Workshop: producers secrets
Producers Secrets – Teil 12
Drum-Replacement – der Weg
zu noch besseren Drums
Auch wenn man wie in den HOFA-Studios hervorragend klingende Aufnahmeräume und die
entsprechenden Mikrofone für das Recording von Drums zur Verfügung hat, so ergeben sich
während des Editings oder Mixings doch immer wieder Situationen, in denen man nur allzu
gerne noch etwas mehr Kontrolle und Eingriffsmöglichkeiten über die mit viel Aufwand
multi-mikrofonierten Einzelinstrumente des Schlagzeugs erhalten möchte.
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ei beinahe keiner professionellen und
modernen Musikproduktion verzichtet
man heute auf die Möglichkeiten, das
Recording des Wunsch-Drumsounds durch zu-
sätzliche, samplesounds zu bereichern und zu
unterstützen. aber nicht nur bei den großen
Produktionen setzt man vermehrt auf das Re-
placement unterschiedlicher Komponenten der
Drumperformance. Insbesondere in kleineren
Projektstudios ohne geeignete große aufnah-
meräume oder bei der Mixbearbeitung von Live-
aufnahmen bietet sich das Drumreplacement
an, um trotz ungünstiger und schwieriger Re-
cordingbedingungen möglichst professionelle
soundergebnisse zu erzielen. Die art der Bear-
beitung kann dabei unterschiedlich angegan-
gen werden und zu verschiedenen Klanger-
gebnissen führen.
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Links seht ihr die Hitpointer-
kennung von ProTools'
Beatdetective ...
Alternativer
Sound in Echtzeit
Einige Hersteller haben sich darauf speziali-
siert, das Ersetzen von Drumsounds während
der Echtzeitwiedergabe innerhalb der Sequen-
zer-DAW verfügbar zu machen.
Diese Lösungen
bieten alle erforderlichen Bearbeitungen und
Einstellungen über ein Plugin, welches einfach in
den entsprechenden Kanalzug des zu ersetzenden
signals eingeschleift wird. Über das Plugin-In-
terface lassen sich nun über verschiedene Funk-
tionen die Hitpoints der zu ersetzenden origi-
nalsounds erkennen. Hierbei hilft eine sowohl
dynamische als auch frequenzabhängige analyse
des Live-signals. Ein threshold-Grenzwert be-
stimmt beispielsweise, ab welcher Intensität ein
bestimmter schlag als Hitpoint erkannt werden
soll, alle schwächeren und damit leiseren schläge
werden von der Erkennung ausgeschlossen.
Kombiniert wird diese dynamische analyse wie
angesprochen meist mit einer frequenzabhän-
gigen Eingrenzung, welche sounds ünberhaupt
erkannt werden sollen. Über einen Lowpass-Filter
lässt sich so die Erkennung beispielsweise
wirksungsvoll auf die sehr tieffrequenten signale
(zum Beispiel Bassdrum) beschränken – alle an-
deren ebenfalls lauten schläge der snare oder
der toms bleiben so außen vor.
Das Einstellen dieser dynamischen und fre-
quenzabhängigen Filterfunktionen verlangt
ein bisschen Fingerspitzengefühl, besonders
wenn man damit eine Stereomischung des
gesamten Drumsets analysiert.
Hier stößt man
auch schnell an die Grenzen dieser Methode, da
eine verlässliche Erkennung und Isolierung der
klanglich sehr unterschiedlichen Einzelschläge
nur sehr bedingt funktioniert. Besonders für das
Erkennen und Ersetzen der Drumsounds für beim
Recording bereits multimikrofonierte und isolier-
te Einzelspuren (z.B. Bassdrum oder snare) liefert
diese Methode allerdings sehr gute Ergebnisse.
... und unten seht ihr das
Bedienfeld, mit dem ihr die
Analyse feinjustieren könnt.
Möchte man die Einzelsignale des aufge-
nommenen Live-Sets lediglich stützen oder
besonders hervorheben, bietet sich ein
Hinzufahren von Einzelsamples zu den be-
reits vorhandenen Natur-Sounds an.
Durch
die auswahl der passenden und klanglich opti-
mierten samples kann man so zum Beispiel
»
Drumsets von einer spezialisierten software ex-
akt erkannt werden, damit an genau diesen so-
genannten Hitpoints die entsprechenden sam-
ples abgespielt werden können. Dieser Prozess
der Hitpoint-Erkennung an den impulshaften
transienten der schläge kann entweder in
Echtzeit bei laufender Wiedergabe erfolgen
Die Hitpoint-Erkennung kann in Echtzeit bei
laufender Wiedergabe erfolgen.«
oder aber durch einen offline-Prozess für eine
oder mehrere spuren durchgeführt werden. Bei
letzterer Methode werden die Hitpoints in der
Regel in einem Zwischenschritt in MIDI-Daten
umgewandelt, über die dann wiederum jeder
beliebige software-sampler angetriggert und
damit jede gewünschte Kombination von gela-
denen sounds abgespielt werden kann.
Bassdrum, snare oder toms, aber auch Crash-
Cymbals der ursprünglichen Live-aufnahme zu
mehr Durchsetzungskraft, Biss, Bauch oder
einem ganz bestimmten und eigenen Klang-
charakter verhelfen. Besonders in Bezug auf die
Bassdrum und snare hört man diese Bear-
beitungs-Praxis heute auf beinahe jeder kom-
merziellen Pop-Rock-Produktion. Man erhält
dadurch sowohl den lebendigen Charakter des
live-gespielten Drumsets mit dem individuellen
sound des aufnahmeraums, muss aber nicht
auf den Druck, die Prägnanz und Definition
eines perfekten Klangs dieser wichtigen Ins-
trumente verzichten. so erreicht man leicht
den großen, gewaltigen und überzeugenden
Drumsound heutiger Produktionen, auch wenn
man über eher ungünstige räumliche Recor
-
dingmöglichkeiten verfügt.
Natürlich bietet die Technologie des digita-
len Drumreplacement auch durchaus die
Möglichkeit, die gesamte Live-Performance
durch den Einsatz geeigneter Samples kom-
plett zu ersetzen.
Hierzu müssen alle schläge
der Einzelspuren oder des in stereo gemischten
Drumagog (links) und DrumXchanger (oben) bieten euch
die Möglichkeit einzelne Drumschläge in Echtzeit zu
erkennen und zu ersetzen. Dieses Prinzip lässt sich sogar
bei live gespielten Drums umsetzen.
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Je mehr Signale ihr abnehmt und einzeln aufzeichnet, desto einfacher lassen sie sich später markieren und gegebenenfalls ersetzen.
Die Interfaces der verschiedenen Plugin-Lösungen
bieten die Möglichkeit, geeignete Einzelsamples
für das Replacement zu laden und noch für die
jeweilige Verwendung entsprechend zu bearbei-
ten. Die Engines der Plugins sind im Zusammen-
spiel mit den DaW-sequenzern mittlerweile so
leistungsfähig, dass ein quasi Echtzeitbetrieb
durchaus möglich ist, wobei eine kleine system-
latenz aufgrund des analysevorgangs natürlich
noch in Kauf genommen werden muss. Für das
schnelle und unkomplizierte Ersetzen oder teil-
weise Mischen einer Bassdrum mit einem opti-
mierten samplesound einer Library sind solche
Echtzeit-Replacement-Lösungen jedoch durch-
aus zu empfehlen. auch das stufenlose Mischen
und Überblenden der originalen signale mit den
gesampleten Fremdklängen klappt problemlos
und liefert sehr gute Ergebnisse. als bedeutende
Hersteller in diesem Bereich können vor allem die
amerikanische softwareschmiede WaveMachine
Labs mit ihrem Produkt Drumagog aber auch
ganz aktuell sPL mit ihrem neu erschienenen
Drumxchanger genannt werden.
Offline-Analyse/MIDI-
Konvertierung/Replacement
– alles der Reihe nach
Der grundsätzlich anders ausgerichtete An-
satz für das Drum-Replacement erfolgt nicht
in Echtzeit,
sondern widmet sich jedem Bearbei-
Hitpoints markieren die Transienten der einzelnen
Schlagzeugschläge:
Hier mit apple Logic.
tungsschritt bequem nacheinander. Diese schritt-
für-schritt-arbeitsweise wird oftmals als
„offline“ bezeichnet und wird in der tonstudio-
Praxis entweder direkt in der Funktionalität der
DaW oder aber über den Einsatz einer eigenstän-
digen stand-alone-applikation realisiert. Diese
Entkopplung der einzelnen arbeitsschritte Hit-
point-analyse, MIDI-Konvertierung und tatsäch-
lichem soundreplacement bietet viele Vorteile
gegenüber der Echtzeitvariante mit Hilfe eines in
die DaW eingeschliffenen Plugins. Zum Einen
können alle erforderlichen Prozesse in den ein-
zelnen, voneinander getrennten arbeitsschritten
um ein Vielfaches präziser ausgeführt werden, da
»
der Fokus nicht auf der möglichst schnellen
Echtzeitverarbeitung liegt. Desweiteren kann in
die Qualität der Hitpoint-/transienten-analyse
nach Belieben eingegriffen werden, es kann
nachjustiert, fine-getunet und von Hand selek-
tiert werden. Das dauert zwar etwas länger und
erfordert ein bisschen arbeit, das Ergebnis über-
zeugt dafür mit höchster Qualität auf ganzer
Linie – mit diesem aufwand lässt sich eine Live-
aufnahme eines schlagzeugs ohne Weiteres
komplett durch den Einsatz von geeigneten sam-
ples ersetzen. schon bei der Erkennung der
Hitpoints bieten die DaW oder die unterschied-
Schon bei der Erkennung der Hitpoints bieten die
DAW oder Programme alle wichtigen Tools.«
lichen Programme alle wichtigen tools um die
analyse so perfekt wie möglich zu gestalten.
Nach der anschließenden Umwandlung in MIDI-
Daten können diese wiederum frei in ihrer
Position, Länge und anschlagstärke (Velocity)
editiert werden; so lässt sich die Drumperformance
im Nachhinein noch effektiv optimieren, und
zwar nicht nur klanglich, sondern auch in Bezug
auf die gespielten Noten, die Dynamik, das
timing, den Groove und Feel des spiels.
Mittlerweile hält beinahe jede aktuelle DAW
einen reichhaltigen Funktionsumfang
für die
analyse und Umwandlung von perkussiven
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Hitpoint-transienten in MIDI-Daten bereit. so-
wohl steinbergs Cubase als auch apples Logic
oder Magix‘ samplitude stellen diese Funktionen
standardmäßig zur Verfügung. Digidesigns Pro-
tools hatte bereits vor vielen Jahren den anfang
gemacht und allen Produzenten mit dem legen-
dären Beatdetective nicht nur die Möglichkeiten
an die Hand gegeben, eine Drum-aufnahme an
den analysierten und erkannten Hitpoints zu
schneiden und entsprechend auf das Grid-Zeit/
Groove-Raster zu rücken, sondern diese er-
kannten Hitpoints ebenfalls als MIDI-Groove-
template zu exportieren, um die MIDI-Daten so
zum triggern von sounds aus samplern zu ver-
wenden. ableton verfolgte mit Live von Beginn an
ein ähnliches Konzept, welches allerdings über
die eigentliche Hitpoint-Erkennung hinaus mit
Hilfe der sogenannten Warp-Marker ein sehr wirk-
sames und revolutionäres time-stretching auf
der Basis von Granularsynthese ermöglichte.
Reine Stand-Alone-Lösungen für das profes-
sionelle Ersetzen von Drumsounds aus live-re-
cordeten Drums sind auf dem Plugin-Markt
sehr rar gesät.
Eine sehr effektive und praktikab-
le Möglichkeit für qualitativ hochwertiges sound-
replacement bietet der schwedische software-
Hersteller toontrack mit dem Drumtracker. ob li-
ve-aufgenommene Einzelspuren oder eine in ein
stereo-File gegossene Mischung eines gesamten
Drumsets: Mit dem Drumtracker ist es ein Leichtes
alle einzelnen schläge zuverlässig erkennen zu
lassen, nach Belieben zu bearbeiten und als MIDI-
Daten zu exportieren, um damit die ausgesuchten
sounds einer Library ansteuern zu können. auch
wenn der „Umweg“ über die stand-alone-appli-
kation als Nachteil erscheint, wird bei der arbeit
mit dem Drumtracker schnell klar, dass es sich da-
bei letztlich um einen Vorteil handelt, da die
Ergebnisse sowohl der analyse als auch der
Konvertierung bedeutend präziser ausfallen als
wenn man dieselbe arbeit mit den verschiedenen
verfügbaren Echtzeit-Plugins ausführen würde.
Zudem gestaltet sich das Zusammenspiel des
Drumtrackers mit den Formaten und Mappings je-
des etablierten samplers perfekt und problemlos.
Wir werden in der nächsten ausgabe der Producers
secrets anhand eines beispielhaften realen Drum-
recordings etwas ausführlicher auf die arbeit mit
dem Drumtracker eingehen, der in vielen Produk-
tionen der HoFa-studios zum Einsatz kommt. Bis
dahin, genießt die sonne und viel spaß bei der
studioarbeit!
Norman Garschke
Autor: Norman Garschke
Die HOFA-Studios zählen seit über 20 Jahren
zu den größten und beliebtesten professionel-
len Tonstudios in Deutschland und bieten mit
HOFA-Training ein staatlich zertifiziertes, mo-
dulares Ausbildungskonzept im Audio-Bereich
an. HOFA-Audio-Engineer Norman Garschke
ist erfahrener Produzent, Musiker und Autor
des Fernkurses HOFA-Training BASIX.