Special Vocal Effects Die 7Goldenen Regeln
© PPVMEDIEN 2009
SpeCIal: VoCal effeCtS
der Vocaleffekte im Einsatz
So holt ihr das Optimum aus euren Gesangssignalen
Wenn die Vocals nicht überzeugen,
sind Song und Performance schlicht
im Eimer. SOUNDCHECK verrät euch
7 goldene Regeln für den Einsatz
von Vocal-Effekten. So bringt ihr
eure Gesangssignale auf Hochglanz.
Regel 1
Inhalt
Bringt euer Grundsignal
auf Vordermann
Vocal-Effekte sollen das Gesangssignal verfei-
nern.
Grundlagenarbeit ist nicht die Aufgabe dieser
Prozessoren. Wer etwa Reverb verwendet, um ein
schlechtes Gesangssignal zu retten, begeht einen
gehörigen Kategorienfehler. So bereitet ihr euer
Grundsignal vor: Aktiviert das Trittschallfilter und
nehmt alle Frequenzen unter 80 Hz aus dem Signal.
Die menschliche Stimme verfügt in diesem Bereich
über keine Signalanteile. Ihr verliert also kein Nutz-
signal, vermeidet aber tieffrequente Störgeräusche
– außerdem senkt ihr bei einem Gig das Feedback-
Risiko. Zudem empfiehlt sich natürlich die weitere
Bearbeitung mit einem Equalizer. Oft können im
Mittenbereich Frequenzen bedämpft werden (500–
800 Hz). Der Mix gewinnt so an Klarheit.
Generell gilt: Anstatt erwünschte Frequenzen zu
boosten, sollte man eher unerwünschte Frequen-
zen bedämpfen,
was einen natürlicheren Sound zur
SpeCIal
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Pimp Your Voice
Vocals kreativ bearbeiten
Die 7 goldenen Regeln
der Vocaleffekte im Einsatz
D
er Einsatz von Vocaleffects ist abhängig von
der jeweiligen Stilrichtung des betreffenden
Songs beziehungsweise vom Geschmack des
Künstlers, Produzenten, Engineers und so weiter.
Wie immer, wenn kreativ gearbeitet wird, sollte man
nicht darauf verfallen, sich in bestimmte Regeln zu
verbeißen. Erlaubt ist letztlich, was funktioniert und
dem Song dient. Trotzdem existieren natürlich eini-
ge Leitlinien, denen zu folgen sich üblicherweise
lohnt. So ist es in jedem Fall empfehlenswert, einige
grundlegende Normen zumindest als Ausgangs-
punkt der eigenen tontechnischen Arbeit zu nutzen.
Wir liefern euch 7 goldene Regeln für den erfolgrei-
chen Einsatz von Vocaleffects:
Auf zum Kauf
Florian Zapf
Gesangseffekte für
jede Anwendung
Folge hat. Nichtsdestotrotz machen sich Anhebun-
gen von 2 bis 4 dB bei circa 160 Hz (männliche
Stimme) und bei circa 320 Hz (weibliche Stimme)
häufig gut und bringen ein zusätzliches Quäntchen
Wärme in die Vocals. Ein leichter Boost bei 7 bis 8
kHz sorgt außerdem für angenehme Brillanz. Ebenso
ist der Einsatz eines Kompressors Pflicht. Nur so
können sich die Vocals im Mix durchsetzen.
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SoundCheCk 01
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FOTOS: IMAGO
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Hochwertiger Preamp mit parametrischem Mittenband:
Rupert Neve Designs Portico 5032.
Der Gesang steht im Zentrum der Aufmerksam-
keit des Publikums. Insofern ist es vor allem die-
ses Signal, das es aufzuwerten gilt.
Eine Möglich-
keit dies zu tun, stellt der Einsatz von hochwertigen
Preamps und Channelstrips dar – durchaus auch im
Liverack. Und natürlich: Auch das Mikrofon und die
Gesangstechnik des Sängers spielen eine nicht un-
erhebliche Rolle. Gerade wenn ihr Special-FX wie
Telefonstimmen und Ähnliches verwendet, die nur
dann und wann auf die Vocals gelegt werden, ist es
notwendig, dies vorher mit dem Sänger zu proben.
Song nicht über ein Arrangement mit ausreichend
Freiräumen verfügt. Daumenregel: Längere Hallfah-
nen taugen für langsamere Stücke, während kurze
Hallfahnen schnelleren Songs stehen.
ten. Folgende Leitlinien werden euch aber im Nor-
malfall beim Routen von Vocal-Effekten helfen:
Schickt euer Signal über die Aux-Sends (deutsch:
Behelfsausgänge) ins Effektgerät und führt es, im
Fall von Stereo-Effekten, auf zwei Kanäle eures
Pultes zurück. Dabei solltet ihr den Wet/Dry-Wert
eures Effektprozessors auf 100 % (Wet) setzen. Auf
den Mischpultkanälen könnt ihr nun erstens über
die Kanal-Fader den Effektanteil kontrollieren und
zweitens das Effektsignal nach Belieben weiter be-
arbeiten, also etwa Low-Cuts aktivieren oder ge-
zielt mit dem EQ bestimmte Frequenzen boosten
oder bedämpfen.
Mit dem DeEsser von SPL werden Zischlaute schmalbandig abgesenkt.
Regel 2
Übertreibt nicht
Effekte sollen dem Song dienen.
Das heißt einer-
seits, dass man versucht, sie möglichst adäquat ein-
zusetzen, also etwa schlicht in einer Kuschelrock-
Ballade die Gesangslinien nicht unvermittelt mit
einer Prise Mesa-Rectifier-Distortion abschmeckt.
Es bedeutet aber auch, dass man genau darauf zu
achten hat, in welchem Ausmaß ein bestimmter Ef-
fekt auf die Stimme gelegt wird. Ein häufiger Anfän-
gerfehler besteht zum Beispiel in der übertriebenen
Verwendung von Reverb: Auffällige Räume (am be-
sten noch mit langen Hallfahnen) sind meist nicht
nur ästhetisch ein Ärgernis – sie versenken die Vo-
cals darüber hinaus im Mix und verleihen im
schlimmsten Fall dem gesamten Song einen un-
durchsichtigen Sound. Ähnliches gilt für Chorus-In-
stanzen und ähnliche Effekte.
Versucht euren Vocal-Reverb mit Low-Diffusion-
Einstellungen aufzuwerten.
Über das Diffusion-Pa-
rameter bestimmt man den Streuungsgrad des Re-
verbs. Low Diffusion bekommt perkussiven Sounds
(hoher Attack) oft weniger, macht sich aber auf Vo-
cal-Spuren mitunter gut. Viele Hallprozessoren bieten
außerdem die Möglichkeit die Decay-Time für hohe
und niedrige Frequenzen separat zu bestimmten.
Nutzt hier weniger Decay in den Tiefen und eventuell
mehr in den Höhen – so gebt ihr den Vocals mehr Luft
und der Reverb setzt sich besser durch. Sollten die
Vocals zu Zischeln beginnen, legt ihr den Reverb am
besten auf einen extra Stereokanalzug und bekämpft
die Störfrequenzen mit einem High-Shelve-Filter. Ei-
ne andere Möglichkeit ist es, zwischen Reverb-Send
und Reverb-Gerät einen DeEsser zu schalten.
Allgemein gilt: Verwendet für die Vocals den be-
sten Reverb eures Setups.
Sollte euer Rechner in
die Knie gehen, dann bounct lieber einige Spuren,
anstatt auf ein hochklassiges Hall-Plugin zu ver-
zichten. Auch im Live-Betrieb solltet ihr euer bestes
Reverb-Tool für den Gesang reservieren. Tipp: Be-
sonders gut bekommen Vocals mitunter so genannte
Plate-Algorithmen. Hierbei handelt es sich um die
Simulation alter analoger Hallplatten-Geräte. Diese
klingen zwar nicht besonders realistisch, verfügen
aber über einen dichten, relativ klaren Sound.
Regel 3
Zähmt den Reverb
Die Wahl des passenden Hallprogramms ist vor-
nehmlich Geschmackssache.
Gleichwohl lohnt es
sich in vielen Fällen, einige grundlegende Maßnah-
men durchzuführen. So macht es zum Beispiel Sinn,
die Vocals durch einen eigenen Hallraum von den
restlichen Signalen abzusetzen. Dadurch kann der
Gesang vom Hörer besser geortet werden – das allge-
meine Klangbild wird klarer. Reverb-Effekte haben die
Eigenschaft, Signale in den Hintergrund des Mixes zu
rücken. Um dem entgegenzuwirken, ist es ratsam, auf
Reverb-Presets mit hohem Early-Reflections-Anteil
zurückzugreifen. Pre-Delay-Werte zwischen 60 und
100 ms helfen hier ebenfalls. Lange Hallfahnen wer-
den euren Mix hoffnungslos zukleistern, soweit euer
Viele Pulte bieten die Möglichkeit, ein Signal
über die Aux-Ausgänge entweder Pre- oder Post-
fader zu routen.
Das Signal wird also jeweils vor
oder nach dem Kanal-Fader abgegriffen. Dies hat
Einfluss auf den Effektanteil eures Signals, da etwa
im Fall von Postfader-Abgriffen euer Effektprozessor
entsprechend der Pult-Fader-Position sein Signal
erhält. Sprich: Senkt ihr das Level des Kanal-Faders,
dann senkt ihr gleichzeitig den Aux-Send-Pegel –
euren Effektprozessor erreicht ein leiseres Signal.
Wenn es sich hier um einen Reverb handelt, klingen
eure Vocals zum Beispiel trockener. Tipp: Nutzt Sub-
gruppen, wenn ihr Background-Vocals verhallen
wollt. Hierfür führt ihr über entsprechende Busse
sämtliche Background-Vocal-Kanäle auf zwei Sub-
gruppen-Fader. Dabei verteilt ihr die Einzelsignale
an verschiedene Positionen im Stereopanorama.
Jetzt pannt ihr einen Subgruppen-Kanal nach links
und den anderen nach rechts. Anschließend könnt
ihr über nur einen Sub-Aux-Send den Pegel bestim-
men, der an euren Reverb ausgegeben wird, anstatt
jeweils in sämtlichen Backing-Kanäle einzeln Nach-
justierungen vornehmen zu müssen. Außerdem lässt
sich nun der eigentliche Pegel der Background-Vo-
cals über ein Fader-Paar kontrollieren.
Regel 4
Praxistipp
Gate und Reverb routen
Gates sollten sich im Signalfluss stets
vor dem Reverb- oder Delay-Prozessor
befinden.
Es besteht sonst die Gefahr, dass
längere Hallfahnen oder leise Delays durch
den Eingriff des Gates abgeschnitten werden.
Außerdem können Reverbs und Delays, wenn
sie dem Gate nachgeschaltet sind, kleinere
Gate-Fehler ausgleichen.
Durchdenkt das Routing
Bereits das Routing kleinerer Pulte oder Pro-
gramme bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten,
aber eben auch die eine oder andere Falle.
Feh-
lendes Routing-Know-how kann dazu führen, dass
ihr entweder nicht hört, was ihr wollt oder aber
dass gleich gar nichts mehr ertönt. Nicht immer ist
es leicht, hierbei den vollen Durchblick zu behal-
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SPECIAL: VOCAL EFFECTS
Regel 5
Seit euch der Funktion
des Gesangs bewusst
Bereits mit einem Standard-DAW-Programm
verfügt man heute über eine enorme Zahl von
Audio-Effekten
– sämtliche prinzipiell auch auf
Vocals anwendbar. Angesichts der Fülle von Mög-
Gesang grundlegend die Devise „nach Vorne mi-
schen“ gilt, sind Backing-Vocals meist für den Hin-
tergrund des Songs gedacht. Die Verwendung von
verschiedenen Hallräumen trägt hier etwa zur
Differenzierung zwischen den beiden Gesangstypen
bei. Auch wird man sich mit dem Einsatz von Cho-
rus-Effekten bei Backings weniger zurückhalten als
im Fall von Leadvocals. Tipp: Schickt eure Centervo-
cals über zwei Busse in zwei Extra-Kanäle und pannt
komplexen Algorithmus mit kurzen Hallfahnen zu-
rückzugreifen – gerade dann, wenn live und mit
traditionellem Monitoring (Wedges) gearbeitet
wird, also jede zusätzliche Frequenz den Bühnen-
sound undurchsichtiger werden lässt. Im Fall von
In-Ear-Monitoring besteht hier natürlich mehr
Spielraum, der Musiker ist ja sozusagen mit sei-
nem Monitorsound allein. Nicht unerheblich ist
auch die Tatsache, dass zu viel Hallanteil auf der
Stimme die Intonation leiden lassen kann.
Regel 7
Highend-Hall für Studio und Bühne:
Lexicons PCM96
Unterscheidet zwischen
Bühne und Studio
diese hart links beziehungsweise rechts. Schleift
jetzt einen Pitchshifter ein und senkt die Vocals links
um 5 Cent während ihr sie rechts um 5 Cent anhebt.
So verleiht ihr Backingtracks Fülle.
In Live-Situation ist man als Engineer auf auto-
matisierbare Abläufe angewiesen. Nicht jeder
Rückwurf eines Delays kann etwa penibel edi-
tiert werden.
Man ist auf die Programme seiner
Prozessoren angewiesen. In vielen Fällen würde
sich detailverliebte Arbeit ohnehin nicht auszah-
len: Die Hörbedingungen in einem Club sind
schlicht andere als im heimischen Wohnzimmer.
Außerdem steht bei einer Live-Performance die En-
ergie der Darbietung im Vordergrund und nicht ein
möglichst audiophiler Sound. Das Publikum will
von euch mitgerissen werden – der Moment zählt.
Im Studio hingegen arbeitet man quasi für die
Ewigkeit. Hier stehen einem überdies noch einmal
ganz andere technische Möglichkeiten zur Verfü-
gung. Kleinste Variationen können in einem durch-
sichtigen Mix relativ große Auswirkungen nach
sich ziehen. Es lohnt sich also etwa im Audiose-
quenzer selbst einzelne Delays ausgiebig mit Fil-
tern, Modulationseffekten und mehr zu bearbeiten.
Im Studio kann außerdem auf Non-Realtime-Ef-
fekte zurückgegriffen werden. Mit diesen Tools
lassen sich teilweise sehr abgefahrene, neuartige
Sounds erzielen.
lichkeiten verliert man allerdings auch recht flugs
sein Ziel außer Augen. Gerade bei der Bearbeitung
von Vocals ist es jedoch wichtig, sich stets dem ton-
technischen Gegenstand bewusst zu sein. Gesang
transportiert direkt Aussagen. Daher gilt zum Bei-
spiel, dass die eingesetzten Effekte keinen negativen
Einfluss auf die Sprachverständlichkeit einer Live-
Performance oder einer Aufnahme nehmen dürfen.
Vielmehr sollten sie die Aussage beziehungsweise
die Atmosphäre der Lyrics möglichst gut unterstüt-
zen. Bedenkt stets, dass der Gesang vom Hörer be-
sonders intensiv wahrgenommen wird. Selbst kleine
Unstimmigkeiten fallen daher schnell auf. Anderer-
seits lässt sich mit gutem Vocalsound auch in be-
sonderem Maße punkten.
Unterscheiden sollte man indessen zwischen
Lead- und Background-Vocals.
Während für Lead-
Regel 6
Sprecht miteinander
Einer der wichtigsten Aspekte bei der Arbeit mit
Vocaleffects ist die Kommunikation zwischen
Sänger und Toningenieur.
Dies hat verschiedene
Gründe: Zum einen hängt der Erfolg eines Gigs oder
einer Studioaufnahme in hohem Maße von der Per-
formance des Sängers ab. Letzterer sollte also einer-
seits genauestens über den geplanten Effekteinsatz
informiert sein, andererseits sollte er aber auch
selbst seine Wünsche kommuniziert haben. Man
singt schlicht anders, wenn zum Beispiel ein rhyth-
misch synchronisiertes Delay auf dem Vocal-Kanal
liegt. Ganz abgesehen von radikalen Effekten wie
Distortion und Ähnlichem.
Womit wir bei einem weiteren Grund für die
Bedeutung von funktionierender Kommunikati-
on zwischen Sänger und Engineer angelangt
sind:
dem Monitorsound. Denn musikalisch wich-
tige Effekte wie etwa ein rhythmisches Delay soll-
ten dem Sänger normalerweise auch auf seinen
Monitor gelegt werden. Derartiges gilt es späte-
stens während des Sound-
checks zu klären. Eher at-
mosphärische Effekte wie
Reverb, Chorus und so wei-
ter können im Gesangsmo-
nitor oft stark reduziert
und teilweise sogar ganz
aus dem Monitormix ge-
nommen werden. Wobei
Sänger häufig zumindest
nach einem Reverb-Effekt
verlangen. Hier lohnt es
sich auf einen weniger
Praxistipp
Trocken-Delay
In modernen Pop- und Rockproduktionen
scheinen Vocals mitunter ohne jeden Reverb
gemischt.
Wenn ihr allerdings versucht, Gesang
tatsächlich komplett ohne Hall abzumischen,
werdet ihr feststellen: Der Vocalsound klingt
zwar trocken, aber leider auch leblos und un-
natürlich. Echte Präsenz erreicht ein derart un-
behandeltes Gesangssignal nicht. Ein beliebter
Trick ist es hier, das Signal mit einem Stereo-
Delay zu beleben. Probiert Folgendes: Setzt die
Delay-Zeit des linken Kanals eures Stereo-De-
lays auf 300 ms und die Delay-Zeit des rechten
auf 350 ms. Den Feedback-Parameter stellt
ihr nun in beiden Kanälen auf ungefähr 50 %.
Zusätzlich könnt ihr das Effektsignal noch ab
circa 2 bis 3 kHz beschneiden. Fahrt den Effekt
jetzt über den entsprechenden Send-Regler in
den Mix, bis ihr das Delay gerade eben hören
könnt – und senkt von diesem Punkt ausgehend
den Pegel des Effekts wieder ein wenig ab.
Eure Vocals sollten nun trocken, aber trotzdem
lebendig klingen.
Bei Sequenzern wie Cubase
von Steinberg oder Logic
von Apple werden eine Viel-
zahl an Gesangseffekten
mitgeliefert.
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