recording
MIXDOWN
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Zumischeffekte fürs Gitarrensolo
Solo
E U E R G I TA R R E N S O LO B E KO M M T D E N
L E T Z T E N S C H L I F F M I T H A L L , D E L AY & C O
Effektvolles
GITARREN-SOUND MISCHEN
Ist ein Gitarrensolo erst mal vernünftig
aufgenommen und per Editing, Noise Gate,
EQ und Kompressor entsprechend in Form
gebracht, darf es inszeniert werden: ob
brachial opulent oder auch minimalistisch
ohne Umschweife in den Gehörgang. Es ist
der Zeitpunkt gekommen, sich gründlich mit
Raum- und Modulationseffekten zu beschäf-
tigen. Viel oder wenig, Hall, Phaser oder
Tape Delay – das will wohl überlegt sein.
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Mit Zumischeffekten lässt sich das Monosignal
einer einzelnen Solospur von der zweiten in die
dritte Dimension transportieren. Dass damit auch
klanglich einiges zu holen ist, möchte ich an einem
Praxisbeispiel verdeutlichen. Im letzten Jahr hat-
te ich die Ehre, für eine Drumheads!!-Produktion
den Killer-Ton von Gary Moores „Walking By
Myself“ nachahmen zu müssen. Mit möglichst
authentischem Instrumentarium bin ich ans Werk
gegangen: Les Paul, ein alter 50 Watt-Marshall
von 1968 und für den Soloboost das gute alte
Marshall Guv‘nor-Pedal, in etwa das gleiche Zeug
wie es Gary selbst benutzt hat. Trotzdem woll-
te sich das charakteristische Schmatzen in den
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MIXDOWN
Gitarrensolo: Zumischeffekte
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Obertönen nicht so richtig einstellen. Da ent-
deckte ich den Bus-Regler im Kanal unseres
Logic-Arrangements. Wir hatten es aus einer
vorhergegangenen Produktion kopiert und der
Bus war noch mit dem Space Designer, also
einem Faltungshallprogramm belegt. Ich ha-
be den Bus mal mutig aufgedreht und – Zack
– hatte ich genau den Sound, den ich hören
wollte. Das PlugIn war auf die Akustik eines
Aufnahmeraums eingestellt. Auf der Originalauf-
nahme ist ebenfalls deutlich dieser natürliche
Raum zu hören und der macht die Gitarre erst
richtig groß. Da hört man eine Gitarre, nix ge-
doppelt aber trotzdem fett und räumlich. Und
ohne mich hier selbst beweihräuchern zu
wollen, war ich mit meinem Ergebnis ziemlich
zufrieden. Hier war der Hall der entscheidende
Trick. So einfach kann es gehen.
Um nun den richtigen Raum zu finden,
sollte man zunächst einmal mit verschie-
denen Hall-Sounds experimentieren.
Die
meiste Hardware und auch PlugIns bieten da
eine Vielzahl von Klängen an, von der klei-
nen, hölzernen Aufnahmekabine bis hin zur
Kathedrale, Retro-Sounds wie Simulationen
von Hallplatten (Plate) oder
Federhall (Spring). Letzterer
ist übrigens für Gitarren ein
echter Tipp, da er während
der aktiven Spielphasen eher
in den Hintergrund tritt und erst am Ende einer
Phrase richtig zur Geltung kommt. Das klingt
besonders organisch. Wer keinen originalen
Federhall, zum Beispiel von Fender, besitzt,
ist auch mit einer guten digitalen Emulation
bestens bedient. Man muss wissen, dass alle
Bestimmte Sounds werden erst
authentisch, wenn der Gitarrist
die Zumischeffekte schon beim
Einspielen in seinen Sound integriert.
Hallsignale, speziell längere Hallfahnen das Sig-
nal leider indirekter machen, es räumlich in die
Federhall wirkt erst so richtig
im Sustain: Das klingt organisch.
Tiefe ziehen. Es ist vorteilhaft, den Effekt über ei-
nen Bus dazuzuregeln anstatt mittels Insert. So
erhält man sich die Durchsetzungsfähigkeit des
Originalsignals und kann den Hall noch klang-
lich bearbeiten, beispielsweise dezent ankom-
primieren, was ihn im Mix noch größer macht.
Oder holt euch mit einem EQ dieses gewisse
„Sparkle“ in den Höhen, ohne am Originalsignal
herumzupfuschen. Wer die Möglichkeiten des
Reampings nutzt und Naturraum-Sounds auf
zusätzlichen Spuren zur Verfügung hat, kann
jetzt ein richtiges Fass aufmachen. Wenn ihr
das Solo mit bereits in der Produktion ver-
wendeten Raumklängen verseht, klingt das im
Mix sehr natürlich (z.B: Sologitarre in einem
ähnlichen Raum wie die Drums). Hört man
bei Letzteren etwa den hölzernen Klang des
Aufnahmeraums und die Sologitarre wird dann
in der virtuellen Messehalle geparkt, kommt
das in der Regel zu gekünstelt daher.
Eine andere Art der Räumlichkeit bie-
ten Delay-Effekte.
Delays verwaschen das
Originalsignal naturgemäß weniger als ein Hall,
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Holt man sich den Hall in einen vollwertigen
Kanal, lässt er sich zum Beispiel dezent ankom-
primieren, was ihn im Mix noch größer macht.
Das echte Tape Delay:
Charmantes Original mit Ecken und Kanten
Für Tape-Delay-Effekte ist die audiophile Lösung
der Besitz eines originalen Bandechos.
Aber
selbst im siebten Gerätehimmel eines Echoplex,
eines Roland Space Echo oder eines Roland RE-501
Chorus Echo geht es nicht so ganz ungetrübt zu.
Ich selbst habe ein RE-501 im Fundus und kann nur
sagen, dass es sagenhaft klingt, wenn es denn mal
reibungslos funktioniert. Das Gerät ist nämlich eine
echte Diva, die aufgrund ihres reiferen Alters nach
längeren Standzeiten schon mal schmollt, sprich:
Steht das Gerät länger mal nur so rum, quittiert es
das mit mechanischen Mucken. Der Bandtransport
funktioniert dann nicht richtig. Eigentlich müsste
man diese Geräte ständig nutzen und regelmäßig
warten lassen. Die Praxis zeigt aber, dass man es
gar nicht so oft hernimmt. Dazu ist die digitale
Welt doch einfach zu bequem und so gibt es gute
PlugIns, die ein Tape Delay simulieren und auch
das charakterische Eiern, die Bandsättigungseffekte
nebst dem typischen Signalverlust bei höheren
Feedback-Werten liefern. Und wie von Zauberhand
synchronisieren sie sich auch auf den internen Click
meiner DAW. Beim Original mit seiner leicht ausge-
leierten Mechanik reden wir lieber nicht darüber.
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da es hier eine genau rhythmisch definierte
Anzahl von Reflexionen gibt. Hall, als eine
Addition einer Vielzahl solcher Reflexionen
ist indirekter. Trotzdem muss auch Delay-
Einsatz gut geplant sein. Da fallen die ersten
Entscheidungen durch das Genre des Songs.
Rockabilly oder Country verlangt nach kurzen
Slapback-Echos, die am authentischsten von
einem Tape Delay kommen (siehe Kasten).
Soll es mehr der L.A.-Studiosound à la
Steve Lukather sein, muss natürlich ein
Stereo-Delay her,
welches das Solo auch
ordentlich in die Breite zieht. Wer mit einem
Hardware-Gerät agiert, muss zur Tempo-
Synchronisation den Taschenrechner bemüh-
en. Dazu mal ein Rechenbeispiel: Wollt ihr ein
3/16-Delay wie The Edge (U2) oder David
Gilmour (Pink Floyd) erzeugen, dividiert man
die Zahl 45 durch die beats per minute, bei
120 bpm sind das 45 : 120 = 0,375. Stellt al-
so 375 Millisekunden als Delay-Zeit ein, setzt
Feedback auf 0, dafür den Effect Level auf
100 %, was die Delay-Töne gleich laut macht
wie angeschlagene Töne. Spielt man nun ei-
ne Linie in Achteln, erschallt eine Kaskade aus
Sechzehnteln. Ein gutes Beispiel ist auch Van
Halens Gitarrensolo „Cathedral“ vom Album
„Diver Down“. Ein PlugIn nimmt euch diese
Rechnerei ab, so kann man komfortabel links
und rechts unterschiedlichste Delay-Rhythmen
in Vierteln, Achteln oder anderen Werten ein-
stellen. Meist wird für ein Gitarrensolo auf der
einen Seite eine kürzere, auf der anderen eine
längere Delay-Zeit
gewählt. Probiert
einfach aus, was
der Song verträgt.
Dazu solltet ihr
besonders die Feedback-Werte im Auge und
Ohr behalten. Mit dem Feedback-Regler stellt
ihr die Anzahl der Echo-Wiederholungen ein.
Zuviele davon können im Gesamt-Sound zu
Tape Inside: Ein echtes Original für den
Vintage-Gitarren-Sound ist das Roland
Chorus Echo RE-501, das seine Effekte
mit einem echten Tonband erzeugt.
Für einen klar definierten Solo-Sound
eignet sich Delay oft besser als Reverb.
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Gitarrensolo: Zumischeffekte
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Ein Ducking-Modus bringt die Delay-
Fahne erst zum Phrasenende nach vorn.
Der Edelhallklassiker Lexicon 480L besteht
aus einem 19-Zoll-Modul und der hier
sichtbaren Fernbedienung LARC (Lexicon
Alphanumeric Remote Control).
einem rhythmischen Problem führen. In sehr
aktiven Passagen wie schnellen Läufen können
die Delays die schöne Virtuosität verwaschen.
Schön ist ein Delay mit Ducking-Modus, das
den Effekt während solcher Passagen aus-
blendet und erst zum Phrasenende die Delay-
Fahne zum Vorschein bringt. Das lässt sich
auch mit DAW-Automation oder Dynamics
selbst basteln. Noch ein paar Gedanken zur
Dosierung von Hall
und Delay: Hier
gilt wie bei allen
Effekten: Vorsicht!
Ein von mir gern
angeführtes Negativbeispiel ist das Album
„1987“ von Whitesnake. Mit dieser Scheibe
verbindet mich eine gewisse Hass-Liebe. Ich
hätte damals zu gerne die Kollegen mal mit
John Sykes-Licks geblendet. Besonders das
Solo von „Crying In The Rain“ hatte es mir
angetan. Wer aber versucht hat, das heraus-
zuhören, scheitert kläglich. Das Solo ersäuft
derartig in Hall und Delay, dass man bei
schnellen Passagen einzelne Noten nicht ein-
mal mehr mit Fledermausohren orten kann.
Das ist definitiv zuviel des Guten. Zu einem
typischen Eighties-Sound gehört natürlich
auch der Stereo-Chorus, wie bei Zakk Wylde
auf Ozzy Osbournes „No More Tears“. Bei
dieser Scheibe wurden Zakks Gitarrenspuren
mit einem Choruseffekt aus dem damals ak-
tuellen Yamaha SPX 90 bearbeitet. Für krasse
Psychedelic-FX sind Flanger, Phaser oder Auto
Wah einen Versuch wert. Dezent eingesetzt ist
der Phaser auch der Schlüssel zum Solo-Sound
der frühen Van-Halen-Scheiben. Eddie verwen-
dete darauf nämlich immer einen MXR Phase
90 für die Soli. Für alle genannten Effekte gibt
es in 19-Zoll-Effektgeräten wie auch in PlugIns
tolle Sounds. Wenn ihr aber unbedingt origi-
nalen Vintage-Sound echter, alter Pedale hören
wollt, solltet ihr die gleich bei der Aufnahme
vor den Amp hängen. Nachträglich klappt das
sonst nur richtig über das bereits erwähnte
Reamping-Verfahren.
Retro à la Hendrix oder Stevie Ray
Vaughan wird es mit einem Leslie oder
Rotor Cabinet.
Allerdings muss das nicht
gleich immer in das totale psychedelische
Klanggewabbel ausarten. Wenn ihr mal aufmerk-
sam verschiedene professionelle Produktionen
hört, werdet ihr euch wundern, wie oft so ein
Leslie-Effekt sehr dezent eingesetzt wird, um
einem etwas langweiligen Solo-Sound ein biss-
chen mehr Struktur zu geben. Ein interessantes
Experimentierfeld in dieser Richtung findet sich
in Logic in Form des Scanner Vibrato. Dieses
simuliert den Vibrato-Effekt, der in der alten
Hammond B3 zu finden ist und klingt völlig
anders als ein Leslie. Warum da nicht mal eine
Gitarre durchjagen.
Special FX
Wer auf krasse DJ-Sounds im Stil von Tom
Morello steht, könnte beim Tremolo fündig
werden. Dieser Effekt entsteht durch zyklische
Lautstärkeänderungen, es wird also nicht die
Frequenz des Signals, sondern die Amplitude
moduliert. In der PlugIn-Version kann man die-
sen Effekt zum Tempo synchronisieren. Wenn
man Depth, Symmetry und Smoothing so krass
einstellt, dass die Welle rechteckig aussieht, be-
kommt man einen richtig schönen Zerhacker-
Sound. Bei Experimenten mit einem Ring
Modulator kann man das Ganze noch weiter in
Richtung Synthesizer treiben. Auch Auto Filter
oder Filterbänke sind da ein heißer Tipp.
Weitere Spielchen werden mit mehre-
ren Spuren vom selben Solo möglich.
Hat
man Tracks aus verschiedenen Mikros oder
durch DI-Aufnahme, besteht eine Möglichkeit
darin, eine unbearbeitete Spur im Mix zu fah-
ren und zusätzlich eine für die Effekte. Diese
könnt ihr mit einem EQ bearbeiten, bestimm-
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Verwendet man schon beim
Einspielen viele verschiedene
Effekte, lässt sich mit einer MIDI-
Steuereinheit ein komplexes
Setup bedienen.
gewinnen, wenn die einzelnen Spuren durch
verschiedenes EQing unterschiedliche Timbres
haben, ähnlich wie bei einem Orchester.
Schöne Beispiele für so etwas kann man auf
den frühen Queen-Scheiben hören. Hörtipp
wäre Brian Mays Gitarrenorchester auf „Killer
Queen“. Aber bei vielen Gitarrenspuren muss
die Phasenlage stim-
men. Durch minimale
Laufzeitunterschiede
entstehen Phasen-
auslöschungen. Da-
her sollte man im Mix noch mal die Spuren
im Zusammenklang auf derlei Phänomene
überprüfen. Der einfachste, aber zuverlässige
Phasenprüfer sind dabei die eigenen Ohren.
Schaltet man eine Spur stumm und plötzlich
klingt es fetter, stimmt etwas nicht. Hier kann
man versuchen, die Phase zu invertieren.
Bleibt zum Schluss noch die Frage: Wohin im
Mix mit dem feinstens aufpolierten Solo?
noch nicht von anderen Instrumenten belegt
sind. Und wie laut soll es sein? Auch da kann
man sich an den Vocals orientieren. Dazu gibt
es einen alten Tontechniker-Trick: Extrem leise
abhören und zwar so leise, dass man so ge-
rade eben noch etwas hört. Ist dann das Solo
noch gut wahrzunehmen, ist es laut genug.
Ein Grundhandwerkszeug ist das
temposynchronisierte Delay.
Eine andere gute Überprüfung ist es,
euren Mix mal mono zu hören.
Da merkt ihr
schnell ob die Pegel in einem guten Verhältnis
stehen und könnt auch die Sololautstärke
gut beurteilen. Wer übrigens meint, dass
Monokompatibilität heute keine Rolle mehr
spielt, der sollte mal einen Spaziergang durch
die Innenstadt unternehmen und darauf achten
wie viele Zeitgenossen Musik auf ihrem Handy
hören. Man sollte sich ruhig dieser potenziellen
Hörerschaft gewahr sein, wenngleich mir diese
Leidenschaft des Musikgenusses ein Rätsel ist.
Außerdem ist so ein Frischluftausflug ein super
Reset für die Ohren, wenn man mal allzu lange
an einem Gitarrensolo-Mix geschraubt hat.
Der Autor
Uli
Emskötter
Gitarrist, Workshop- und
Fachbuchautor (Band Book Bd. 1&2)
ist unter anderem auf den Playalongs
der DrumHeads!!-CD zu hören.
Panning und Pegel
te Frequenzbereiche stark absenken, wie ein
Hochpass- oder Tiefpassfilter. Dann kompri-
miert ihr das Signal beziehungsweise eben
nur auf bestimmte Signalanteile. Natürlich
kann man so auch mit Delays, Hall oder Modu-
lationseffekten verfahren. Durch die Spur mit
dem unbearbeiteten Signal bleibt dessen
Durchsetzungsfähigkeit immer erhalten. Auch
mehrstimmige Gitarrensoli können mehr Tiefe
Ein Solo ist ein eigener Songteil, in dem die
Gitarre die zentrale Rolle der Vocals übernimmt.
Darum gehört ein Solo auf den Platz, den
die Vocals sonst im Stereopanorama haben.
Also, ab in die Mitte. Bei mehrstimmigen Soli
kann man die einzelnen breiter im Stereobild
streuen. Zu weit sollte man allerdings nicht
auffächern, da die Solostimmen sonst mit
den Basic-Tracks kollidieren können. Legt die-
se Spuren am besten nur auf Positionen, die