Mixdown Outboard Equipment
recording
MIXDOWN
Outboard Equipment
© PPVMEDIEN 2008
Analog
dabei
HARDWARE EFFIZIENT NUTZEN
MIT OUTBOARD -PROZESSOREN DAW-PRODUKTIONEN AUFWERTEN
Ihr habt euch einen Helden-Signalprozessor vom Munde abgespart. Das Ding war
richtig teuer, ist von superber Qualität und zu allem Überfluss sehr selten.
Dummerweise wird auch noch fast alles, was man durch schickt, gewaltig aufgewertet.
Was läge also näher, als sich ein Riesen-Rack voll von diesen Geräten zu besorgen,
um im Final Mix richtig Gas zu geben. Realistischer und schonender für das eigene
Budget ist es jedoch, das vorhandene Equipment clever zu vervielfachen.
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Grundsätzlich unterschiedlich sind dabei
wie immer Send- und Return-Effekte zu
behandeln. Nennt man edle Send-Effekte
wie beispielsweise ein Lexicon 480 sein
eigen, so kann man diese ganz nach Vor-
schrift über einen oder zwei Aux-Wege
beschicken und das Hallsignal stereo
zurückführen. Somit steht dieser Effekt
eigentlich allen Signalen zur Verfügung.
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Allerdings eben nur mit dem aktuell ein-
gestellten Hallprogramm. Möchte man
jetzt aber gleichzeitig der Snare einen
vollkommen anderen Raum verpassen als
dem Synthesizer, beides aber mit eben
diesem Gerät (weil es einfach besser
klingt als die vorhandenen PlugIns), so ist
es am einfachsten, den Hall vorher auf ei-
ne Stereospur aufzunehmen.
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Dabei empfiehlt sich, das Effektsignal
nicht so leise aufzunehmen, wie er spä-
ter im Mix sein soll sondern möglichst mit
Vollaussteuerung.
Diese aufgenommene Spur
kann man dann ja leiser abspielen. Das hat ei-
nen ganz einfachen Grund – die Bitauflösung ist
grösser und somit der Klang besser. Die gewählte
Bitrate, egal ob 16, 24 oder gar 32, bezieht sich
ja immer auf Vollaussteuerung, leiseres Signal
gleich geringere Auflösung. Zugegebenermaßen
ist das beim16-Bit-Projekt ein größeres Problem
als beim 32er-Pendant, aber es schadet prinzipi-
ell ja nicht, die vorgegebene Bitrate auch auszu-
nutzen. Das eben gesagte gilt übrigens aus dem
gleichen Grund generell auch für das Ansteuern
von Effektgeräten, die digital arbeiten: Lieber
den Input gut anfahren und den Return dafür et-
was leiser machen. Etwas komplizierter wird es
jedoch bei Geräten, die nicht als Send/Return-
Units funktionieren - also dem bestehenden
Signal etwas hinzufügen wie beispielsweise ein
Delay – sondern die das Signal direkt bearbei-
ten. Diese Klangverbesserer werden meistens
im Insert eingeschliffen und stehen somit kei-
nem anderen Signal mehr zur Verfügung. Wenn
man gleichzeitig denselben Effekt auf mehrere
Signale anwenden will braucht man also auch
mehrere Geräte vom selben Typ.
Deswegen folgt hier für die unter eu-
ch, die eher digital und Desktop-basiert
produzieren, ein kleiner Exkurs in die Welt
der mannshohen Sound-
processing-Racks.
Nehmen
wir mal an, es geht um einen
recmag
tipp
Quick & Dirty
Etliche Soundkarten und Wandler be-
sitzen ja nur unsymmetrische Ein- und
Ausgänge, das edle Outboard-Gear
hingegen trumpft meist mit der symmet-
rischen Variante auf. Zur Verkabelung
empfiehlt sich dennoch ein symmet-
risches Kabel. Auf der unsymmetrischen
Seite verbindet man nur den kalten Pol
(von XLR-Pin 3) mit der Masse und den
heißen (von XLR-Pin 2) mit dem Pluspol.
Den Schirm lässt man „in der Luft hän-
gen“, er darf keine Verbindung zu einem
der anderen Pole bekommen (eventuell
mit Klebeband/Schrumpfschlauch oder
ähnlichem isolieren). Dadurch ist das
Signal von der symmetrischen Seite her
bis zur „Übergabe“ amtlich abgeschirmt,
ab da geht alles seinen gewohnten
Gang. Wenn es vorher nicht gebrummt
hat, wird es das jetzt auch nicht tun.
Mit einer großen Konsole ist es
leichter! Aber auch ohne solche
könnt ihr Outboard-Arsenale
clever für eure Produktionen
nutzen.
dem Teletronix wieder aufgelegt, als Hardware
und sogar als Software-Version. Diese Teile klin-
gen sehr, sehr gut und sind ihren Preis auch wert,
an das alte Original reichen sie trotzdem nicht
ganz heran. Und dieses ist nämlich ein ganz her-
vorragender Gesangs-Kompressor, mit dem man
mit einer Ratio von 20:1 über das Signal bügeln
kann, ohne dass es geplättet wird. Im Münchener
Musicland-Studio, wo ich Anfang der 90er tätig
war, gab es ein komplettes Rack davon, liebevoll
Auch beim Re-Recording von
Send-Effekten: Headroom nutzen!
auch oft als „Sauger-Rack“ bezeichnet. Insgesamt
10 Kanäle geballte Urei-Power. Weil der 1176 halt
noch die kleinsten und leisesten Feinheiten nach
oben „saugt“. In großen, analogen Studios war
das vor noch gar nicht so langer Zeit vollkommen
normal, geradezu ein Muss. Wer einmal gehört
hat, wie ein 1176 eine Bassdrum zum schmatzen
bringt, welchen Punch er einer Snaredrum verlei-
hen kann, wie er den Lead-Gesang nach vorne
holt oder Bläsersounds veredelt, der wird verste-
hen, warum so viele davon für eine anständige
Mischung benötigt wurden – die Option „mach
mal ein PlugIn auf“ gab’s halt noch nicht.
In unserer fiktiven Mischsituation soll
es nun nur einen Urei 1176 geben, den wir
vermutlich für die Lead-Stimme reservieren
werden.
Um diesen Urei-Sound auch für andere
Echte Röhren-Obertöne
bekommt man nur aus
der analogen Welt.
Urei 1176, und zwar den alten.
Das ist ein edler Kompressor,
der seit mindestens 30 Jahren nicht mehr gebaut
wird. Zwar wurde er von Universal Audio neben
anderen Dinos wie beispielsweise
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Fotos: Wilschewski, Eisner
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was man tut. Eine bereits aufgenommene
Kompression kann man weder rückgängig
machen noch abschwächen oder verstärken.
Und zu schwache Kompression später im Mix
noch mal mit einem „billigen“ Kompressor zu
überarbeiten ist bestenfalls eine Notlösung.
Es erfordert einiges an Erfahrung und
Abstraktionsvermögen um bereits während
der Aufnahme einschätzen zu können, wie
die Kompression im späteren Endmix wirken
wird. Das hängt selbstverständlich auch von
der Art der Musik ab. Wenn es eine rechte
Radau-Mucke ist, kann man wohl ohne Gefahr
die Bassdrum heftig komprimieren; solange
der Bassdrum-Sound an sich noch druckvoll
wirkt, ist hier wohl wenig Gefahr im Verzug.
Bei einer filigranen Geschichte mit einigen
akustischen Instrumenten nebst Schlagzeug
kann hingegen zu heftige Kompression von
Kick oder Snare den Groove der gesamten
Kapelle zerstören. Wem also diese Variante
zu riskant ist, dem würde ich empfehlen, erst
mal mit der zweiten Möglichkeit zu experi-
mentieren – die dort gemachten Erfahrungen
kann man dann zu einem späteren Zeitpunkt
bei einer Aufnahme anwenden.
Signale verfügbar zu machen, gibt es nur zwei
Möglichkeiten. Eine davon wäre, ihn bereits bei
der Aufnahme zu verwenden. Es setzt aller-
Latenzkorrektur der Audio-
Hardware überprüfen
Es gibt keine digitalen Audio-
systeme, die frei von Latenz
wären, und sei sie auch noch
so kurz.
Es muss nun mal ge-
wandelt und berechnet werden,
das braucht eine gewisse Zeit.
Normalerweise wird diese Zeit
von der Soundkarte an den
Rechner übergeben; der sorgt
anhand dieser Werte dann dafür,
dass das soeben aufgenommene
Soundfile an exakt der richtigen
Stelle positioniert wird. Soweit
die Theorie. In der Praxis funkti-
oniert das nicht mit allen Karten
gleich gut und zuverlässig.
Um die Latenzkorrektur
zu überprüfen, verbindet
ihr einen Ausgang unserer
Hardware direkt mit einem
Eingang.
Legt dann ein
Soundfile mit einem prägnanten
Click in euer Arrangement und
erzeugt zusätzlich eine freie
Spur, auf der ihr aufnehmen
könnt. Die Wellenform dieses
Sounds sollte eine möglichst
steile Anstiegsflanke haben, dann
kann man hinterher gut sehen,
was Sache ist. Der Rimclick einer
Snare oder der Schlag auf eine
geschlossene HiHat produzieren
zum Beispiel sehr steile Flanken.
Diesen Sound routet ihr über
den Soundkarten-Ausgang wie-
der zurück in den Eingang und
nehmt davon ein paar Takte auf
die leere Spur auf. Im Normalfall
sollte die neue Wellenform in
Gestalt und Größe der alten
sehr, sehr ähnlich sein. Wenn
man nun die Ansicht auf größt-
möglichen Zoomfaktor stellt,
liegen im Optimalfall beide
Wellenformen auf das Sample
genau auf derselben Position.
Liegen sie aber einige, weni-
ge Samples daneben, ist das
meist auch noch kein Beinbruch
– bei 44,1 kHz entsprechen 44
Samples 1 Millisekunde. Sollte es
es aber größere Abweichungen
geben, sollte man in den
Konf ig ur a t ionspar ame ter n
der Audio-Hardware nachse-
hen, ob es eine Möglichkeit
gibt, das zu korrigieren. Das
ist je nach Hersteller aber ver-
schieden. Da lohnt sich oft
der Blick ins Handbuch oder
Kontaktaufnahme mit dem
Support. Auch eine Suche in
Internet-Foren kann euch da
helfen. In den häufigsten Fällen
kann man davon ausgehen,
dass andere schon vor einem
mit dem gleichen Problem ge-
kämpft haben.
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Aber es gibt noch eine zweite Variante,
die nicht destruktiv ist.
Sie erfordert allerdings
viel Zeit und genügend freien Speicherplatz auf
der Festplatte. Das
betreffende
Signal
wird ausgespielt, mit
dem Urei bearbei-
tet und das Ergebnis
Ein Original und echter Veteran:
Der Urei 1176 Limiter.
andererseits einen speziellen Outboard-Sound
besonders schätzt, wird man vermutlich ziem-
lich viele Spuren durch das Gerät schicken
wollen.
Einige Dinge gilt es dabei jedoch zu be-
achten.
Zum einen müssen die verwendeten
Wandler von guter Qualität sein. Das Signal er-
fährt ja 2 weitere Wandlungen, einmal beim
Ausspielen und dann bei der Wiederaufnahme.
Es wäre schade, wenn man den Qualitätsgewinn
durch den Urei mit dem Qualitätsverlust durch
schlechte Wandler wieder zunichte macht. Auch
lohnt es sich, die Latenzkorrektur der Soundkarte
zu überprüfen zumindest anfangs einige Male,
dann weiß man ja Bescheid und kann nötigen-
falls die entsprechenden Schritte einleiten (siehe
Kasten). Wenn ihr nämlich viele Spuren noch
einmal aus- und wieder einspielt, einige andere
aber nicht, kann es passieren, dass plötzlich der
Groove zerstört ist, weil die neuen Tracks minimal
weiter vorne oder hinten liegen. Das muss nicht
unbedingt klar hörbar sein, aber wenn sich der
Song plötzlich nicht mehr so rund anfühlt, kann
dort die Ursache liegen. Sehr hilfreich ist es auch,
die zu bearbeitenden Signale nicht einzeln zu hö-
ren sondern wenigstens einen Roughmix aufzu-
setzen, der weitgehend dem geplanten Endmix
entspricht. So könnt ihr nämlich immer viel bes-
ser einschätzen, welche Einstellung des einzelnen
Signals für die Gesamtmischung gut ist. Oft wird
Überlegt euch, ob sich eine
weitere Wandlung wirklich lohnt.
wird wieder aufgenommen. Dieses Ver fahren
nennt man Re-Recording. Löscht dabei nicht
Geräte wie das 2290 Delay von T.C. oder
die Red-Serie von Focusrite können einen
digitalen Mixdown aufwerten.
das ur sprüngliche Sig nal, dadurch ist sicher-
gestellt, dass ihr bei unpassender Einstellung
jederzeit wieder auf das Ausgangsmaterial
zurückgreifen und es noch einmal mit ande-
rer Einstellung bearbeiten könnt (siehe auch
RecMag-Tipp). Das macht ihr mit jeder Spur,
die einer 1176-Behandlung bedarf. Deshalb
ist dieses Vorgehen auch sehr zeitaufwändig,
das funktioniert halt nur in Echtzeit. Wenn man
recmag
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Quick &
Dirty
Wenn man viele Spuren re-recordet
und die Ausgangsspuren zur Sicher-
heit behält, wird es schnell unüber-
sichtlich im Sequencer-Arrangement.
Die meisten DAWs bieten heute
folgende Möglichkeit: Legt euch
eine Ordnerspur an mit dem Namen
„Unused“ oder so ähnlich. Zieht dort
dann alle obsoleten Tracks hinein.
So sind sie erst mal aus dem Weg
und bei Bedarf ruck zuck in der alten
Form wiederhergestellt.
Nicht nur historische Geräte klingen gut: Der Neve Portico 5033
bietet auf engstem Raum drei vollparametrische und
zwei halbparametrische Bänder.
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Eine weitere Neuauflage einer Tonstudiolegende von
Universal Audio: Der Teletronix LA2A.
Der Rebuild des Klassikers:
Der 1176LN von Universal Audio.
man dabei feststellen, dass ein Signal erheb-
lich mehr Kompression verträgt, als man sich
das beim Solo-Abhören getraut hätte. Dieser
Leitsatz stimmt nicht immer, aber oft.
Wir haben das Re-Recording nicht
ohne Grund anhand der Legende Urei
1176 beispielhaft besprochen.
Diese
Vorgehensweise ergibt nämlich vor allem bei
Geräten dieser gehobenen Qualitätsklasse
Sinn. Ohne edles Outboard-Equipment
vom Schlage Teletronix, Massenburg oder
Tubetech, Fairchild oder Neve – um nur ei-
nige zu nennen – muss man genau prüfen
ob sich diese Vorgehensweise lohnt. Zum
Beispiel wenn kein Zugriff auf brauchbare
PlugIns besteht oder das Gerät einen so ei-
genen Klang hat, dass der erwünschte Effekt
nur damit erzielt werden kann. Durch die
schon angesprochenen Wandlungsverluste
würde man seiner Mischung sonst eher ei-
nen Bärendienst erweisen.
Eine Nachbehandlung mit Pre-Amps
oder Channel-Strips sollte man sich
gut überlegen und genau hinhören, ob
die Behandlung wirklich den Klang ver-
bessert.
Aufgenommene Signale haben ja
schon etliche Vorstufen durchlaufen. Man
schaltet ja in aller Regel auch nicht zwei oder
mehr Vorverstärker hintereinander, sondern
nimmt einen guten – außer man erreicht
dadurch einen gewollt schrägen Sound. Das
gehört dann aber auch schon wieder eher
in die Abteilung Special Effects. Nicht jedes
Gerät, welches eine oder mehrere Röhren
beherbergt, macht automatisch alles bes-
ser, da wird mitunter viel Blendwerk betrie-
ben. Es gibt nämlich nicht nur gute Röhren,
sondern auch böse.
Der Autor
Uli
Eisner
Freier Toningenieur und Produzent.
Fachautor unter anderem des Buches
„Mixing Workshop“.
www.uli-eisner.de
www.recmag.de
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Ein Opto-
Kompressor
der Oberliga in
Röhrentechnik: Der
Tube-Tech CL 1B.