Workshop Bandvocals Teil 6
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Workshop: Bandvocals
Bandvocals – Teil 6
Vocalmikrofone richtig einsetzen
Die Stimme ist bekanntermaßen das Aushängeschild der Band – dementsprechend
sorgfältig solltet ihr euer Mikrofon für die Bühnenperformance auswählen. Wenn ihr
euch ein wenig Zeit nehmt, könnt ihr das Mikro finden, das eure Stimme optimal in
Szene setzt. In diesem Teil des Bandvocals-Workshops wollen wir euch ein paar Tipps
zur Wahl des passenden Mikros und des richtigen Einsatz auf der Bühne geben.
er klang der Gesangsstimme transportiert
einen Großteil der emotionen, welche die
Band vermitteln will. dementsprechend
steht der Sänger auf der Bühne im Mittelpunkt des
Geschehens und bestimmt mit seiner Präsenz in ent-
scheidendem Maße den charakter der Band. das Ge-
sangsmikro spielt bei der Übertragung der Stimme
auf die Pa eine entscheidende rolle: als erstes Glied
in der Signalkette prägt es den Vocal-Sound mehr als
alle nachfolgenden elemente und sorgt dafür, dass
sich die Stimme gegenüber der Band gut durchsetzt.
lauten Bühnen oder im Proberaum. dazu muss das
Mikrofon neben einem satten Bass eine gute
Sprachverständlichkeit aufweisen. ein Bühnenmi-
krofon für Sänger sollte deshalb im Präsenzbereich
- also um 5 bis 9 khz - eine moderate anhebung
haben. Mikrofone mit nieren- oder Supernieren-
charakteristik weisen zudem meist einen ausge-
prägten nahbesprechungseffekt mit entspre-
chender Bassanhebung auf. Bei annäherung an die
kapsel werden die tieffrequenten klanganteile
stark angehoben, sodass sich im „close Miking“-
Foto: ShutterStock, andreaS ederhoF
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Der Gesang wird bei einer Studioproduktion
meist ganz nach vorn gemischt;
und auch der Li-
ve-engineer versucht, durch geschickten einsatz
von effekten und equalizern die Vocals weit vorn zu
präsentieren. obwohl die Gesangsstimme unver-
stärkt mit zu den leisesten instrumenten auf der
Bühne gehört, soll sich der Gesang im Frequenz-
und Lautstärkedschungel der rest-Band gut durch-
setzen. die erste und oft auch wichtigste Voraus-
setzung für ein gutes Bühnengesangsmikro ist
deshalb eine sehr gute durchsetzungsfähigkeit auf
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Foto: Frank SeiFert
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Betrieb, also bei Lippenkontakt des Sängers mit
dem einsprechkorb, ein fetter, aber möglichst defi-
nierter Bass ergibt.
Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Auswahl
des Gesangsmikros ist die Rückkopplungsfestig-
keit.
damit sich der Sänger auf der Bühne hören
kann, wird vor dem Sänger ein Monitor aufgestellt,
der hauptsächlich das Gesangssignal und manchmal
auch andere instrumente abstrahlen soll. Wenn das
Gesangsmikro den vom Monitor abgegebenen klang
aufnimmt und dieses Signal dem Verstärker wieder
zuleitet, entsteht eine sich selbst verstärkende Sig-
das Beyerdynamic tG-X 930 für die Lead-Vocals
durchgesetzt. die beste rückkopplungsunterdrü-
ckung beim einsatz eines nierenmikrofons wird
erreicht, wenn der Bodenmonitor direkt von hinten
auf das Mikro aufspricht.
Beim Einsatz von zwei Bodenmonitoren schräg
rechts und links vor dem Sänger empfiehlt sich
eher ein Mikro mit Super- oder Hypernierencha-
rakteristik.
Bei diesen Mikrofonen liegen die ein-
sprechwinkel der maximalen Bedämpfung nicht di-
rekt auf der rückseite, sondern schräg hinten rechts
und links. die Seite mit der geringsten empfindlich-
»
Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl des
Gesangsmikros ist die Rückkopplungsfestigkeit.«
keit könnt ihr leicht selbst herausfinden: einfach in
das Mikrofon von allen Seiten gleich laut einspre-
chen und die Stimme über einen Monitor abhören.
So bekommt ihr ein Gefühl dafür, wie sich das Mikro
auf der Bühne oder im Proberaum verhält. häufig
eingesetzte Super- oder hypernierenmikrofone sind
zum Beispiel das Beyerdynamic tG-X 60, das akG d7
oder das Shure Beta 58. Wenn ihr das Mikro haupt-
sächlich im Proberaum verwenden wollt, ist eventu-
ell die nierencharakteristik die gutmütigere Varian-
te. da sowohl die Super-, als auch die hyperniere auf
der rückseite des Mikros eine kleine empfindlich-
keitskeule aufweisen, ist die rückkopplungsgefahr
bei nicht optimaler aufstellung der Gesangsanlage
tendenziell höher als bei einem nierenmikro.
Die nächste wichtige Frage ist, ob ihr ein Mikro
mit dynamischer oder Kondensatorkapsel bevor-
zugt.
dynamische Mikrofone erzeugen das aus-
gangssignal dadurch, dass eine an der Membran
angeklebte Spule in das Magnetfeld eines Perma-
nentmagneten eintaucht. durch die Bewegung der
Spule im Magnetfeld wird eine Spannung induziert,
die als ausgangssignal genutzt wird. Wenn ihr euch
in eurer Band gegenüber lauten instrumenten, wie
nalschleife - das klassische Feedback. um solche
rückkopplungen zu vermeiden, muss das Mikrofon
auf der dem Monitor zugewandten Seite eine starke
Bedämpfung haben, während es von vorn alle klang-
nuancen aufnehmen sollte. das typische Gesangs-
mikro hat deshalb eine nieren-richtcharakteristik:
Von vorn eintreffender Schall wird optimal wieder-
gegeben, während das Mikro auf der rückseite na-
hezu unempfindlich ist und den eintreffenden Schall
der Bodenmonitore unterdrückt.
Die meisten Bühnen-Vokalmikros sind mit einer
Niere ausgestattet, da diese Charakteristik ein
sehr gutmütiges Rückkopplungsverhalten auf-
weist.
ein häufig eingesetztes Bühnengesangsmik-
ro mit nierencharakteristik ist das Shure SM58.
dieser mittlerweile 40-jährige klassiker unter den
Gesangsmikros hat zwar nicht den glasklaren
Sound hochwertiger Studiomikros aber in kombi-
nation mit einer guten rückkopplungsunterdrü-
ckung setzt sich die Stimme mit diesem Mikro auch
in akustisch schwieriger umgebung gut durch. das
angebot an guten nierenmikrofonen ist übrigens
sehr vielfältig – so haben sich in den letzten Jahren
Mikros, wie das Sennheiser e 840, das akG c5 oder
drums, Bass und e-Gitarre behaupten müsst,
braucht in erster Linie ein Mikro mit guter durch-
setzungskraft. hier ist ein dynamisches Modell oft
im Vorteil, weil die rückkopplungsneigung bei dy-
namischen Mikros meist etwas niedriger ausfällt als
bei ihren kondensatorkollegen. dadurch könnt ihr
den Gesang höher aussteuern und euch besser
durchsetzen. außerdem werden bei vielen dyna-
mischen Modellen bestimmte Frequenzbereiche an-
gehoben, die dafür sorgen, dass die Stimme mehr
Präsenz und durchsetzungsfähigkeit bekommt. die
Vocals klingen dann eventuell nicht so ausgewogen,
schneiden aber so zusagen durch den Frequenz-
dschungel der restlichen Band besser durch. darü-
ber hinaus ist ein dynamisches Mikro in der regel
sehr robust, sodass eine unsanfte Behandlung nicht
sofort das ende des Mikrofonlebens bedeutet. Be-
kannte Modelle mit dynamischer kapsel sind zum
Beispiel das Sennheiser e 945 oder das Beyerdyna-
mic tG-X 58.
Wenn die musikalische Begleitung aus einem
eher sparsamen Arrangement besteht und die
Band sich mit der Lautstärke etwas zurückhält,
dann kann sich die Stimme vom Frequenzum-
fang her richtig breit machen.
in diesem Fall
empfiehlt sich eventuell ein Modell mit kondensa-
torkapsel, da kondensatorwandler einen sehr groß-
das Shure SM 58 ist
sozusagen der klassiker
unter den Vokalmikros
en Übertragungsbereich haben und die Vocals sehr
natürlich abbilden. kondensatorwandler bestehen
aus einem Plattenkondensator, dessen eine elek-
trode als bewegliche Membran und die andere als
feststehende Gegenelektrode ausgeführt ist. die
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hauchdünne Membran wird schon durch sehr leise
Schallereignisse angeregt und überträgt alle klang-
nuancen der Stimme präzise in eine Wechselspan-
nung am ausgang des Mikrofons. in den letzten
Jahren sind Bühnengesangsmikrofone mit konden-
satorkapseln immer beliebter geworden, da die Mi-
krofonhersteller inzwischen auch kondensatormo-
delle sehr robust fertigen können. hochwertige
Modelle mit kondensatorkapseln sind zum Beispiel
das Sennheiser e 965, das audio technica ae 5400
oder das neumann kMS 105, dessen Übertragungs-
eigenschaften denen eines high-end-Studiokon-
densatormikrofons sehr nahe kommen.
Für die Abnahme des Background-Gesangs auf
der Bühne gelten im Grunde genommen die glei-
chen Bedingungen wie für die Lead-Stimme.
da
der Background-Gesang in der regel etwas verhal-
tener klingen darf als die Stimme des hauptsän-
gers, müssen die Backingvocals nicht so hoch aus-
gesteuert werden und die Feedback-Gefahr sinkt
deutlich. da viele Background-Sänger in erster Li-
nie ihr instrument spielen und sich deshalb nicht
voll auf den Gesang konzentrieren können, wird
auch der Mikrofonabstand häufig nicht konstant
gehalten. deshalb könnten die Background-Sänger
unter euch eventuell mit einem kondensatormodell
gut klarkommen, wobei ihr das Mikro aber in erster
Linie nach dem Sound auswählen solltet. konden-
niere oder Superniere. eigentlich geht
alles, was mit einer niere zusam-
menhängt. kugeln solltet ihr
tunlichst vermeiden, da diese
rund um die kapsel den
Sound auffangen.
Neben den klanglichen
Eigenschaften braucht
ein gutes Bühnen-Ge-
sangsmikrofon
einen
wirk samen internen Popp-
schutz.
ein externer Poppschutz
- wie im Studio üblich - macht auf
der Bühne keinen Sinn. deshalb sollte
der integrierte Poppschutz den Luftschwall, der bei
explosivlauten entsteht, von der Membran fernhal-
ten. die Wirksamkeit des Poppschutzes lässt sich auf
einfache Weise selbst testen: die Laute „P“ und „B“
sollten von einem Gesangsmikro deutlich, aber ohne
den typischen tieffrequenten Popplaut wiedergege-
ben werden. der interne Poppschutz und auch der
korb sollte auswechsel- und auswaschbar sein. im
Lauf der Zeit wird euer korb nämlich mit so einigen
Flüssigkeiten und Substanzen, wie Speichel, Lippen-
stift, Schweiß und hautschuppen in Berührung kom-
men. dass dies mit der Zeit richtig eklig und übelrie-
chend werden kann muss hier hoffentlich nicht nä-
her erläutert werden.
ein bekanntes dynami-
sches Gesangsmikrofon
ist das Sennheiser e
945 mit Supernieren-
charakteristik.
des Mikrofon auf einen eigenen Mischpultkanal,
steuert alle Mikrofone exakt gleich aus und gebt
allen kanälen die gleiche einstellung. Wichtig ist,
dass ihr die Mikrofone unter möglichst realitäts-
nahen Bedingungen testet – also mit einer kleinen
Pa oder einer Gesangsanlage und nicht über kopf-
hörer. auf diese Weise hört ihr den klang des Mi-
kros in gleicher Weise, wie ihn auch das Publikum
bei einem Gig wahrnimmt.
Zuerst solltet ihr euch die Mikros nur mit eurer
Stimme anhören, um ein Gefühl für das Verhalten
der Kandidaten zu bekommen.
Welches Mikro lässt
sich am lautesten aussteuern, bevor es anfängt, zu
koppeln? Welcher testkandidat bringt die beste hö-
henabbildung? Bei welchem Mikro ist der text eures
Gesangs am besten zu verstehen? Wie verhält sich
der klang der einzelnen Mikros, wenn ihr einen hall
auf die Vocals legt? Wenn ihr eine engere auswahl
getroffen habt, dann solltet ihr den gleichen test mit
voller Band-Besetzung durchführen. es ist ein groß-
er unterschied, ob das Mikrofon die Solostimme gut
wiedergibt oder ob die Stimme auch mit der ganzen
Band gut zu hören ist.
andreas ederhof
»
0 dB
Ein externer Poppschutz – wie im Studio üblich –
macht auf der Bühne keinen Sinn.«
Manche Händler bieten gegen eine geringe Auf-
wandsentschädigung auch die Möglichkeit meh-
rere Mikros auszuleihen.
diese auswahl nehmt ihr
mit in den Proberaum und baut sie nebeneinander
auf. alle Mikros sollten in der optimalen einsprech-
höhe zum Mund positioniert und mit dem gleichen
einsprechabstand getestet werde. nun legt ihr je-
satormodelle geben auch bei größerem Mikro-
fonabstand noch ein kräftiges Signal ab – darüber
hinaus ist der offene klang eines kondensatormi-
kros für die Wiedergabe der Background Vocals
meistens sehr gut geeignet. auf jeden Fall braucht
auch der Background-Sänger ein Mikrofon mit
guter rückkopplungsunterdrückung - also eine
Ausgangspegel
10 cm
2 cm
Sänger
Niere
Sänger
Superniere
20 cm
1m
20 Hz
100 Hz
Frequenz
10 kHz
Monitor
aufbau der Bodenmonitore beim einsatz eines nieren- (links) und
eines Supernierenmikrofons (rechts)
Monitore
Typischer Frequenzgang eines Bühnen-Gesangsmikrofons:
deutlich sichtbar die
anhebung im Präsenzbereich und die auswirkung des nahbesprechungseffekts.
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