Mixdown Keyboards sinnvoll integrieren
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MIXDOWN
Keyboards sinnvoll integrieren
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Fette
Flächen
PLATZ IN DER MISCHUNG
W I E I H R TA S T E N I N S T R U M E N T E I N E U R E M T R A C K P R Ä S E N T M I S C H T O H N E A L L E S Z U V E R D E C K E N
Wahrscheinlich habt ihr auch schon mal die Erfahrung
gemacht, dass Keyboard-Klänge mitunter schwierig in
einem Mix zu platzieren sind. Sind sie nur etwas zu lei-
Fotos: R. Wilschewski; Montage: KvG
se, kann man sie kaum mehr wahrnehmen, sind sie nur
etwas zu laut, decken sie fast alles andere zu – eine
Position dazwischen scheint es nicht zu geben.
Wir schauen uns einmal näher an, warum das so
ist und wie man dem begegnen kann.
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Man kann das Wort Keyboards als
Überbegriff verstehen für letztlich alle
Instrumente, die über eine Tastatur ver-
fügen. Wir sollten uns also vielleicht erst
mal etwas näher anschauen, womit wir
es denn hier zu tun haben. Beim Begriff
„Saiteninstrumente“ käme nämlich nie-
mand auf die Idee, sämtliche Vertreter
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dieser Gattung in einen Topf zu werfen.
Es ist einfach logisch, dass eine Geige
tontechnisch anders behandelt wird als
ein Heavy-Metal-Hackbrett, das über
3 Ver stärkertürme zu Gehör gebracht
wird. Bei Keyboards hingegen findet die-
se Aufteilung oft nicht statt, obwohl die
Unterschiede ähnlich krass sind.
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Eine etwas humorige Möglichkeit der
Unterscheidung ist die Aufteilung in brenn­
bare und nicht brennbare Instrumente.
Zur ersten Gruppe gehören so genannte
Naturinstrumente, deren Tonerzeugung meist
mechanisch ist: Klavier und Flügel, Kirchenorgel
und Harmonium, Cembalo und Spinett. Auch
elektrische Pianos wie ein Fender Rhodes, ein
Ist dein Tasteninstrument
brennbar oder nicht brennbar?
Wurlitzer oder ein
Clavinet besitzen
eine mechanische
Tonerzeugung, die
über Pickups abge-
nommen und dann verstärkt wird. Instrumente
mit elektromechanischer Tonerzeugung rechne ich
ebenfalls noch zu dieser Gruppe, der bekannteste
Vertreter dürfte die Hammond-Orgel sein.
Zur nicht brennbaren Gruppe kann man
all die modernen Synthesizer­Keyboards
zählen.
Sie befinden sich meist in vergleichswei-
se kleinen Kunststoff- oder Metallgehäusen, ihre
Tonerzeugung geschieht auf digitalem Weg und
in aller Regel werden keine Mikrofone benötigt,
um sie aufzunehmen oder zu verstärken. Genau
genommen gehören auch Sampler in diese
Gruppe, sie nehmen jedoch eine Sonderstellung
ein. Sie sind nämlich die Simulanten unter den
Keyboards, sie geben ständig vor, etwas anderes
zu sein. Ein Sampler produziert nicht wirklich ei-
nen eigenen Klang, sondern man lädt ihn, wie
wird man im Mix dann auch wie ein richtiges
Klavier behandeln. Lädt man dagegen Synth-
Sounds oder dreht mit Filtern und Hüllkurven
einen Streichersound so durch den Fleischwolf,
dass er sich wie ein Synthesizer verhält, wird
man ihn letztlich im Mix auch wie einen solchen
behandeln. Die Übergänge sind also fließend.
Und auch im Bereich der Software-Instrumente
gibt es mittlerweile jede Menge an Simulationen
aller möglichen Keyboards, brennbarer wie nicht
brennbarer. Per Definition sind das elektro-
nische Instrumente. Wenn die Simulation aber
gelungen und das Ergebnis praktisch nicht vom
Original zu unterscheiden, wird man im Mix ei-
ne simulierte Orgel nicht anders behandeln als
eine echte.
In erster Linie hängt die Integration in
den Mix auch davon ab, um welche Art
Musik und Arrangement es sich dreht.
Ob
man bei einem Refrain, wenn Drums und Bass
Vollgas geben, zwei verzerrte Gitarren Chords
braten und ein mehrstimmiger, gedoppelter Chor
die Hookline singt eine weiche Synth-Fläche noch
wirklich hörbar hinbekommt, ist mehr als fraglich.
Bei einer minimalistischen Elektro-Produktion
mit 808-Drumsounds, Moog-Bass und einer
Leadstimme dürfte der gleiche Sound hingegen
keine Probleme haben, sich durchzusetzen.
Fotos: Wilschewski, Eisner
Original Hammond TTR 100
& Leslie 147: Viel Spielfreude
– viel Wartungsaufwand.
der Name schon sagt, mit Samples – beispiels-
weise eines Klaviers, um den Klang eines au-
thentischen Flügels zu erhalten. Das Endergebnis
Das PlugIn B4 II von
Native Instruments
Die Orgelsimulation ist vom
Original praktisch nicht zu
unterscheiden.
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eine Produktion mit mehreren Instrumenten
ist ja letztlich nur die Fortsetzung des
Orchester-Gedankens mit anderen Mitteln:
Verschiedene Instrumente bedienen verschie-
dene Frequenzbereiche um so am Schluss ein
großes Ganzes zu ergeben. Klarinette oder
Fagott beispielsweise setzen sich deshalb so
gut durch, weil sich ihr Klangspektrum haupt-
sächlich in einigen wenigen, aber durchdrin-
genden Frequenzbändern abspielt, die so von
keinem anderen Instrument bedient werden.
Also das genaue Gegenteil dessen, was ein
Synthesizer vermag.
Doch der Synthesizer kann das auch,
wenn man sich nur traut, ihn richtig ein­
zusetzen.
Und natürlich gelten dafür wie
überall die Grundregeln einer Mischung: Ein
Einzelsound ist immer nur so gut, wie er sich
Wer viele Synthesizerklänge
miteinander kombiniert,
muss wissen, was er tut.
Sonst kann das Ergebnis auch
ein pappiger Klangbrei sein.-
mit dem restlichen Arrangement verträgt. Im
Mittenbereich stehen nun mal alle Melodie-
und Akkordinstrumente und auch die Stimmen
im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit. Da
ist kreative Klangarchitektur gefragt, wenn
alles noch hörbar sein soll. Obertonreiche
Sounds wie sie zahlreiche Brass-Presets er-
zeugen, werden sich immer mit verzerrten
Gitarren in die Quere kommen, einfach weil
die Klangstruktur sehr ähnlich ist. Andererseits
könnte gerade dieser Mischsound aus bei-
den das sein, was die Geschichte interessant
macht. So ist zwar eventuell nicht mehr klar
erkennbar, wer was gespielt hat, aber man be-
handelt diesen Mischsound dann als Ganzes.
Andersherum, wenn ein Klang
sich nicht wirklich durchsetzt,
eigentlich aber wichtig wä-
re, darf man sich auch nicht
Damit kommen wir auf den Punkt, dass
der Grundstock eines guten Mixes nicht
erst am Mischpult sondern schon beim
Arrangement gelegt wird.
Oder provokant
ausgedrückt: Der natürliche Feind der Gitarre
ist der Synthesizer und das liegt nicht am
Synthie selbst, sondern am Umgang damit.
Dieses Instrument hat nämlich ein Feature,
Viele Keyboard-Sounds bedienen das
gesamte hörbare Frequenzspektrum.
das es bei fast keinem anderen Instrument
gibt, es deckt frequenzmäßig den gesamt-
en hörbaren Bereich ab, zumindest theore-
tisch. Natürlich hat ein Flügel einen ähnlich
großen Tonumfang, um aber das gesamte
Frequenzspektrum praktisch gleichzeitig er-
klingen zu lassen, muss man unter Einsatz al-
ler zehn Finger ganz schön schnelle Arpeggios
spielen. Für einen Synthesizer hingegen ist es
bei entsprechender Programmierung über-
haupt kein Problem, mit einem dreistimmigen
Akkord genau das zu tun. Viele Synth-Sounds
sind einfach zu fett. Was für sich alleine ge-
nommen gigantisch klingt, ist im Kontext einer
Mischung oft pures Gift. Eine Band oder auch
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scheuen, ihn mal in seinen
Frequenzbereichen ordentlich
zu beschneiden und andere Bereiche dazwi-
schen ordentlich anzuheben, je nachdem wo
in der Mischung noch ein Frequenzbereich
frei ist. Das kann dann, solo abgehört, durch-
aus wie durchs Telefon klingen, wird jedoch
im Gesamt-Mix das Problem oft lösen und
auch richtig gut klingen.
Ein weiterer Ansatz, Keyboards besser
hervortreten zu lassen ist die Zuordnung
im Stereospektrum.
Ein breiter, fetter
Sound in Ultrawide-Superstereo klingt – für
sich alleine genommen – erstmal Spitze.
Das entspricht jedoch in weiten Teilen nicht
unserer Hörerfahrung. Im echten Leben, will
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sagen bei einer richtigen Band, haben wir es
mit verschiedenen Signalen zu tun, die einzeln
mehr oder weniger mono sind aber aus ver-
schiedenen Richtungen an unsere
Ohren dringen. Das hilft bei der
Unterscheidung ungemein. Darum
orchestraler Eindruck und man kann sie wesent-
lich einfacher im Hintergrund verstecken, gerade
weil sie keine konkrete Position haben.
Wer alles zumatscht, dem
wird die Frequenz entzogen.
Nun wollen wir uns noch ein wenig
mit brennbaren Instrumenten und deren
Simulationen beschäftigen.
Natürlich sind
diese nicht wirklich mono – wer schon mal vor
einem geöffneten Flügel stand, wird das bestä-
tigen können. Auf einer Bühne stehend kommt
er für den Zuhörer unten aber dann doch wie-
der mehr aus einer bestimmten Richtung, wenn
auch nicht komplett mono. Wie weit ich das
Stereobild im Mix nun spreize, hängt nicht zu-
letzt davon ab, wie viele weitere Signale ich in
der Mischung unterbringen muss. Bei einem
Jazztrio bestehend aus Schlagzeug, Kontrabass
und Flügel habe ich viel Platz, da kann die
Spreizung schon mal relativ breit ausfallen.
Bei einer Pop-Produktion mit vielen anderen
Instrumenten hingegen wird der Flügel tatsäch-
lich fast mono gemischt werden.
lohnt es vielfach, bei widerstrei-
tenden Keyboard-Klängen, deren
jeweilige Stereobreite einzuengen und ihnen
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tipp
Quick & Dirty
Ein wirksames Mittel zur Bändigung
von Keyboard-Sounds im Mix: Die sinn-
volle Verteilung im Stereopanorama.
dann verschiedene Positionen im Stereo-Bild
zuzuweisen. Das klingt meist auch wesentlich
breiter, als eine Vielzahl von Stereosounds, die
alle nach jeweils ganz außen gepant sind und
aus der ganzen Sache eine Art breite Mono-
Mischung machen. Dann wabert zwar alles ir-
gendwie stereo herum aber keiner der Sounds
hat eine konkrete Position, was letztlich dazu
führt, dass die gesamte Mischung schwammig
wirkt.
Ein wenig anders verhält sich die Sache
bei Keyboard­Klängen, die gar nicht un­
bedingt bewusst wahrgenommen werden
sollen.
Weiche Synth-Flächen (Pads) aber auch
verhaltene Akkord-Layer aus einer Orgel und
ähnliches sollen oftmals einfach eine Stimmung
erzeugen ohne dabei selbst besonders in den
Vordergrund zu treten. Hier bietet sich sehr breites
Stereo-Panning geradezu an: Es entsteht ein leicht
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Foto: Wilschewski
Oft muss man bei einem Instrument
bestimmte Frequenzbereiche be-
schneiden um Verdeckungseffekte
mit anderen Klängen im selben
Band zu eliminieren. Wie kann
solch ein, einzeln abgehört, unter
Umständen unschön und unaus-
gewogen wirkender Sound im
entsprechenden Arrangement
trotzdem fetter und durchsetzungs-
fähiger sein als das Instrument mit
seinem vollem Frequenzumfang?
Unsere akustische Wahrnehmung
hat bekanntermaßen sehr viel mit
Psychologie zu tun. Und im Kon-
text einer Mischung werden die
abgeschnittenen Bereiche ja von
den anderen Instrumenten bedient
– und in unserer Wahrnehmung
sozusagen die Löcher wieder auf-
gefüllt. Wenn außerdem durch den
Eingriff noch der Soundbrei einer
Durchsichtigkeit gewichen ist, trägt
das natürlich auch zu einem posi-
tiven Klangeindruck bei.
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Und nun kommt ein Satz, der möglicher­
weise einige vor den Kopf stoßen wird:
Prinzipiell setzen sich Naturinstrumente im Mix
besser durch als elektronische. Kein Gesetz oh-
ne Ausnahme, aber diese Faustregel habe ich
in meiner langjährigen Praxis gelernt. Das gilt
auch für gut programmierte Simulationen. Eine
Hammond-Orgel nebst zugehörigem Leslie
möchte ich als „Naturinstrument“ bezeichnen
– zumindest brennt beides gut, weil viel Holz im
Spiel ist. Sowohl eine echte Hammond als auch
beispielsweise die B4 von Native Instruments
kann ich im Mix extrem leise machen, man wird
sie immer noch gut durchhören. Versuche ich
scheitere. Dies gilt so ähnlich für alle E-Pianos
und Clavinets (respektive guter Software-
Simulationen) gegenüber entsprechenden
Sounds aus Synthesizern. Und auch ein synthe-
tisierter Flügel-Sound wird nie an einen echten
Steinway heran reichen. Möchte ich den Klang
eines E-Pianos haben, sollte ich nach Möglichkeit
auch ein solches verwenden. Wenn man Zugriff
auf entsprechende Hardware hat, spart das viel
Arbeit, klingt authentisch und macht entspre-
chend viel Spaß. Und die Durchsetzungskraft
dieser Instrumente erlaubt es meist, sie im Mix
etwas leiser zu fahren – und das schafft wiede-
rum mehr Raum für den gesamten Rest.
Für viele Musikstile kommt
ein weiterer Vorteil dieser Vin­
die in der Lage ist, im Mix eine Gitarre zu ver-
decken. Umgekehrt gilt das übrigens gleicher-
maßen – ein Umstand, den man sich gerade
im Zuge des grassierenden Gitarren-Revivals in
der Popmusik zu Nutze machen kann. Solltet
also euer Track noch Keyboard-Klänge ver-
tragen, geht mit Bedacht an die Sache heran
und dezente Untermalung sowie fulminante
Arrangements werden möglich.
Eine Einengung der Stereobreite
sorgt oft schon für Klarheit.
das Gleiche mit einem orgelähnlichen Sound
aus einem Synthesizer, kann es sein, dass
ich ohne massive Nachbearbeitung kläglich
tage­Keyboards zum Tragen.
Sie vertragen sich allesamt ausge-
zeichnet mit Gitarren. Man muss sich ziemlich
anstrengen, um mit einem E-Piano, Clavinet
oder einer Orgel eine Performance hinzulegen,
Der Autor
Ulli
Eisner
Freier Toningenieur und Produzent.
Fachautor unter anderem des Buches
„Mixing Workshop“.