Workshop Live Mixing Teil 12
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Workshop: Live-Mixing
Live-Mixing-Workshop – Teil 12
Don´t Fix It In The Mix
Wow: Ein Jahr lang Mixing Workshop – und nun ist es vorbei. Zum Glück gab es ja auch
nicht nur trockene Theorie, sondern auch reichlich Praxis. Was fehlt, das sind jetzt noch
die kleinen und meist gut gehüteten Tricks und Geheimnisse der Profis, der Blick über die
Schulter der Techniker, die mit einem Lächeln auf dem Gesicht Probleme lösen.
T
ausend Tricks und Kniffe und die Lösung
für jedes Problem – klingt traumhaft. Aber
wo fängt eigentlich ein Problem an? Schon
bei der mumpfenden Gitarre? Oder erst bei der
hartnäckigen Brummschleife, die mit nervenden
50 Hz vehement vor sich hinbrummt? Wir betrei-
ben ursachenforschung und stellen dabei fest,
kein Problem ist unlösbar und meist hätte man
bereits im Vorfeld viel Ungemach verhindern kön-
nen. Teilen wir das Ganze in drei Teilbereiche auf
und machen uns auf die Suche nach praktikablen
Lösungsansätzen.
Technisches Ungemach
Ohne Strom geht heute nichts mehr, man sollte
also meinen, dass mit dem Strom aus der Dose
alles prima läuft.
Weit gefehlt, den häufig sind es
Netzprobleme, die den Spaß am Gig trüben. Pro-
blem erkennen, die richtige Gegenmaßnahme er-
greifen und glücklich werden. Lässt man Probleme
durch Netzüberlastung außen vor, äußern sich ge-
fühlte 90 % aller Stromprobleme durch Brummen
auf der Anlage. Ursache ist meist eine Brummschlei-
fe, die durch Mehrfacherdung von Geräten entsteht.
Damit habt ihr schon mal das Problem erkannt und
es fehlt nur noch die richtige Gegenmaßnahme: ihr
müsst die Brummschleife auftrennen! Viele Geräte
haben so genannte Groundlifts oder Earthlifts, die
häufig bereits Linderung verschaffen. Da der Feh-
ler trotzdem tückisch ist, solltet ihr unter Umstän-
den verschiedene Schalterstellungen ausprobieren.
Physikalisch zu erklären ist es oftmals nicht, war-
um der Groundlift an Gerät A nicht hilft, der an
Gerät B jedoch sofort. Absolut tabu ist übrigens
das Abkleben des Schutzleiters, um das Brummen
abzustellen. Hilft meist nicht, ist aber auf jeden
Fall lebensgefährlich!
Foto: Frank Seifert
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SOUNDCHECK 03 | 09
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Foto: ShutterStock, Krämer
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DI-Boxen sorgen für einen sauberen Signalverlauf.
Helfen die Onboard-Lösungen partout nicht
weiter, schlägt die Stunde der externen Helfer-
lein. Ganz vorne in dieser Disziplin sind DI-Boxen
oder Line Isolatoren.
Eine preiswerte und recht uni-
verselle Alternative ist ein Groundlift-Adapter, den
ihr euch ganz einfach selbst löten könnt: Ein Stück
symmetrisches Kabel mit Stecker und Buchse, durch-
verbunden sind jedoch nur die Pins 2 und 3 bei den
XLRs, bei Klinken bleibt analog dazu der Schaft frei,
Ring und Spitze werden eins zu eins durchverbunden.
Das funktioniert allerdings nur bei symmetrischer
Leitungsführung, bei unsymmetrischer wird der Sig-
nalfluss unterbrochen! Zudem sollte man so einen
Adapter unbedingt deutlich kennzeichnen.
Noch ein weiteres Kraut ist gegen den Brumm
gewachsen, und zwar eine saubere Leitungs-
führung.
Reserviert für Licht und Ton unbedingt
unterschiedliche Stromkreise, sorgt aber anders-
rum dafür, dass zum Beispiel Endstufen und Misch-
pult unbedingt auf einer
Phase liegen. Ihr braucht
also parallel zum Multi-
core noch ein Stromkabel,
über das der Frontplatz versorgt wird. Wer
nicht zweimal laufen will, der stattet sein Multi-
core einmal mit einer zusätzlichen Netzleitung aus
und ist mit diesem Kabelbaum dann direkt auf ei-
nen Schlag perfekt verbunden.
Wenns sirrt und knackt, dann lässt sich Abhilfe
ebenfalls meist bei den Kabeln und Verbin-
dungen finden.
Ursache sind Einstreuungen, so
genannte Induktionen, von leistungsstarker oder
hören heute praktisch auf jeder Bühne dazu – und
hier droht Ungemach. Kommen dann auch noch
nicht ganz perfekte Kabel dazu, könnt ihr die fiesen
Töne nur noch durch komplette, räumliche Tren-
nung mindern. Keine Netzleitungen parallel zu Sig-
nalkabeln, keine Netzteile neben Kabeln oder Mi-
xern, möglichst niemals die Dimmer neben die Sta-
gebox.
Übrigens – riesige Distanzen zwischen den Lei-
tungen sind oft nicht notwendig.
Physikalisch
betrachtet verhalten sich Induktionsprodukte im
Verhältnis des Quadrats der Entfernung – was
schlicht und einfach sagt, dass mit Verdopplung der
hochgetakteter Elektronik in der Nähe. Da der Ef-
fekt nicht über die Leitungsverbindungen, sondern
durch die Luft übertragen wird, nützt an dieser
Stelle die elektrische Trennung rein gar nichts. Dim-
mer, Elektromotoren oder Kühlaggregate gehören
zu den potentiellen Störenfrieden, leider aber auch
sehr häufig Schaltnetzteile von Leuchtstoffröhren,
Computern und Laptops. Insbesondere letztere ge-
»
Reserviert für Licht und Ton unbedingt
unterschiedliche Stromkreise.«
Entfernung zwischen Leitungen die nervende Wir-
kung bereits um das vierfache abgenommen hat.
Ein guter Trost also. In der Praxis reichen nämlich
manchmal schon ein paar Zentimeter mehr Abstand
zwischen Netzleitung und Signalkabel. Nach Hö-
rensagen soll übrigens auch das Drehen von Ste-
ckern in der Steckdose hilfreich sein, was ich per-
sönlich für Voodoo halte. Definitiv hilfreich sind
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Workshop: Live-Mixing
schneidung der Schallwellen. Habt ihr Glück, stimmt
die Phase und die Schallwellen aus den beiden Subs
addieren sich vollständig. Weit häufiger jedoch ist
das nicht der Fall und das Ergebnis liegt irgendwo
auf einer Skala zwischen muffig, undifferenziert und
schauderhaft. Für eine Lösung gibt es mehrere Sze-
narien, eine kann zum Beispiel sein, die Bässe schlicht
als Monocluster in die Mitte zu packen. Das spart
nicht nur Phasenärger, sondern sorgt durch Addition
der Membranfläche für Schalldruckgewinn und ei-
nen nach unten erweiterten Frequenzbereich. Prädi-
kat „empfehlenswert“, so lange der entstehende
Turm nicht den Blick auf die Bühne verwehrt. Da die
Wellenlänge im Bassbereich sehr groß ist, dürft ihr
die Subs ruhig mal beherzt durch die Halle schieben,
bei wenigen Zentimetern vor oder zurück ist in der
Regel noch keine Änderung festzustellen. Je nach
Raumgeometrie kann es durchaus auch angezeigt
sein, die Bässe durch Podeste oder ähnlichen Unter-
Damit Strom nur geräuschlos fließt, werden Powerconditioner eingesetzt:
Samsons PowerBrite Pro10
hingegen professionelle Powerconditioner, die
durch integrierte Filter für sauberen und nebenge-
räuschfreien Strom am Frontplatz sorgen.
Als letztes Problemkind bleibt auf der Bühne
das Krachen und Knacksen.
Anders als bei den
vorangegangenen Tücken steckt hier der Teufel fast
immer an einer ganz anderen Stelle im Detail, näm-
lich bei der Schludrigkeit der Musiker! Das Drumset
wird liebevoll gepflegt, Bass, Gitarre und Amps ha-
ben wie selbstverständlich ein Case, nur mit den
Kabeln und dem Zubehör ist man weit weniger zim-
perlich. Dieser Teil des Equipments wird verstaut,
wo es gerade geht, wenig pfleglich behandelt und
all zu oft einfach vernachlässigt. Kabel brechen,
Lötstellen versagen, Kontakte oxidieren, in der
Summe macht das die Übertragung nicht nur
schlechter, sondern oft unmöglich. Ausgeleierte
Buchsen und wackelige Stecker tun ihr übriges da-
zu und sorgen nach ausreichend stiefmütterlicher
Behandlung für die bekannten Probleme. Darum an
dieser Stelle mein Tipp: Pflegt dieses Material,
kontrolliert regelmäßig den Zustand der Verbin-
dungen auf kalte Lötstellen, beschädigte Adern und
korrodierte Kontakte und gönnt euren Kabeln ab
und an eine Reinigung – die Lebenserwartung steigt
dadurch beachtlich an. Milde Seifenlauge reicht in
der Regel für eine Reinigung. Härtere Kleberrück-
stände, die mit der Zeit nicht nur echt übel ausseh-
en, sondern auch euer Kabelmaterial zerstören,
könnt ihr mit Etikettenentferner oder speziellen Tü-
chern aus dem Fachhandel entfernen. Aber am Bes-
ten lasst ihr es gar nicht so weit kommen – Gaffa-
band zum Beispiel klebt zwar überall, bleibt aber
leider auch teilweise am Kabel kleben, Packet- oder
Malerband als günstige Alternative taugt leider
auch rein gar nichts, sieht hässlich aus und hinter-
lässt ebenfalls Kleberänder. Greift zum breiten
PVC- oder Isolierband, das lässt sich rückstandsfrei
abziehen. Im Fachhandel erhältlich unter dem Mar-
kennamen Gerband, unter Technikern häufig als
„Vario“ oder Lassoband bezeichnet.
Es rockt nicht
Kein Brummen, kein Sirren – trotzdem fehlt
das richtige Pfund?
Wenn ihr sicher seid, dass
»
Im Gegensatz zum Bass lassen sich Mitten und
Höhen einfacher richten.«
bau vom Boden abzukoppeln, auf jeden Fall solltet
ihr eure Subs nicht direkt in Raumecken aufstellen.
Durch Reflexionen an drei Flächen – dem Boden, der
Rück- und der Seitenwand – fällt das Ergebnis eher
matschig und undefiniert als knackig und satt aus.
Technisch alles bestens ist, solltet ihr mal wieder
auf der Bühne nach der Ursache schauen – genauer
gesagt: Vor der Bühne. Dort steht in der Regel
rechts und links ein PA-Stack. Und die Interaktion
zwischen Raum, System und Anordnung ist nicht
zu verachten. Was im kleinen schon deutlich hör-
bare Ausmaße annehmen kann, gilt natürlich umso
mehr für große Systeme.
Schall verbreitet sich wage kugelförmig, diese
Eigenschaft gilt insbesondere für den Bass.
Eigentlich eine sehr dankbare Eigenschaft, immerhin
sorgt sie dafür, dass alle im Saal etwas vom Bass
abbekommen. Zumindest – und hier wirds trickreich
– solange es nur eine Schallquelle für den Bass gibt.
Meist stehen aber rechts und links der Bühne Subs
und damit kommt es unweigerlich zu einer Über-
Es muss beim Hörer
ankommen
Im Gegensatz zum Bass lassen sich Mitten und
Höhen einfacher richten, trotzdem lauert auch
hier eine akustische Tücke:
Harte Reflexionen.
Diese treten überall da auf, wo der Schall unge-
bremst von harten, glatten Wänden reflektiert
wird. Dazu gehören Wände, Böden und leider auch
die Decke. Stellt ihr eure Tops einfach aufs Stativ,
ballert ihr in der Regel etwa die hälfte der Schall-
energie aus dem Hochtöner über die Köpfe eures
Publikums und damit unweigerlich irgendwann an
die Decke. Dort werden sie zurückgeworfen und
mischen sich irgendwo wieder mit dem Direkt-
schall. Was nach oben funktioniert, gilt leider auch
für die Seiten, auch hier drohen Reflexionen, die
das Klangergebnis noch mehr zumatschen. Was
hilft, ist eine saubere Ausrichtung. Hoch mit den
Tops, zur Mitte hin eindrehen und möglichst nach
unten anwinkeln. Für viele Topteile gibt es passende
Flugrahmen, die auch zusammen mit einem Stativ
eingesetzt werden können, eine preiswerte und
funktionale Alternative sind Schrägsteller. Versucht
damit, eine Ausrichtung zu finden, die möglichst
viel Publikum trifft und möglichst wenig Fläche.
Ran an die Quellen: Denn wenn jetzt noch
nichts klingt, liegt der Fehler vor dem Pult und
der PA.
Stellt euer Mikrofonkonzept auf die Probe,
denn hier lauern ganz oft Probleme. Lässt sich zum
So ein Durcheinander hat auf der Bühne nichts zu suchen.
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SOUNDCHECK 03 | 09
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Underhead:
Wenn ihr die Becken von unten abnehmt, fangt ihr euch weniger Störschall ein.
Beispiel die Gitarre trotz maximalem Einsatz am
Kanalequalizer nicht bändigen, dann hilft sehr oft
ein anderes oder anders ausgerichtetes Mikrofon
weiter. Welches das Richtige ist, kann stundenlang
beim Feierabendbier diskutiert werden, wie es
auszurichten ist, kommt danach und dauert meist
noch länger. Als Faustregel gilt jedoch, dass ein
abgenommener Speaker am Rand drückender und
mittig klingt, zur Mitte hin deutlich crisper und
knackiger. Richtet man das Mikrofon direkt auf die
Kalotte, knackt beim ersten Hi-Gain-Sound die
Schädeldecke. Versucht also, bei der Ausrichtung
eine Position zu finden, die zum Sound eures
Stacks passt und euren Vorstellungen entspricht.
Einmal gefunden, ist ein kluger Schachzug diese
Position zu markieren; zum Beispiel durch einen
Aufkleber.
Noch krasser wirken sich Mikros und Positionen
bei den Drums aus.
Auf engstem Raum trifft man
Eine andere Quelle für akustische Probleme
sind häufig die Overheads.
Zu dünn, zu ungleich-
mäßig, zu hart, so richtig seidig klingt es irgendwie
nie. Zudem sammelt man über diese Mikros häufig
auch noch jede Menge Tom- und Snaresound ein.
Probiert in so einem Fall doch mal ein „Underhead“.
also dreht den Spieß um und nehmt euer Blech von
unten ab – entweder über mehrere Miniaturmikros,
die ihr direkt unter den Becken an die Hardware
klippst oder alternativ über eure herkömmlichen
Overheadmikrofone, die ihr seitlich von unten ans
Set integriert.
Mein EQ sieht immer so aus
Schon mal gehört diesen Satz?
In den Mitten
immer etwas rausnehmen, beim Bass gibts zwei
Frequenzen, die man immer schiebt und Obenrum
dreht man auch immer an der gleichen Stelle rein
oder raus. Meist senkt man dann noch rund um die
Lieblingsfrequenzen gleich noch ein bisschen mit
ab, damit das Ganze nicht so eckig aussieht,
schließlich ist es ja ein grafischer Equalizer. Dabei
vergisst man irgendwann völlig, dass es ja um
Klangkorrektur geht und nicht um Schönfärberei.
Faustregel: Wenn mehr als vier Frequenzbän-
der und mehr als 6 dB notwendig sind, lässt
sich der Sound eurer PA eigentlich schon nicht
mehr mit dem EQ solide verbessern.
Bevor ihr
also herumdoktert, forscht lieber nach der Ursa-
che und stellt dort das Problem ab. Oft genügen
ein paar Handgriffe an der Ausrichtung oder Auf-
stellung und die akustische Welt sieht ganz anders
aus. Denn auch dabei wird gerne vergessen, dass
jeder Griff am Equalizer das Signal verbiegt und
die Phase beeinflusst, damit also wieder zwangs-
weise für unliebsame Effekte im Ergebnis sorgt.
Die echten Profis setzen dazu tatsächlich noch
eine Stufe früher an und verlassen sich nicht nur
auf die PA und die Technik, sondern sorgen selbst-
verständlich auch für ihre Instrumente optimal.
Uli Hoppert
Vertraut beim Einstellen der EQs auf euer Gehör und nicht
auf die Augen.
hier auf sechs, acht oder mehr Mikros. Überspre-
chen und Phasenprobleme sind hier vorprogram-
miert. Ran an die Kessel lautet die Devise, Nähe
schafft Isolation und sorgt für fetten Pegel. Checkt
insbesondere eng beieinander liegende Mikros, zum
Beispiel die an den Toms, ob es dort Auslöschungen
durch so genannte Kammfilter gibt. Setzt den Pha-
sendreher am Pult ein, wenn die Toms hohl und un-
definiert klingen und prüft ob sich der Klang ändert,
wenn ihr das Signal eines oder zweier Tommics
dreht. Niemals alle – denn dann seid ihr wieder da,
wo ihr angefangen habt.
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