Special Vocal Effects Pimp your Voice
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SpeCial: VoCal effeCtS
Pimp Your Voice
Vocals kreativ bearbeiten
Die Vocals sind bekanntermaßen
Dreh- und Angelpunkt nahezu
jeden guten Songs. Wer es versteht,
mittels Effekten den Gesang aufzu-
werten, hält einen ganz besonderen
Trumpf in seinen Händen. Ob im
Proberaum, im Studio oder auf der
Bühne: Kreativ eingesetzt bergen
Vocal-Effekte ein enormes Potenzial.
bereits die beiden Grundregeln der Verwendung von
Gesangseffekten umrissen sind: 1. Bei der Bearbei-
tung von Gesangssignalen bedarf es besonderer
Sorgfalt, schließlich stehen sie im Zentrum der Auf-
merksamkeit. 2. Der betriebene Aufwand soll den
Song nach vorne bringen, möglichst aber nicht
selbst in den Mittelpunkt rücken. Wobei selbstre-
dend der eine oder andere Effektschnörkel nicht nur
erlaubt, sondern oft sogar hilfreich ist.
Die Möglichkeiten, Vocals zu bearbeiten, sind
zahlreich.
Das folgende Special wird sich vor allem
auf traditionelle Send-Effekte konzentrieren. Die
Bearbeitung von Gesang mit eher technischen In-
sert-Prozessoren wie Kompressoren oder Equalizern
ist ein eines Thema für sich. Für den Moment inter-
essieren uns aber vor allem Reverb, Delay, Modulati-
on sowie Spezialeffekte.
den. nur so bleibt man später im Mix hinsichtlich
des Vocalsounds flexibel. Das heißt, nachhall – ge-
wissermaßen also der Klang eines Raumes – wird
Aufnahmen heute meist künstlich hinzugefügt. Wo-
bei zu beachten ist, dass natürlicher nachhall nor-
malerweise die beste Wahl darstellt – sollte denn
A
30
uch wenn die Kollegen an den Instrumen-
ten es vielleicht nicht immer wahrhaben
wollen: Im Zentrum der Aufmerksamkeit
des Publikums stehen zumeist die Vocals. oder wie
es Mixing-Koryphäe chris lord-Alge formuliert: „Der
Gesang verkauft den Titel. hier musst du als Engineer
all deine Tricks benutzen.“ Doch gleichzeitig gilt laut
lord-Alge, der schon mit Acts wie Green Day, San-
tana oder My chemical Romance arbeitete: „Effekte
dürfen nicht übertrieben eingesetzt werden.“ Womit
Reverb
Ein klassisches Werkzeug zur Gesangsverfeine-
rung ist der so genannte Reverb (zu deutsch:
Nachhall).
In Studios ist man früh dazu übergegan-
gen, den Gesang trocken aufzunehmen, also den
Klang des jeweiligen Raumes möglichst auszublen-
Verringert den Raumklang und das
Übersprechen von anderen Instrumenten:
SE Electronics Reflection Filter
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FoToS: ShuTTERSTocK, IMAGo & unIVERSAl MuSIc
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inhalt
SpeCial
Seite 30
Seite 36
Seite 40
Pimp Your Voice
Vocals kreativ bearbeiten
Die 7 goldenen Regeln
der Vocaleffekte im Einsatz
Auf zum Kauf
Florian Zapf
Gesangseffekte für
jede Anwendung
gangen, in puncto Gesang gänzlich auf klassischen
nachhall zu verzichten und stattdessen Delay-Ef-
fekte einzusetzen. So sagt etwa Steven Wilson, sei-
nes Zeichens kreativer Kopf der englischen Prog-
Rock-Formation Porcupine Tree: „Ich stehe nicht
besonders auf Reverb. Mir gefallen Delays in Kombi-
nation mit einem lowpass-Filter besser. Ein Delay
legt – ähnlich wie Reverb – eine Aura um den Klang,
nimmt allerdings erheblich weniger Platz im Mix
ein. Gerade auf Gesangsspuren sind Reverb-Effekte
oft problematisch, weil sie das Klangspektrum mit
Informationen überladen.“ Wilson verlässt sich bei
seinen Produktionen besonders auf die line 6 Echo
Farm, mit der er Analog-Delays simuliert.
Wie beim Reverb handelt es sich auch im Fall von
Delays gewissermaßen um simulierte Reflexionen
eines Schallereignisses
– ein gesungenes Wort er-
klingt zum Beispiel noch mal, so als wäre es von ei-
ner Fläche zurückgeworfen worden. Typischerweise
sind diese beim Delay (deutsch: Verzögerung) jedoch
als gesonderte Klangeinheit wahrnehmbar, sie set-
zen sich vom ursprünglichen Schallereignis ab. um
diesen Effekt zu erreichen, muss die Reflexion mit
einer Verzögerung von mindestens 30 ms erklingen.
ein gut klingender Raum zur Verfügung stehen. Ge-
rade im Fall von live-Performances ist der Griff zum
Effektgerät beziehungsweise Plugin aber normaler-
weise Pflicht, denn ein trockenes Gesangssignal
wirkt über eine PA wiedergegeben meist leblos und
hebt sich unangenehm vom Bandsound ab.
Verschiedene Hallalgorithmen bezeichnen ver-
schiedene komplexe Anordnungen von Schall-
rückwürfen und Cross-Delays.
Vereinfacht darge-
stellt handelt es sich bei hall/Reverb um frühe Refle-
xionen (engl.: Early Reflections), die noch als einzelne
Schallereignisse wahrnehmbar sind, sowie je um eine
hallfahne, die sich als eher diffuses Klangereignis
präsentiert. Die Early Reflections sind in hohem Ma-
ße für den vermittelten Raumeindruck verantwort-
lich, ihre Patterns können daher in guten Reverb-Ge-
räten separat editiert werden. Zwischen folgenden
Reverb-Kategorien wird normalerweise unterschie-
den: Room (kleiner Raum), chamber (mittelgroßer
Raum), hall (größere Konzerthalle bis Kathedrale),
Plate (Simulation eines analogen Plattenhall-Geräts)
und Spring (Simulation eines analogen Federhall-
Geräts). Weitere Tipps zum Thema Reverb findet ihr
in unseren 7 goldenen Regeln ab Seite 36.
Delay
Aktuelle Produktionen zeichnen sich zunehmend
durch eher trockene Vocals aus.
Besonders super-
lange hallfahnen, wie sie etwa für die Achtziger Jah-
re typisch waren, haben offenbar ausgedient. Viele
Produzenten und Engineers sind sogar dazu überge-
Selbst ist der Sänger:
Mit Tc helicons Voice live kann
man seine Effekte per Fußtritt wechseln.
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SpeCial: VoCal effeCtS
Das menschliche ohr wäre sonst nicht in der lage
sie als separates Schallereignis zu identifizieren.
Grundlegend sind folgende Delay-Arten:
Tempo-Delay: Hier ist die Verzögerungszeit dem
Songtempo angepasst.
Das heißt, das verzögerte
Signal erklingt passend zum Rhythmus des Stücks,
also auf eine ganze, halbe-, Viertel- oder Achtel-
note. Der Song lässt sich auf diesem Wege mit hilfe
des Gesangs verdichten. Bei längeren Delay-Zeiten,
die relativ laut in den Mix gefahren werden, ist ein
temposynchronisiertes Delay oft sogar unverzichtbar.
Ansonsten würde eure Performance schnell ins Free-
Jazz-artige abdriften … Sollte eure Delay-Soft- oder
hardware keine automatische Rhythmus-Anpas-
sung bieten, hier die entscheidende Formel zur Be-
rechnung des Delay-Werts: 60.000/bpm. So erhaltet
ihr – bei einem 4/4-Takt – den Wert für ein Viertel-
Echo, von dem aus sich dann gegebenenfalls weiter-
rechnen lässt. Ein Beispiel: nehmen wir an euer
Song liegt bei 90 bpm, dann teilt ihr die Zahl 60.000
durch 90 und erhaltet so den Wert: 666,7 ms.
Artificial-Double-Tracking: Mit einer Verzöge-
rungszeit unter 20 ms simuliert ihr das Doppeln
von Stimmen und dickt den Vocalsound so an.
Ge-
rade in Refrains macht sich dieser Effekt gut. Einiger-
maßen realistisch lässt sich die Dopplung gestalten,
wenn ihr die Delay-Zeit mit einer dezenten Modulation
verseht und das verzögerte Signal dadurch minimalen
zeitlichen Schwankungen unterzieht. Am besten
Bis zu vier Stimmen lassen sich
hier authentisch realisieren:
Tc helicons Voice Doubler
Praxistipp
Delayzeiten (gerundet) in ms
Gerade wenn ihr temposynchronisierte Delays
für den Gig benötigt, habt ihr nicht alle Zeit der
Welt, um mit dem Taschenrechner zu hantieren.
Daher solltet ihr eine Liste mit den wichtigsten
– für euch relevanten – Delayzeiten notieren. Wir
wollen euch mit der hier folgenden Liste etwas
Rechenarbeit ersparen:
BPM
60
65
70
75
80
85
90
95
100
105
110
115
120
125
130
135
140
145
150
160
170
180
190
200
210
1/4
1.000
923
857
800
750
706
667
632
600
571
545
522
500
480
462
444
429
414
400
375
353
333
316
300
286
1/8
500
462
429
400
375
353
333
316
300
286
273
261
250
240
231
222
214
207
200
188
176
167
158
150
143
1/4 T
1.333
1.231
1.143
1.067
1.000
941
889
842
800
762
727
696
667
640
615
593
571
552
533
500
471
444
421
400
381
1/8 T
667
615
571
533
500
471
444
421
400
381
364
348
333
320
308
296
286
276
267
250
235
222
211
200
190
Könner am Werk:
Steven Wilson von Porcupine Tree setzt
zur Veredelung des Gesangs hauptsächlich Delays ein.
»
ster Räume simulieren. Zusätzlich ist es in diesem Fall
oft angebracht, die verschiedenen Rückwürfe unter-
schiedlich im Stereo-Panorama zu verteilen bezie-
hungsweise nach Gusto mit unterschiedlichen Filtern
zu belegen – etwa wie von Steven Wilson empfohlen
mit einem lowpass-Filter. Auch verschiedene Pegel
bieten sich an. Weitere Delay-Typen sind: Ping-Pong-
Delay (das Delay-Signal springt im Stereo-Panorama
Im Studio sollte man zunächst versuchen, die
entsprechende Spur natürlich zu doppeln.«
von links nach rechts), Tape-Delay (analoges Band-
schleifen-Echo beziehungsweise Simulationen ein-
schlägigen Vintagegears, wie etwa von Rolands Space
Echo RE-201) und Ducking-Delay (die Delays werden
unterdrückt, sobald das originalsignal erklingt).
wählt ihr eine Modulationsgeschwindigkeit von nicht
mehr als 0,5 hz. Wichtig: Im Studio sollte man zu-
nächst versuchen, die entsprechende Spur natürlich
zu doppeln, da so meist überzeugendere Ergebnisse
erzielt werden. Es bedarf allerdings schon einer ge-
wissen Übung, einen bestimmten Part zweimal oder
noch öfter nahezu identisch einzusingen.
In heutigen Audio-Sequenzern lassen sich Delays
auch schlicht via Cut-And-Paste realisieren.
Ihr
könnt so rhythmisch vielschichtigere Verläufe erzeu-
gen als mit einem Standard-Tempo-Delay. Eine wei-
tere Möglichkeit besteht darin, mit kleinen Verzöge-
rungszeiten von circa 10 bis 40 ms zu arbeiten. Wobei
man diese Arbeit besser einem automatisierten Delay
überlässt. So lassen sich über Early-Reflection-Mu-
Modulationseffekte
Modulationseffekte sind zwar in Sachen Vocal-
processing seltener im Signalfluss anzutreffen als
etwa Delays.
Das heißt aber nicht, dass sie weniger
sinnvoll einsetzbar wären. Die Funktionsweise von
Effekten auf Basis von Delay-Modulationen: Das
originalsignal wird verzögert und das entsprechen-
de Delay zeitlich per lFo (low Frequency oscillator)
moduliert. Die Summe aus original- und Delay-Sig-
nal erklingt jeweils als chorus-, Flanger- oder Pha-
Hands On:
Per Taster lässt sich bei lexicons PcM 91 das Tempo eintippen.
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Die Beastie Boys sind
bekannt für abgedrehte
Vocalsounds.
ser-Effekt. Die wohl gebräuchlichste Variante dieser
Gruppe ist der Chorus. Mit ihm kann die Dopplung
eines Gesangsparts simuliert werden – ähnlich wie
schon oben beim Artificial-Double-Tracking be-
schrieben. Neben der zeitlichen Modulation fügt der
Chorus dem Signal allerdings auch leichte Tonhö-
henschwankungen hinzu. Es entstehen Schwebun-
gen, was zu einem breiteren und weicheren, teilwei-
se sogar etwas räumlicheren Klang führt. Ein leich-
ter Chorus empfiehlt sich vor allem, möchte man
Background-Gesänge andicken. Hier ist dann auch
eher zu vernachlässigen, dass Chorus-Effekte im
Allgemeinen ähnlich wie der Reverb dazu neigen,
Sounds in den Hintergrund eines Mixes zu rücken.
Möchte man dem dennoch entgegen wirken, bieten
sich zwei Vorgehensweise an: Entweder ihr legt den
Originalsound auf die eine Seite des Stereo-Panora-
mas und das Chorus-Signal auf die andere oder
ihr lasst im Song-Arrangement schlicht ausrei-
chend Platz für den Effektsound.
Der Flanger arbeitet mit einer kürzeren Verzö-
gerungszeit als Chorus-Effekte.
Er erzeugt statt
Schwebungen daher so genannte Kammfilteref-
fekte, also partielle und gleichzeitig extreme Ab-
senkungen im Frequenzspektrum. Über eine
Feedback-Schaltung wird hier ein Teil des Out-
put-Signals wieder an den Eingang der Verzöger-
ungsschaltung zurückgeführt. Die Folge sind me-
tallische Klänge mit Jet-Effekt. Subtil eingesetzt
vertragen Stimmen diesen Effekt. Wenn ihr das
Feedback-Level unter 50 % haltet und eine niedrige
Modulationszeit (<0,5 Hz) wählt, könnt ihr Vocals
mit dem Flanger einen interessanten, lebendigeren
Charakter verleihen.
Der Phaser erzeugt hingegen – sein Name deutet
es bereits an – Phasenverschiebungen.
Durch die
Modulation entstehen wie beim Flanger charakteri-
stische Auslöschungseffekte. Diese klingen beim
Phaser jedoch runder und weniger metallisch, dafür
aber sehr spacig. Die Anwendung eines Phasers auf
Vocals ist sicher Geschmackssache. Hier sollte man
genau abwägen, wie viel psychedelischer Charakter
dem fraglichen Stück wirklich steht. Es gilt, wie üb-
rigens bei sämtlichen Modulationseffekten: Lieber
einen Tick weniger. Modulationseffekte sorgen, setzt
Wissen
Reverb: die Basis-Parameter
Reverb Time (RT 60):
Zeit, die verstreicht,
bis der Nachhall um 60 dB unter seinen Ma-
ximalpegel gesunken ist (die Nachhallfahne
also praktisch ausgeklungen ist). Wird auch
als Overall Decay Time oder Reverberation
Time bezeichnet.
Size:
Raumgröße des via Early-Reflections-
Pattern simulierten Raums. Gibt Auskunft
über die zeitliche Anordnung der einzelnen
Early Reflections.
Pre-Delay-Time:
Abstand zwischen Direkt-
schall und erster Reflexion. Ist ebenfalls
ein wichtiges Parameter hinsichtlich der
simulierten Raumgröße.
Diffusion:
Grad der Streuung der Schallwel-
len im Raum.
High-Damp:
Regelt die Nachhallzeit der
hohen Frequenzen separat. Natürliche
Räume reflektieren hohe Frequenzen stärker
als mittlere und tiefe – ein Reverb-Prozessor
simuliert dieses Klangverhalten.
Reverb-EQ:
High- oder Lowcut-Filter, mit
denen jeweils die hohen oder tiefen Fre-
quenzen der Hallfahne bedämpft werden.
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SPECIAL: VOCAL EFFECTS
Wissen
Von Menschen und Maschinen
Wie macht der Roboter? So ein Geselle
dürfte doch wohl nach Vocoder klingen,
sollte man meinen. Oder tönen die Maschinen
eher wie Talkbox, Autotune und Co.? Eine
Spurensuche.
Drei Effekte erzeugen stark synthetisch anmu-
tende, Roboter-artige Vocalsounds: Vocoder,
Talkbox und Autotune. Oft werden diese drei
Effekt-Typen verwechselt – und das obwohl
hier völlig unterschiedliche Funktionsprinzipien
vorliegen. Der anno 1998 durch Cher („Believe“)
bekannt gemachte, so genannte Autotune-
Effekt wird zum Beispiel über ein ins Extrem
gefahrenes Tonhöhenkorrektur-Plugin realisiert
– eben via Antares Autotune. Neuerdings
ist der zwischenzeitlich arg aus der Mode
geratene Effekt durch den Hip-Hop-Produ-
zenten T-Pain erneut in die Charts katapultiert
worden. Im Gegensatz zum Vocoder zeichnen
sich Autotune-Signale durch einen wesentlich
klareren und sehr definierten Sound aus. Das
Gesangssignal ist starr fixiert, hat jedes Vibrato
eingebüßt und klingt daher künstlich.
Anders erzeugt man dagegen mit einer
Talkbox synthetisch anmutende Klänge.
Die Talkbox besteht aus einem Mittelhoch-
tontreiber, der sich normalerweise in einer
kleinen Metallbox befindet. Diese ist mit einem
Plastikschlauch verbunden, den der Musiker
in den Mund nimmt. Aus besagtem Schlauch
dringt nun der Sound eines Instruments in den
Mund des Musikers. Der Musiker kann jetzt über
Resonanzraumbewegungen seines Mundes den
Klang des Signals färben. Dieses wird schließlich
wieder über ein Gesangsmikrofon abgenommen.
Die Klangfärbung geschieht hier wohlgemerkt
ausschließlich über die Veränderung des
Resonanzraumes des Mundes, nicht über die
Stimmbänder – es wird nicht gesungen. Streng
genommen dürfte man die Talkbox also gar nicht
als Gesangseffekt bezeichnen. Hört euch mal
„Living On A Prayer“ von Bon Jovi an. Der Gitar-
rensound ging hierbei durch Richie Samboras
Rachenraum. Sehr schöne Talkbox-Synthie-
Effekte hört man beispielsweise auch auf „More
Bounce To The Ounce“ von Zapp.
Das Funktionsprinzip eines Vocoders ist schon
ein gutes Stück komplizierter.
Grob gefasst
artikuliert hier ein erstes Eingangssignal (die
Stimme) ein zweites Eingangssignal (etwa einen
Synthesizer-Sound, aber auch beliebiges anderes
Audiomaterial). Als Ausgangssignal dieses relativ
komplexen technischen Vorgangs liegt schließ-
lich der typische sehr maschinenartige Sound
vor, wie man ihn etwa von Daft Punk („Around
The World“), Pink Floyd („Dogs“) oder den
Electronica-Pionieren Kraftwerk („Die Mensch-
Maschine“) kennt. Im Gegensatz zu Autotune-
und Talkbox-Signalen wirken Vocoder-Klänge
unschärfer und flächiger.
Die wichtigsten Instrumente zur Formung eurer
Stimme:
Euer Mikro und das Mischpult plus die Effekte.
man sie übertrieben ein, für ein undurchsichtiges,
matschiges Klangbild.
Ein weiterer Modulationseffekt ist das so genann-
te Leslie.
Sein klassisches Einsatzgebiet sind Orgel-
sounds. Ein echtes (physisches) Leslie-Cabinet arbei-
tet mit rotierenden Lautsprechern und erzeugt so
seinen charakteristischen flirrenden Sound. Beson-
ders in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern
sind derartige Geräte auch für Vocals eingesetzt wor-
den. So hat etwa Beatles-Engineer Geoff Emerick ein
Leslie für John Lennons Vocals auf „Tomorrow Never
Knows“ vom bahnbrechenden „Revolver“-Album ge-
nutzt. Weitere Beispiele sind Black Sabbaths „Planet
Caravan“ oder „What Is And What Should Never Be“
von Led Zeppelin. Wie ihr an diesen Beispielen selbst
nachhören könnt, sorgt ein Vocal-Leslie für eher ex-
perimentelle Sounds. Übrigens: Wer heute ein Leslie
einsetzen möchte, muss beileibe nicht mehr auf ein
echtes Hardware-Cabinet zurückgreifen. Es stehen
mittlerweile gute Simulationen auf Software-Basis
zur Verfügung. Ein echte Empfehlung ist beispiels-
weise der Voce Spin von Bomb Factory.
Its Right Place“) oder Aphex Twin („Windowlicker“)
unterziehen ihre Gesangsspuren gerade im Studio
oft hochkomplexem Processing. Live sind natürlich
nicht alle Eingriffe reproduzierbar. Im Notfall muss
hier mit Samples gearbeitet werden. Aber probiert
doch – während Recording-Sessions – zum Beispiel
mal folgendes Vocal-Processing: Exportiert zu-
nächst die Reverb-Spur eurer Vocals als Audiodatei
und dreht diese in einem Wave-Editor über die
Funktion Reverse/Umkehren, sodass der Nachhall
jetzt nicht abklingt, sondern vielmehr anschwillt.
Jetzt pitcht ihr das File musikalisch sinnvoll runter
oder rauf und routet einen Modulationseffekt nach
Wahl dazu. Oder ihr nutzt zum Beispiel die Sound-
design-Funktionen eures Software-Samplers zur
weiteren Bearbeitung.
Weit weniger aufwändig ist das Erzeugen eines
so genannten Telefon-Effekts:
Wer Gesangspas-
sagen mit diesem LoFi-Effekt belegen möchte, muss
den Frequenzgang der Vocals lediglich mit steilen
Filtern bis circa 300 Hz und wieder ab ungefähr 2
kHz beschneiden. Auch wenn der Telefon-Effekt
für durchgehenden Leadgesang eher ungeeignet
ist, dezent für Adlibs und Ähnliches eingesetzt,
lassen sich mit ihm durchaus interessante Ak-
zente setzen. Noch extremer als Telefonstim-
men klingen verzerrte Vocals. Doch nicht
wenige Künstler haben schon bewiesen, dass sich
auch Derartiges sinnvoll in Songs einbetten lässt
(The Strokes, Beastie Boys …). Welcher Distortion
ihr eure Vocals unterzieht bleibt natürlich Ge-
schmackssache. Nahe liegend ist die Verwendung
von Gitarren-Amps, Bodentretern und Ähnlichem.
Ihr könnt aber auch schlicht ausrangiertes Studio-
Equipment, etwa einen alten Kassetten-Recorder,
reaktivieren und in die Übersteuerung fahren. Wie
letztlich bei allen Effekten, ist auch hier erlaubt,
was funktioniert und gefällt. Insofern: Frohes Expe-
rimentieren!
Auch Vocals kann man verzerren:
Jagt
euren Gesang für extremen Effekt durch
Ibanez' Tube-Screamer-
Overdrive-Pedal.
Special-FX
Gerade in jüngerer Zeit werden viele eigentlich
eher technische Tools kreativ als Vocal-Effekte
eingesetzt.
Künstler wie Radiohead („Everything In
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