-Bild verteilt.
Dabei ist es tatsäch-
Der Autor
Andreas
Friesecke
Audio Engineer und Fachbuchautor.
Als Dozent unterrichtet er an der
SAE München u. a. Pegelrechnen,
Filmton und Lautsprechetechnik.
98
98
recording magazin 1/08