Workshop Songwriting und Arrangieren Teil 2
© PPVMEDIEN 2009
Workshop: Songwriting
Songwriting und Arrangieren – Teil 2
Hilfsmittel und Workflow
Willkommen zum zweiten Teils des Songwriting-Workshops. In dieser Folge wird es um Hilfsmittel
und handwerkliche Grundlagen des Songwritings gehen, damit eure Songs bestmöglich in Szene
gesetzt werden. Außerdem werdet ihr Tipps und Tricks für einen besseren Workflow kennen ler-
nen. Zum Abschluss machen wir uns außerdem noch kurz Gedanken zum Thema Songtexte.
B
eginnen wir zunächst einmal mit den
handwerklichen Grundlagen und Hilfsmit-
tel die sich jeder unabhängig von seinem
Talent erarbeiten kann und sollte. Ob man dann
wiederum überhaupt Talent zum Songwriting hat
oder gar irgendwann einen Hit schreibt ist eine
ganz andere Frage. Allerdings muss auch bei-
spielsweise jeder Fußballer erst einmal die Regeln
seines Sports beherrschen, denn sonst steht er
ständig im Abseits und wundert sich warum er
keine Tore schießt.
Fundierte Kenntnisse der Harmonielehre sind
für einen Songwriter unabdingbar, bildet doch
eine Harmoniefolge stets die Grundlage eines
Songs.
Nichts ist nerviger als beim kreativen
Schreiben an einem Song dadurch ausgebremst zu
werden, dass man nicht weiß, welche Akkorde zur
gerade entdeckten genialen Idee passen könnten.
Wenn ihr jetzt erst mühsam nach dem „Trial & Er-
ror“-Prinzip suchen müsst bis ihr den passenden
Akkord gefunden habt, ist eure Inspiration viel-
leicht schon wieder weg. Also besorgt euch ein
gutes Buch und schafft euch die Grundlagen in Sa-
chen Akkorde, Kadenzen und Tonleitern drauf.
Wenn ihr diese Skills verinnerlicht habt werdet ihr
darauf so selbstverständlich zurückgreifen können
wie auf eure erlernten Fähigkeiten am Instrument.
Wie in allen Disziplinen gibt es natürlich auch beim
Songwriting Autodidakten die scheinbar spielerisch
mit Akkorden und Melodien umgehen und dabei
tolle Songs entstehen lassen. Wenn ihr zu diesen
Leuten gehört ist das natürlich toll. Wenn dem
nicht so ist, und ich denke mal das trifft auf die
Foto: Frank Seifert
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SOUNDCHECK 06 | 09
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meisten von uns zu, dann besorgt euch soviel Wis-
sen und Know-how wie ihr kriegen könnt.
Eine andere wichtige Sache die euch helfen
kann bessere Songs zu schreiben möchte ich un-
ter dem Stichwort „Stilkunde“ zusammenfassen.
Wenn ihr euch musikalisch in einem bestimmten
Genre austoben wollt oder vielleicht auch mehrere
Stile kombinieren möchtet, dann müsst ihr wissen
wie diese Musik funktioniert. Mal angenommen ihr
interessiert euch brennend für Rockmusik und
möchtet eigene Rocksongs schreiben, dann gibt es
bestimmte Bands die euch als Vorbilder im Kopf
vorschweben müssten. Deren Songs werdet ihr
wahrscheinlich im Ohr haben. Um nun diesen Bands
songtechnisch nachzueifern müsst ihr noch einen
Schritt weitergehen. Ihr müsst die Songs analysie-
ren um rauszufinden was das Essenzielle daran ist.
Dafür benötigt ihr lediglich den zu analysierenden
Song in eurem Konservenplayer, euer Instrument,
ein Blatt Papier, einen Stift und ein Metronom.
daherkommt. Ein Rock-Bass klingt
eher mittig, knurrig während man
beim Hip-Hop gar nicht genug tiefe
Frequenzen rein drehen kann. Auch
solche Dinge sind stilprägend, und
wenn ihr euch auch nicht als Ton-
techniker seht, solltet ihr als Arran-
geur zumindest grob über diese The-
men Bescheid wissen. Versorgt euch
also auch hier mit möglichst viel
Wissen rund um Studiotechnik.
Einen Aspekt den viele außen vor
lassen, ist die Tatsache dass kein
Musikstil aus dem nichts heraus
entstanden ist.
Heavy-Metal-Bands
etwa hatten Vorbilder im Bereich Hard
Rock und haben sich dabei viel abge-
schaut und das dann verändert und
weiterentwickelt. Diese Hard-Rock-
Bands haben in ihrer Jugend womög-
Kleines Aufnahmestudio für die
Hosentasche:
Yamaha Pocketrak CX
lichkeit zur Aufnahme und Bearbei-
tung von vier Spuren gleichzeitig. Die
einfacheren Modelle bieten diesen
Komfort nur bedingt oder gar nicht.
Ist aber nicht so schlimm, da ihr um
Ideen und Skizzen festzuhalten so
einfach und schnell wie möglich auf-
nahmebereit sein müsst, ohne euch
über Produktionstechniken und Auf-
nahmeverfahren zu kümmern.
2.
Eine andere Möglichkeit besteht
in den zahlreichen Kompaktstudios
und Multitrackern, die nicht selten
bis zu 24 Kanäle anbieten und
Mischpult, Effekte und CD-Brenner
beinhalten. Diese Geräte bieten den
Vorteil, dass man bereits komplette
Demos anfertigen kann und neben dem eigenen In-
strument und dem Gesang eine ganze Band auf-
nehmen kann. Meist sind Multitracker auch noch
relativ leicht zu bedienen.
3.
Noch einen drauf setzt ihr mit einem kleinen
Homestudio bestehend aus einem Computer mit ei-
ner Digital Audio Workstation (DAW) wie etwa
Steinberg Cubase oder Apple Logic. Dazu noch ein
Audiointerface und MIDI-Keyboard, Monitorboxen
und einige Mikrofone. Je nach Hard-und Software
könnt ihr euch hier ein recht professionelles System
zusammen stellen, mit dem auch aufwendige Pro-
duktionen mit einer Vielzahl von Aufnahmespuren
möglich sind. Aber Vorsicht! Dabei lauert auch die
Gefahr, dass man sich in der Technik verliert und am
Ende des Tages mehr mit Computer konfigurieren,
denn mit Musik machen beschäftigt war.
»
Fundierte Kenntnisse der Harmonielehre sind für
einen Songwriter unabdingbar.«
lich die Rolling Stones gehört und die haben wie-
derum zu Beginn ihrer Karriere Blues-Nummern
ihrer Vorbilder John Lee Hooker oder Muddy Waters
nachgespielt. Gleiches gilt für den Hip Hop der sich
zu Beginn reichlich bei Funk-Künstlern wie James
Brown bediente. Man sollte also beim Musizieren
immer über den Tellerrand hinausschauen um mög-
lichst viele unterschiedliche Einflüsse einbeziehen.
Das war der eine Aspekt der Hilfsmittel und
Grundlagen. Nun zum anderen:
Wer gute Ideen
hat möchte diese natürlich festhalten und auf-
zeichnen. Sei es um diese weiter auszuarbeiten
oder um sie jemanden vorzuspielen und nicht zu-
letzt natürlich damit man sie nicht vergisst. Dabei
gibt es vom einfachen Handyrecorder bis hin zum
Tonstudio unzählige Möglichkeiten. Welche davon
man wählt ist nicht zuletzt eine Frage des Bud-
gets aber auch der eigenen Ansprüche und der
eigenen Arbeitsweise.
Wenn man mal davon ausgeht, dass ein teures
Studio nicht in Frage kommt bleiben drei Mög-
lichkeiten übrig:
1.
Voll im Trend liegen derzeit die prak-
tischen und kompakten Handyrecorder.
Zu den Vorteilen werden hier der recht
günstige Preis und das extrem einfache
Handling aufgeführt. Einpegeln, Auf-
nehmen und fertig. Einige Geräte wie
der Zoom H4n bieten sogar die Mög-
Hört euch den Song zunächst ein paar Mal an
und achtet dabei genau darauf, was in dem
Song passiert.
Ermittelt dann mit Hilfe des
Metronoms das Tempo des Songs. Als nächstes
folgt das Raushören. Notiert euch genau aus wel-
chen Akkorden sich Refrain, Strophe und Bridge
zusammensetzen. Habt ihr die einzelnen Teile
rausgehört, solltet ihr einen Ablauf des Songs
aufschreiben, ein so genanntes Leadsheet. Daraus
könnt ihr dann ablesen welche Struktur der Song
hat. Danach schreibt ihr euch auf, welche Instru-
mente vorkommen. Hört genau hin welche Funkti-
onen die einzelnen Instrumente innerhalb des
Songs übernehmen. Wenn ihr wollt, könnt ihr nun
noch die einzelnen Instrumente ausnotieren um
herauszufinden welche Skalen oder Tonleitern
verwendet wurden.
Als nächsten Schritt sollte man die Songs noch
einmal auf verwendete Sounds hin durchhören.
Achtet dabei etwa darauf wie die Gitarren klin-
gen. Eine Heavy-Metal-Gitarre wird immer ver-
zerrt sein, wohingegen eine Funk-Gitarre clean
24-Spur-Multitracker:
Tascam 2488 NEO
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Workshop: songWriting
Kurz zusammengefasst: Technik kann uns helfen
Ideen umzusetzen.
Wir müssen aber genauso dar-
auf achten, dass uns die gleiche Technik nicht in
unserem kreativen Workflow stört. Und damit sind
wir auch schon beim nächste Thema. Den Begriff
Workflow könnte man mit „Arbeitsfluss“ oder auch
„Arbeit im Fluss“ übersetzen. Das heißt zum einen,
dass wir es hier tatsächlich mit Arbeit zu tun ha-
ben. Zum anderen soll das ganze im „Flow“ also in
einem Fluss passieren, möglichst ohne störenden
Faktoren. Wenn wir arbeiten oder lernen sind einige
Dinge ganz selbstverständlich. Etwa dass wir stö-
rende Einflüsse von außen weitgehend zu vermei-
den suchen. Also kein Radio oder Fernsehen parallel
laufenlassen. Wenn man am Computer arbeitet,
sind Mail und Chatprogramme natürlich tabu. Au-
ßerdem sollte man seinen Mitmenschen signalisie-
ren, dass man nicht gestört werden möchte. Also
auch Handy und Telefon stummschalten.
Durch diese Maßnahmen erreicht man eine
konzentrierte Atmosphäre für das kreative Ar-
beiten.
Weiter oben hatte ich das Thema Technik
angesprochen. Diese im Griff zu haben und blind
bedienen zu können fördert ebenfalls den krea-
tiven Arbeitsfluss. Glaubt ihr nicht? Dann stellt
euch nur mal vor ihr habt eine tolle Idee und wollt
diese festhalten. Im schlimmsten Fall müsst ihr
nur noch schnell den PC hochfahren, das Antivi-
ren-Programm laufen lassen und das leidige Pro-
blem mit dem nicht funktionierenden Treiber eu-
rer Soundkarte lösen! Ihr versteht was ich meine?
Sorgt dafür, dass all dies reibungslos funktioniert
bevor ihr euch ans Komponie-
ren macht. Dann werdet
ihr auch nicht ständig ab-
gelenkt.
Natürlich kann man nur ei-
nen Song schreiben wenn man
eine gute Idee hat.
Aber man kann
sein Glück auch etwas erzwingen. Es
ist dabei mal wieder wie so oft im Leben:
Übung macht den Meister. Das heißt, ihr
solltet das Ganze regelmäßig angehen. Sucht
euch feste Termine in der Woche an denen ihr
euch mit Songwriting beschäftigen wollt und kei-
ne sonstigen Aufgaben auf euch warten. Wenn
euch dann nichts Geniales einfällt lasst euch nicht
entmutigen. Zeichnet einfach alles auf was euch
in den Sinn kommt. Auch wenn das total unspek-
takulär klingen sollte. Dadurch schafft ihr aber
Platz in eurem Kopf für neue, bessere Ideen. Und
wer weiß, vielleicht ist die banale Idee von letzter
Woche die Grundlage für einen guten Song wenn
ihr sie einige Zeit später noch einmal hört. Hört
euch auch eure alten Sachen von Zeit zu Zeit
Metronom mit Tap-
Funktion für gehobene
Ansprüche:
Korg Beatlab
»
Nachfolgend einige Anregungen:
1.
Auf der Gitarre kann man wunderbar in andere, so
genannte „offene“ Stimmungen wechseln. Dadurch
haben die alten, bekannten Akkorde und Skalen kei-
ne Funktion mehr. Man hat quasi ein neues Instru-
ment vor sich, das es neu zu entdecken gilt. Dabei
können sehr spannende Dinge passieren wenn man
die nötige Geduld und Neugierde mitbringt.
2.
Genauso könnte man auf ein anderes Saiten-In-
strument wechseln. Etwa eine Mandoline, eine
Ukulele oder was auch immer.
Ihr müsst darauf achten, dass euch die Technik
nicht in eurem kreativen Workflow stört.«
3.
Keyboarder könnten eine Gitarre in die Hand
nehmen oder umgekehrt.
4.
Wer bisher handgemachte Musik gemacht hat,
kann sich an Sampler und Synthesiser versuchen.
Kommen wir zum letzten Thema dieser Folge:
Dem Songtext. Obwohl über den Text eines Songs
dessen Message transportiert wird, wird er oft sträf-
lich vernachlässigt. Richtig gute Texte sind offenbar
schwer zu schreiben und gute Texter deshalb ge-
fragte Leute. Wie man nun einen guten Text schreibt
und vor allem was einen guten Text ausmacht ist
nicht einfach zu erklären. Es gibt aber einige Punkte
die man durchaus beachten kann und die einem hel-
fen die gröbsten Schnitzer zu vermeiden.
Ähnlich wie bei der Findung einer Melodie, kann
man auch Texte nicht erzwingen.
Zu den unmög-
lichsten Zeiten schwirrt einem plötzlich ein Reim
oder eine einzelne Zeile durch den Kopf. Versucht
deshalb immer ein kleines Notizbuch dabei zu ha-
ben, um die Ideen festhalten zu können. Noch bes-
ser ist der oben erwähnte Handyrecorder. Schnell
eingesungen oder -gesprochen und schon ist die
Idee gesichert. Zu Beginn kann man auch erstmal
mit Blindtext arbeiten um die Melodie und Rhyth-
mus zu finden. Das heißt ihr singt irgendwas, not-
falls auch „bla bla“ und ersetzt das später durch die
richtigen Lyrics.
Moritz Maier
nochmal durch und versucht sie wieder aufzu-
greifen und zu verbessern. Manche Songs brau-
chen einfach ihre Zeit. Selbst Ideen die schon
Jahre alt sind können plötzlich die Grundlage für
etwas neues, aufregendes sein. Also
schön archivieren und eine eindeutige
Beschriftung oder Benennung nicht ver-
gessen. Und wenn euch nichts mehr ein-
fallen will, wird es Zeit sich mit neuer
Inspiration zu versorgen. Hört euch neue
Songs raus und analysiert diese oder
geht auf Konzerte von Bands die euch
gefallen. Manchmal bietet auch das täg-
liche Leben Stoff für neue Ideen etwa
indem ihr Erlebnisse oder kleine Ge-
schichten zu einem Song verarbeitet.
Verlasst von Zeit zu Zeit auch mal euer
stilles Kämmerlein. Gerade der Aus-
tausch mit anderen Musikern ist oft
der Anstoß für richtig gute Ideen und
neue Konzepte.
Oft ist es auch hilfreich
die bekannten Pfade zu verlassen und
neue Horizonte zu entdecken. Als Gitar-
rist etwa hab ich die Erfahrung gemacht,
immer in die gleichen Akkordfolgen und
Licks zu verfallen. Eine Möglichkeit be-
steht darin die gewohnte Umgebung des
eigenen Instrumentes zu verlassen und
etwas neues auszuprobieren.
Vollausgestattetes Tonstudio:
Steinbergs Cubase 5 bietet eine
Menge Tools wie die Tempoerkennung und den Noteneditor die für
Songwriter sehr hilfreich sind.
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