© PPVMEDIEN 2007
Special:
Dynamikbearbeitung
Mehr als nur Druck
Gaten, limiten, Komprimieren – aber richtig.
Von limiter bis Transient Designer
Der Kompressor ist das bekannteste Dynamikwerkzeug – aber nicht immer das
richtige. Wenn der Mix anfängt zu pumpen, die Nebengeräusche zu laut sind und
die Snare trotz Ultrakompression immer noch nicht richtig knallt, dann wird es
Zeit für andere Spezialisten aus der Dynamikbranche, die wir euch im folgenden
Special ausführlich vorstellen und erklären.
E
s muss nicht immer der Kompressor sein:
Zur Dynamikbearbeitung gibt es eine Viel
zahl von Geräten für verschiedenste Auf
gaben von Recording über LiveGigs bis hin zum
Sounddesign. Was alle gemeinsam haben, ist
dass sie in den Lautstärkeverlauf eines Instru
ments oder einer Mischung eingreifen. Das je
doch tun sie auf sehr unterschiedliche Weise.
Schon in SOUNDCHECK 03/2007 haben wir
den Kompressor und dessen Wirkungsweise
ausführlich vorgestellt.
Zur Auffrischung und
für alle, die diese Ausgabe nicht gelesen haben
noch einmal das Wichtigste in aller Kürze: Der
Kompressor begrenzt das eingehende Signal in
der Lautstärke. Das macht Sinn, wenn man die
Lautstärke eines Instruments oder einer Stimme
bändigen, bzw. sie einfacher im Live oder Stu
diomix unterbringen will, ohne ständig herum
zuregeln. Aber auch im Radio oder bei Hotel
Hintergrundgedudel möchte man einen mög
lichst konstanten Pegel haben. Ab wann der
Kompressor eingreift legt man mit der Einsatz
frequenz, dem Threshold fest. Wie stark er das
Eingriff unhörbar:
Eine Soft-Knee-Kennlinie komprimiert
das Signal viel sanfter als das sog. Hard-Knee.
Signal dann zurückregeln soll, wird mit der Ra
tio bestimmt. Je höher die Ratio, desto stärker
greift der Kompressor ein. Viele Geräte bieten
außerdem noch Regelmöglichkeiten für Attack
und Release. Attack definiert, wie schnell der
Kompressor mit dem Regelvorgang beginnt und
Release wie lange er sich Zeit lässt um das Signal
zurückzuregeln. Wenn ihr nicht wollt, dass man
deutlich hört wenn der Kompressor eingreift,
dann solltet ihr eine sog. SoftKneeEinstellung
wählen, die ihn etwas weicher einsetzen lässt,
als bei einem sog. Hard Knee. Vielfach hört man
Begriffe wie Autocom oder Automatikmodus.
Dabei handelt es sich um automatische Einstel
lungen für die Attack und ReleaseZeit. Das
klingt zunächst verführerisch, besonders wenn
man sich mit der Einstellung von solchen Gerä
ten noch nicht so gut auskennt. Aber erstens
kann man davon keine Wunderdinge erwarten
und zweitens benötigt diese Schaltung auch et
36
Soundcheck 11 07
/
WWW.Soundcheck.de
DAS FACHBLATT
PPVMEDIEN
©
FÜR MUSIKER
2007
DAS FACHBLATT FÜR MUSIKER
Mehr als nur Druck
Die 11 Gebote
Special
Seite 36
Seite 42
Seite 46
Gaten, Limiten, Komprimieren –
aber richtig!
der Dynamikbearbeitung
1-2-3 … dabei!
KLangveredler fürs Siderack
Ein Special von Klaus Tenner
was mehr Zeit, weil das Signal dazu intern ein
wenig verzögert wird, damit der Kompressor
weiß, was als nächstes passiert.
macht, zum Beispiel mit Logic oder Cubase,
oder auch auf einen digitalen Multitracker,
dann ist es sinnvoll, wenn ihr einen Limiter da
vor setzt, denn wenn der Gesang dann doch
Limiting = Ultrakompression
Ein Spezialfall der Kompression ist das Li-
miting.
Dabei wird ab der Einsatzfrequenz dras
tisch zurückgeregelt. Vom Limiting redet man
ab einer Ration von 10:1 und höher. Diese Ein
stellung benutzt man besonders als „Schutz
schaltung“ für verschiedene Einsatzzwecke. Li
miter in Endstufen schützen diese vor Überhit
zung, Limiter in Lautsprechern schützen vor
mechanischer Überlastung. Wenn Ihr Gesangs
aufnahmen auf ein HDRecordingSystem
Samson C-com opti:
Dieser optische Kompressor ist auch
mit einem Enhancer ausgestattet.
Dynamics-Einsatz visualisiert:
Oben das Original- in der
Mitte das komprimierte Signal. Unten lassen die hart ge-
cutteten Peaks den Einsatz eines Limiters erkennen.
einmal übersteuert, werden die Pegelspitzen
durch den Limiter abgefangen. Ansonsten hät
tet Ihr hässliche ClippingGeräusche im Rech
ner und die Aufnahme wäre unbrauchbar. Das
gleiche gilt natürlich auch für alle anderen Ar
ten von Aufnahmen wie Bläser, Drums oder Gi
tarren. Ihr braucht dazu übrigens nicht eigens
ein neues Gerät anzuschaffen, sondern eurem
Kompresser einfach eine entsprechend radikale
RatioEinstellung verpassen. Der Threshold
sollte dann recht hoch, etwa bei 5 dB bis 8 dB,
angesetzt sein, damit der Limiter wirklich nur
im Notfall eingreift. Wenn das Gerät ab einem
bestimmten Pegel schonungslos abriegelt, dann
spricht man auch von einem BrickwallLimiter.
WWW.Soundcheck.de
37
© PPVMEDIEN 2007
Special:
Dynamikbearbeitung
Besonders beim Mastering wird natürlich mit
dem Limiter gearbeitet, um das Signal mög-
lichst laut fahren zu können, ohne digitale Ver-
zerrungen zu riskieren.
Besonders auffällig ist
dieser Effekt im Radio zu hören, wo deshalb heu
te fast überhaupt keine Dynamik mehr stattfin
det. Berühmtberüchtigtes Zaubermittel für die
totale Einebnung ist der Optocomp. Wenn ihr zu
Hause Demos oder eigene Songs mischt, solltet
ihr in jedem Fall sehr vorsichtig mit dem Limiter
umgehen. Ein Song wird nicht unbedingt dadurch
besser oder interessanter, dass er dynamisch vor
die Wand gefahren wird. Da hat es dann auch
der MasteringIngenieur später ausgesprochen
schwer, noch etwas brauchbares zu zaubern,
weshalb er dann zum nächsten Dynamiktool
greifen muss, dem sogenannten Expander.
Noch abgefahrener wird es übrigens mit dem
Compander.
Wie der Begriff andeutet, ist dies
eine Mischung aus Kompressor und Expander.
So etwas wird häufig in der Nachrichtentechnik
eingesetzt, wenn die Datenübertragung die Dy
namik technisch nicht hergibt und diese damit
zuerst zusammengefaltet und nachher wieder
kennengelernt: Mit der Sidechain kann man ein
beliebiges externes Signal dazu benutzen, Dy
namikprozessoren zu steuern. Wenn zum Bei
spiel das Mikrosignal eines Radiomoderators
oder DJs in einen Kompressor eingeschleift wird,
kann dieser automatisch die Musik komprimie
ren, also herunterregeln, sobald der Moderator
anfängt zu sprechen. Dies nennt man dann
DuckerEffekt. Das gleiche geht auch mit einem
Noise Gate, nur dass der Effekt dann umgekehrt
verläuft: Das Noise Gate regelt ein beliebiges Sig
nal, zum Beispiel eine Synthesizerfläche herun
ter, bis es ein Signal über die Sidechain be
kommt. Zum Beispiel von einer HiHat oder der
Bassdrum. Sobald also der Drummer spielt, öff
net sich das Gate und die Synthiefläche wird
hörbar. So kommt auch der oft gehörte Gater
Effekt im Techno zustande.
Der Kreativität sind hier also keine Grenzen
gesetzt. So könnt ihr auch etwas untight ge-
spielte Bass- und Drumspuren zusammen-
schweißen.
Dazu benutzt ihr die Bassdrum als
Trigger für den Bass und hört den Basston dann
immer genau dann wenn auch die Bassdrum
spielt. Viel Spaß beim Ausprobieren. Im wahr
sten Sinne des Wortes gewinnbringend hat auch
Phil Collins das Gate benutzt und damit seinen
markanten und unverkennbaren Schlagzeug
Noisegate im Einsatz:
Oben das originale Ausklingver-
halten eines Audiosignals, unten die gegatete Variante.
Expansionsdrang
Das bedeutet dann nicht, dass der Tontech-
niker vor lauter Ärger, erst einmal Kraftübun-
gen macht, sondern dass er der Musik mit die-
sem Gerät wieder Dynamik zurückgibt.
Dabei
hat er die Wahl zwischen einem Downward Ex
pander, der abwärts arbeitet und die leisen Pas
sagen noch leiser macht, die lauten Stellen aber
unbeeinflusst lässt, und dem Upward Expander,
der aufwärts arbeitet, also lautes Material lauter
macht und die leisen Passagen unverändert lässt.
Ein solches Gerät ist zum Beispiel der Urei LA22.
Diese Gerätegattung ist für alle NichtMastering
Experten ausgesprochen uninteressant. Anstatt
sich so ein Gerät anzuschaffen, solltet ihr lieber
darauf achten, den Kompressor sachkundig zu
bedienen. Verrauschte Aufnahmen oder Live
Aufnahmen mit viel Schmutz in der Spur profitie
ren vom Einsatz eines Kompressors im besonde
ren Maße, da mit ihm etwa Störanteile wirkungs
voll ausgeblendet werden können.
entpackt wird. Einen Kompander gibt es auch
als Plugin von der Firma Waves. Gemeint ist da
mit ein Gerät, das sowohl einen Kompressor als
auch einen Expander beinhaltet. Beide Effekte
werden jedoch in der Regel nicht gleichzeitig
benutzt, weil das keinen Sinn machen würde.
Sehr viel Sinn macht dagegen das oftmals eben
falls in Expander eingebaute Gate.
Golden Gate
Das Noise Gate ist eines der wichtigsten
Hilfsmittel live und im Studio.
Es ist für alle Ar
ten von Gesang und akustischen Instrumenten
unentbehrlich. Wenn ihr zu Hause Aufnahmen
macht oder Einzelspuren einer Liveaufnahme
bearbeitet, dann hört ihr darauf in der Regel
auch diverse Geräusche, die ihr da gar nicht ge
brauchen könnt, vor allem leise Umgebungsge
räusche in den Gesangspausen, wie Kühlschrank
brummen, das Rascheln von Papier, das Knarren
eines Stuhls und vieles mehr. Lästig ist auch das
meist hochfrequente KlickGeräusch durch den
Kopfhörer bei Akustikgitarrenabnahmen. Wenn
ihr den Einsatzpegel des Noise Gates so einstellt,
dass es erst dann aufmacht, wenn ihr beispiels
weise singt, dann habt ihr diese Nebengeräu
sche erfolgreich beseitigt. Aber Vorsicht, der
Threshold muss hier sorgfältig gewählt werden,
sonst werden leise Stellen möglicherweise ver
schluckt oder angeschnitten. Überlegt euch
auch, ob zum Beispiel die Atemgeräusche noch
zu hören sein sollen. Bands wie Silbermond ar
beiten ja mit den teils sehr in den Vordergrund
gemischten Atemgeräuschen des Gesangs. Auch
im LiveBereich ist das Gate unentbehrlich, um das
Übersprechen zwischen Mikrofonen einzudäm
men und insgesamt die Signale sauber zu halten.
Aber auch als kreatives Sound-Design-Werk-
zeug kann man es gewinnbringend einsetzen.
Dabei macht man sich den SidechainEingang
zunutze. Den haben wir schon beim Kompressor
Zwitterwesen:
Waves Compander kombiniert einen
Kompressor mit einem Expander.
sound gestaltet. Dazu wurden die Toms stark
verhallt und vom Gate danach radikal abge
schnitten, sodass die Hallfahne selbst sozusagen
zum Schlagzeugsound wurde. So ein Effekt
bläst ein Drumset mächtig auf. Auch U2Pro
duzent Daniel Lanois setzt Gates immer wieder
gerne ein, um den vorhandenen Rhythmus zu
verstärken.
Ebenfalls über den Sidechain-Eingang lässt
sich die De-Esser-Funktion vieler Kompresso-
ren nutzen:
Dabei bearbeitet der Kompressor
aber nur ein sehr schmales Frequenzband von
ca. 5 bis 8 kHz. Wenn vom Gesang nun starke
Zisch oder SLaute kommen, dann regelt das
Gerät diese Frequenzen automatisch herunter.
38
Soundcheck 11 07
/
WWW.Soundcheck.de