recording
MASTERING
für klassische Musik
© PPVMEDIEN 2010
Finale
E-MUSIK MASTERING
Grande
DIE FINALE BEARBEITUNG VON KLASSISCHEN PRODUKTIONEN
Die Produktion von klassischer Musik unterscheidet sich im Vergleich zu
vielen anderen Musikrichtungen nicht nur in den Aufnahmetechniken, in
der Postproduktion und im Mix. Auch beim Mastering gibt es deutliche
Unterschiede. Während der finalen Bearbeitung geht es nicht um
Lautheit, Fatness und Druck, sondern es sind andere Dinge die wichtig
sind, wie ihr auf den folgenden Seiten lesen könnt.
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Fotos: Shutterstock, Komposition: KvG
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Viele Musikschaffende meinen, sie könn-
ten mit der sogenannten klassischen Mu-
sik nicht all zu viel anfangen. Dabei finden
sich unzählige Elemente aus klassischen
Kompositionen in der populären Musik
wieder. Aber nicht nur das, denn auch der
Beginn der modernen Tonaufzeichnung
und Wiedergabe hat seinen Ursprung na-
türlich im Bereich der Klassik. Die Ingeni-
eure und Tonmeister aus klassischen Pro-
duktionen haben bei der technischen
Entwicklung immer eine Vorreiterrolle ge-
spielt. Mehr noch als in der populären Mu-
sik war man hier bestrebt, eine bestmög-
liche Qualität und Abbildungstreue zu
erhalten. Vermutlich wäre die Tontechnik
heute ohne die klassische Musik bei wei-
tem nicht so ausgereift.
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Um den Click
zu entfernen,
wird zunächst
ein ähnlicher
Frequenzbereich
ausgewählt und
kopiert. Nun wird
die Auswahl auf
den Click verscho-
ben und der vor-
her ausgewählte
Bereich eingefügt.
Der Click ist weg.
Der finalen Bearbeitung bei einer klas-
sischen Produktion kommt eine andere
Bedeutung zu als in der populären Musik.
Wenn eine Rock oder Popband viele Tage im
Studio verbracht hat und der Mix nun endlich
fertig ist, dann erwartet man vom Mastering
Engineer noch einmal den letzten Schliff. Mit
Hilfe von analogen EQs und Dynamikprozes-
soren wird der Mix noch einmal ordentlich
aufgeblasen, damit es am Ende ausgewogen,
laut und druckvoll klingt. All diese Attribute
spielen bei der finalen Bearbeitung einer
klassischen Produktion keine Rolle mehr. Das
soll nicht heißen, dass kein ausgewogenes
Klangbild angestrebt wird oder dass ein Or-
chesterwerk kein Druck haben soll, aber die-
se Dinge werden nicht im Nachhinein durch
Dynamikprozessoren erzeugt, sondern durch
das Werk an sich, durch die Interpretation des
Dirigenten und des Orchesters.
Alles was an EQ-Einsatz nötig ist (wenn
überhaupt), wird während des Mischens
erledigt.
Die Dynamik wird, im Verhältnis zu
Rock/Pop-Produktionen, so gut wie gar nicht
begrenzt. Lediglich in lauten Passagen kommt
auch hier ein Limiter zum Einsatz. Die letzten
Arbeitsschritte beziehen sich auf das Beseiti-
gen von Fehlern, die Zusammenstellung und
den technischen Teil des Masterings. Dabei
muss man unterscheiden, um was für eine
Veröffentlichung es geht. Wird ein ganzes Werk
veröffentlicht, handelt es sich um eine Aufnah-
me, die bereits während des Mischens voll-
endet wurde. Oft werden Zusammenstellun-
gen verschiedener
Werke veröffent-
lich – beispielswei-
se von erfolgrei-
chen Solo-Künst-
lern oder wenn ein
Komponist seinen 200sten Geburtstag feiert
– die dann von unterschiedlichen Aufnah-
men stammen und daher noch eine sinn-
volle, klangliche Angleichung benötigen.
Das Beseitigen von Fehlern ist heute ei-
ne der Aufgaben die am Ende einer Pro-
duktion stehen.
Durch die hervorragenden
technischen Möglichkeiten, lassen sich Clicks,
Geräusche, Rumpeln, Rauschen und andere
Dinge leichter entfernen, als es früher der Fall
war. Bei der Aufnahme eines 60-köpfigen Or-
chesters können neben dem eigentlichen Nutz-
signal, noch eine ganze Menge Nebenge-
räusche auftreten. Ein knarrender Stuhl, ein
Klappern oder leichtes Trampeln sind hier an
der Tagesordnung. Bei der Beseitigung von
Fehlern geht es also nicht nur um technische
Probleme die beim Mix übersehen wurden,
sondern auch um alles was an Saalgeräuschen
bei einer Aufnahme auftritt. Sehr störend
Man mag es kaum glauben, aber
das Entrauschen einer Aufnahme
kann auch heute noch zu den fina-
lisierenden Aufgaben gehören. Bei
einer Orchesteraufnahme kommen
beispielsweise mehrere Dutzend
Mikrofone und Mikrofonvorverstärker
zum Einsatz, da kann schnell einmal
ein leichtes Rauschen entstehen.
Mit den Algorithmen der heutigen
„Denoiser“-PlugIns lässt sich dieses
aber relativ schnell in den Griff
bekommen und ein ganz leichtes
Grundrauschen gibt der Aufnahme ja
auch eine lebendige Atmosphäre.
Ein Klangbild wird nicht im Nachhinein
erzeugt, sondern durch das Werk selbst.
können aber auch Spielgeräusche von Instru-
menten sein, die dann als akustische Clicks,
oder kurzes Schnarren zu hören sind. Die
Grenzen welche Geräusche noch in Ordnung
sind und welche entfernt werden sollen, sind
sehr von dem jeweiligen Künstler, Produzen-
ten und Tonmeister abhängig. Den einen stö-
ren die Fehler überhaupt nicht, so lange sie
keine technische Ursache haben und der an-
dere echauffiert sich über Atemgeräusche.
Für das Entfernen von Geräuschen und
Fehlern stehen dem Engineer zahlreiche
Tools zur Verfügung.
Beispielsweise gibt es
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und digitalen Fehlern, funktionieren diese
hervorragend. Geräusche und Fehler, die
tiefer im Signal verborgen sind, lassen
sich allerdings nicht so einfach mit einem
PlugIn beseitigen. Hier ist es besser wenn
man direkt auf das Frequenzspektrum des
Signals zugreifen kann und dieses durch
Copy und Paste (beispielsweise Wavelab)
oder mit Hilfe von speziellen PlugIns wie
dem Renovator (Algorithmix) oder dem
Spectrapolator (Cube-Tec) manipulieren
kann. So lassen sich nicht nur kurze und
hochfrequente Geräusche bearbeiten, son-
dern auch ein tieffrequenter Plopp oder
das Rumpeln einer entfernt vorbeifahren-
den Straßenbahn kann eliminiert werden.
Sehr lang anhaltende Fehler wie et-
wa Brummen oder ein sehr hochfre-
quentes Piepen, lassen sich am besten
mit hochwertigen Filtern unterdrücken.
Gegen Brummen aller Art gibt es sogar
spezialisierte PlugIns, die mit sehr schmal-
bandigen Filtern sowohl die Grundfre-
quenz als auch deren Obertöne bekämp-
fen. Weitaus schwieriger zu bearbeiten sind
Live-Aufnahmen, bei denen auch noch
Publikum anwesend war. Halten sich Mu-
Bei einer bunten Zusammenstellung
von unerschiedlichen Werken auf einer
CD richten sich alle Titel nach dem
dynamischten und somit leisesten Titel.
Ein Streichertrio das deutlich lauter ist
als ein sinfonisches Werk würde somit
an dieses angeglichen werden.
auf dem Markt
einige wirklich ef-
fektive PlugIns,
die einem helfen,
Clicks, Kratzer und
tieffrequente Störgeräusche automatisch
zu entfernen. Bei eindeutigen technischen
Bei Saalgeräuschen greift man besser
gleich auf das Frequenzspektrum zu.
siker mit Husten und Niesen noch zurück,
kann das Publikum dies meistens nicht
Hier sieht man gut, wie das Ende musikalisch ausgeblendet wird, das Rauschen aber wei-
ter läuft und alles zusammen durch ein Hall-PlugIn geschickt wird.
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Die Parameter für
Declicker können sehr
vielfältig sein, da so für
jede Art von Click eine
optimale Bearbeitung zur
Verfügung steht.
Beim Entfernen
von tieffrequenten
Störgeräuschen
verhält es sich
ähnlich wie bei
Clicks, allerdings
ist ein Rumpeln
meist länger als
ein Click. Die
Methode des
Austauschen
funktioniert hier
ansonsten
genauso gut.
Spezielle PlugIns zum Entbrummen
entfernen nicht nur die
Grundfrequenz, sondern auch die
Obertöne des Brummens.
unterdrücken. Auch hier kann nur versucht
werden über den Eingriff in das Frequenz-
spektrum etwas zu kaschieren. Dabei sollte
natürlich nur so viel bearbeitet werden, dass
das eigentliche Nutzsig-
nal, nämlich die Musik,
keinen Schaden nimmt.
menten einer klassischen Aufnahme kom-
plett gegensätzlich zu den Ansprüchen der
Rock und Pop Hörer. Zunächst wäre hier das
Thema Zeit zu nennen. Bei einer populären
Ein klassisches Stück darf gerne ein
paar Sekunden Vorlauf haben.
Produktion drückt man Play und der Titel geht
sofort los. Bei einem klassischen Stück hat
man Zeit. Ein bis zwei Sekunden sind Pflicht
und am Beginn eines Werkes oder einer CD
darf der Vorlauf schon mal fünf Sekunden be-
tragen. Weiterhin wird das Grundrauschen oder
die Saalatmosphäre langsam eingeblendet, so
dass der Hörer sich in Ruhe darauf einstellen
kann, dass nun gleich die Musik beginnt.
Das Hörerlebnis soll also dem Live-Er-
lebnis möglichst nahe kommen.
Ebenso
zeitintensiv verhält es sich zwischen zwei Sät-
zen eines Werkes oder auch zwischen zwei
Werken selbst. Pausen von zehn Sekunden
sind absolut normal. Der Hörer braucht eine
kleine Verschnaufpause, um das Gehörte wir-
ken zu lassen und sich auf das Neue einzu-
stellen. Möchte man die Pausen perfektionie-
ren, so sollten sie nicht mit absoluter Stille
gefüllt sein (-∞ dB) sondern mit einer Atmos-
phäre. Das kann das Geräusch des leeren Auf-
nahmesaals sein, oder ein Rauschen oder ein
Saal mit Publikum. Je nachdem, wie die At-
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Besonderes Augen-
merk sollte auf die Übergänge oder Pau-
sen zwischen den Tracks gelegt werden.
Grundsätzlich sind die Ansprüche des Konsu-
Frequenzspektrum
Das Arbeiten im Frequenzspekt-
rum hat die Möglichkeiten Fehler
oder Geräusche zu entfernen und
Audiomaterial zu manipulieren
enorm vereinfacht. Zunächst gab
es einige wenige PlugIns, mit de-
nen es möglich war bestimmte
Frequenzbereiche zu selektieren
und durch Interpolation zu berei-
nigen. Ein typischer Click ist bei-
spielsweise nur in höheren Fre-
quenzbereichen präsent, so dass
auch nur dieser Bereich bearbei-
tet werden muss. Genauso ver-
hält es sich im tieffrequenten Be-
reich. Ein Rumpeln ist auch nur
dort hörbar und muss dement-
sprechend auch nur dort elimi-
niert werden. Neben den PlugIns
bietet heute oft auch die Maste-
ring Software die Möglichkeit das
Frequenzspektrum zu bearbei-
ten. So gibt es beispielsweise in
Wavelab einen passenden Editor,
in dem man frei ausgewählte Fre-
quenzbereiche kopieren kann,
um einen Fehler zu ersetzen. Da
man diese Änderung meist nur in
einem sehr begrenzten Bereich
ausführt, sind die Änderungen
quasi nicht hörbar. Würde man
hingegen den gesamten Fre-
quenzbereich austauschen, wür-
de das natürlich deutlich zu hören
sein. Bei der Manipulation muss
man also äußerst vorsichtig vor-
gehen und jede Bearbeitung
mehrmals akustisch kontrollieren,
denn man darf nicht vergessen,
das der Konsumenten oft sehr
genau hört und vielleicht auch
über dementsprechend hochwer-
tiges Equipment verfügt, welches
auch nicht den kleinsten Fehler
verzeiht.
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mosphäre auf der Aufnahme ist, sollte auch
die Atmosphäre in den Pausen sein. Dazu
kann man sich z.B. kurze Stücke aus der vor-
handenen Aufnahme zurechtschneiden und
in die Pausen setzen. Oder man legt sich ein
Repertoire an Rauschen und Räumen an, auf
welche man zurückgreifen kann. Wichtig ist
auf jeden Fall, dass der Konsument auch
beim Hören mit Kopfhörern das Gefühl hat,
eine durchgehende Aufnahme zu hören.
Werden nicht nur verschiedene Auf-
nahmen zusammengeführt, sondern auch
einzelne Stücke aus verschiedenen Wer-
ken, kann es komplizierter werden.
Nicht
selten gehen die einzelnen Sätze eines Wer-
kes direkt ineinander über, so dass es kein
sauberes Ende gibt. Ein schneller Fade Out ist
meistens nicht möglich, da – wie eben er-
wähnt – alles sehr langsam und gefühlvoll
geblendet wird. In so einem Fall bleibt einem
nichts anderes übrig, als das Ende künstlich
mit einem Hall zu versehen. Damit es wirklich
echt klingt, sollte unter dem Ganzen natürlich
wieder ein Rauschen oder die Saalatmosphäre
liegen. Nun kann man einen kurzen musika-
lischen Fade machen. Das Ende klingt im Hall
nach, der Raum oder das Rauschen bleibt be-
stehen und wenn der Hall verklungen ist,
kann die Atmosphäre ausgeblendet werden.
Ähnlich kann es sich natürlich auch am An-
fang eines Satzes verhalten. In diesem Fall ist
dann aber kein Hall nötig, sondern lediglich
eine langsam eingeblendete Atmosphäre.
Bei einer bunten Zusammenstellung
von Stücken, ist es
wichtig, die Lautstär-
ken gut aneinander
anzupassen.
Natürlich
werden die Pegel auch
bei klassischen Aufnahmen bis zur 0-dB-
Grenze ausgereizt, auch wenn die Dynamik
möglichst nicht weiter begrenzt wird. Demzu-
folge erscheint ein Sinfonieorchester insge-
samt deutlich leiser, als ein Streichquartett
oder ein Piano. Ist in einer Zusammenstellung
ein sinfonisches Werk vorhanden, so richten
sich alle anderen Lautstärken nach diesem
Stück. Da die Musik oft sehr dynamisch ist,
sollten immer ähnliche Abschnitte miteinan-
der verglichen werden. Bei dem Beispiel ei-
ner Pianisten-CD würde man also immer die
Lautstärke des Pianos im Orchester, Solo
oder in anderen Formationen miteinander
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vergleichen. Die klangliche Bearbeitung sollte
sich jedoch in Grenzen halten, da jede Auf-
nahme so originalgetreu wie möglich zu hal-
ten ist. Lediglich bei Stücken, die komplett aus
dem Rahmen fallen, darf etwas Hand angelegt
werden. Besonders auffällig sind etwa unter-
schiedlich stark betonte Bässe und Höhen.
Eine leichte Einschränkung der Dynamik durch
einen Limiter ist erlaubt, wenn es nur darum
geht, einzelne Pegelspitzen abzufangen.
Wie bei jeder anderen Produktion ge-
hört zu der finalen Bearbeitung einer
klassischen Produktion auch das soge-
nannte technische Mastering.
Darunter fällt
unter anderem das Trackmarkering und die
Um Pausen nicht „tot“ klingen zu lassen,
kann man sie mit Rauschen oder einer
Saalatmosphäre füllen. So hat der Hörer
den Eindruck einer durchgehenden
Aufnahme.
Der Konsument möchte das Gefühl
einer durchgehenden Aufnahme haben.
Codierung mit ISRC‘s (International Standard
Recording Code) und dem UPC (Universal
Product Code) für das Master. Mit den Codes
können die einzelnen Stücke (ISRC) oder die
gesamte CD (UPC) identifiziert werden. Wei-
terhin sollten technische Details wie die Pha-
senlage und der Pegel noch einmal überprüft
werden. Danach kann das Master als Audio-
CD, oder wie heute in der Industrie üblich als
DDP-Image (Disc Description Protocol) erstellt
werden. Im Anschluss und zum Abschluss ist
eine gründliche Prüfung des Masters durch
Abhören notwendig, denn ein grober Fehler
ist oft nur einen Mausklick entfernt.
Die Denoiser der heutigen Generation
machen eine gute Arbeit ohne unange-
nehme Artefakte zu produzieren.
Der Autor
Lennart
Jeschke
Der Engineer, Produzent und Autor
kennt die Studio-Szene. Als Mastering-
Spezialist betreibt er sein eigenes
Studio. www.studioexport.de
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