recording
MIXDOWN
Mischungen vorbereiten
© PPVMEDIEN 2010
MIXDOWN-VORARBEIT
Erst checken –
dann mischen
GUT VORBEREITET GEHT DIE MISCHUNG LEICHTER VON DER HAND
Alles Material vorhanden? Alle Patches gesteckt? Frischer
Kaffee am Start? Dann kann´s ja losgehen! Um zügig und
problemfrei mischen zu können, sollten Recordings und
Equipment adäquat für den Mix vorbereitet sein. Wie
das geht, erläutert euch dieser Workshop. Wertvolle
Tipps hat dabei unter anderem Mixing-Guru Bob
Clearmountain am Start, der schon für Größen wie Bruce
Fotos/Montage: Wilschewski
Springsteen, Bon Jovi oder David Bowie gearbeitet hat.
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In der letzten Ausgabe hat euch der Ton-
ingenieur und Entwickler John Oram im
Rahmen seiner RecMag-Kolumne bereits
einige wichtige Mixdown-Vorbereitun-
gen präsentiert. An dieser Stelle wollen
www.recmag.de
wir uns dem Thema etwas ausführlicher
annehmen und genauer erläutern, wel-
che Vorbereitungen zu treffen sind, um
zügige und problemfreie Mixing Sessions
zu gewährleisten.
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MIXDOWN
Mischungen vorbereiten
Durch konzentriertes Durchhören des angelieferten
Audiomaterials, lassen sich mögliche Störgeräusche
schnell ermitteln.
Mit dem Wort „Phase“ bezeich-
net man die Position innerhalb
einer Schwingung relativ zum
Nullpunkt (Wellental beziehungs-
weise Wellenberg). Bei einem vollen
Phasendurchgang (Wellental bis
Wellenberg) spricht man von einem
360-Grad-Phasenwinkel. Wenn sich
zwei Schwingungen bei genau entge-
gen gesetzter Phasenlage (Wellental
auf Wellenberg) überlagern, kommt
es zu Auslöschungen – die posi-
tiven und negativen Energien der
Schwingung heben sich auf. Diese
Phasenverschiebung um 180 Grad
führt zu den bekannten Problemen:
Das Signal klingt seltsam matt und
kraftlos. Abhilfe schafft hier der so
genannte Phasenschalter.
Hier hilft es, wenn die Edits so gespei­
chert werden, dass der Mixing Engineer
noch die Möglichkeit hat, nachträglich
Änderungen vorzunehmen.
Bei aller Sorg-
falt im Zuge des Recordings, kann es schließ-
Nehmen wir also an, das Material liegt
schließlich in korrekter Form vor.
Nun gilt
es zunächst zu checken, ob die technischen
Gerätschaften eures Studios korrekt kalibriert
und gegebenenfalls zurückgesetzt sind (siehe
hierzu auch das Interview mit Bob Clearmoun-
tain). Anschließend werden die einzelnen Spu
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Solltet ihr nicht nur euer eigenes Ma­
terial mischen, sondern auch für externe
Kunden arbeiten,
empfiehlt es sich, letztere
schon vor der Überga-
be der Songs entspre-
chend zu briefen. So
vermeidet ihr Konfu-
sion während des Mi-
xings, die Arbeit geht
schneller vonstatten und viele lästige Rück-
fragen erübrigen sich. Eine kurze Checkliste
für eure Kunden könnte etwa folgende Fra-
gen beinhalten: Sind alle Datenträger exakt
beschriftet (Songtitel, Audioformat, Sample-
und Timecode-Raten etc.)? Falls das Material
als DAW-Session (Pro Tools, Cubase etc.)
übermittelt wird: Sind alle Spuren möglichst
nachvollziehbar gruppiert (Drums zu Drums,
Gitarren zu Gitarren, Vocals zu Vocals …)?
Wurden alle DAW-Edits korrekt ausgeführt?
lich doch vorkommen, dass etwa der eine
oder andere Crossfade während des Mischens
noch einmal nachgebessert werden muss.
Ein Briefing vor Übergabe des Materials
erspart zusätzliche Rückfragen
Und: Falls der Kunde bestimmte PlugIns für
unerlässlich hält und diese bereits während
des Recordings einsetzt, sollte er unbedingt
darauf achten, die entsprechende DAW-Spur
nicht zu konsolidieren. Wenn dies aus irgend-
welchen Gründen nicht vermeidbar war, sollte
zumindest eine unbearbeitete Version der
betreffenden Spur in der DAW-Session ent-
halten sein.
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ren im Mono-Abhörmodus auf Störgeräusche
überprüft. Hierfür bietet sich auch der Kopfhö-
rern an. So könnt ihr Details besser ausma-
chen. Außerdem werden Störgeräuschquellen
im Studio wie rauschende Computer und Ähn-
liches effektiv ausgeblendet. Der Begriff Störge-
räusch ist selbstverständlich vage. Trittschall,
Übersprechen von Instrumenten oder Kopfhö-
rern etc. wird man im Allgemeinen sicher in
die Kategorie „Unerwünscht“ einordnen. Aber
auch Atmer, Popp- und Zischlaute sollten, so-
fern sie übermäßig auftreten, natürlich entfernt
werden. Um Rauschen, Brummen und ähnlich
konstant auftretende Störgeräusche im Mix-
Setup besser identifizieren zu können, bietet
es sich an, im Song ein kurzes Lead In zu be-
lassen – gerade dann, wenn analoge Kompo-
nenten wie etwa Outboard-Effekte eingesetzt
werden. So entdeckt man auch Geräusche,
die von der Musik überdeckt werden, die sich
aber gerade summiert im Mix störend be-
merkbar machen können. Aus diesem Grund
ist es auch ratsam, einige Sekunden Lead Out
einzuplanen, um mögliche Unregelmäßigkei-
ten, die sich eventuell im Laufe des Songs ein-
geschlichen haben, identifizieren zu können.
Arbeitet man komplett in der digitalen Domä-
ne, verringert sich die Notwendigkeit dieses
Vorgehens klarerweise.
Um tieffrequente Geräusche zu eliminie­
ren, könnt ihr die Low Cuts eures Interfaces
oder Pults nutzen.
Vorsicht ist in Sachen Low
Cut allerdings bei naturgemäß tieffrequenten
Signalen wie etwa Bassdrums geboten. Hier
entfernt man mit dem Griff zum Filter schnell
musikalisch wichtige Frequenzbereiche. Gene-
rell empfiehlt es sich, zunächst die Störquelle
Bei Low Cuts ist Vorsicht geboten, um nicht
wichtige Frequenzbereiche zu löschen
auszumachen, und Unruhestifter wie Monitorein-
streuungen, Netzbrummen und so weiter direkt
an der Quelle auszumerzen. In solchen Fällen
Dynamikprozessoren wie etwa Noise Gates ein-
zusetzen, würde lediglich eine zusätzliche Pro-
cessing-Stufe involvieren, die sich womöglich nega-
tiv auf die Soundqualität auswirkt. Außerdem
arbeiten selbst ausgiebig parametrisierte und gut
eingestellte Gates relativ ungenau. Unversehens
schneidet man so Decays, Hallfahnen etc. ab,
was einen unnatürlichen Sound zur Folge hat.
www.recmag.de
Etwas anders schaut es aus, wenn sich
das betreffende Störgeräusch bereits in
der Aufnahme befindet.
Hier wird man wo-
möglich um das Gate nicht umhin kommen
– vor allem, wenn man auf analoger Ebene
arbeitet und also nicht einfach Edits in einem
DAW-Programm vornehmen kann. In jedem
Fall sollte man sich beim Einsatz von Gates,
vorher die gesamte Spur anhören und darauf
achten, dass leisere Parts nicht unter den
Threshold des Pro-
zessors fallen und
dann ungewollt ab-
gesenkt werden. Ins-
besondere ist dabei
auf die Attack- und
Decay-Phasen des Signals zu achten. Gege-
benfalls muss hier über die Attack- und Re-
lease-Parameter ein möglichst natürlich klin-
gender Kompromiss für die Aufnahme
gefunden werden.
Der Einsatz von Crossfades ist ein probates
Mittel, um Störgeräuschen wie Knacksern zu
Leibe zu rücken.
Der Einsatz von EQs vor dem Mix ist
möglich, gehört aber eigentlich schon in
den Bereich des tatsächlichen Mischens.
Besonders wenn es um das Beseitigen von
Übersprechen geht, ist der EQ denkbar unge-
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MIXDOWN
Mischungen vorbereiten
eignet, da die entsprechenden Frequenzen ja
auch aus dem Nutzsignal entfernt werden.
Ein Tipp für Edits in der DAW: Aktiviert
bei der Auswahl von Audiobereichen die
Funktion „Nulldurchgang“.
Hiermit verhin-
dert ihr Knackser beim Schneiden, da die
Software jeweils bis zum Nullpunkt der Audio-
INTERVIEW mit Bob Clearmountain
Bob
Clearmountain
zählt zu den renommier-
testen Mixing-Engineers
der Welt.
Der US-Ameri-
kaner saß bereits für Grö-
ßen wie Bruce Springsteen,
The Rolling Stones, David
Bowie, The Cure, Robbie
Williams, INXS, Bon Jovi,
Paul McCartney, Dire Straits
und Bryan Adams am Pult, um nur einige zu nennen.
In einem Interview hat uns der Meister verraten, wel-
che Vorbereitungen in seinem Studio getroffen wer-
den, bevor gemischt wird.
RecMag: Bob, welche technischen Vorberei-
tungen triffst du vor dem Mischen?
Bob Clearmountain:
Ich arbeite an einer analo-
gen Konsole. Deshalb setzen mein Assistent und ich
erst einmal sämtliche Outboard-Effekte wie Re-
verbs, Delays und so weiter auf Unity-Gain. Aus
zwei Gründen: Erstens, um sicher zu gehen, dass
alle Recalls perfekt hergestellt werden können.
Zweitens, um einen reibungslosen Austausch von
Effektgeräten zu ermöglichen. Außerdem prüfen wir,
ob alle Wandler korrekt kalibriert sind. Wobei hier
eher selten Änderungen auftreten. In meinem Stu-
dio kommen zwei DAWs zum Einsatz, es muss also
auch sichergestellt werden, dass die Clocks ein-
wandfrei arbeiten. Ich mische via eines Multitrack-
Rigs mit 80 Apogee-D/A-Ausgängen über eine SSL-
4000-G+-Konsole (72 Kanäle) auf ein zweites
8-Kanal-Mixdown-Rig. Der finale Mixdown läuft
über ein Rosetta-800-Interface von Apogee, immer
bei einer Sample-Rate von 88,2 kHz. Beide Rigs
werden über unser House-Video-System synchroni-
siert. Das Mixdown-Rig folgt dem Code des Multi-
tracks. Ich mische immer gleichzeitig in Stereo und
Surround – obwohl der Surround-Mix selten ge-
nutzt wird. Das war es dann im Großen und Ganzen
schon an technischen Vorbereitungen. Ich bin ja der
Einzige, der in diesem Studio arbeitet.
RecMag: Wie entfernst du Rauschen, Klicks
und Ähnliches?
Clearmountain:
Manchmal mithilfe der Gates
meines SSL-Pults, teilweise aber auch durch Edits in
der DAW-Session. Ab und zu verwende ich außer-
dem das X-Noise-Plugin von Waves, das hervorra-
gend funktioniert. Oft gehe ich aber ganz oldschool
und unkompliziert vor, das heißt, ich entferne Stör-
geräusche einfach dadurch, dass ich die Fader der-
jenigen Kanäle mute, in denen Rauschen und so
weiter auftreten.
RecMag: Nutzt du auch Tuning-Software oder
verwandte Tools?
Clearmountain:
Ich verwende niemals Autotune,
Melodyne oder generell irgendein Tool, das „auto-
matisch“ zu Werke geht beziehungsweise mit einem
Auto-Pitch-Sensing-Feature arbeitet. Wenn mal wirk-
lich etwas in einer Spur nachgestimmt werden
muss, verlasse ich mich eigentlich immer auf Waves’
SoundShifter. Die in Frage kommenden Noten pas-
se ich dann komplett nach Gehör an. Das SoundShif-
ter-Plugin arbeitet mit einer ziemlich hohen Latenz,
was einer der Gründe ist, warum es so gut klingt.
Der zu tunende Bereich muss daher per Offset ein
gutes Stück nach vorn gelegt werden.
RecMag: Hörst du dir die Rough-Mixes aus-
giebig an, bevor du mischst?
Clearmountain:
Wenn welche zur Verfügung ste-
hen, ja. Ich achte dann auf das Arrangement und die
Atmosphäre, die der Song vermittelt. Das kann hel-
fen, einen ungefähren Eindruck davon zu bekom-
men, was für eine Art Mix dem Kunden vor-
schwebt.
schwingung auswählt respektive schneidet.
Einzelne störende Zisch- oder Popp-Laute
könnt ihr im DAW-Editor markieren und je-
weils im Gain reduzieren. Achtung: Bei zu
drastischen Einstellungen, riskiert ihr hier un-
ter Umständen Vocals mit Lispel-Effekt. Kurze
(digitale) Klicks könnt ihr gleich komplett aus
der Audio-Datei schneiden. Zoomt hierfür in
eurem Sample-Editor so nah an die betref-
fende Stelle, dass ihr den Klick in der Wellen-
form erkennt. Jetzt lässt sich das Störgeräusch
aus der Datei schneiden oder die entspre-
chende Stelle kann direkt mit dem Stiftwerk-
zeug neu gezeichnet werden.
Nicht wenige Profis mischen noch im­
mer nahezu vollständig auf analoger Ebe­
ne.
Mixing-Koryphäe Chris Lord-Alge (Green
Day, Stone Temple Pilots …) überspielt etwa
sämtliche angelieferten Pro-Tools-Sessions
auf die Bandmaschine seines Studios, bevor
er zu Werke geht. Fakt ist nichtsdestotrotz,
dass Produktionen zunehmend komplett in-
nerhalb der digitalen Domäne umgesetzt
werden – und so auch der Mix im Rechner
vonstatten geht. Gleichwohl wird man die als
DAW-Sessions vorliegenden Tracks in die ei-
gene Software importieren müssen, wobei
Spurenanordnungen, Automationen etc. nor-
malerweise hinfällig werden. Selbst wenn
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erstellten Ordner lassen sich schließen und
schaffen so wertvollen Platz im Projektfens-
ter. Andererseits können auf diese Weise
ganze Spurgruppen wie etwa Drums, Back-
ing-Vocals und so weiter mit einem einzigen
Mausklick gemutet oder wenn gewünscht
solo wiedergeben werden. Auch Bearbei-
tungsfunktionen wie EQ und Ähnliches las-
sen sich immer auf einen gesamten Ordner
anwenden.
Bearbeitungsfunktionen lassen sich
auf einen gesamten Ordner anwenden.
Sind die Spuren importiert und sinnvoll
organisiert und auch alle Störgeräusche
entfernt, kann man einen rudimentären
Rough Mix erstellen
– sprich: die Fader
hochziehen. Auch wenn es eigentlich nicht
vorkommen sollte: Nicht selten entdeckt man
an diesem Punkt noch ein paar schiefe Noten
und/oder schlechtes Timing in der Aufnah-
me. Derartige Malheure merzt man natürlich
am besten schon vor dem Mischen aus. Für
entsprechende Notoperationen kommen die
bekannten Zeitkorrektur- und Tuning-Pro-
gramme in Frage. Welches Werkzeug ihr hier
verwendet, bleibt letztlich eurem eigenen
Geschmack, eurer Kreativität beziehungswei-
se eurem Qualitätsanspruch überlassen.
Wichtig: Checkt, bevor ihr zu mischen
beginnt, die Phasenlage der Recordings!
Phasenprobleme können zum Beispiel an
dieser
Stelle
auftreten, wenn
eine Klangquel-
le über zwei Mi-
krofone abge-
nommen wurde, etwa bei der Abnahme einer
Snaredrum an Ober- und Unterseite. Phasen-
probleme sind relativ leicht am matt und selt-
sam kraftlosen Sound des jeweiligen Instru-
ments zu erkennen. Kern des Problems ist
eine um 180 gedrehte Phasenlage eines der
Signale – was Frequenzauslöschungen zur
Folge hat. Um Derartiges zu beheben, verfü-
gen schon die meisten Pulte und Audio-Inter-
faces über sogenannte Phasenschalter, mit
denen die Phasenlage des betreffenden Sig-
nals gedreht und der natürliche Sound des
Ausgangsmaterials wiederhergestellt werden
kann.
Auch die ordentliche Beschriftung der Spuren
und Mischpultkanäle ist beim Mixdown uner-
lässlich und sorgt dabei für einen reibungslosen
Ablauf.
Die korrekte Beschriftung der angeliefer-
ten Datenträger erspart lästige Rückfragen
und beschleunigt so den Ablauf des
Mischprozesses.
man das gleiche Programm wie der Kunde
verwendet, sind aufgrund verschiedener Ver-
sionsnummern und anderen Faktoren Inkom-
patibilitäten wahrscheinlich.
Es heißt also, vor dem Mischen erst ein-
mal wieder für Ordnung im File-Wust zu
sorgen.
Absolute Pflicht ist die sinnvolle Be-
nennung der einzelnen Spuren und Kanäle.
Um eine möglichst schnelle Orientierung zu
gewährleisten, können die Mixerkanäle in vie-
Vor dem Mischen ist erst einmal
len Sequenzern eingefärbt werden. Oft bietet
es sich an, hier Gruppen zu bilden. So zum
Beispiel: Drums (blau), Vocals (rot) und so
weiter. Dabei sollte man aber bedenken, dass
die Anordnung der Spuren im Projektfenster
normalerweise derjenigen im virtuellen Mixer
entspricht. Insofern gilt es, die einzelnen Spu-
ren bereits im Projektfenster adäquat anzu-
ordnen, also etwa die Gitarren-Spuren ne-
beneinander zu positionieren, um unnötiges
Scrollen zu vermeiden. Viele DAWs bieten die
Möglichkeit, Instrumentengruppen in soge-
nannten Ordnerspuren zusammenzufassen.
Das sorgt einerseits für Übersicht, denn die
www.recmag.de
Ordnung in die Files zu bringen.
Der Autor
Florian
Zapf
Freier Journalist
und ausgebildeter
Tontechniker
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