Workshop Mixing Teil 8
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Workshop:
Mixing
Live-Mixing-Workshop – Teil 8
Vielsaitig
Gitarren- und Basssound lautet das aktuelle Thema in dieser Ausgabe. Hier
gehts ans Eingemachte, denn jeder Saitenhexer weiß bekanntlich, dass sein
Sound einzigartig ist – trotzdem gibts hier ein Paar Tricks und Kniffe, mit
denen ihr den Wimmerhaken locker bändigen könnt.
F
angen wir direkt mit dem Bass an – meist wird
der auf der Bühne, anders als viele andere Ins-
trumente nicht mit einem Mikrofon, sondern
via DI-Box abgenommen. Meist: Denn mancher Bas-
sist schwört trotzdem auf ein geeignetes Mikrofon
vor seiner Box. Ob das nun daran liegt, dass Bassisten
meist stoischere Gesellen sind oder ganz einfach eine
problemlose Übertragungstechnik dem Mythos der
„klingenden Box“ vorziehen, könnt ihr gerne nach eu-
rem nächsten Gig erörtern. Fakt ist hingegen, dass
auch unter Bassisten nur sehr selten die Box mikrofo-
niert wird, meist sind diese Leute in der Fusion- oder
Progressive-Rock-Szene zu finden.
Ein Blick in die Spektralverteilung zeigt uns
beim Bass bereits eine grobe Richtung vor.
Etwa bei 40–50 Hz geht ein guter Viersaiter los, bis
etwa 400 Hz reicht der Grundton dieses Instru-
ments, darüber kommen dann fast nur noch Ober-
töne. Je nach Stimmung und Spielweise reicht der
Grundton durchaus auch noch eine Oktave drüber,
also bis etwa 1 kHz. Ein weiterer Blick ins Fre-
quenzspektrum zeigt uns aber auch noch etwas
anderes: Der Bass kommt an drei wichtigen Stellen
anderen Instrumenten in die Quere – nämlich der
Kickdrum eures Drumsets, den tiefen Lagen der
menschlichen Stimme, vor allem bei den Herren der
E-Bass:
Die Absenkung der Bässe und die starke Anhebung
der Mitten sorgen für ein knackiges Klangbild.
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SOUNDCHECK 11 | 08
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Am Kanal-EQ solltet ihr euch zunächst die tie-
fen Frequenzen vornehmen.
Versucht dazu, eine
klare Staffelung zur Kickdrum hinzubekommen. Am
Besten legt ihr den Bass frequenztechnisch kurz
darüber, dünnt ihn also unter 100 Hz aus und
schiebt dafür zwischen 100 und 250 Hz richtig an.
Komfortabler gehts natürlich mit zwei paramet-
rischen Bändern. Auch weiter oben im Frequenz-
band braucht der Bass etwas Behandlung. Zwischen
1,5 und 2 kHz könnt ihr dem Viersaiter Druck und
Anschlag einhauchen, allerdings nicht darunter –
denn unter 1,5 kHz nehmt ihr sonst mit dem Bass
der Gesangsstimme ihren Raum. Über 3 kHz könnt
ihr jetzt noch mit einem herkömmlichen Filter et-
was ausdünnen, wenns der typisch drückende Me-
tal-Bass sein soll. Wer die Sache lieber spritzig
mag, der kann hier sogar etwas Gas geben. Mark
King von Level 42 hat das seinerzeit vorgemacht:
Bass kann auch Höhen haben.
splitteten Signale gänzlich unterschiedlich. Dem
Kanal 1 wird alles oberhalb von 1 kHz radikal ab-
geschnitten, der Kompressor macht den Sound
mit etwas höherer Ratio dann eher zu fett als zu
mager und der Bereich zwischen 100 und 250 Hz
wird richtig satt rausgearbeitet. Kanal 2 hingegen
wird identisch zur obigen Methode ganz klassisch
bearbeitet, je nachdem kann man hier sogar unter
1 kHz deutlich sparen. Was den Reiz dieser Tech-
nik ausmacht ist schlicht die Mischung – mit dem
reinen Basskanal lässt sich nach Bedarf Funda-
ment dazumischen oder durch weniger Pegel ein
schlanker, agiler Bass mischen. Dabei aber unbe-
dingt auf die Polarität achten – wenn der Bass
beim Aufziehen des Basskanals nicht fetter wird
sondern plötzlich verschwindet, ist einer der Ka-
näle „phasengedreht“.
Variante 2 ist eigentlich die Fortführung der
Variante 1, nur dass diesmal die Box abgenom-
men wird, der „Basskanal“ kommt jedoch wei-
terhin über die DI-Box.
Auch hier gibts Tücken
und Fallstricke, die Phasenproblematik ist hier unter
umständen besonders ausgeprägt. Auch die Auswahl
des Mikrofons und die Positionierung sind nicht oh-
ne, wenn das Ergebnis perfekt sein soll. Leistungs-
starke Bassstacks machen ordentlich Wind, es kom-
men also nur ausgewiesene Mikrofone in Frage, die
Doppeln? Oder doch
mikrofonieren? Oder beides?
Wer Zeit, die umfangreichen Möglichkeiten
einer Digitalkonsole und freie Kanäle hat,
kann sich an zwei Experimente wagen.
Varian-
te eins ist das Doppeln: Dazu legt man das Signal
auf zwei Inputs auf und bearbeitet diese so ge-
E-Gitarren:
Mit dem Lowcut wird das Rumpeln entfernt.
Die parametrischen Mitten sorgen für Transparenz.
Gesangsschöpfung und zum guten Schluss leider
auch allen anderen basslastigen Instrumenten.
Bevor wir jedoch auf Klang und Frequenzen
genauer eingehen, erst mal einen Blick auf
den Gain.
„Less Gain – No Pain“ lautet die
Faustformel, damit tragt ihr einem unumstöß-
lichen Gesetz der Bühne Rechnung: Saitenins-
trumente, insbesondere die elektrisch verstärk-
ten, werden im Laufe eines Gigs lauter. Also
fangt mit vorsichtig dosierten Gain-Pegeln an.
Hört euch zudem beim Soundcheck einmal kurz
durchs Programm, wenn später beim Gig eine
Slap-Einlage kommt, solltet ihr die vorher unbe-
dingt mal gehört haben.
Der Einsatz eines Kompressors lässt den Bass
deutlich dicker und massiger erscheinen, al-
lerdings solltet ihr euch tunlichst von der
Klangformung fernhalten.
Das erledigt der
Mann auf der Bühne, ihr seid am Pult dafür zu-
ständig, den Sound handhabbar zu machen. Ein
auf Hard-Knee gestellter Kompressor mit 20–30
Millisekunden Attack und 250–350 Millisekun-
den Release macht den Sound schön knackig, die
Ratio sollte dabei eine Größenordnung von 4:1
haben und der Threshold nicht zu tief liegen. Mit
4–6 dB Gainreduction bleibts dann noch natür-
lich und spritzig; mit mehr Reduction wird es
deutlich knurriger und dichter. Geschmackssa-
che eben.
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Mixing
Filigrane Saitenarbeit? Oder
volles Gitarrenbrett?
Was ihr wie an eurem Kanal-EQ bearbeitet,
hängt von der Mikrofonposition und dem Mik-
rofon auf der Bühne ab.
Eine Binsenweisheit ist,
dass ein Mikrofon auf die Kalotte ausgerichtet mehr
Höhen bringt; auf den Rand des Speakers ausgerich-
tet hingegen wird der Sound mittiger, drückender
und knurrig. Also unterstützt genau das am Pult,
vorausgesetzt es ist der Sound den ihr auch sucht
und den der Gitarrist haben will.
Unter 130 Hz könnt ihr ganz beherzt und ohne
Kompromisse eingreifen.
Ein regelbarer Lowcut
ist da das Mittel der Wahl. Ab 200–250 Hz könnt
ihr der Gitarre ein erstes Mal zum notwendigen
Schub verhelfen, eine Oktave darüber, rund um
500–600 Hz, geht eine Stromgitarre dann richtig
nach vorne. Ausprobieren heißt die Devise, die ihr
mit Blick auf das Mikro auf der Bühne befolgen
solltet. Vereinfacht gesagt: Die Kalotte passt zu
500 Hz, der Rand eher zu 200 Hz. Wenn ihr mehre-
re Gitarren auf der Bühne habt, dann probiert auch
hier eine Staffelung aus – beispielsweise könnt ihr
eine Gitarre im oberen Frequenzbereich pushen, die
andere im tieferen Bereich.
Regelrechtes Sperrgebiet ist der Frequenzbe-
reich zwischen 1 und 2 kHz.
Dort stehen die meis-
ten Stromgitarren ohnehin schon prima da, zusätz-
lich kommen sie genau in dem Frequenzbereich auch
der Gesangsstimme ganz massiv in die Quere. Also
Finger weg und bloß nichts boosten – lieber leicht
2-kanaliger E-Bass:
Links wird nur der Frequenzkeller bis 1,8 kHz gepusht, währed rechts ein schlanker Sound
entsteht. Die richtige Mischung beider Kanäle sorgt dann für einen variablen Bass-Sound.
diese Schalldrücke auch ohne Probleme verkraften
können. Nicht zuletzt riskiert man auch unange-
nehme Feedbacks im Bassbereich, auch hier ist also
saubere Arbeit angesagt.
Zwei Saiten mehr –
Zeit für die Gitarren
Hier lauert Zündstoff! Hand aufs Herz, kaum
ein anderer Musiker ist so penibel und speziell
mit seinem Sound wie der Gitarrist.
Dabei
kommt rein technisch betrachtet eigentlich nur
eins aus der Gitarrenbox: Mitten! Klar will das kei-
ner hören, vor allem die Gitarristen laufen jetzt
Sturm – trotzdem hilft diese erkenntnis am Pult
deutlich weiter. Wer nämlich gar nicht erst ver-
sucht, den Gitarren Frequenzen aufzuhalsen, die
nicht da sind, wird mit einem sehr aufgeräumten
und entspannten Mix belohnt.
Genau wie beim Bass gilt auch hier beim Gain:
Low down! Unbedingt die gesamte Soundpalette
des Saitenartisten beim Soundcheck abarbeiten,
sich am Maximum orientieren und Luft nach oben
lassen. Manche Zerr- und Hi-Gain-Sounds belas-
ten den Vorverstärker beachtlich, wer das ver-
gisst, versaut dem ambitionierten Musiker sein
Solo und das gibt echt böse Blicke – zu recht!
Auch hier kann ein Kompressor helfen, die Pegel
in der Hand zu behalten, im Vergleich zum Bass
fallen die Ansprechzeiten hier mit 15 bis 30 Milli-
sekunden kürzer aus, die Release-Zeiten könnt ihr
mit 80 bis 150 Millisekunden ebenfalls etwas kür-
zer als beim Bass wählen. Wenn ihr dann mit einer
Ratio von 2,5:1 bis 4:1 etwa 4 bis 8 dB Kompres-
sion erreicht, sollte sich alles recht entspannt
anlassen. Aufgemerkt – wenn ein echter Flinkfin-
ger am Werk ist, müsst ihr eventuell die Release-
Zeiten anpassen, um den Kompressor nicht zum
Pumpen zu bringen.
Praxistipp
Tricky Tricks
Gitarre Mono oder Stereo? Darüber können
Saitenartisten stundenlang fachsimpeln. Fakt ist:
auf kleinen Bühnen handelt man sich mit extre-
men Stereosound mehr Matsch als Wohlklang
ein. Also: Keep It Simple – euer Publikum wird es
euch danken.
Gedoppelte Gitarren – wenn ihr es richtig
anstellt, ist das der Schlüssel zum ultima-
tiven Brett:
Setzt zwei Mikrofone an der Box
ein, featured die jeweiligen Sounds passend zur
Ausrichtung und achtet penibel genau auf die
Phase. Dann könnt ihr über das Verhältnis der
beiden Kanäle den Sound andicken oder schlank
machen – ähnlich wie beim Bass.
Wer Zeit, Material und Muse hat, der kann
auch mit unterschiedlichen Mischpultk-
anälen für verschiedene Sounds experi-
mentieren.
Dann gibts auch am Pult einen
Kanal für Clean, einen für Crunch, einen für
die ganzen Hi-Gain-Sounds und einen für
den Weichspüler. Voraussetzung ist natürlich
entsprechendes equipment auf der Bühne.
Der Vorteil ist optimale Kontrolle bei jedem
Sound.
Seid sparsam mit Effekten!
Auf dem Bass gar
nichts – Ausnahmen bestätigen aber auch hier
die Regel – auf der akustischen Gitarre wenig
und auf der Stromgitarre nur zusammen mit
dem Musiker. Wenn der schon ein effektinferno
produziert, müsst ihr am Pult nicht auch noch
dagegenhalten. So was gibt nur Matsch und
nimmt den Druck.
Die Gitarristen blättern jetzt um – alle an-
deren lesen weiter.
Sobald der Gig groß genug
ist, könnt ihr ruhig über eine Amp-Simulation
für die PA nachdenken. Mittlerweile sind die
Unterschiede im Sound bei diesen Geräten nur
noch minimal. Die Vorteile liegen aber klar auf
der Hand: saubere, rückkopplungssichere Signale
in bester Qualität. Wenn ihr dann im Hyde-Park
oder auf der Copacabana spielt, könnt ihr wieder
eure Amps mitnehmen und voll aufdrehen – die
stehen dann schallisoliert unter der Bühne oder
im Isolationcabinet.
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Bewegungsfreiheit:
Der magnetische Tonabnehmer im Schallloch sorgt für einen gleichbleibenden Klang.
ausdünnen. Wenns danach muffig oder matt klingt,
lieber darüber, so ab 3 kHz etwas mehr geben.
Drei kleine Anekdoten zum Thema Gitarren
und Gesang:
erstens hat das klassische Shouten
aus der Heavy-Abteilung genau diesen Ursprung;
durch die höhere Frequenzlage oder das Growlen in
der tiefen Lage können Sänger in andere Frequenz-
bereiche flüchten, um den Bratgitarren nicht ins
Gehege zu kommen. Zweitens hat man schon lange
Zeit vorher eine Möglichkeit gefunden, mit diesem
Problem fertig zu werden: ein gutes Arrangement.
Man erkennt es daran, dass Gitarren Sendepause
haben oder etwas zurück fahren, wenn gesungen
wird. the Beatles hören bildet in dem Fall. Und zu-
letzt haben solche Bands wie die Shadows in den
60ern gar nicht erst probiert, gegen drei Gitarren
anzusingen. Wenn soweit alles passt, dann probiert
noch mal rund um 8 kHz, ob ihr der Gitarre etwas
Glanz und Picking geben könnt.
Der Griff in die Effektkiste kann hier und da
auch angebracht sein.
Ein Delay, am besten sogar
ein Tap-Delay, gehört unter jedes gute Solo und ein
bisschen Chorus macht selbst den schlaffsten Eier-
schneider ultrafett.
Unplugged – Akustikgitarre
leicht gemacht
Ich gebe zu, ich bin ein Freund von Abnehmern.
Diese Dinger klingen gut, sparen auf der Bühne
Nerven und Feedback. Bässe raus, Höhen bügeln
und mit einem Notchfilter oder der parametrischen
Klangregelung nach nervenden Frequenzen suchen.
Mit plus 5 dB Anhebung durchs Frequenzband
sweepen und hören wo es fies wird, dann entspre-
chend absenken – mehr ist meist nicht notwendig.
Der Kompressor bleibt aus, um der Akustikgitarre
A-Gitarre:
Beim Tonabnehmer-Sound werden die stören-
den Frequenzen gesucht und abgesenkt.
nicht den Anschlag zu nehmen und etwas leiser
Raum lässt die Sache natürlich klingen. Beim Klein-
membran-Condenser-Einsatz geht ihr ähnlich vor
– Bässe raus, Höhen bügeln und nach nervenden
Frequenzen suchen. Schon mal gehört? Ja, klingt
wie bei der Methode mit dem Abnehmer, dafür än-
dert sich der Sound jetzt mit jeder Bewegung eures
Gitarristen und pfeifen wirds gelegentlich auch
mal. Tapfer bleiben!
Uli Hoppert